mica-Interview mit "Whats inside a Girl"

Bei der seit 2012 bestehenden Band „What’s Inside a Girl“ dreht sich alles um Referenzen und Zitate. Wenn Joshua Korn (Gesang, Keyboards), Barbis Ruder (Gesang, Violine) und Roman Gerold (Keyboards, Computer) auf der Bühne stehen, beginnt  für das Publikum eine Reise durch die bunte Welt der Pop-Kultur: So trifft etwa eine unverkennbare Melodie aus David Bowies „Life on Mars“ auf „Do-Re-Mi“ aus dem Musikfilm-Klassiker „The Sound of Music“ – während Barbis Ruder und Joshua Korn ein intergalaktisches Stelldichein inszenieren. Mit spielerischer Leichtigkeit verbindet „What’s Inside a Girl“ Zitate und Eigenkompositionen miteinander. Stilistisch bewegt sich das Trio dabei quer durch die Genres Pop, New Wave, Punk, Easy Listening, Grunge und Electro.

Der Kunstanspruch von „What’s Inside a Girl“ dürfte dabei nicht von ungefähr kommen: Barbis Ruder studiert an der Universität für angewandte Kunst in Wien, sie ist Mitinitiatorin von zahlreichen performativen Projekten. Der Londoner Joshua Korn ist Frontman der Cabaret-Pop-Band „Porcelain Hip“, seine humorvolle Art auf der Bühne zu agieren schafft eine Nähe zum Publikum, welche der Band, die sich selbst hauptsächlich als Live Band versteht, sehr wichtig ist. Roman Gerold ist eine Gehirnhälfte des Elektronik-Duos „Ritornell“.

Im Interview mit Petra Anlanger erzählen sie von ihrer Entstehung, ihren musikalischen Einflüssen sowie ihrer Vorliebe zur Performance.

Wie habt ihr zusammengefunden?

 Joshua: Barbis und ich haben uns im November 2011 Backstage im Brut kennengelernt. Ich war dort mit einer anderen Band und Barbis war mit ihren „Stricherjungen“ dort.

Barbis: Ich habe dort gepimpt. Nach „Date an Artist“ habe ich „Pimpette“ etabliert, die sich ausschließlich auf Liebes- und Schmerzdienste spezialisiert hat. Josh und ich haben uns  Backstage zum Joggen verabredet. Er hat dann später auch als kuratierter Prostituierter für mich gearbeitet.

Joshua: Wir hatten beide Lust, ein neues Projekt zu starten. Im Sommer 2012 haben wir dann angefangen, die ersten Skizzen  zu entwickeln.

Barbis: Wir konnten uns zu zweit schwer motivieren und wollten jemanden, der uns mit den Beats hilft. Eigentlich haben wir einen Drummer gesucht. Dann ist mir der Roman wieder eingefallen, den ich von der Schmiede in Hallein (Anm.: Producer Workshop – www.schmiede.ca) kannte. Ich dachte, Roman könnte gut passen, wenn wir ein ironisches Performance-, Pop-, Irgendwas-Projekt machen wollten, da wir uns schon von gemeinsamen Jams auf der Schmiede kannten.

Roman: Ja, ursprünglich war es so gedacht, dass ich hauptsächlich Beats mache, Joshua Klavier spielt und Barbis singt. Mittlerweile hat sich das verschoben, ich spiele mehr Klavier und Josh ist frei geworden und performt jetzt mehr.

Joshua: Ja, stimmt. Eigentlich war eher ich der Live-Keyboarder, wie in meiner anderen Band „Porcelain Hip“, dort bin ich mehr an das Keyboard gebunden. Nun bin ich sehr froh, mit einem so guten Musiker wie Roman zusammenzuarbeiten, der keinerlei Macho-Attitüde hat .

Roman: Ich denke, das ist mit ein Grund, warum auf der Performance – abseits von den Instrumenten – bei „What’s Inside a Girl“ mittlerweile ein Schwerpunkt liegt.

Joshua : Im Oktober 2012 hatten wir drei Lieder und haben damit gleich zwei Konzerte gespielt. Wir haben sie als „Quickies“ bezeichnet. Damals hießen wir noch „TSM“, das stand für „The Sound of Music“. Wenn man das googelte, fand man allerdings die Band „The Suicide Machines“, deshalb brauchten wir einen neuen Namen.

Roman: Das erste Konzert war dann im Atelier „La Fin C’est Merde“ in der Jörgerstraße im ganz kleinen Rahmen.

Joshua: Wir haben einfach unsere drei Lieder gespielt. Und weil sie so gut ankamen, haben wir sie dann gleich noch einmal  gespielt.

Roman: Ich denke, dass das Konzert deshalb so gut geklappt hat, weil es im kleinen Rahmen mit vielen Freunden stattgefunden hat. Ich glaube, dass der Kontakt mit dem Publikum sehr essentiell ist für „What’s Inside a Girl“. Ich vermute, dass dieses Projekt auf einer CD weniger gut funktioniert als live.

Wer schreibt bei euch die Texte?

Joshua: Ich und Barbis.

Wie Läuft eure Zusammenarbeit ab?

Barbis: Die Grundideen für Songs entstehen meistens beim Jammen. Wir kommen auf irgendwelche Textfragmente, die um eine bestimmte Thematik kreisen. Die bauen wir dann aus.

Eure Bühnenshow hat ein sehr humorvolles Element.  Wie wichtig sind euch Humor und Kostüme auf der Bühne?

Joshua: Sehr wichtig. Ich für meinen Teil möchte ein Entertainer sein und ich finde, es schließt sich nicht aus, ein ernsthafter Musiker und Unterhalter zu sein. Ich liebe es, auf der Bühne zu improvisieren. Bei meiner Show dreht sich alles um Emotionen, die sich aus den jeweiligen Stücken beim Performen auf der Bühne ergeben. Inspiration beziehe ich aus den Shows z.B. von Céline Dion, Kate Bush oder Peter Gabriel. Und meine Ansagen sind jedes Mal ein bisschen anders. Ich möchte, dass ein Konzert in jeder Hinsicht ein lustiges Erlebnis wird. Und besonders heutzutage, wo das Angebot so groß ist, muss man dem Publikum einen besonderen Grund bieten, zu einem Konzert zu kommen.

Also finden sich nicht nur in eurer Musik, sondern auch in eurer Performance Referenzen wieder?

Joshua: Ja, absolut. Viele Elemente meiner Show sind eine Hommage an Künstler, die ich schätze.

Roman: Ich glaube, es ist in der aktuellen Popmusik irgendwie folgerichtig, wenn man auf die Performance wieder mehr Wert legt.  Es gibt ja viel Musik, die recht redundant ist, die sehr ähnlich klingt wie andere. Das Wieder-Aufladen von Musik mit anderen Inhalten ist spannend und das Reflektieren über  Musik, musikalische Einflüsse  und Musik-Rezeptionsverhalten ganz klar ein Element von „Whats Inside a Girl“.

Barbis: Mir ist das Performative auch wichtig. Ich mag es, zweite Welten und zweite Realitäten aufzubauen. Das ist dann für fünf Minuten diese Realität und in den nächsten fünf Minuten wieder etwas Anderes. Aber es gibt dann vielleicht doch so etwas wie einen Gesamtbogen.

Joshua:  Mir ist es wichtig, zu betonen, dass wir nicht krampfhaft spielen, sondern dass alles ganz natürlich im Prozess kommt.

Roman: Ich glaube es ist immer auch eine Prise Ironie dabei und eine Freude am schlechten Geschmack.

Würdet ihr euch als der Queer-Szene zugehörig definieren?

Joshua: Nein, wir möchten für alle spielen. Ich bin schwul und für mich ist der Begriff „queer“ komisch, er bedeutet ja „strange“. Außerdem ist der Begriff queer irgendwie ein „Fashionlabel“. Ich möchte natürlich auch für die Queer-Szene spielen, aber nicht nur.

Barbis: Ich finde, man muss unterscheiden zwischen „queer“ und „Queer-Szene“.  Szene bedeutet immer eine in sich geschlossene Gruppe, was eigentlich das Gegenteil von dem ist, was die „Queeren“ sein wollen. Im Grunde sind wir wahrscheinlich extrem queer, aber wir möchten uns nicht nur auf einen bestimmten Kreis beziehen. 

Joshua:  Da es nach wie vor Homophobie in der Gesellschaft gibt, ist es schon wichtig, dass es Schwulen- und Queer-Lokale gibt. Gerade in einer konservativen Stadt wie Wien freue ich mich, wenn ich wo hingehen kann, um andere Schwule zu treffen. Aber es gibt auch Probleme innerhalb der Szene. Ich bin z.B. mit meinen 40 Jahren schon zu alt für die Szene.

Eure Musik ist gespickt mit musikalischen Referenzen. So findet man zum Beispiel in einem eurer Songs die Melodie von „My Favourite Things“ und der „Sugar Plum Fairy“ wieder. Passiert dies geplant oder zufällig?

Roman: Es ist eher beim Proben zufällig entstanden, würd ich sagen. Irgendwie haben meine Finger  einfach die Melodie von „My Favourite Things“ gespielt, wahrscheinlich weil wir grad in E-Moll waren (lacht). Daraus entstand die Idee, „The Sound of Music“ künstlerisch zu verwursten. Dann haben wir allerdings festgestellt, dass „The Sound of Music“ endlich ist und überall haben die Zitate natürlich auch nicht reingepasst. So sind wir von dieser Idee wieder ein bisschen abgekommen und zitieren jetzt alles mögliche.

Joshua: Auch in unseren Texten finden sich Referenzen wieder. Die Lyrics von „You and Me“ stammen eigentlich aus der Titelmusik von einer Fernsehsendung für Kleinkinder.

Barbis: Und man kann ja heutzutage keine komplett neue Sache mehr komponieren. Es ist ganz klar, dass es Passagen gibt, die einen an etwas erinnern. Man kann das Rad nicht neu erfinden.

Euer Bandname ist ja der Titel eines Songs der Band „The Cramps“. Was ist die Geschichte dazu?

Joshua: Barbis und ich haben uns getroffen, um über einen Bandnamen zu reden.  Barbis hatte ihre Tage und starke Krämpfe. Das brachte sie auf die Idee, „The Cramps“ als Bandname vorzuschlagen. Ich sagte ihr, dass es schon eine Band gibt, die so heißt, und zeigte ihr YouTube-Videos. Zufällig war der Song „What’s Inside a Girl“ der erste Treffer. Der Name gefiel uns, weil er doppeldeutig ist, genau wie wir.

Was Sind eure musikalischen Einflüsse?

Barbis: Ich habe früher sehr viel Grunge und Rock gehört. Inzwischen bin ich bei Ö3 angekommen. Ich mag Popmusik und Dance mittlerweile sehr gern. Früher habe ich immer sehr schwere „Die-Welt-hasst-mich“-Musik wie z.B. Radiohead  gehört. Und ich habe eine klassische Ausbildung. Ich habe 13 Jahre Geige gelernt.

Roman: Ich bin mit Easy Listening sozialisiert worden, mein Papa spielt in einer Tanzmusikkapelle.  Ich habe lange Zeit gar nicht gewusst, wie viel Musik es eigentlich gibt und habe gedacht, Céline Dion sei das Beste, was es gibt, das müsse schon der Rand vom Nudelsuppenteller sein. Ich habe auf jeden Fall noch immer eine gewisse Leidenschaft für Schlager, wobei ich sie nicht ironiefrei hören kann.

Joshua: Ich liebe Easy Listening auch sehr. Und ich möchte ein paar Namen nennen, die es verdient haben, genannt zu werden: Doris Day, Julie Andrews, Iggy Pop, Susie Suh, Kate Bush, Stereo Total.

Was inspiriert dich zurzeit am meisten?

Joshua:  Joggen und vielleicht, dass ich Autos hasse.

Barbis: Popmusik, vor allem schlechte Popmusik. Und Klischees und Vorurteile inspirieren mich sehr, weil ich das Spiel damit sehr wichtig finde.

Joshua:  Ja, wir verarbeiten Klischees und Vorurteile, denen wir begegnen, in unseren Songs. Barbis singt zum Beispiel in einem Lied:  „I was empty before I met you“. Das ist zunächst ein Scherz, der sich auf unseren Namen bezieht. Aber er referenziert auch dieses üble Klischee, dass eine Frau ohne einen Mann nichts ist. Ich finde es schade, dass noch im Jahre 2013 so viele Menschen in ihren Rollen gefangen sind. Die Popvideos, die uns inspirieren, sind da irgendwie ein Spiegel der Gesellschaft.

Eure Musik auf Platte zu veröffentlichen könnte ja urheberrechtlich schwierig werden.  Überlegt ihr, etwas zu veröffentlichen, und wenn ja: in welcher Form?

Barbis: Ich finde es ja interessant, dass es in der Musik dieses strenge Copyright gibt, wohingegen in der bildenden Kunst Referenzen ein Werk aufwerten. Wir werden auf jeden Fall irgendeine Form von Demo aufnehmen, aber wir bleiben vermutlich hauptsächlich eine Live-Band.

Joshua: Heutzutage verwendet man Platten, um Werbung für Konzerte zu machen, früher war das umgekehrt.

Roman: Ich finde es toll, wenn sich das Album und der Live-Auftritt derart voneinander unterscheiden, dass sie sich gegenseitig bereichern. Es würde konzeptuell Sinn ergeben, wenn man eine CD-Version ohne Zitate hat und live ergeht man sich dann in ordentlichen „Zitatexzessen“.

Wann sind die nächsten Konzerte geplant?

Barbis: Fix spielen wir am 13. September im Rockhouse in Salzburg, lustiger Weise auf einem Festival, das „My Sound of Music“ heißt, sich aber aus  urheberrechtlichen Gründen nicht direkt auf den Film bezieht. Es ist ein Festival zum Thema Musikvideos.

Fotos: Raimund Schumacher, Maria Morschitzky

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