We Walk Walls sind so etwas wie die derzeitigen Senkrechtstarter der österreichischen Indie-Pop-Szene. Ihr Debütalbum „Ceremonies“ wurde bereits ein Jahr nach der Bandgründung veröffentlicht und zelebriert dabei gekonnt Anfänge und Verfall, feierliche Gefühle und schwermütige Tristesse. We Walk Walls verpacken all diese großen Emotionen in beschwingten Indie- bzw. Dream Pop, der von Patricia Zieglers und Silvio Haselhofs beeindruckenden Stimmen getragen wird. Während also der Albumtitel „Ceremonies“ für die Musik kennzeichnend ist, so lädt der Bandname „We Walk Walls“ ein zur Interpretation. Er impliziert sowohl Bewegung als auch Stillstand. Ein Konzept der Gegensätzlichkeit, welches die vier Musiker aus Wien in ihrem musikalischen und visuellen Schaffen konsequent umsetzen. Live entlädt sich dieses Spannungsfeld, wenn impulsive Performance und fragile visuelle Elemente aufeinander treffen. Diese beeindruckende Mischung war wohl hauptverantwortlich dafür, dass es das Quartett vor kurzem sogar in die Endauswahl der Nominierten für den FM4-Amadeus-Award geschafft hat. Clemens Engert sprach mit Patricia Ziegler (Gesang, Keyboard), Silvio Haselhof (Gesang, Gitarre), Maze Matik (Bass) und Stefan Elsing (Drums, Percussions).
Ihr habt „We Walk Walls“ erst Ende 2012 gegründet – eure Entwicklung seitdem verlief beeindruckend rasant. Wie habt ihr das alles in so kurzer Zeit geschafft?
Silvio: Ich denke, dass wir von vornherein einfach sehr intensiv gearbeitet haben. Da waren dann schon relativ schnell die ersten Ergebnisse da. Die Lieder haben bald konkrete Formen angenommen und wir haben uns gedacht „Warum noch warten?“ und sind gleich ins Studio gegangen. Außerdem hatten wir das Glück, sofort einen Vertrag bei Wohnzimmer Records unterschreiben zu können.
Patricia: Ich glaube auch, dass es eine Kombination aus Glück und dem Entschluss war, gleich von vornherein professionell an die Sache heranzugehen. Wir hatten einfach das konkrete Ziel, Songs zu schreiben und möglichst bald eine CD aufzunehmen und dadurch ist dann auch echt etwas weitergegangen.
Stefan: Wir haben auch zunächst einmal zum Beispiel ganz bewusst darauf verzichtet, live zu spielen, sondern wir wollten zuerst ein Produkt haben, auf dem wir aufbauen konnten.
Euer Debüt-Album „Ceremonies“ wurde letzten Oktober veröffentlicht – schon im März 2013 hattet ihr mit „Goodland“ einen Song und ein dazugehöriges Video, das gewirkt hat, als hättet ihr vorher jahrelang an eurem Sound gefeilt bzw. monatelang über ein Videokonzept nachgedacht.
Silvio: Ja, wir haben eigentlich schon beim Songwriting an einem Konzept abseits der Musik gefeilt. Ich habe das Video zu „Goodland“ im Zuge meines „Film- und Animation“-Studiums gemeinsam mit meinem Team gedreht – das war noch, bevor wir bei Wohnzimmer-Records unter Vertrag genommen wurden. Ich bin aber grundsätzlich schon offen, auch gute Ideen von anderen Leuten aus diesem Umfeld anzunehmen. Uns als Band ist es halt sehr wichtig, dass sich Video und Musik gut ergänzen.
Welchen Stellenwert nimmt bei euch prinzipiell die visuelle Ebene im Vergleich zur Musik ein?
Silvio: Einen großen. Wir arbeiten ja jetzt schon mit Live-Visuals und wollen in Zukunft diesen Bereich noch weiter ausbauen. Ich habe die Vorstellung, dass der visuelle Aspekt bei unseren Konzerten einmal genau so wichtig werden soll wie der musikalische Aspekt – mit einem eigenen Techniker, der nur für die Visuals zuständig ist. Derzeit arbeite ich so, dass ich zu bestimmten Liedern einfach gewisse Bilder im Kopf habe und versuche, diese dann in den Videoprojektionen umzusetzen. Da wir für jeden Song ein eigenes visuelles Konzept haben, ist das natürlich auch zeitaufwändig – aber diese Zeit nehmen wir uns einfach, weil uns dieser Bereich sehr wichtig ist. Leider lässt sich das noch nicht in jeder Location so umsetzen, wie wir das gerne hätten.
Patricia: Ja, man merkt schon teilweise, dass viele Veranstalter etwas erstaunt reagieren, wenn man sie nach einem Beamer und einer Videoprojektionsfläche fragt.
Stefan: Aber mit der Größe der Venues steigen natürlich auch die Möglichkeiten, dass wir das dann so umsetzen können, wie wir das wollen.
Das klingt sehr danach, dass ihr schon ein sehr konkretes Konzept habt, in welche Richtung sich eure Band in Zukunft entwickeln soll. Würdet ihr We Walk Walls als eine Art „Gesamtkunstwerk“ bezeichnen?
Patricia: Ich persönlich würde das bejahen. Mir ist zum Beispiel auch das Outfit sehr wichtig – das, was ich trage, soll zu der Musik passen, die wir machen. Aber wahrscheinlich hat da jeder in der Band eine eigene Meinung dazu.
Silvio: Ich finde einfach, dass es bei einer Band nicht unbedingt ausschließlich um die Musik gehen sollte. Ich persönlich würde mir als Konzertbesucher einfach mehr erwarten, als vier Leuten zuzusehen, die auf ihren Instrumenten herumspielen. Man kann da einfach so viel mehr daraus machen – eine Bühne bietet so viele Möglichkeiten.
Stefan: Es ist ein bisschen so wie beim Essen, wo das Auge ja auch mitisst. Und bei einer Live-Performance sollte das Auge eben auch was „abbekommen“. Es muss halt eben im Gesamten stimmig sein.
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Ihr sprecht in eurem Pressetext von einem „Konzept der Gegensätzlichkeit“ – könnt ihr genauer beschreiben, was ihr darunter versteht?
Silvio: Wenn man sich das Album anhört, ist es stilistisch relativ breit gefächert. Es gibt teilweise diese ruhigen, verträumten, sphärischen Aspekte, andererseits gibt es aber auch durchaus auch rockigere Facetten. Das funktioniert in dem Gesamtkonzept „We Walk Walls“ eigentlich sehr gut und darauf haben wir auch aufgebaut. Grundsätzlich ist es uns einfach wichtig, mit unseren Songs Emotionen zu vermitteln.
Ihr wurdet heuer für den FM4-Amadeus-Award nominiert – ist das überraschend gekommen oder habt ihr insgeheim damit vielleicht spekuliert?
Maze: Damit haben wir wirklich gar nicht spekuliert. Vor einem Jahr hätten wir uns nie gedacht, dass so etwas möglich ist.
Patricia: Es war für uns schon eine große Überraschung, dass wir überhaupt in den erweiterten Kreis der Nominierten aufgenommen wurden, aber, wie wir dann im Endeffekt in der Shortlist der fünf Anwärter gelandet sind, wissen wir eigentlich selbst nicht so genau.
Inwiefern hat sich die Nominierung auf Platten-Verkäufe, Medienresonanz und das Fan-Feedback auf „Social Media“-Plattformen ausgewirkt?
Patricia: Gerade, was den „Social Media“-Bereich betrifft, ist es mittlerweile ein bisschen so etwas wie ein Selbstläufer geworden. Es sind viele neue Fans dazugekommen, die uns schreiben. Interessanterweise nehmen auch zunehmend andere Künstler mit uns Kontakt auf und beginnen, uns ernst zu nehmen. Ich bin ja diejenige in der Band, die für den „Social Media“-Bereich verantwortlich ist, und wir sind da auf verschiedenen Plattformen aktiv. Ohne Facebook geht es ja sowieso nicht, aber wir sind auch auf Twitter sehr präsent, weil man sich dort zum Beispiel sehr gut mit Journalisten vernetzen kann.
Silvio: Auch medial hat sich die Nominierung eigentlich ausschließlich positiv ausgewirkt. Innerhalb von kürzester Zeit haben wir jetzt sehr viel Resonanz bekommen.
Wie entscheidet ihr, wer welchen Song oder welche Songparts singen darf – gibt es da manchmal auch Unstimmigkeiten?
Silvio: Nein, es ergibt sich eigentlich ganz natürlich beim Jammen, wer welchen Part singt. Manchmal hat es auch praktische Gründe – wenn Patricia zum Beispiel bei einem Teil sehr mit den Keyboards beschäftigt ist, ist es naheliegend, dass dann ich den Gesangpart übernehme. Vieles singen wir auch einfach gleichzeitig.
Kommt es bei euch vor, dass zuerst ein Text da ist, zu dem ihr später die Musik schreibt oder ist die Musik immer der Ausgangspunkt?
Silvio: Dadurch, dass die Lieder ja beim gemeinsamen Jammen entstehen, ist automatisch immer zuerst die Musik da. Wir singen dann oft – um eine Melodie zu finden – eine Art „Vorschulenglisch“ dazu (lacht). Also in etwa so, wie sich die englische Sprache für ein Kind anhört.
Was inspiriert euch, wenn ihr Songs schreibt? Sind das Werke von Künstlern, die ihr mögt oder Dinge, die in eurem Umfeld passieren und die ihr beobachtet oder blickt ihr einfach in euch selbst hinein und versucht, eure Emotionen in Songs zu packen?
Patricia: Mich persönlich inspirieren Melodien und Bilder, die ich dabei im Kopf habe und ich versuche das dann auch so umzusetzen. Ich erzähle den anderen auch gerne von diesen Bildern und von meiner Eingebung, die ich zu dem jeweiligen Song habe. Von anderen Künstlern lasse ich mich ehrlich gesagt eher weniger beeinflussen.
Maze: Vielleicht passiert das nicht bewusst, aber im Unterbewusstsein beeinflussen dich andere Künstler wahrscheinlich schon.
Geht das bei euch teilweise sogar so weit, dass ihr vermeidet, euch Musik von anderen Künstlern anzuhören?
Patricia: Nein, das auch wieder nicht.
Silvio: Ich finde die Frage eigentlich sehr interessant. Ich glaube, Matthew Bellamy von Muse hat das einmal eine Zeit lang so gemacht, dass er einfach keine andere Musik als seine eigene gehört hat. Aber eigentlich geht das ja in der Praxis nicht wirklich.
Stefan: Ich kenne das teilweise von meinen früheren Bands: Dass man so in dem drinnen ist, was man gerade macht und quasi einen Tunnelblick hat. Aber irgendwann einmal kommt man dann drauf, dass man eigentlich Musik macht, die einem selbst nicht mehr gefällt, weil man sein musikalisches Radar ausgeschalten hat und es eigentlich Sachen gäbe, die einem viel mehr taugen würden. Ich glaube deshalb schon, dass es für jeden Musiker extrem wichtig ist, „up-to-date“ zu sein und sich für Neues zu interessieren. Die „Klassiker“ sind ja ohnehin im Kopf gespeichert.
Wie ist eure Meinung zu dem derzeit omnipräsenten Diskurs rund um Ö3 und die Förderung österreichischer Künstler?
Silvio: Meiner Meinung geht es einfach darum, dass der größte österreichische Radiosender heimische Musik von vornherein abzulehnen scheint. Das ist natürlich ein Problem, aber ich denke auch, dass viele Künstler, die jetzt in diesem Zusammenhang genannt werden, auch gar kein Interesse hätten, auf Ö3 gespielt zu werden. Aber der springende Punkt ist, dass Ö3 auch eine gewisse Verantwortung haben sollte – einerseits gegenüber dem Hörer und andererseits auch gegenüber dem Land, der den Sender subventioniert.
Stefan: Man kennt ja eh die Hintergründe. Es geht wohl vorrangig um Werbung und deswegen spielen sie wohl auch hauptsächlich Sachen, die so massentauglich sind, dass keiner irgendwie daran Anstoß nehmen könnte.
Es gibt derzeit so viele qualitativ hochwertige Indie-Projekte in Österreich wie nie zuvor, was zum Beispiel mittlerweile auch in großen deutschen Magazinen honoriert wird – worauf führt ihr diese Entwicklung zurück?
Stefan: Das hat sehr viel mit einem gesteigerten Selbstbewusstsein in der heimischen Szene zu tun. Ich denke, dass solche Ereignisse wie das letztjährige Eurosonic-Festival, wo Österreich ja das Schwerpunkt-Land war, viel verändert haben. Viele Bands glauben jetzt an ihre Chance. Und so entsteht dann auch zum Beispiel der Effekt, dass sich die heimischen Bands gegenseitig pushen und so die Qualität immer mehr in die Höhe schrauben. Es wird halt auch immer leichter, mit einem relativ geringen Budget ein Album aufzunehmen – viel mehr Acts haben jetzt einfach die Möglichkeit, etwas zu produzieren, ohne in ein teures Tonstudio gehen zu müssen. Alleine deswegen muss die Qualität schon zwangsläufig steigen.
Silvio: Was die internationale Medienpräsenz – speziell in Deutschland – betrifft, darf man natürlich auch nicht die Vorreiterrolle vergessen, die Bands wie Bilderbuch einnehmen. Das bewirkt einfach etwas in der Szene. Wenn man im Moment aus Österreich kommt, ist es kein Nachteil mehr – mittlerweile ist es sogar eher ein Vorteil. Hinzu kommt, dass sich auch die heimischen Labels in den letzten Jahren immer besser organisiert haben. Dass so etwas wie das Eurosonic-Festival letztes Jahr passiert ist und nicht vor fünf Jahren, hat schon auch einen Grund, denke ich. Derzeit ist die Ausgangssituation für österreichische Bands nahezu optimal.
Patricia: Wie wir zuletzt etwa in den FM4-Charts waren, gab es das glaub ich zum ersten Mal, dass sechs österreichische Acts unter den Top 10 waren. Es sind verrückte Zeiten.
Wie geht es in diesem Jahr für euch weiter?
Patricia: Konzerte spielen und die nächste Platte aufnehmen.
Maze: Die kommt aber erst heraus, wenn wir alle damit zufrieden sind. Da machen wir uns keinen Stress.
Silvio: Aber, dass das nächste Album 2015 rauskommt, ist quasi fix.
Zum Abschluss: Wenn ihr drei Platten auswählen müsstet, die ihr auf eine einsame Insel mitnehmen könnt, welche wären das?
Patricia: Eine davon wäre „Under The Pink“ von Tori Amos – dann eine Compilation-Schallplatte aus den 60ern namens „It´s My Party“ und als Drittes würd ich vielleicht sogar die erste CD, mitnehmen, die ich je gekauft habe. Das war irgendeine aus der „Just The Best“-Reihe.
Silvio: Ich glaube, ich würde von Tocotronic das Album „Kapitulation“ mitnehmen – da sind so ein paar Geschichten oben, falls einem fad wird auf der Insel. Das Zweite wäre „Best of Toto“ und das Dritte ein Joy Divison-Gesamt-Package.
Stefan: Von Roxette „The Look“, die LP-Version. Außerdem von der Band Passion Pit das Album „Manners“ und von Queen „Greatest Hits II“.
Maze: Von den Deftones „Around The Fur“. Dann noch „Manu Chao Live“ und irgendeine „Best of Bob Dylan“-CD.
Danke für das Interview.
We Walk Walls live:
24. 05. – Donaukanaltreiben 2014, Donaukanal, Wien
21. 06. – Im Grünen Festival, Kirchanschöring (D)
25. 07. – Popfest Wien, Karlsplatz (Treitlstraße 2), Wien
26. 07. – Hausarock Festival 2014, Bäckerberg im Almtal
01. 08. – Stuck Festival 2014, Rockhouse, Salzburg