mica-Interview mit Stefan Redelsteiner (Problembär Records)

Das Wiener Label Problembär Records ließ im vergangenen Jahr mit Der Nino aus Wien und Parkwächter Harlekin aufhorchen. Dass hier neben der üblichen Label-Spur gearbeitet wird, zeigt sich nicht nur im Repertoire. Labelboss Stefan Redelsteiner pflegt eine eigene Philosophie. Hier wird zwischen sympathischer Wurschtigkeit und großer Leidenschaft Musik verlegt. Von Johannes Luxner.

„Popmusik ist ein Fenster in eine schönere Welt”

Stefan Redelsteiner mag verschrobene Rituale. Wenn sein Labelstar – Der Nino aus Wien – pressfrische Labelware benötigt, kommen die Tonträger nicht am herkömmlichen Weg per Post ins Haus. Weil die beiden nur wenige hundert Meter voneinander entfernt wohnen, werden die CDs für gewöhnlich an einer einsamen Donaustädter Bushaltestelle überreicht. So auch unlängst. Spät am Abend war es, und da die beiden nicht unbedingt aussehen wie durchschnittliche Theresianum-Absolventen mit elmayer’schem Benimmschliff, gesellte sich rasch eine Polizeistreife dazu. „Was machen Sie hier und was haben Sie in der Tasche“, lautete die bestimmt formulierte Frage. „Wir sind Popstars und das sind unsere Arbeitsutensilien”, wusste Redelsteiner schlagfertig zu antworten, „sie können ja eine CD haben.“ Dass es ob der Antwort etwas Überzeugungsarbeit bedurfte, um den Uniformierten den Labelsampler schmackhaft zu machen, versteht sich. Schlussendlich landete der Tonträger trotz der Skepsis im Fahrzeug der Exekutive. Doch anstatt geradeaus davon zu fahren, machte der Polizeiwagen nach 50 Meter wieder kehrt: „Das ist ja Supermusik“, lautete die Ansage aus dem herunter gelassenen Fahrzeugfenster. Und weil der mit der CD überreichte Label-Flyer ein Hansi-Hinterseer-Foto zum Spaß-Sujet hatte, herrschte Verwunderung: „Aber wie Hansi Hinterseer Fans schauts ihr aber net aus.“ Stefan Redelsteiner amüsiert sich auch nach Wochen über die heitere Begegnung mit den Beamten und zieht seine Schlüsse: „Fred Schreiber, von dem der Song stammte, besitzt die Kraft uns mit der Exekutive zu versöhnen. Er hat die Beamten mit seiner Popstimme bezirzt. Nur gut, dass sie nicht den fünften Song des Samplers angespielt  haben. Der heißt nämlich Bullenstrich.“

Mehr Erklärung in Hinsicht auf Problembär Records ist eigentlich gar nicht nötig, um das musikalische und außermusikalische Wesen des Wiener Labels fassbar zu machen. Hier geht es bei weitem nicht um straighte Musikwirtschaft und Quotendenken. Dabei wundert sich Stefan Redelsteiner manchmal selbst darüber, wie sich die Dinge in den vergangenen drei Jahren entwickelt haben: „Ich habe selbst nie gedacht, dass es mit dem Label so ernst wird. Denn eigentlich war pure Langeweile ein großer Antrieb. Ich habe mir auch nie erwartet, dass unsere Musik so viele Menschen interessiert. Es war ja auch kein finanzielles Interesse im Spiel.“ Problembär-Records-Künstler wie Der Nino aus Wien oder Parkwächter Harlekin sind längst Dauergäste im Jugendradio FM4 und fügen sich bestens in den Kanon der erblühten heimischen Popmusik der vergangenen Jahre ein. Nicht zuletzt Ninos Gastspiel am letztjährigen Popfest verdeutlicht dies.

Dabei ist die Labeltätigkeit einer eigenen aktiven musikalischen Tätigkeit entsprungen. Redelsteiner: „Ich habe in diversen, meist schlechten Bands gespielt, und dadurch entsprechende Kontakte gehabt. Außerdem bin ich die Sorte Mensch die sich jeden Tag in irgendeinem Kellerlokal ein Konzert anschaut. Und damals kam mir oft der Gedanke, dass es toll wäre wenn diese oder jene Band ein Album hätte.“ Redelsteiner spielte etwa eineinhalb Jahre in der Band von Der Nino aus Wien, um sich irgendwann selbst einzugestehen, dass es um seine musikalischen Fähigkeiten tendenziell bescheidener bestellt war. Dafür herrschte Selbstreflexion genug andere Talente an sich zu entdecken. „Mir war rasch klar, dass mir das managerhafte Denken durchaus gut liegt. Meine eigenen Bands haben zwar meistens furchtbar geklungen. Dafür hatten sie immer gute Fotos. Ich hatte da schon die Gabe für einen eher gesamtheitlichen Blick.“ Was nicht von irgendwo herrührt. Redelsteiner hat sich seit Teenagertagen entsprechend akustisch gefüttert. Angesichts der musikalischen Beschaffenheit von Problembär Records wenig verwunderlich, dass sich die Musikliebhaberei vorwiegend im Indie- und Underground-Bereich abspielt. „Mich hat das Ungekünstelte und das Authentische angezogen.

Konstruierte Disneyprodukte haben mich nie interessiert, auch wenn ich eine große Popliebe in mir habe“, so der 28-jährige gebürtige Floridsdorfer, der keinen Hehl daraus macht seine Probleme mit Autoritäten aller Art zu haben und deshalb Musik als perfektes Mittel für einen gewissen Eskapismus aus dem ohnehin viel zu tristen Alltag zu entdecken: „Das spießige Leben in Floridsdorf hab ich kaum ausgehalten. Popmusik ist ein Fenster in eine schönere Welt.“

Deshalb liegt der gemeinsame Nenner der Problembär-Records-Produkte nicht unbedingt im Musikalischen. Es geht vielmehr um Haltung und Persönlichkeiten, die gut zusammen passen. Redelsteiner ist es ein Gräuel Anbiederungen erfahren zu müssen. Vor allem in Hinsicht auf die Erweiterung des Repertoires: „Wer Demos mit allzu netten Briefen ans Label schickt, kann sich sicher sein nicht gesigned zu werden“, schmunzelt Redelsteiner der auf keinen Fall mit „Sehr geehrtes PR-Team” angesprochen werden will: „So geht das bei uns einfach nicht. Sowas kann nie und nimmer wie ein Verkaufs- oder Einstellungsgespräch ablaufen. Da wird mein Jagdinstinkt nicht befriedigt. Ich möchte eher in einem Lokal auf etwas stoßen und ich mag es wenn die Leute mich lange nerven. So wie der Nino zum Beispiel“, führt Redelsteiner abermals schmunzelnd seine ureigenen Ansichten in Hinsicht auf das Rekrutieren neuer Künstler aus. Dass angesichts des Erfolgs des Labels das vergangene Jahr in erster Linie mit großen Umstrukturierungen verbunden war, verwundert wenig. Auch wenn das Label immer noch als Redelsteiners One-Man-Show zu betrachten ist: „Es wäre aber krank das Label so weiter zu führen wie bis vor einem Jahr. Man muss Problembär Records auch sinnvoll erweitern und es gibt klare Pläne. Das Ziel mit dem Nino ist Hits in den Charts zu haben. Das war von Anfang an das Ziel.”

Für 2011 steht jedenfalls viel Arbeit an: In fester Planung sind Longplayer von Fred Schreiber, Das Trojanische Pferd und Neuschnee.

Foto Stefan Redelsteiner: Problembär Records

 

Problembär Records ist im mica club im Februar 2011 das “Label des Monats” und wartet für mica club-Mitglieder mit einem wirklich tollen Angebot auf.

Näheres dazu

http://www.problembaerrecords.net