mica-Interview mit Squalloscope

Anna Kohlweis ist Squalloscope. Vorher war sie Paper Bird. Was auf den ersten Blick etwas verwirrend anmutet, ist nur eine weitere Häutung einer der spannendsten Songwriterinnen des Landes. Nach drei Alben als Paper Bird hat sich die in Wien lebende Kärntnerin nun in Squalloscope verwandelt – und legt das neue Album „Soft Invasions“ vor. Mit Sebastian Fasthuber hat sie über Identitäten, Reisen, Heimarbeit, ihre Texte und ihrer hehres Verständnis von Künstlertum gesprochen.

Du hast unter dem Namen Paper Bird bereits drei Alben veröffentlicht. Warum musste nun ein neuer Name her?
Das war reine Gefühlssache. Das ist wie mit Spitznamen: Der Spitzname, den man mit 18 gehabt hat, passt neun Jahre später einfach nicht mehr. Ich bin da rausgewachsen. Es ist nicht so, dass ich mich vom alten Material abkapseln würde, ich habe auch durchaus Interesse daran, als Paper Bird noch Material zu veröffentlichen. Für das neue Songmaterial hätte der Name aber einfach nicht mehr gepasst, die Songs sind unter ganz anderen Bedingungen entstanden. Innerhalb eines Jahres hat sich in meinem Leben viel geändert. Vor „Soft Invasions“ wurde alles in Wien oder in Klagenfurt geschrieben, Musik war sehr zu-Hause-spezifisch. Diesmal habe ich auf Reisen zu schreiben begonnen. Daraus hat sich das komplette Songmaterial entwickelt.

Soweit ich weiß, war das eine Reise durch die USA. Ganz klassisch von der Ost- zur Westküste?
Ja. Ich bin im April 2010 nach New York geflogen und habe dort Freunde besucht, unter anderem Ian Fisher, der auch am Album zu hören ist. Dann habe ich Verwandte besucht und bin mit dem Zug bis San Francisco gefahren. Im Februar und Oktober 2011 war ich noch zweimal dort, weil sich durch das Reisen doch wichtige Verbindungen zu einigen Menschen ergeben haben.

Was war der Grund für die Reisen?
Das war auch mit einer Trennung verbunden. Kurz vor dem Release des letzten Paper Bird-Albums hat es sich ausgebeziehungt. Das war schon ein Selbsttherapieding, dass man merkt, was man eh alles auch alleine unternehmen kann. Diese Bewegung, im geographischen und mentalem Sinn hat sehr viel angestoßen.

Haben sich deine Texte als Squalloscope verändert?
Sie sind konkreter geworden. Wenn man mehr Selbstvertrauen in das hat was man macht, tut man sich vielleicht auch leichter damit, sein eigenes Gesicht draufzukleben. Natürlich schreibe ich noch immer gern in Metaphern, ich spiele einfach gern mit Sprache. Mit 18 dachte ich mir manchmal noch: „Da ist jetzt was passiert, da sollte ein Lied drüber geschrieben werden.“ Dann packt man die Geschichte in Schichten von Metaphern weil man insgeheim vielleicht denkt, dass die Thematik zu trivial ist. Ein paar Jahre später schöpft man dann vielleicht aus einem größeren Topf von Erfahrungen und stellt fest: Da ist was passiert, ich war dort, das ist für mich eine gute Geschichte die ihre Existenz nicht rechtfertigen muss und Punkt. Das was dann an Metaphern benutzt wird, hat einen sprachästhetischen, und keinen dekorativen Grund.

Wie bist du eigentlich auf den neuen Namen gekommen?
Ich mag das Schriftbild und den Klang des Wortes „Squall“. Und ich mag Anhängsel wie „-scope“ oder „-rama“. Ich mag Worterfindungen. Vermutlich gibt es Labels, die einem sagen würden, man begeht Promo-Selbstmord, wenn man seinen Namen ändert. Aber Seayou Records fand den Namenswechsel glaub ich genauso spannend und gut wie ich selbst.

Ist die Platte auch anders entstanden als die Paper Bird-Alben?
Ich habe diesmal mit vielen tollen Musikern gearbeitet. Ich bin in der schönen Situation, dass ich durchs Musikmachen viele Leute kennengelernt habe, die sowohl Freunde als auch großartige Musiker sind.

Aber du hast die Platte wieder zu Hause aufgenommen. War nicht der Wunsch da, mal in ein Studio zu gehen?
Nein, das hätte für mich keinen Sinn ergeben und ist auch eine Zeit- und Geldfrage. Ich starte meistens mit einem Text und einem auf Gitarrenakkorden oder Beats basierendem Grundgerüst. 95 Prozent der Musik entstehen erst beim Aufnehmen.  In einem Studio müsste ich mit einem fertigeren Konzept ankommen. So unzufrieden wie ich jedoch oft mit ersten Aufnahmen bin, kommt es oft vor, dass ich etwas Fertiges wieder verwerfe und ganz neu anfange. Zuhause zu arbeiten, das ist für mich die natürlichste Arbeitsweise. Ich brauche mein heimeliges Umfeld.

Musikalisch verabschiedest du dich auf dem neuen Album ein bisschen vom Folk. Es sind mehr Beats drauf, mehr Elektronik.
Das hat einerseits mit meinen musikalischen Möglichkeiten zu tun. Es ist für das programmieren von Beats sehr dienlich, wenn man die Programme endlich einigermaßen bedienen kann (lacht). Auf der anderen Seite hängt es mit dem zusammen, was ich in den letzten Jahren gehört habe. Ich bin schon sehr HipHop-affin. Es gibt gewisse musikalische Outputs, an denen ich sehr hänge. Zum Beispiel Saul Williams, Sage Francis. Das neue Roots-Album finde ich auch sehr schön.

Du singst sehr gut Englisch, fast wie eine Native-Speakerin. Wie bist du aufgewachsen?
Meine Mutter ist Englischlehrerin, in meiner Kindheit waren englische Kinderbücher und Filme ziemlich präsent. Und ich wusste, dass es in der USA Familie gibt, die uns auch ab und zu besucht hat. Das war unterbewusst vermutlich schon wichtig. Ich habe ja auch ein großes Interesse an Familiengeschichten, so wie allen guten Geschichten. Dass sich der Kontakt zwischen hier und dort seit die Schwester meines Urgroßvaters als sie in meinem Alter war auswanderte über 100 Jahre halten konnte, ist ein schöner Glücksfall. Ich werde ja ganz wuselig bei solchen Geschichten und muss dann alles hören und wissen.

Und wie ist dein Verhältnis zur Kärntner Heimat?

Dieses arge Kärnten habe ich als Kind ganz lang gar nicht mitbekommen (lacht). Es hat mich dann schon ziemlich schockiert, als ich draufgekommen bin, was um mich herum abgeht. Man findet sich ja auch immer gleich in schönen Diskussionen, wenn man erwähnt, dass man aus Kärnten kommt.

Du studierst an der Akademie. Würdest du sagen, Musik und Bildende Kunst sind für dich gleich wichtig?

Auf jeden Fall. Wenn ich aufnehme, geht mir das Visuelle extrem ab. Und umgekehrt. Ich brauche eine Balance.

Mit deiner Musik verfolgst du gar keine kommerziellen Ziele?
Es ist der Musik bestimmt oft hinderlich, dass man Geld damit verdienen will. Ich verstehe es aber absolut, wenn man kommerzielle Ziele verfolgt. Ich verstehe auch, warum man seine Musik für Werbung hergibt, ich lebe ja auch von der Hand in den Mund. Aber mir tut halt manchmal trotzdem mein naiv-idealistisches Herz weh, wenn ich so etwas mitkriege.

Hängst du eigentlich noch am Album? Immerhin hast du in relativ jungen Jahre schon vier Stück gemacht.
Eigentlich nicht so. Ich habe irgendwie das Gefühl, beim nächsten Mal bringe ich vielleicht zwei EPs raus anstatt einer großen Geschichte. Wenn ich neue Bands entdecke, höre ich mir selbst auch gerne EPs an. Zum Kennenlernen von neuer Musik ist das Format super. Und für mich selber wäre es zum Experimentieren interessant.

Fotos: Philipp Forstner

 

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