Mit “Line Of Beauty And Grace” wurde diese Tage die Debüt-EP der Formation Songs Of Claire Madison veröffentlicht, hinter der mit Robert Pinzolits, Thomas Pronai und Andreas Spechtl fast durchwegs bekannte Namen stecken. Einzig Songschreiber und Impulsgeber Stephan Peck vermag es wohl, Beobachtern der heimischen Musiklandschaft noch ein erstauntes “Wer?” abzuringen. Im Interview stellt dieser das Projekt vor, das es allen Beteiligten ermöglicht hat, eine andere musikalische Facette zum Vorschein kommen zu lassen. Das Interview führte Michael Masen.
Die aktuelle EP ist ja unter dem Projekt-/Bandnamen “Songs Of Claire Madison” erschienen. Lässt sich daraus schließen, dass das Ganze eher mehr als Gemeinschafts- denn als Solo-Projekt angelegt war?
Es ist schon einerseits ein Bandprojekt, da Thomas Pronai (Beautiful Kantine Band) und ich gleichermaßen am Songwriting beteiligt waren. Andererseits ist es aber auch irgendwie mein Ding, weil ich an die verschiedenen Leute mit dem Vorschlag herangetreten bin, uns einem gewissen Genre anzunähern. Dieser Impuls ging also eindeutig von mir aus.
An sich ist aber schon alles im Kollektiv entstanden, was man ja auch stark an den vier Songs merkt, die wir jetzt für die EP aufgenommen haben. Nämlich in dem Sinne, dass eben genau dadurch, dass bisher niemand von uns aktiv etwas mit dem Genre “Folk” oder “Country” zu tun hatte, das Ganze ein sehr nettes Format angenommen hat. Im Gitarrenspiel von Andreas Spechtl beispielsweise oder auch beim Schlagzeug von Robert Pinzolits ist immer so eine Art Bruch drinnen, was so in etwa auch der Plan war.
Die Intention, das alles aufzuziehen, ist aber schon von dir ausgegangen?
Ja, die ist von mir ausgegangen. Ich habe ja auch lange Zeit mit Thomas Pronai in der Beautiful Kantine Band als Schlagzeuger gespielt und dann nebenbei begonnen, auf der Gitarre rumzuschrammen und mich auch ein wenig in der Americana-Ecke umzusehen und -hören. Das hat mich eben interessiert. Was ich aber nie wollte war, so richtig klassische Lagerfeuergeschichten zu machen, abgeleitet aus irgendeinem Authentizitätsanspruch. Ich bin ja auch im Burgenland und nicht in Minnesota aufgewachsen, was mit einem derartigen Anspruch einfach nicht zusammen gehen würde. Es gab aber unsererseits dennoch die Absicht, das alles trotzdem halbwegs reflektiert in Songs zu bringen, richtige Songformate, und eben keine Angst vor Refrain-Strophe-Refrain-Strophe-Solo-Refrain-Fade-Out-Schemata zu haben.
Ist der Beschluss, diese Musik zu machen, sozusagen von heute auf morgen gefallen, oder hast du den Gedanken schon länger mit dir herum getragen?
Es hat sich vor allem über Hörerlebnisse entwickelt, also dass ich einfach angefangen habe, alte Musik auszugraben und mich nebenbei für gewisse Harmonien und Spielweisen interessiert habe. Das war also schon eher ein langfristiger Prozess. Zwischenzeitlich habe ich dann für ein paar Jahre öffentlich auch überhaupt keine Musik mehr gemacht, sodass “Songs Of Claire Madison” quasi als Studioband begonnen hat.
Am Anfang habe ich mich einfach mit Thomas Pronai, der die EP ja auch produziert hat, zusammen gesetzt und ein paar Songs aufgenommen. Das geht jetzt schon seit vier Jahren so, ungefähr im Vierteljahres-Takt. Es ist jedenfalls als längerfristiger Prozess anzusehen, der auch sicher noch nicht abgeschlossen ist.
Wie lange habt ihr an den Songs gefeilt, die jetzt auf der EP drauf sind?
Überhaupt nicht. Das ist alles sehr old school-mäßig abgelaufen, dahin gehend, dass wir uns an einem Vormittag getroffen, uns gegenseitig die Stücke vorgespielt und diese dann gleich ziemlich unmittelbar aufgenommen haben. Der Großteil wurde auch live eingespielt, was dem Ganzen, wie ich finde, eine gute Dynamik verliehen hat. Dadurch wird auch das dahinter liegende Konzept verstärkt, nicht alles perfekt und rund machen zu wollen, sondern auch Brüche zuzulassen. Das ist uns glaube ich ganz gut gelungen.
Diese ganze Aufnahmesituation wurde aber einfach auch dadurch bedingt, dass wir mittlerweile alle ziemlich versprengt sind. Es wohnt nur noch einer in Wien, während ein anderer im Burgenland sitzt bzw. wieder einer nach Berlin verzogen ist. Und ich selbst bin jetzt die meiste Zeit beruflich in Salzburg. Demnach ist es halt schwierig, sich oft zu treffen und es musste alles in Kürze abgewickelt werden.
Hat es da aufgrund der ziemlich knapp bemessenen Zeit überhaupt keine Probleme gegeben, musikalisch zusammen zu finden, zumal ihr ja alle doch aus verschiedenen stilistischen Ecken kommt?
Nein, eigentlich kaum. Für mich war es auch immer klar, dass ich diese Sache nicht mit irgendwelchen Leuten machen wollte, sondern genau mit denen, die jetzt eben dabei sind. Es war natürlich schwierig, die alle so zusammen zu bringen, aber letztendlich hat es sich als äußerst fruchtbare Angelegenheit erwiesen.
Inwieweit hast du Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit die alle bei dir einsteigen?
So gut wie überhaupt nicht. Obwohl etwa Robert Pinzolits klar von der Elektronik und von der Postrock-Ecke kommt, finden sich in seiner Plattensammlung doch auch sehr viele Alternative Country-Sachen. Wir hegen beispielsweise beide eine Leidenschaft für Magnolia Electric Co. Auch mit Thomas Pronai habe ich schon irrsinnig viele Stunden damit zugebracht, alte Byrds- oder Dylan-Platten durchzuhören und und der Andreas Spechtl wurde sowieso von Kindesbeinen an von seinem Vater mit Bob Dylan großgezogen.
Auf den ersten Blick gibt es vielleicht nicht viele Anknüpfungspunkte aber auf einer darunter liegenden, zweiten Ebene besteht doch bei jedem von uns eine gewisse Affinität zu dieser Art von Musik. Und ich habe das Gefühl, dass es allen Spaß macht, genau das in dieser Band ausleben zu können. An sich ist das hier ja ein Seitenprojekt für alle Beteiligten, aber eben ein Seitenprojekt im besten Sinne.
Hat es auch irgendwelche Ambitionen gegeben, stilistische Grenzen mehr auszuloten oder habt ihr einfach an traditionelle Songformate angedockt?
Ich glaube, dass diese traditionellen Strukturen am ehesten noch im Songwriting angelegt sind und sich dann aber wieder verflüchtigen, umso mehr wir zusammen spielen. Das merkt man jetzt gerade wieder bei den wenigen Proben die wir hatten. Da nimmt alles sofort eine eigene Dynamik an, wird rockistischer und beim Live-Spielen dann auch wilder. Aber ich glaube, das ist eine ganz gute Erfahrung.
Wie viele Stücke habt ihr derzeit im Repertoire?
Genug, um hoffentlich einen Abend bestreiten zu können Insgesamt sind das so zwölf Songs.
Ausschließlich eigene Sachen?
Es ist eine Cover-Version dabei. Wir planen ja auch bereits die nächste Veröffentlichung, wobei hier die Idee aufgekommen ist, ausschließlich EPs zu machen, alleine schon, um dem Zustand Rechnung zu tragen, die wenige Zeit, die wir zum gemeinsamen Spielen haben zum Aufnehmen zu nutzen. Für uns ist das nicht allzu schwierig, weil der Thomas ja ein Studio hat, wo wir das machen können. Man muss sich dann halt auch überlegen, wie ambitioniert das alles werden soll und wie viel Zeit man investieren kann und will. Es ist ja grade so, dass Andreas mit Ja, Panik einfach sehr viel spielt und dementsprechend bei uns alles eher im kleinen aber feinen Rahmen bleibt.
Nach welchen Kriterien habt ihr unter den fertigen Stücken diejenigen ausgewählt, die man jetzt auf der EP hören kann?
Es ist so, dass jeweils zweitägige Aufnahmesessions insgesamt sieben Songs ergeben haben. Wir haben von jeder Session, zwischen denen ungefähr ein Jahr gelegen ist, zwei Songs verwendet. Ich glaube, man merkt auch den Unterschied zwischen diesen beiden Aufnahmetagen, wenn man sich die EP anhört, was aber durchaus so gewollt ist.
Natürlich überlegt man sich, inwiefern gewisse Differenzen bestehen sollten bezüglich Rhythmus und Harmonie und wie das alles zusammen passen könnte. Wir haben ja auch sozusagen versucht, eine Art Konzept-EP zu machen, die inhaltlich dem Titel “The Line Of Beauty And Grace” folgt. In den Texten geht es dabei sehr viel um Reisen und Bewegung, was auch dann im Instrumentalen, rhythmisch, fortgeführt wird.
Hattet ihr dieses Konzept bereits beim Schreiben der Songs im Hinterkopf oder ist euch das erst nach Fertigstellung klar geworden, dass sich da quasi ein roter Faden durchzieht?
Das war durchaus schon beim Songwriting im Kopf. Line Of Beauty And Grace – darauf bin ich durch ein Selbstporträt des englischen Malers William Hogarth gekommen. Auf dem Bild sieht man einen Spiegel, daneben einen Hund und auf der anderen Seite eine Malpalette, die mit dieser Linie versehen ist, die auch unser EP-Cover schmückt. Hogarth hat viele ästhetische Studien betrieben, um die perfekte Linie zu finden. Das hat mir sehr gut gefallen und ich hatte von Anfang an aber immer auch das Bild von einem Zug im Kopf. Wenn man nahe bei einem Krankenhaus seine Wohnung hat und die ganze Nacht die Rettungswagen vorbei fahren hört, dann stellt man sich eben diesen “Slow Train” vorüberziehend vor, was sich natürlich auch im Songwriting nieder schlägt. Das ist wieder so ein Beispiel dafür, dass man schon einen Ausdruck findet über dieses Genre, dann aber auch schnell die Grenzen erreicht sind.
Wollt ihr diese Konzept-Linie auch für etwaige Nachfolge-Veröffentlichungen beibehalten?
Das war jetzt nur einmal bei dieser EP der Fall. Für die nächste Veröffentlichung werden wir uns wieder etwas Anderes überlegen. Ich würde überhaupt gerne mal eine Soul-Platte machen. In letzter Zeit habe ich viel Isaac Hayes gehört.
Sind das jetzt mal bloße Gedankenspielereien oder gibt es zum Thema “Soul-Platte” schon konkretere Überlegungen?
Nein, das sind absolute Hirngespinste. Aber aus eben solchen ist auch die aktuelle EP hervor gegangen.
Man wird von Songs Of Claire Madison also auf jeden Fall noch weitere Werke erwarten können?
Ja, sicher. Unser Vorteil ist glaube ich auch, dass wir nicht in einem klassischen Bandkonzept funktionieren, sondern sich jeder eigenständig etwas überlegen kann.
Dieses Soul-Projekt würdest du dann auch mit genau denselben Leuten umsetzen wollen?
Ja, auf jeden Fall. Ich kenne die ganzen Leute ja noch aus dem Cselly-Mühlen-Umfeld. Heute ist das zwar nicht mehr so, aber früher gab es dort eine sehr fruchtbare Szene, aus deren Umfeld auch Tanz Baby!, Charmant Rouge oder auch das ganze Karate Joe Records Projekt hervor gegangen sind. Ich finde es jedenfalls sehr schön, dass Songs Of Claire Madison jetzt auf diesem Label erscheinen. Für mich ist das so eine Art “Homecoming”.
Gibt es denn auch Bestrebungen, diese Szene wieder zu beleben?
Es ist ja so, dass die Leute, die sich damals dort getroffen und Sachen gemacht haben, mittlerweile in Wien oder sonst irgendwo sitzen. Aber dass sich etwas tut, merkt man ja auch daran, dass gerade noch zwei andere Karate Joe Releases anstehen, nämlich Pendler und Charmant Rouge, die Band von Robert Pinzolits. Der Robert nennt das ganze ja selber “on/off-Label”, eine Bezeichnung, die ich sehr schön finde. Ich mochte Karate Joe immer, weil es ein sehr glokales Label ist. Einerseits sehr lokal, aber nicht so eine Szenesuppe, wie man sie sonst oft in Österreich vorfindet.
Habt ihr mit dem Projekt Ambitionen, auch im Ausland Fuß zu fassen, oder wollt ihr euch vorerst einmal auf Österreich konzentrieren?
Es wäre vermessen, anzunehmen, dass da etwas passiert. Dass das nicht so einfach geht, haben tausende andere auch schon einsehen müssen. Wenngleich es schön wäre, auch irgendwo anders spielen zu können. Wir werden aber auf jeden Fall auch Sachen von uns verschicken.
Heute Abend (29.9.) ist ja Release-Konzert. Gibt es im Zuge der Veröffentlichung noch weitere Live-Termine?
Letzten Samstag hatten wir bereits so eine Art Generalprobe und wir supporten gerade Ja, Panik auf deren laufender Tour, was für Andreas natürlich auch eine Doppelbelastung darstellt. Darüber hinaus freut es mich sehr, dass wir von der Vienna Songwriting Association für deren Weihnachtsfest am 17. Dezember im Gasthaus Vorstadt eingeladen wurden.
Vielen Dank fürs Interview.
Fotos: Pia Mayer
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