Zwei Musikerinnen und zwei Musiker – Sigrid Horn, Stefanie Kropfreiter, Philipp Gollonitsch und Bernhard Affengruber – machen eine ausgeflippte Melange aus gesellschaftskritischen Mundart-Texten und schräger, punkiger Musik. wosisig (was ich sehe) aus Niederösterreich machen Musik, die Spaß macht, weil es Spaß macht. Die Sängerin Pianistin und Saxophonistin Sigrid Horn im Interview mit Petra Ortner.
Wie waren deine musikalischen Anfänge?
Mein erstes Lied habe ich mit sechs Jahren geschrieben. Und zwar über Ken Saro-Wiwa. Er war ein nigerianischer Freiheitskämpfer, der ermordet wurde, im Auftrag von Ölkonzernen dort. Das habe ich als Sechsjährige ein wenig mitbekommen aus den Nachrichten und darüber habe ich dann mein erstes Lied geschrieben. (lacht) Das finde ich immer ganz lustig irgendwie. Ich habe immer total viel gesungen und nie viel geübt. Ich habe einfach immer nur Musik gemacht.
Wie und wann ist es dann zur Gründung von wosisig gekommen?
Ich war 16 und die Steffi war mit mir in derselben Klasse. Den Philipp habe ich über ein anderes musikalisches Projekt gekannt. Wir haben uns immer wieder zusammengetan, gejammed und Musik gemacht. Ich hatte ein Lied geschrieben, wo wir dann meinten „Naja, das könnten wir eigentlich zum Protestsongcontest von FM4 einschicken.“ Was wir auch gemacht haben. Dafür brauchten wir aber noch einen Bassisten und so haben wir Bernhard gefragt, weil wir alle ihn gekannt hatten. Beim Protestsongcontest kamen wir dann gleich unter die Top 25 und als wir dann dort in Wien waren, gespielt haben und sehr viele gute Kritiken bekamen, meinten wir dann „Gut, wollen wir was Ernstes daraus machen?“ So in der Art. (lachen)
Also zu Beginn war das alles nicht als Band gedacht?
Nein, überhaupt nicht. wosisig war nur der Projekttitel, damit wir einen Namen haben um unser Lied überhaupt einschicken zu können. Die CD war fertig gebrannt und ich meinte „Oh mein Gott, wie heißen wir? Wir müssen irgendwas hinaufschreiben! ‚Wos‘ ist ein cooles Wort und Sigi ist mein Name. Sigi Wos oder besser wosisig“ – So fanden wir unseren Namen, haben ihn auf die CD geschrieben und die CD eingeschickt.
Es gab also keine lange Namensfindungsphase, das ging ruck-zuck.
Ja, es musste wirklich schnell gehen und im Nachhinein hat mir der Name auch extrem gut gefallen. Weil auch die Lieder, die ich schreibe, Eindrücke von meiner Welt sind. Also das „wos is sig“. Und daher stimmt es für mich. Der Name passt, denn die Songs sind eine Art „Verarbeitung meines Lebens“.
Wie oft seid ihr jetzt schon beim Protestsongcontest angetreten?
Heuer waren wir zum vierten Mal dabei. In manchen Medien steht fünf Mal, was ich ein wenig lustig finde. Also es war jetzt das vierte Mal, dass wir dabei waren und zum zweiten Mal waren wir unter den Top Ten.
Diesmal seit ihr auf dem dritten Platz gelandet, richtig?
Nein, im letzten Jahr haben wir es auf den dritten Platz geschafft. Von diesem Jahr weiß ich jetzt ehrlich gesagt gar nicht, wie die Platzierung war, weil so viele ex aequo waren. Darum hab ich keine Ahnung. Wir waren irgendwas zwischen dem fünften und siebenten Platz erreicht. (lachen)
Was ist besonders reizvoll am Protestsongcontest?
Ich glaube das war jetzt das letzte Mal, dass wir mitgemacht haben, obwohl uns die Lieder nicht ausgehen. Reizvoll daran ist das Bewusst-machen politischer Prozesse. Das gehört für mich einfach total zum Leben dazu und das finde ich am Protestsongcontest schön. Hier geht es letztendlich nicht um eine Bewertung des musikalischen Könnens, sondern um die Themen die quasi schon brennen. Das finde ich super. Es gibt aber auch einige Sachen, die mich stören. Zum Beispiel das Bewertet werden, und… nun, ich weiß auch nicht. Irgendwie habe ich auf so etwas keine Lust darauf bewertet zu werden. Das ist auch der Grund, warum wir schon seit einigen Jahren auch auf normalen Bandcontests nicht mehr spielen. Ich denke einfach wenn du dich in eine Schublade stecken lässt wirst du nicht weit kommen. (lachen)
Nun, eure „Schublade“ ist – wenn ich das jetzt sagen darf – Mundart-Chanson-Punk.
Genau, das war so die erste Klassifizierung, die wir für unsere Art von Musik gefunden haben. Es ist total schwer unsere Musik in eine Schublade zu stecken. Mundart liegt auf der Hand. Gerade auch darum, weil seit über eineinhalb Jahren alle Lieder nur mehr in Mundart gesungen werden. Wir haben auch mit Mundart gestartet, hatten dann ein paar Ausflüge in verschiedene Sprachen und sind jetzt wieder zurückgekommen zur Mundart.
Welche Sprachen waren das?
Wir hatten Englisch, Spanisch und Französisch. Und Hochdeutsch. (lachen)
Wieso bedient ihr euch nicht mehr dieser verschiedenen Sprachen?
Weil es am ehrlichsten so ist, wie mir der „Schnalbel“, also der Mund gewachsen ist. So kommen die Texte auch „echt“ raus. Ich will ja, dass meine Lieder möglichst authentisch sind und ich will die Leute berühren mit dem was ich mache und ich glaube, das geht mit der Mundart am besten. Weil das einfach ich bin.
Wie wichtig sind dir politische Statements? Du schreibst ja viele gesellschaftskritische Lieder. Würdest du auch mal ein Liebeslied ohne tieferes Statement schreiben oder ist das weniger „dein Ding“?
Vielleicht, wenn dann nicht mein Name darunter steht und ich dafür ganz viel Geld bekomme. (lachen) Natürlich schreibe ich auch immer wieder Liebeslieder, weil Liebe ja genauso ein Teil des Lebens ist. Aber ich würde keines auf Befehl schreiben wollen, denn da käme nur Kitsch raus. Aber da ich ein sehr starkes politisches Bewusstsein habe, ist es – glaube ich – unmöglich, diese Nuance nicht mitschwingen zu lassen. Mein politisches Bewusstsein ist dann vielleicht auch in diesen Liedern nicht für alle hörbar, oder wird von den ZuhörerInnen anders definiert. Was für mich eine Emanzipations-Ballade ist, kann für andere ein ganz normales Lied über Beziehungen sein.
Du bleibst also politisch mit deinen Liedern.
Ja, weil auch mein Leben sehr politisch ist. Und meiner Meinung nach – also da spreche ich jetzt wirklich für mich und nicht für die Band – ist unser ganzes Leben politisch. Ob wir wollen oder nicht. Ob wir es wollen oder nicht sind unsere Handlungen immer politisch. Daraus kann man sich gar nicht entziehen. Darum und weil in meinem Leben so vieles politisches abgeht, sind die Lieder auch so. Oft aber auch sehr indirekt. Zum Beispiel auf der „wödscheim“, unserem neuen Album, ist ein Lied, das ich – inspiriert durch die letzten Studentenproteste gegen die Studiengebühren – geschrieben habe, in dem aber kein einziges Mal das Wort Studiengebühren vorkommt.
Man muss da also auch zwischen den Zeilen lesen.
So ist es. Die Message ist oft einfach so zwischen die Zeilen gesteckt. Ja. Obwohl, ich könnte wahrscheinlich schon noch konkreter werden mit einigen politischen Forderungen, aber ich finde es reizvoll wenn die Leute das Ganze erst beim zweiten oder dritten Mal hören zu verstehen und darüber nachzudenken beginnen.
Erzähl ein wenig über die Arbeit an der neuen CD „wödscheim“.
Wir waren jetzt ein Jahr lang im Studio bei Walther Soyka in der „Non Food Factory“. Dort haben schon Künstler wie Ernst Molden aufgenommen oder auch der Nino aus Wien war dort mit seiner Gruppe „Krixi, Kraxi und die Kroxn“. Wir haben viele tolle Leute für uns gewonnen, die mit uns zusammenarbeiten und uns was auf das neue Album sprechen werden. Es ist auch ein Feature darauf mit einem Wiener HipHop-Künstler, dem A Geh wirklich?. Es gibt auch einen ersten wosisig-Remix (lachen), der auch schon im Internet anzuhören ist. Gemacht wurde er von Dusty Crates. Das ist ein Kollektiv aus Wien. Auf einem Lied spielt auch Walther Soyka auf dem Akkordeon mit. Es wird also ein sehr buntes Album. Ich freue mich sehr darüber.
Wie lange dauert es jetzt noch bis zur endgültigen Fertigstellung?
Wir arbeiten noch daran, aber im Mai sollte es dann komplett fertig sein.
Du schreibst bei wosisig die Texte. Wer schreibt bei euch die Musik?
Bei der Musik ist es meistens so, dass das Grundgerüst bei mir parallel zu den Texten entsteht. Also wirklich nur „Ungefähr so könnte die Strophe sein und ungefähr so könnte ein Refrain sein“. Das spiele ich dann meinen Bandkollegen vor, die spielen mit und nach ein paar Wochen haben wir ein Lied. Manchmal merkt man „Da geht gleich was weiter, da kann man sofort ein Lied machen“ und manchmal muss man einen Song lange Zeit liegen lassen, und dann wird was daraus. Beim Komponieren sind wirklich alle gleichberechtigt und es steckt jeder in den Songs zu einem gleichen Teil drin. Es ist aber auch manchmal so, dass die anderen mit einer musikalischen Grundlage kommen und ich dann zu einem Text inspiriert werde. Den singe ich dann auch gleich dazu, also sie spielen und ich singe die Texte dazu, die mir gerade einfallen. Da wird zu Beginn improvisiert und bleibt meistens dann auch gleich so. Das habe ich bei zwei Liedern auf dem neue Album so gemacht.
Wie oft trefft ihr euch zum Musik machen?
Einmal in der Woche. Und seitdem wir eine Kaffeemaschine und einen Kühlschrank haben ist die Motivation noch viel größer. (lachen)
Ihr seid eine der wenigen Mundart-Punk-Bands, die ich kenne. Findest du, braucht Österreich mehr Bands wie euch? Wie siehst du die österreichische Musikszene?
Ich habe schon oft gehört, dass die Musik, die wir machen, eine eigene Nische ist. Auch unser Sound, weil wir zum Beispiel die Bratsche dabei haben. Ich glaube, dass wir das durchaus als eine unserer Stärken ausnutzen können, aber unsere Art von Musik hat es uns zu Beginn auch nicht unbedingt leicht gemacht weil die Leute immer fragen „Was spielst du für eine Musik?“ Dann sagst du „Nun, das ist etwas ganz Eigenes.“ Du versuchst es zu beschreiben und da hört dir die Hälfte schon nicht mehr zu. (lachen) Insofern hatten wir ein paar Startschwierigkeiten, aber inzwischen denke ich, dass es uns schon was bringt, unsere eigene Nische zu haben. Das war jetzt eigentlich überhaupt nicht die Antwort auf deine Frage. (lachen) In der Musikszene in Österreich sind viele gute Sachen unterwegs. Was ich ein wenig schade finde ist, dass in den letzten zwei, drei Jahren Mundartmusik total mit „tiefen“ Texten verbunden wird. Das finde ich wirklich schade, denn nur weil ich in Mundart rede heißt es noch lange nicht, dass ich primitiv bin. Ich bin vielleicht ein wenig „gschert“, aber ich hab trotzdem was im Kopf. Ich will mich da wirklich nicht abstempeln lassen und so was singen wie „Woki mit deim Popo“. Wir haben natürlich auch unsere humorvollen Lieder und es muss nicht immer alles auf die intellektuelle Waagschale gelegt werden, aber mir ist es wichtig zu sagen „Hey, wir haben Niveau.“ Ich denke, wenn die New Yorker Gangster in ihrem Slang rappen, dann dürfen wir ebenso in unserer Sprache singen.
Wie viele Konzerte habt ihr so im Durchschnitt pro Jahr?
Wenn man jetzt alle – es gibt ja immer wieder so Saisonen in denen man mehr spielt und in denen man weniger spielt – aber es sind mindestens 15 Konzerte im Jahr, würde ich sagen. Manchmal haben wir drei bis vier Konzerte in einem Monat, manchmal nur eines. Im Winter tut sich weniger, im August ist auch nicht besonders viel los, weil wir noch nicht die große Festival-Band sind.
Was ist für euch als Band das größte Ziel, das ihr erreichen wollt? Weltbekannt werden?
(lachen) Nein. Dass wir so wie jetzt weitermachen können. Also das tun, was uns Spaß macht. Und dann aber trotzdem vielleicht noch etwas mehr Wertschätzung zu bekommen. Wir bekommen Wertschätzung, aber manchmal gibt es Konzerte, wo man total nervös ist und hofft, dass genug Leute kommen und solche Sorgen hätte ich einfach gerne nicht mehr. Auch von manchen Veranstaltern wünsche ich mir etwas mehr Entgegenkommen, denn als Musikerin muss man immer betteln gehen, ständig dieses „Bitte dürfen wir spielen?!“ und dann vielleicht noch die Frage „Könnt ihr uns vielleicht auch ein wenig was dafür bezahlen?“ (lachen) Gerade in Wien. Wien ist echt ein hartes Pflaster was das betrifft. Da ist man teilweise erbarmungslos. Ich denke, mittlerweile haben wir einige gute Referenzen und man kennt uns jetzt auch schon, trotzdem werden wir manchmal noch hingehalten. Wenn wir erreicht haben, dass wir uns um so etwas nicht mehr kümmern müssen, dann wäre ich total froh.
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