Beim Popfest 2011 heizten die Sex Jams den Zuschauern im Prechtlsaal der Technischen Universität richtig ein. Nach Auftritten in Berlin und Prag hat das Quintett rund um Sängerin Katarina Trenk und ihren Musikerkollegen Florian Seyser, Lukas Bauer, Wolfgang Möstl und Rudi Braitenthaller Zeit für ein Gespräch mit der Bibiane Weinberger gefunden. Es folgten unter anderem die Erklärungsversuche darüber, was die Band unter den Begriffen „Drive“ und „Noisepop“ versteht und warum eigens angelegte Band-Blogs das neue MySpace sind.
Ihr habt Euch im Sommer 2008 zusammengefunden. Zum Einstieg ins dieses Interview möchte ich gerne etwas über den Background der Sex Jams erfahren.
Lukas: Flo und ich haben schon zusammen in einer Band namens „Dimitri“ gespielt. Im Frühjahr 2008 hat sich diese Band aufgelöst, doch wir beide hatten trotzdem Bock weiterhin Musik zu machen. Flo hat uns dann die Kati als Sängerin vorgeschlagen und wir haben uns außerdem auf die Suche nach einem Schlagzeuger begeben, den wir dann aber letzten Sommer gewechselt haben. Seit letztem Herbst ist auch der Wolfi bei uns dabei. So ist das Ganze ziemlich unspektakulär vonstatten gegangen.
Das heißt ihr habt euch zufällig zur gleichen Zeit von euren ehemaligen Bands gelöst und seid dann in ein gemeinsames Projekt gestartet.
Kati: Genau. Wir haben uns gedacht: „Schau mal mal was dabei herauskommt.“
Lukas: Unsere Entstehungsgeschichte ist eigentlich nicht wirklich spannend.
Wolfgang: Naja, so kann man das auch nicht sagen. In diesen 3 Jahren ist ja viel passiert und es wurde von uns sehr viel live gespielt.
Flo: Nach einem Jahr haben wir begonnen Konzerte zu spielen. Das war eigentlich ein unverhältnismäßig schneller Start, da wir zu dieser Zeit schon guten Kontakt zu Andi, dem Booker des Labels Fettkakao hatten. Dem hat schon unsere alte Band „Dimitri“ gut gefallen bzw. unser Zugang zur Harcore-Musik. Und Katis ehemalige Band kannte er auch. Noch bevor wir irgendwie jemals zusammen live aufgetreten sind , haben wir 3 Songs aufgenommen. Andi wollte daraufhin mit uns zusammen eine 7inch aufnehmen. Es ist ja nicht unbedingt normal, dass eine Band zuvor eine Platte aufnimmt, bevor sie jemals live gespielt hat. Zum Glück wurden dank unserer alten Bands, viele Leute auf die Aufnahme hellhörig…
Lukas: Wie haben von Anfang an wahnsinnig viel Feedback erhalten.
Flo: Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Wir hatten daraufhin sogar gleich ein Review im Standard oder Kurier und wir haben uns nur darüber gewundert, warum sie das gerade über uns geschrieben haben. Andi von Fettkakao hat von unserer ersten 7inch 100 Stück herausgebracht, nur eine kleine Auflage als eine Art „Sammleredition“. Nach dem 4. Konzert waren alle unsere Platten verkauft. Ende 2009 haben wir dann schon mit den aufnahmen unseres Albums begonnen, jedoch noch mit dem alten Schlagzeuger.
Lukas: Wir haben von Anfang an die Attitude mitgenommen, dass wir in unsere Band reinstecken was geht, sprich viele Konzerte spielen und auch unser ganzes Leben drumherum aufbauen-wir haben schon geschaut, dass ein bisschen was weitergeht.
Flo: Das mit dem Konzerte spielen ist wirklich schnell gegangen. Wir haben eigentlich nie wo nachfragen müssen, die Booker sind eigentlich immer auf uns zugegangen. Zumindest in Österreich war das so. Speziell in Wien können wir gar nicht alle Anfragen annehmen, weil wir hier ja auch nicht alle 2 Wochen wo spielen können.
Wolfgang: Wobei wir sagen müssen, dass wir viel von der Hardcore-Fanbase unserer damaligen Bands mitgenommen haben bzw. auch viele Leute weggefallen sind, diejenigen die ein bisschen kritisiert haben, dass wir jetzt auf FM4 gespielt werden. Aber als Band verbiegt man sich ja trotzdem nicht so einfach.
Lukas: Man kalkuliert das ganze Bandgeschehen nicht. Das mit der Band hätte ja auch schief gehen können. Es hat sich einfach alles so ergeben. Mit uns hat es von Anfang an gut funktioniert, aber im Endeffekt muss es ja nur uns zufrieden stellen.
Um eure eigene Promotion habt ihr Euch sozusagen kaum kümmern brauchen?
Flo: Es sind die Booker eigentlich wirklich alle auf uns zugekommen, sogar die aus Deutschland.
Kati: Aber mit uns wird auch immer der Do it Yourself-Gedanke assoziiert. Für die 3 Jahre seitdem es unsere Band gibt, hätte es nicht besser laufen können.
Flo: Andere Bands brauchen 6 oder mehr Jahre bis sie das schaffen, was wir schon erreicht haben. Ich muss noch los werden, dass die Band seit der Wolfgang dabei ist, einen ganz anderen „Drive“ bekommen hat.
Von welchen „Drive“ sprichst du da genau?
Flo: Naja, die Musik ist einfach fröhlicher geworden.
Lukas: Wir haben den Wolfi besser kennen gelernt, als wir mit ihm zusammen eine 7inch Split aufgenommen haben. Und ich kann das nur immer wieder betonen, dass das für mich der Knackpunkt in der Band war. Bis dahin waren wir schon sehr ernsthaft, was unsere Musik betrifft.
Kati: Wir wollen ja auch eigentlich gar keine so ernsthafte Fassade aufbauen. Eigentlich sind wir ja eh alle ziemlich happy unterwegs. In Interviews wurde uns schon immer angekreidet, dass wir irgendwie so düster klingen, aber dass wir als Personen oder beim Live-Spielen gar nicht so rüberkommen.
Ich hab mir Euer Lied „Panorama Ride“ angehört. Das klingt ja schon sehr fröhlich.
Lukas: Eben! Die Aufnahme dieses Liedes war dieser sogenannte Knackpunkt. Wir sind mit dem Song ins Studio gegangen und hatten schon genaue Vorstellungen davon, wie es klingen sollte. Zuerst war die Nummer eher ruhig und getragen- im Studio ist dann aber der ganze Text verworfen worden, womit ich mir persönlich aber sehr schwer getan habe. Ich persönlich bin nämlich ein Mensch der gerne schon vorher weiß, was passiert. Doch Kati und Flo wollten den Song überarbeiten. So wurde aus dem ruhigen „Panorama Ride“ eine Noisepop-Nummer. Und ich bin jetzt sehr froh, dass es klingt wie es klingt.
Kati: Unser Album „Post Teenage Shine“ ist schon etwas härter angelegt. Aber zu dieser Zeit hat es einfach gut zu uns gepasst. Heute würde es vermutlich nicht mehr so passen.
Lukas: Das nächste Album wird definitiv fröhlicher und vielschichtiger werden. Aber traurigen düstere Songs wird es natürlich auch wieder geben
Kati: Wir bezeichnen unseren jetzigen Sound als Noisepop.
Aprops Noisepop. Was hat euch in der Jugend mehr geprägt. Noise oder Pop?
Kati: Beides.
Lukas: Pop ist generell ja nichts schlechtes. Einen guten Popsong zu schreiben ist ja auch gar nicht so leicht. Das ist auch genau das, worauf wir in Zukunft hinaus wollen: Songs zu schreiben, die einen Spannungsbogen haben, die nicht billig und eindimensional sind. Songs zu schreiben, die vielleicht nicht gleich ins Ohr gehen, die man sich aber trotzdem 20 mal anhören muss und wo man immer wieder Neues darin entdecken kann. Keine Songs mehr, die in 20minütigen Noise-Exzessen enden.
Kati: Naja, ab und zu muss das auch sein.
Lukas: Für uns passt diese ganze Noisepop-Geschichte ganz gut. Denn wenn man so auf das ganze Geschehen der Indie-Musik blickt, muss ich sagen dass da viele langweilige Bands dabei sind. Das kritisiere ich schon sehr, dieses ganze glatt produzierte Zeug, welches zum Ziel hat, dass es schnell ins Ohr geht. Ich persönlich mag es eben, wenn der Sound etwas ranziger klingt, wenn die Songs etwas sperriger ausfallen.
Wolfgang: Es ist gut, wenn man den Song nicht gleich beim ersten Hören zu hassen beginnt. Ein Song muss wachsen können. Wir stehen eben auf so kleine Unsauberkeiten, auf Sachen wie Disharmonien und Dissonanzen.
Wenn man den Begriff „Sex Jams“ im Oxford Dictionary sucht, steht da ja soviel wie „Musik die Leute zum Sex animiert“.
Flo: Ich würde aber unsere Musik auf keinen Fall als Vorspiel-Musik auflegen.
Kati: Wir haben den Namen eigentlich alle recht leiwand gefunden. Auch nach 3 Jahren passt der Name noch zu uns und keiner ist unzufrieden damit.
Lukas: Der Name funktioniert halt. Man merkt ihn sich gut und er ist nicht mit irgendetwas besetzt. Einen guten Bandnamen zu finden, ist einfach eine extrem schwierige Angelegenheit.
Wolfgang: Ich finde den Namen so gut, weil er mich total an 80er/90er Jahre Noiserock Bands erinnert.
Was ist denn für Euch ein guter „Sex Jam“- Song?
Lukas: Das ist total stimmungsabhängig.
Wolfgang: Uh, da fällt mir jetzt was ganz Gemeines ein. Ein Song von De la Soul „ Me, Myself and I“
Flo: Wir sind alle in Beziehungen. Da hat man keine so festgelegten Songs mehr, die man bei Mädels auflegt.
Und was ist ein guter Song von „Sex Jam“?
Lukas: Ich kann das gar nicht sagen, da wir ja zu jedem Song einen speziellen Bezug haben.
Wolfgang: Aber ich kann das sagen, weil ich ja beim Album noch nicht dabei war. Mein Lieblingssong ist „Aeroplane waves“, weil Dieser einfach perfekt durcharrangiert ist, zwar schon im Standartpop-Schema abläuft, trotzdem leicht schräge Gitarrenriffs vorkommen und von der Melodie her richtige Break-Downs hat.
Gibt es keine Songs die Ihr live am liebsten spielt?
Kati: Also ich spiele gerne den Song „Cloud on a Walk“, weil das einfach eine ruhigere Nummer ist und nach dem ganzen Lauten und Wilden ist es sehr schön bei diesem Song wieder mal runterzukommen. Außerdem spiele ich gerne „Julie had a brother“.
Lukas: Mein Lieblings Live-Song ist “Green Weather Lake“. Das ist meist die Abschlussnummer bei unserer Konzerten und da hängen wir immer einen improvisierten Teil an, wo natürlich alles mögliche passieren kann und wir auch ab und zu unsere Instrumente tauschen. Das ist einfach spannend für uns, weil wir nicht wissen was passieren wird.
Flo: Und die Songs beim Live-Spielen ändern sich ja auch. Wir spielen dann eine gewissen Zeit unser Set, aber dann sind wir auch wieder froh, wenn wir Songs rauskicken und was Neues präsentieren können.
Lukas: Man muss aufpassen, dass nicht zu viel Routine ins Spielen kommt. Ich finde es wichtig, dass man für sich selbst einen spannenden Part bei den Konzerten behält. Wir wollen den Leuten ja auch vermitteln, dass wir großen Spaß am Spielen haben.
Wie ihr schon sagt: Alte Songs werden aus dem Programm gekickt, Neue werden gespielt. Wann kommt denn eine neue Platte von Euch heraus?
Lukas: Geplant ist, dass wir Ende dieses Jahres und Anfang nächsten Jahres ins Studio gehen und aufnehmen werden. Wir haben jetzt so 3,4 Songs die quasi fertig sind. Den Rest werden wir jetzt bald angehen. Wir schauen auch, dass das Ganze demokratisch in unserer Band abläuft und wir sind alle gleichermaßen am Songwriting beteiligt. Klar kann es da mal zu Reibereien kommen, aber im Großen und Ganzen sind wir mit den Ergebnissen alle zufrieden. Es kann schon vorkommen, dass ein fast fertiger Song 2 Leuten von uns gefällt und dem Rest nicht. Dann lassen wir den Song einfach bleiben. Man macht so mit der Zeit seine Erfahrungswerte…
Auf dem Album „Post Teenage Shine“ gibt es den Song „Tribute to O.Wilde“. Warum habt ihr dem irischen Schriftstellen ein Lied gewidmet? Habt ihr einen bestimmten Zugang zur Literatur?
Kati: Oskar Wilde hat mich eine Zeit lang sehr beschäftigt und inspiriert. Ich mag einfach seinen Schreibstil. Der Song stammt eigentlich noch aus der Zeit mit meiner ehemaligen Band. Ich habe dann rund um das Lied etwas Neues geschaffen. Oskar Wilde hat mich deshalb so inspiriert, weil ich einfach seinen Lifestyle und seine Art sehrschätze. In der viktorianischen Zeit als schwuler Mensch zu leben, das ist sicher nicht leicht. Ich mag Literatur einfach und man findet immer wieder etwas, das mir Inspiration verschafft.
Lukas: Ich finde es cool, dass die Kati mehr oder weniger wie ein Staubsauger durch die Welt rennt und alles aufsaugt. Sie nimmt viele Sachen auf, die sie dann musikalisch verarbeitet und das bewundere ich sehr, weil ich das nicht so könnte. Und wenn ich im Nachhinein ihre Texte lese, bekomme ich schon viel von ihrer Lebensauffassung mit – abgesehen davon, dass wir alle zusammen in einer WG wohnen.
Ihr habt ja gerade wieder viele Konzerte gespielt. Ihr seid beim Popfest, in Berlin, in Prag aufgetreten. Jetzt steht eine kleine Deutschland-Tour an.
Kati: Also ich finde das super. Von mir aus, könnte das alle 2 Wochen so gehen. Zuerst touren, dann 4 Monate im Studio hocken und nie mehr arbeiten zu müssen. Aber leider spielt sich das nicht.
Flo: Manche Dinge bleiben bei uns schon auf der Strecke. Man muss halt Prioritäten setzen und einige Freunde kommen sicher etwas zu kurz.
Wann spielt ihr das nächste mal wieder?
Lukas: Nächste Woche geht’s los in Augsburg. Dann spielen wir 5 Deutschland-Shows.
Kati: Am 8. Juni spielen wir in der Arena in Wien. Dann kommt noch Budapest, das Donauinselfest, ein Gig in Innsbruck und dann spielen wir wieder in Deutschland.
Ihr habt ja auch einen eigenen Blog namens „ain’t that fun“. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen und wer von Euch führt diesen?
Kati: Also ich hab da noch nie was darauf geschrieben. Das machen Flo, Wolfi und Rudi.
Wolfgang: Ich hab auf den Blog die 3 besten Alben der Rockgeschichte gepostet.
Flo: Ich bin ja der Nerd der den Blog initiiert hat und verfolgt. Letzten Monat hatten wir über 700 Aufrufe. Dafür, dass wir ziemlich viel Blödsinn posten, ist das gar nicht mal so wenig. Ich finde solche Blogs eigentlich ganz cool. Erstens sind sie recht leicht zu erstellen und zu gestalten – denn ich kenne mich mit Computern eigentlich nicht so aus und zweitens kann man seine Information schnell updaten. Bei einer Homepage dauert das schon etwas länger. Außerdem sind Blogs einfach lebendiger, das finde ich ganz cool. Und MySpace ist ja mittlerweile so gut wie tot, wir haben unseren Account vor kurzem gelöscht.
Kati: Außerdem schauen die Leute für Infos sowieso nur mehr bei Facebook nach und die Musik wird auf Youtube gesucht.
Eine letzte Frage. Auf eurer Homepage steht der Satz: Sex Jams wird deine neue Lieblingsband. Erklärt mir nun mal, warum ihr meine neue Lieblingsband werdet?
Lukas: Wir sind einfach authentisch und fresh! Wir sind Styler-Könige, am Puls der Zeit. Es wird einfach ein massives 90ies Revival kommen und an der Spitze der Welle werden wir dann daher schwimmen. Wir sind noch cool für die Leute, die die 90er Jahre nicht miterlebt haben und für die Leute, die diese Zeit miterlebt haben sind wir eine nostalgische Reminiszenz.
Danke für das Gespräch.
Tourdaten:
08.06.2011 Arena, Wien w/Chain and the Gang
25.06.2011 FM4 Bühne Donauinselfest, Wien
29.07.2011 Back to the roof, Lindach
Foto Copyright Johannes Staudenbauer & Sex Jams, 2011