Schmidt International ist Resultat eines glücklichen Zufalls und Name einer Band, die der unbändige Spaß am Musizieren zusammenhält. Lucia Laggner sprach mit Florian Köhler (Text, Gesang) und Philip Prugger (Gitarre, Keyboard, Samples, Gesang) über die Vorstellungen von ihrer eigenen Musik, das Korrelieren von Erfahrung und Authentizität, die Freude am Lachen und die Bühne als Ort der kollektiven Selbstbefriedigung.
Aus welcher Motivation ist Schmidt International entstanden?
Philip Prugger: Eigentlich war das purer Zufall.
Florian Köhler: Das Projekt ist von allen Vieren auch aus der Motivation heraus entstanden, Musik zu machen. Manu und Phil wollten unbedingt wieder spielen. Zeitgleich waren Valentin und ich gerade in Graz und wollten auch gemeinsam Musik machen. Wir hatten schon einen Schlagzeuger im Kopf, der dann allerdings im letzten Moment abgesprungen ist.
Philip Prugger: Der Manu und ich wollten eigentlich mit einem neuen Projekt zu zweit starten, hatten aber auch keinen Plan, was wir genau machen wollen.
Florian Köhler: Der Zufall kam ins Spiel, indem der Cousin von Valentin den Schlüssel für einen Proberaum hatte, in dem wir spielen wollten. Wir haben den Schlüssel von Manu und Phil abgeholt. Als wir uns gegenüber gestanden sind, habe ich gefragt, ob zufällig jemand von den beiden Schlagzeuger sei und Manu meinte: “Jo, i.”
Philip Prugger: Nachdem ich Gitarre spiele, hat eines zum nächsten geführt.
Florian Köhler: Wir haben dann eigentlich gleich gemeinsam gejammt und bemerkt, dass das super funktioniert.
Sind euch während den Aufnahmen zu eurem aktuellen Album Dinge passiert, die in den Proben noch nicht da waren oder habt ihr eure Nummern mehrheitlich partiturartig eingespielt?
Florian Köhler: Da wir viel geprobt hatten, war das meiste eigentlich schon fertig. Als die Basics gestanden sind, haben wir schon noch ein paar Extras – wie wir es genannt haben – hinzugefügt. Etwa mehrstimmigen Gesang oder kleine Instrumente.
Philip Prugger: Die Grundstrukturen waren da und die Details haben wir, wie meist, noch bei den Aufnahmen hinzugefügt. Bass und Schlagzeug haben wir live eingespielt, Gesang und Gitarre extra. Wir haben auch an unterschiedlichen Orten aufgenommen, wie etwa bei mir zu Hause im Wäschekammerl.
Florian Köhler: Eigentlich haben wir das Album in zwei Blöcken aufgenommen. Zunächst sieben Lieder und ein halbes Jahr später nochmal vier.
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Was habt ihr euch von diesem Album erwartet? In was für ein Licht würdet ihr es gerne rücken und wo würdet ihr es gerne präsentieren?
Florian Köhler: Meine Erwartungshaltung war, dass ich endlich mal mit Leuten eine CD machen werde. Die Musik, die wir machen, ist gebannt und – pathetisch gesprochen – für die Ewigkeit festgehalten. Natürlich gibt es auch die Erwartung, dass sie von Leuten gemocht wird, die auf so einen Mischmasch-Musikstil stehen.
Was für eine Rolle spielt Sprache in euren Nummern? Sind die Texte für euch/dich musikalischer, lyrischer, politischer Natur? Inwieweit muss man sich mit den Texten, vielleicht auch in dem Moment, in dem man die Musik performt, identifizieren?
Florian Köhler: Ich gehe mit der Sprache eigentlich sehr spielerisch um. Einerseits haben wir ein Lied, das auf pseudoenglischem Text aufbaut. Da geht es in erster Linie um Sounds und darum, dass es sich gut anhört. In einer anderen Nummer vertonen wir einen Text von Peter Handke, aus dem großartigen Sprachstück Kaspar. Aus diesem Text habe ich einen Ausschnitt gewählt, in dem es um Menschwerdung durch Sprache geht. Da hat der Inhalt natürlich eine große Bedeutung. Andere Lieder bestehen wiederum nur aus irgendwelchen Lauten und Tönen, die keine große Bedeutung besitzen. Manche andere gleichen Parolen und Aufzählungen oder aber Miniaturgeschichten. Inwieweit das mit Identifizierung zu tun hat…? Ich glaube, dass man als Zuseher live die deutschen Texte gar nicht so wahrnimmt, da wir relativ laut spielen. Außer man kann mitsingen, weil man die Nummern von der CD so gut kennt. Während ich die Lieder singe, habe ich natürlich schon im Kopf, was die Texte für mich bedeuten.
Philip Prugger: Die Sprache an sich spielt schon beim Songwriting eine große Rolle. Zumindest für mich und ich glaube diesbezüglich auch für Manu sprechen zu können. Flo kommt oft mit Texten, Sätzen oder Phrasen zu uns. Daraus ergibt sich sofort ein Bild, das für uns alle einen gewissen Rahmen bedeutet, in dem sich die Nummern bewegen sollen. Das ist einfach ein völlig anderes Musikmachen, als wenn die instrumentale Fraktion Musik entstehen lässt und der Sänger dann darauf schreibt, was eben passt.
Florian Köhler: Manchmal improvisieren wir auch einfach und ich bemerke, dass bestimmte Worte einfach passen. Um diese Idee wird dann weitergesponnen und ich füge auch manchmal Phrasen dazu, die ich schon in meinem Büchlein notiert habe.
Philip Prugger: Der rote Faden in unserer Musik ist eigentlich schon die Sprache. Das war für mich neu. Früher habe ich experimentellen Hardcore gemacht und da spielt die Sprache keine besonders wichtige Rolle, so nach dem Motto: “Hauptsache es wird was gesungen.” Noch dazu war es nicht auf Deutsch, sondern auf Englisch. Sprache war mir schon immer wichtig, aber es hat sich nicht ergeben. Mit Schmidt International habe ich erst gemerkt, wie sich das anfühlt, so eine fixe Basis zu haben.
Was treibt euch dazu an, Musik zu machen? Habt ihr das Gefühl, dass die Musik, die ihr macht, gemacht gehört, in dem Sinne, dass die eigenen Einfälle einfach umgesetzt werden müssen?
Florian Köhler: Mich treiben Melodien an, die sich mit Worten verknüpfen. Der Ausdruck, das Expressive daran und dass es Melodien gibt, die von Worten unterstützt werden können, will einfach aus mir raus. Ich verfolge das seit ich 14 Jahre alt bin und habe immer schon versucht, deutsche Texte zu schreiben. Ich sehe es als Herausforderung, Texte hinzubekommen, die ich mir selbst auch gerne nochmal anhöre und wo ich kein Problem habe, sie zu singen. Manchmal ist es durchaus schwer und daher kommt mein Antrieb, die Texte gut hinzubekommen.
Philip Prugger: Ich weiß nicht genau, was mich antreibt. Irgendwas treibt mich an, aber was es genau ist, kann ich bis heute nicht identifizieren. Es ist nicht die große Karriere, die ich anstrebe. Die war es vielleicht einmal, aber ich denke, so geht es fast jedem, dass man sich denkt, man will mit seinen Sachen was reißen und rauskommen. Mittlerweile ist es eher so, dass ich einfach was machen will und das Ganze rauslasse. Wenn man sich die österreichische Musiklandschaft ansieht, dann ist es eh schon schwierig genug für alle und wenn man dann noch versucht, was zu erzwingen, dann glaube ich nicht, dass es der Musik gut tut.
Florian Köhler: Ab unseren ersten Treffen war eigentlich klar, dass es bei uns einfach Spaß machen sollte. Sobald es zu eckig und mühselig wird, ziehen wir uns eher zurück und relaxen. Wir haben alle noch was anderes zu tun. Musik machen sollte eigentlich etwas sein, wovon ich Kraft bekomme. Ich setze zwar auch Kraft ein, aber bekomme mehr Kraft zurück.
Die wenigsten Protagonisten österreichischer Bandformationen halten sich allein durch ihre Projekte finanziell über Wasser. Seht ihr eure Berufe als hinderlich, förderlich, inspirierend? Würdet ihr euch wünschen, nur von der Musik leben zu können?
Philip Prugger: Ich bin hauptberuflich Grafikdesigner und muss schon sagen, dass die beiden Ebenen sich gegenseitig sehr befruchten. Ich habe eigentlich angefangen, Plattencover zu designen. Das mache ich nach wie vor gerne. Eigentlich habe ich oft das Gefühl, dass ich immer mit einem Fuß “drüben” bin. Wenn ich in der Musik stehe, dann ist Grafik auch oft dabei. Die beiden Dinge lassen sich gut verbinden. Mit dem einen mache ich Geld und mit dem anderen nicht und das ist völlig ok so. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht von der Musik leben will. Ich will es nicht müssen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich abliefern und funktionieren müsste mit dem, was mir so am Herzen liegt, dann glaube ich, dass ich irgendwann keinen Spaß mehr daran hätte.
Florian Köhler: Ich bin Schauspieler. Diese beiden Dinge gehen Hand in Hand. Musik machen ist einfach nur eine andere Art des Ausdrucks. Klar habe ich auf der Bühne eine Gitarre umgehängt, aber das kommt mir auch zu gute, weil ich auch auf die Tube drücken kann und auch mal lustige Aktionen schieben kann. Das Gute ist, dass alle – nicht nur im musikalischen Sinne – sehr spielfreudig sind. Wir machen showmäßig sinnige und unsinnige Dinge. Von der Musik lerne ich für die Schauspielerei – insbesondere im Hinblick auf Timing und Aufmerksamkeit im Hören auf den Anderen. Andererseits kommt mir das Dramatische und Textliche aus der Schauspielerei auch zu Gute. Die Bühnensituation verknüpft sich sehr schön. Wenn wir mit der Musik ab und zu etwas dazuverdienen könnten, wäre es schön; ich würde es durchaus zulassen, aber denke ähnlich wie Philip. Sich nur auf die Musik zu fokussieren und dieses Risiko zuzulassen, könnte ich mir schon im Hinblick auf meine zwei Kinder nicht leisten. Natürlich gibt es Leute, die gerade deshalb erfolgreich geworden sind, weil sie alle Zelte abgebrochen haben, aber dafür liebe ich auch meinen Job als Schauspieler zu sehr. Ich würde am liebsten ewig beides machen können.
Wird man mit den Jahren, der Erfahrung unaufgeregter und auch ehrlicher gegenüber den eigenen Vorstellungen, die auch mal nicht mit den Erwartungshaltungen der Szene korrelieren? Wird man vielleicht auch authentischer oder denkt ihr, man ist eben immer so authentisch, wie man sich gerade fühlt und hat das mit Alter oder Erfahrung nichts zu tun?
Philip Prugger: Am “Ehrlichwerden” ist schon etwas dran. Vor allem auch, wenn man alleine Musik macht. Für mich hat sich mit meinen früheren Bands schon öfter die Frage gestellt, wie man reinpassen kann. Ich hatte oft das Gefühl, dass wir uns zwischen den Stühlen bewegen. Es war am Anfang schon cool, aber dann eben auch schwierig in Szenen Fuß zu fassen. Gerade im Hardcorebereich braucht man eine Szene, weil es sonst unglaublich schwer ist. Natürlich ist das überall ein bisschen so, dass man schauen muss, dass man sich wo reinsetzen kann. Wir haben für Schmidt International eigentlich gar keine Szene im Moment. Früher hat mich das gestört. Ich wollte dann auch mal was Straightes machen, wo die Leute auch einfach hinkommen, weil sie was damit anfangen können. Mittlerweile denke ich mir, dass man über die Jahre schon ehrlicher wird und die Sachen auch runterbricht, weil man auch hinter die Szenen schaut und sich fragt, ob das wirklich so ist, dass immer alle zusammenhelfen. Eigentlich ist auch in der Szene jeder für sich. Deshalb mache ich es einfach gleich so, wie ich es mir denke, und versuche gar nicht erst, mich groß zu verstellen.
Florian Köhler: Schmidt International ist seine eigene Szene. Es gibt keine anderen Bands, die das als Strömung bezeichnen würden. Vermutlich sagen 90 % aller Bands, dass sie für sich stehen, aber wir fühlen uns in jedem Fall keiner Szene zugehörig. Ich finde das durchaus authentisch, weil wir im Grunde immer das gemacht haben, was wir machen wollten, ohne etwa darauf zu achten, dass sich unsere Lieder sehr verschieden anhören. Tatsache ist, dass sie sich sehr unterschiedlich anhören.
Philip Prugger: Das war eigentlich auch das Konzept der Platte.
Florian Köhler: Wir haben immer gesagt, dass es unser Konzept ist, dass wir keines haben. Die Ideen sind einfach gekommen und wir haben sie miteinander umgesetzt.
Philip Prugger: Wir sind auch sicher unbewusst zwischen den Genres herumgesprungen. Auf der Platte befinden sich Funk-Pop Nummern und dann passiert wieder etwas, das sich wie Weltmusik anhört. Das hat mit der Zeit angefangen, richtig Spaß zu machen.
Florian Köhler: Wir sind einfach auf den Klischees der Genres gesurft. Es war uns klar, dass wir, wenn wir eine Platte machen, einfach Musik machen, über die wir lachen können. Wir haben Nummern gemacht, wo wir extra nochmal draufgedrückt haben, damit wir noch mehr drüber lachen können.
Philip Prugger: Die Aufnahmen waren eigentlich purer Spaß. Wir haben für die Gitarrensoli die Lichter ausgemacht. Es hat nur gefehlt, dass wir keine Kerzen angezündet haben.
Florian Köhler: Im Prinzip war es pure Selbstbefriedigung. Ein Akt der kollektiven Selbstbefriedigung. Unsere Auftritte sind im Prinzip eine herrliche Onanie. Wenn es Leuten gefällt, uns dabei zuzusehen und abzugehen, dann ist das natürlich super.
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Die Entwicklungen der letzten Monate haben gezeigt, dass es in Graz nicht immer leicht ist, laut zu sein und in Österreich auch mal schwer, gehört zu werden. Was denkt ihr, wohin uns diese Entwicklung führen wird und was sie auch an neuem Antrieb oder aber auch Verfall bewirken kann?
Philip Prugger: Ich glaube, dass Situationen, wie sie im Förderungswesen vorhanden sind, es natürlich erschweren, für das, was man macht, Geld zu bekommen. Musik machen ist nach wie vor mit Kosten verbunden, auch wenn man viel selbst machen kann. Wenn man physisch etwas in der Hand haben möchte (Anm. CD, Platte), dann ist das mit wenig Geld sehr schwierig. Andererseits sind solche Krisen auch immer förderlich. Leute fangen an, sich etwas Neues zu überlegen, bemerken, was nicht geht und probieren neue Wege aus. Man wird sicher ein bisschen aus der Reserve gelockt. Crowdfunding und derartige Dinge entstehen ja eben daraus, dass Leute für ihre Ideen von öffentlicher Hand keine Kohle mehr bekommen. Wenn man Platten machen will, dann macht man sie einfach. Im schlimmsten Fall, greift man selbst in die Tasche.
Florian Köhler: Das haben wir im Endeffekt getan und obwohl wir low-budget gearbeitet haben, trifft uns auch low-budget empfindlich. Wir sind nicht wahnsinnig erpicht darauf, die neuen Radio-Singalongs zu schreiben. Es gibt ja schon auch Plattformen wie Youtube, wo man auch gehört werden kann.
Philip Prugger: Dort wird man meist öfter gehört als irgendwo sonst.
Florian Köhler: Steine werden einem ja kaum in den Weg gelegt. Außer, dass man eben kein Geld bekommt. Davon gehe ich aber auch nicht unbedingt aus. Auch im Bereich der Bildenden Kunst sind die Gelder nicht locker. Im Schauspiel sind die Gelder ebenso wenig locker. Es war uns eigentlich allen klar, dass wir an einer unsubventionierten Sache arbeiten. Ich fühle mich durch die Politik, die hier gemacht wird, nicht eingeschränkt. Auch wenn sie mich in Graz ziemlich ankotzt, aber sie betrifft mich als Musikschaffenden nicht. Ob wir großartig Protestlieder dazu verfassen sollten, das weiß ich nicht. Es gibt schon genug Leute, die das machen. Ich habe nicht den Ehrgeiz Anti-Nagl-Lieder zu schreiben.
Philip Prugger: Es wäre auch schade um die Zeit.
Was für eine Art für Musik werdet ihr mit eurer letzten Band machen?
Philip Prugger: Ich glaube, ich lande irgendwann in einer Bluesband.
Florian Köhler: Ich würde gerne eine ganz schräge Oper machen. Ein völlig abgefahrenes Werk, das kaum operesk erscheint, aber opernhafte Ausmaße annimmt. Ein riesiges Konzeptding, das über mehrere Stunden geht und eine Geschichte mit Musik erzählt.
Philip Prugger: Vielleicht kommt da eine Bluesband vor.
Florian Köhler: Klar. In der Geschichte kommt sicher eine Bluesband vor. In einem Schuppen steht dann ein alter, bärtiger Bluesguitarist.
Philip Prugger: Im Endeffekt ende ich also in deinem Stück.
Foto Credits: Lupi Spuma / Graz