mica-Interview mit Roland Guggenbichler (MoZuluArt)

mica-Interview mit Roland Guggenbichler (MoZuluArt)Der Pianist Roland Guggenbichler hat mit drei Kollegen aus Simbabwe, die in Österreich Klassische Musik studierten, das Projekt MoZuluArt ins Leben gerufen: Kompositionen von Mozart treffen auf traditionellen Gesang aus dem südlichen Afrika. Am 25. April erscheint ihre Musik erstmals auf der CD MoZuluArt. Luigi Lauer sprach für mica mit Vusa Mkhaya Ndlovu und Roland Guggenbichler.

Roland, wie kam es zu diesem doch eher ungewöhnlichen Projekt?

Die Idee ist irgendwie über uns gekommen. Wir haben vorher schon zu viert zusammen gespielt, a-cappella plus Klavier, und das hat bei einem Auftritt allgemein Anklang gefunden. Wir haben dann ein paar Nummern geprobt, und ich glaube, es war der Blessings der sagte, machen wir doch was mit Mozart. Das war Anfang 2005, und ich wusste ja, dass 2006 im Mozart-Jahr in Österreich die Hölle los sein wird. Ich habe das aber für mich behalten und wir haben das einfach gemacht. Es war aber kein Kalkül dahinter, sondern eher, dass man in Simbabwe an österreichischer Musik, wenn überhaupt, dann Mozart kennt, und dass wir hier Leute aus Simbabwe haben, die schon zehn Jahre in Österreich sind und sich mit diesem österreichischen Musikheiligen beschäftigen wollen.

Vusa, was hat euch veranlasst, nach Österreich zu kommen?

Wir waren hier auf Tournee und hatten dann die Idee, Musik zu studieren. Damals konnten wir keine Noten lesen und Musik schreiben, wie das in Europa üblich ist. Das wollten wir lernen und sind darum hier geblieben. Ich habe Mozart nicht gekannt in Simbabwe, nur ein paar Lieder von Falco, ohne zu wissen, dass es Falco ist und er ein Österreicher.

Kennt man Mozart in Simbabwe?

Es gibt sicher Leute in Simbabwe, die seine Musik kennen. Es kommt darauf an, in welchem Teil des Landes man sich befindet. Ich bin sozusagen im Ghetto aufgewachsen, dort ist klassische Musik kein Begriff, man kennt nur die lokale Musik. Aber in den Städten, in großen Einkaufszentren oder in Hotels, da gibt es klassische Musik. Ich habe sie dort auch gehört, aber sie hatte für mich keine Bedeutung, ich fand sie langweilig und zu langsam, ohne zu wissen, was genau ich da höre.

Magst du inzwischen auch Mozartkugeln?

(Lacht) Ja, schon, aber ich esse sehr wenig Süßigkeiten.

Europäer haben bei der Beschäftigung mit afrikanischer Musik vor allem Probleme mit der komplexen Rhythmik, die wesentlich höher entwickelt ist als in Europa. Was sind denn die Schwierigkeiten für einen Afrikaner mit europäischer Klassik?

Gute Frage! Viele unserer Lieder sind im 4/4-Takt, und ich kann mich gut erinnern, als wir mit den Wiener Symphonikern gespielt haben zur Eröffnung der Wiener Festwochen. Es war schwer für uns, den Einsatz zu finden, denn der Dirigent hat uns zwar den Einsatz gegeben, aber wir mussten immer kurz warten. Wir sollten also nicht auf dem Schlag singen; war der Dirigentenstab unten, musste man erst eine kleine Verzögerung abwarten. Wir haben aber immer auf dem Schlag gesungen, von unserem Gefühl her war das die richtige Stelle. Für das Orchester aber nicht. Da gab es viele Kleinigkeiten, die jetzt aber nicht mehr problematisch sind.

Auf der CD sind ja zur Hälfte traditionelle afrikanische Stücke. Wie bist du damit klargekommen, Roland?

Teilweise kann ich die Titel noch nicht einmal aussprechen! Da gibt es Schnalz- und Klick-Laute, die ich nicht sprechen kann. Schwierig ist, dass ich die Texte überhaupt nicht verstehe und darum nicht weiß, was kommt als nächstes. Nach inzwischen drei Jahren kenne ich die Lieder natürlich besser und weiß die einzelnen Teile. Harmonisch sind sie relativ überschaubar, meist sind es vier Akkorde, die sich im Kreis bewegen. Schwierig war anfänglich für mich auch der Rhythmus, manche Lieder sind einfach, bei anderen wiederum habe ich die Rhythmik komplett andersherum wahrgenommen, umgedreht sozusagen.

 

 

Vusa, die bekannteren südafrikanischen Lieder wie Asimbonanga, The lion sleeps tonight oder Pata Pata sind nicht auf dem Album, Was waren die Kriterien für die Auswahl der traditionellen Stücke?

Wir wollten gerade keine Stücke nehmen, die in Europa so bekannt sind wie etwa Pata Pata. Es gibt noch so viele schöne Lieder im südlichen Afrika, da wollten wir lieber aus diesem in der Welt noch wenig bekannten Fundus schöpfen. Es sind Stücke der Zulu, Ndebele und Xhosa, diese drei Völker.

Wie lebt es sich als Simbabwer in Österreich?

(Lacht) Als Musiker in Wien habe ich mein zweites zuhause gefunden. Ich habe viele Musiker kennen gelernt, viele neue Freunde gefunden. Es ist nicht so schwer, wie man es sich vielleicht vorstellt. Natürlich ist der Lebensstil hier ganz anders als in Simbabwe, aber damit komme ich gut klar.

Keine Probleme mit Rassismus?

Bis jetzt kaum. Rassismus gibt es überall in der Welt. Ich beschäftige mich lieber mit Leuten, die ich schätze und die etwas mit mir zu tun haben. Mich mit sowas wie Rassismus zu beschäftigen, habe ich überhaupt keine Zeit.

Wovon handeln die Texte?

Das Lied Amandebele zum Beispiel besingt die Fröhlichkeit des Ndebele-Volkes. Die Ndebele sind eine Absplitterung der Zulu aus Südafrika, Leute, die mit ihrem König Mzilikazi nach Simbabwe gingen und dort ein eigenes Königreich gründeten. Das Lied ist auch eine Hommage an diesen König. Für Bheka Kimi, das ist das Rondo in D-Dur, hat Blessings einen Gospel-Text geschrieben: Jesus, auch wenn der Weg dunkel und steinig ist, ich weiß, dass du mich begleitest jederzeit. In Zungikhumbule, die Sonate A-Dur, heißt es, denkt an mich, meine Brüder und Schwestern, wohin ihr auch geht.

Glaubt man euch in Simbabwe, dass ihr zu dritt mit den Wiener Symphonikern im Rücken vor 10.000 Leuten gespielt habt?

(Lacht) Ich habe fast niemandem davon erzählt. Meiner Familie sagt das überhaupt nichts, klassische Musik oder Wiener Symphoniker. Das ist für sie nichts Großartiges oder Besonderes, weil sie damit überhaupt keine Berührungspunkte haben. Darum hat es für sie auch keinerlei Bedeutung. Erzählte ich es, würden sie fragen: Und? Sonst noch Neuigkeiten? In Südafrika ist das anders, dort ist klassische Musik viel weiter verbreitet als in Simbabwe.

 

 

Roland, in welcher Besetzung tretet ihr auf?

Die meisten Konzerte spielen wir mit einem Streichquartett, dem Ambassade-Quartett, drei der vier sind von den Wiener Symphonikern. Die klassischen Musiker sollen mir nicht böse sein, aber den Groove haben sie meistens nicht so, weil sie sowas ja auch nie machen. In der Klassik ist halt die Virtuosität sehr wichtig, das steht dem Groove eher entgegen. Je mehr Töne man spielt und je hektischer das Ganze wird, umso weniger Groove entsteht. Darum haben wir meistens Streicher-Arrangements, die relativ einfach gehalten sind, wobei ich manchmal denke, hoffentlich fühlen sich die Kollegen nicht unterfordert. Besonders bei den afrikanischen Liedern ist aber das Kulturübergreifende mittlerweile gut spürbar. Wenn wir zu viert spielen, drei Stimmen und Klavier, dann spielen wir die Lieder nie gleich. Da ist die Einleitung mal 16 Takte oder 24 Takte, je nach feeling. Wenn man aber Musiker dabei hat, die nach Noten spielen, dann müssen wir uns etwas mehr disziplinieren, und die Klassiker dürfen nicht so stur nach dem Blatt spielen, sondern müssen genauer Hinhören. Mittlerweile funktioniert das ganz gut, am Anfang war das nicht so leicht.

Ihr habt ja auch nicht eben das leichteste Publikum im Wien.

Das Wiener Publikum ist schon sehr streng. Sich in Wien mit Mozart zu beschäftigen, da wird man schon sehr genau beäugt. Da fällt es uns woanders viel leichter, weil Mozart bei uns eine derart heilige Figur ist. Das ist ja auch sensationell, dass der vor 250 Jahren Musik komponiert hat, die heute noch auf der ganzen Welt gespielt wird. Das beeindruckt meine simbabwischen Kollegen schon auch sehr.

Wenn es streng ist, ist es denn auch offen?

Ja, schon. Man muss eine gewisse Schwelle überwinden, aber das haben wir, glaube ich, mittlerweile geschafft. Der Auftritt mit den Symphonikern, der auch im Fernsehen war, das hat schon manche Leute beeindruckt. Wobei ich glaube sagen zu können, dass der optische Eindruck für viele Leute noch viel wichtiger war als der akustische.

Vusa, wart ihr nervös vor dem Auftritt?

Normalerweise bin ich nicht sonderlich nervös, aber vor diesem Auftritt war ich schon sehr, sehr aufgeregt. Ich habe gesehen, wieviele Leute auf dem Rathausplatz waren und ich wusste, das wird live in 15 Länder übertragen. Da war kein Platz für einen Fehler. Das war wirklich spannend für uns, und wir wussten, wenn wir das gut machen, ist das ein sehr guter Anfang für uns und für das Projekt. Ich glaube, wir haben alle einen guten Job gemacht, es ist gut angekommen und alles lief, wie geplant.

Über den Autor: Luigi Lauer, geboren 1961 in Aachen, arbeitete in Berlin als Bassist vor allem in west- und nordafrikanischen Bands wie Griot Music Company, Salamat und Buba Jammeh. Seit 1995 ist er als Weltmusik-Spezialist für viele deutsche Rundfunksender tätig, darunter WDR, SWR, Deutschlandfunk, Deutsche Welle und Deutschlandradio Kultur. Er schrieb (und schreibt) zahlreiche Artikel für Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost sowie das Musikmagazin Folker!, für das er auch als Redakteur tätig ist.

Foto MoZuluArt 1 & 2: Lukas Beck
Foto MoZuluArt 3: Manuel Zettel