Unbestritten zählt Robert Lepenik, als Bestandteil von Formationen wie FETISH 69, Melville, The Striggles, Das Fotogene Gedächtnis, Fran Sansisco, Laleloo, Kap/Lep und dem Vienna Loop Orchestra, zu Österreichs vielseitigsten und umtriebigsten Künstlern.
Seit seiner Jugend war der Grazer Musiker stets Mitglied in verschiedensten Rock- und Experimentalprojekten, wie BLUE MONKEY’s FOOD oder MUSIC FOR THE PEOPLE AT THE RED LAKE. Er studierte Klassische Gitarre und beschäftigte sich intensiv mit Improvisation und elektronischer Musik. Neben einer nicht enden wollenden Liste an Zusammenarbeiten mit anderen Künstlern, reihen sich mittlerweile auch vier Veröffentlichungen unter eigenem Namen ins Lepenik’sche Schaffen ein, das seit 2001 unzählige Nischen zwischen zeitgenössischer und improvisierter Musik ausfüllt. Daneben agiert er noch als Kurator diverser Filmreihen, schreibt Musik für Filme und Theateraufführungen und war Mitglied des Künstlerkollektivs TONTO.
Auf deiner Homepage findet sich ja bereits eine gute Übersicht über diverse bekannte Projekte von dir. Vielleicht kannst du noch über einige Projekte etwas erzählen, die nicht so bekannt sind. The Striggles, Fran Sancisco, Kaplep, Picknick mit Weismann, Kien.
“The Striggles” sind eine Rockband mit experimentellen Wurzeln und derzeit mein Herzblutprojekt Nr.1. ich genieße es sehr, mit meinen Bandkumpanen zusammen musikalisches Material zu suchen und mit konventioneller Rock-Besetzung (Gesang-Bass-Drums-2 Gitarren) zu experimentieren. Alles ist noch ganz frisch – wir hatten erst zwei Konzerte – und wir sind hoch ambitioniert. Es macht einfach Spaß, mit Menschen zusammen zu arbeiten, die was im Kopf haben und kreative Persönlichkeiten sind.
“Fran Sansisco” ist ein Alternativ-Lounge/Easy Listening-Duo mit meinem Melville-Kollegen Lothar Lässer. Das Ganze klingt sehr smooth und easy, aber auch charmant trashig, da wir neben Gitarre und Harmonika auch antikes Instrumentarium verwenden – ein altes Casio-Kinderkeyboard und eine Uralt-Roland-Drum-Maschine. Unser Programm erstreckt sich von alten Easy Listening- und Soundtrack-Klassikern, die wir mögen, bis zu eigenen Songs aus Melville-Zeiten…
“Kaplep” ist ein Duo mit Helmut Kaplan, mit dem ich seit Tonto-Zeiten gut befreundet bin und den ich auch als Künstler sehr schätze. Im weitesten Sinne elektronisch, ganz und gar dem Experiment verpflichtet, viel mit Tapes, ständiger Veränderung unterworfen.
“Picknick mit Weismann” war eine Improvisationsplattform und Spielwiese für uns fünf Mitglieder. Wir haben versucht, so etwas wie Free-Rock zu kreieren… offene aber oft harte und dekonstruierte Rhythmen. Im Proberaum haben wir oft fantastische Sachen zuwege gebracht, live hat es meistens nicht so gut funktioniert. Im Nachhinein glaube ich, wir konnten das was da abging selbst so wenig fasslich machen, dass wir in Stresssituationen den Faden verloren haben. Natürlich kam es dann auch beim Hörer missverständlich und verwässert an. Aber vor allem im Nachhinein gesehen war Picknick für alle Beteiligten sehr wichtig für die weitere musikalische Entwicklung. In Folge ist aus Picknick dann “Laleloo” hervorgegangen, zuerst im Duo mit Bernhard Lang, später mit Edda Strobl zum Trio erweitert.
“Kien” war ein Trio mit Martin Catta und Alexandra Stessl, ebenfalls rein auf Improvisation basierend. Damals waren wir alle auch besessen von Loops. Wir versuchten, mit Gitarre/Elektronik/Drums und Stimme eine Brücke zwischen gespieltem Material und Loop-Ästhetik zu schlagen.
Ich habe gelesen, dass du auch Musik für Fernsehwerbung gemacht hast. Für welche Werbung(en) war das? Wurde da angefragt, ob bereits fertige Stücke von dir verwendet werden können, oder waren das Auftragsarbeiten?
Das ist kein wirkliches Standbein von mir. Für die Skoda-Fernsehwerbung haben Michael Posch und ich Musik produziert und gemixt. Eine gute Erfahrung zum Ausprobieren und auch lustig zu zweit, an so was zu arbeiten. Auf Dauer bin ich aber klar zu wenig kommerziell orientiert, um so einen Job gut zu machen.
Hast du bei so was immer künstlerisch freie Hand, oder musst du auch mal Kompromisse eingehen?
Da gibt es einen Graubereich. Einerseits bin ich einer, der sehr gut im Verbund arbeiten kann und ich empfinde auch oft strenge Vorgaben als wohltuende Klarheit, andererseits müssen mir eben diese Vorgaben einen kreativen Kick geben, sonst funktioniere ich einfach nicht. Insofern regelt sich die Sache mit den Kompromissen von selbst: wenn es mich nicht interessiert, kann ich mich auch mit Gewalt nicht motivieren – sehe ich in einem Projekt etwas, das mich interessiert, bin ich aber schnell Feuer und Flamme.
Wenn ich mir die Liste deiner Arbeiten so ansehe, nehme ich an, du lebst vom Musikmachen. Liege ich da richtig?
Ich unterrichte noch freiberuflich Gitarre – ohne dieses Nebeneinkommen würde ich es nur schwer schaffen. Viele meiner künstlerischen Tätigkeiten leiste ich mir mehr, als dass ich damit Geld verdiene. die Unabhängigkeit, nicht alles machen zu müssen, was daherkommt, aber eben auch Dinge zu machen, die nichts abwerfen, möchte ich bewahren – um meines Seelenheiles willen.
Die Verhältnismäßigkeiten in meinem künstlerischen Leben, was wie viel abwirft, welcher Aufwand wie honoriert wird, oder welchen finanziellen Gegenwert welche Haltung hat, bringt mich oft schallend zum Lachen…mittlerweile.
Projekt/Label/Kollektiv Tonto. Was darf man sich genau darunter vorstellen, worum geht es dabei?
“Tonto” war ein Künstlerkollektiv von etwa 7 Kernmitgliedern. Eine ganz wichtige Phase für mich, die mich irgendwie auch bei späteren Arbeiten geprägt hat. Eine gewisse Verweigerung gegenüber üblichen Vermarktungs-Maschinerien und Schubladisierungs-Mechanismen, erfundenen Selbstverständlichkeiten im “Musik-Geschäft”, cool und lässig formulierten Doktrinen gewisser Kommerz-Professionalisten etc.
Dadurch neue Konzentration auf Inhalte, künstlerische Standpunkte, eine gewisse Purheit ohne sich wirtschaftlichen Zwängen unterwerfen zu müssen. “Entschlackung” ist möglicherweise ein annähender Begriff. Das war aber keine, mit Pauken und Trompeten stattfindende, Revolution, sondern ein schwieriger Arbeitsprozess, oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch für den Rest der Welt zugänglich, gibt es eine großartige 28-teilige CD-Reihe verschiedenster Künstler, einige wunderbare Veranstaltungen, sowie eine ebenfalls großartige Comic-Reihe, die noch immer existiert. Mit den meisten damaligen Tonto-Mitgliedern bin ich noch immer freundschaftlich verbunden.
Die meisten deiner Arbeiten mit anderen Musikern bewegen sich in einem Zeitraum von ca. 5 Jahren. Kann man daraus schließen, dass diese Kollaborationen von Anfang an als “Projekte”, also zeitlich beschränkt angelegt waren?
Ein zeitlich beschränktes Projekt auf fünf Jahre anzuberaumen, wäre eh schon recht üppig. Nein, das hat sich oft einfach so ergeben…z.b. Fetish69 hat es ja fast 15 Jahre gegeben. Aber vielleicht ist nach 5 Jahren so eine magische zeitliche Grenze des Tabula Rasa-Machens. Ein Großer Teil künstlerischer Zusammenarbeiten wird sowieso nicht ordentlich abgeschlossen, sondern verläuft sich einfach….
2006 wurden mit The Striggles und Fran Sancisco gleich zwei Bands/Projekte ins Leben gerufen, die auf klassischer Instrumentierung beruhen. Hast du vorerst genug von elektronischen Sounds?
Ja, um ehrlich zu sein, ist es zur Zeit ein wenig so. Ich arbeite schon auch an elektronischen Stücken, die sind aber im Gegensatz zu früheren Stücken soundmäßig streng limitiert, die funktionieren nicht auf der “oh was für ein geiler Sound”-Ebene…
Bei den “Striggles” verwenden wir Gitarristen ausschließlich Wah-Wah-Pedale, keine anderen Effekte…nicht dogmatisch, sondern weil es einfach einmal gut tut.
Ist die Band Melville nach dem gleichnamigen Moby Dick Autor benannt, oder ist das bloßer Zufall?
Nein, die Band ist nach dem großen französischen Regie-Altmeister Jean Pierre Melville benannt.
Auf deinem Album “music with words – rhythms for dancing” benutzt du bei drei Songs Sprachsamples, deren Texte bei Leonard Cohen entlehnt sind. Bist du Cohen Fan?
Das sind keine banalen Sprachsamples, sondern Gedichte aus “Energy of Slaves”, die von einem Text-to-Speech-Tool wiedergegeben werden. Also einer Software, durch die man eingegebene Schriftzeichen von einer synthetischen Stimme sprechen lassen kann. Diese Präzisierung ist mir wichtig: es handelt sich hier nicht um irgendwo gefundene Spoken Words, um die herum ein Song gestrickt wurde, sondern um die Darbietung eines Interpreten!
Ich bin großer Fan von Cohen, vor allem von seinen frühen Sachen. Ich habe aber auch die späten LP’s daheim, die ich musikalisch nicht mehr so mitvollziehen kann, weil dieser Mann für mich ein ganz großer Poet ist.
Stichwort “Songwriting”. Falls die Stücke jetzt nicht gerade durch gemeinsames Rumprobieren entstehen, nach welchen Kriterien wählst du aus, für welches Projekt, die jeweilige Idee verwendet wird.
Zuerst muss ich mal eine Vorstellung von etwas haben, dann bin ich motiviert, dieser so nahe wie möglich zu kommen. Hopp und drauf los funktioniert bei mir nicht so gut. Bei den einzelnen Projekten ist es eben genau so: Ich habe eine bestimmte Ahnung, was das jeweilige Projekt vermitteln soll und darauf arbeite ich dann hin.
Steckt hinter den Stücken auf “Treatments” irgendein Konzept, oder hast du einfach remixed, was dich gerade angesprochen hat?
Kein strenges Konzept, das man sich zum besseren Verständnis der Musik reinziehen müsste. Eine Tonto-Regel war ja, dass jeder CD-Release eine Definition von Tonto als Ganzes darstellt. Das scheint gerade für so eine Gruppe vielleicht irgendwie nebulös oder aufgesetzt, Tatsache ist: Es hat auf magische Art und Weise funktioniert und das Tonto-Selbstverständnis ist daran gewachsen! Die CD-Reihe hat trotz unterschiedlichster Genres einen roten Faden, der sich rhetorisch nicht so leicht festmachen lässt und wurde auch wirklich als Serie wahrgenommen.
Meine Treatments-CD war ein neuerlicher, sehr persönlicher Versuch, dieses Tonto-Ding herauszuschälen und so mein Verständnis von diesem Tonto-Geist deutlicher zu machen.
Mit wem würdest du gerne mal zusammen arbeiten?
Mit Robert Wyatt… oder Filmmusik für Jean Rollin….
Musikalische Zukunftspläne. Auf welche Lepenik Kollaborationen/Veröffentlichungen darf man sich in näherer Zukunft freuen?
Im März wird mein neuer Solo-Release “Mögliche Unausweichlichkeiten” beim brandneuen Internet-Label “Bruit” veröffentlicht. Die Releases des Labels werden umsonst downloadbar sein. So viel ich weiß, werde ich einer von acht Leuten sein, die exklusives Material zur Verfügung stellen.
Ich komponiere weiters Musik für das Stück “Kabale & Liebe” von Schiller in einer Bearbeitung der TaO-Theatergruppe. Uraufführung wird im April sein.
Es sind Releases mit Kallabris und mit Marufura Fufunjiru geplant, so wie ein 10″-Vinyl der “Striggles” beim Label Kim. Ja, und dann noch Konzerte mit all meinen aktuellen Projekten – also langweilig wird es mir nicht werden….
Das Interview führte Michael Masen