mica-Interview mit Richard Graf

Dass es schwierig ist, vom Komponieren alleine zu leben, ist kein Geheimnis. Doch gibt es auch weitere Gründe, das Schaffen von musikalischen Kunstwerken mit anderen Tätigkeiten zu verbinden. Denn oft bedingt eine Aufgabe so manch andere. Eine dieser vielseitig engagierten Persönlichkeiten ist in Richard Graf zu finden, der das musikalische Geschehen als Komponist und Interpret wie auch als Vorsitzender der INÖK und Musikpädadoge prägt. Ebenso vielgestaltig wie das Berufsfeld des Niederösterreichers sind auch die musikalischen Stile, die in seine Kompositionen für professionelle MusikerInnen wie auch für SchülerInnen einfließen. Das Gespräch über die Wechelwirkungen dieser heterogenen Elemente führte Doris Weberberger.

Wenn man sich auf Ihrer Website umsieht, staunt man, wie viele Tätigkeiten Sie ausüben: Sie sind Komponist, Gitarrist, Musikpädagoge, Vorsitzender der INÖK usw. Wie verbinden sich für Sie diese Tätigkeiten?

Ich glaube, es hat sich aus dem Zugang ergeben, den ich prinzipiell zu Musik habe. Auf der einen Seite versuche ich als Komponist für mich Klangforschung zu betreiben, habe aber auch immer das Bedürfnis zu kommunizieren. Musik nur im Elfenbeinturm zu produzieren, ist nicht das, was ich ausschließlich machen möchte, obwohl das von Zeit zu Zeit ganz wichtig ist, um selbst weiterzukommen. Aus diesem Kommunikationsbedürfnis heraus entsteht wahrscheinlich diese pädagogische Ader. Ich habe selbst als Kind erfahren, dass Musikmachen etwas sehr Lustvolles und sehr Spannendes sein kann und ich möchte das auch weitergeben. Ich finde es schade, wenn Kinder heutzutage diesen wesentlichen Punkt in der Gesellschaft oft vermissen. Ich denke, dass man nur dann ein guter Pädagoge sein kann, wenn man sich auch organisieren, diese Dinge analysieren und schließlich in entsprechende Konzepte bringen kann. Dann erst ist das Vermitteln erfolgreich.
Ich sage immer, ich lebe drei Leben parallel: Es gibt das künstlerisch-kompositorisch-musikalische, dann gibt es das organistorisch-pädagogische Leben, das ist teilweise auch ein musikwissenschaftliches Leben, und dann mein Familienleben, das Privatleben, aber mein ganzes Leben ist von Musik durchdrungen. Diese Durchmischung – das ist das, was mein Leben ausmacht, auch stilistisch bin ich ja …

… sehr vielfältig. Wie sehen Sie die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Genres?

Ich werde immer wieder mit der Frage konfrontiert, Jazz und Neue Musik, wie passt das zusammen und wie passt das dann mit der Musikvermittlung zusammen? Ich habe ja viel Schulmusik geschrieben, also Stücke für Schüler, die auch bewusst mit verschiedenen Stilen spielen. Das ist einfach mein Background, ich bin genauso mit klassischer Musik, mit Jazz, Popmusik und Elektronik aufgewachsen; das hat mich geprägt und das ist auch mein Zugang.
KollegInnen aus meiner Generation haben oft eine ähnliche musikalische Biografie. Mit denen kann ich meist auch sehr gut kommunizieren auf unterschiedlichsten Ebenen. Das ist derselbe Zugang – spielerisch, stilistisch offen, und auch Elemente der Jazzmusik können einfließen, sprich: die Improvisation. Aber auch im formalen Bereich, was Notation betrifft, ist der Jazz sehr pragmatisch; es geht um die Musik.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass das erklingende Resultat wesentlich wichtiger ist als ein dahinterstehendes Konzept?

Nein, das Konzept ist sehr wichtig! Das sind zwei verschiedene Dinge. Das, was ich mit Notenfetischismus gemeint habe, ist, dass die Notation dermaßen in den Vordergrund rückt. Das hat mich als Interpret mitunter geärgert und eigentlich auch in diesem Ansatz bestärkt, dass die Notation möglichst klar sein muss.

Stellen Sie für jedes Werk ein neues Konzept auf oder gibt es eine Konstante, die sich durch Ihr Schaffen zieht?

Eine Konstante ist sicher das Aufarbeiten all dieser musikalischen Ideenkonzepte, Erlebnisse, die in mir brennen. Ich habe mich mit unterschiedlichen Musikrichtungen beschäftigt, eben auch aus pädagogischer Sicht heraus, und es fließen sehr viele Aspekte ein. Für mich ist es auf der einen Seite wichtig, loszulassen, aber auf der anderen Seite diese Elemente quasi durch einen Katalysator fließen zu lassen. Für mich sind sehr viele Dinge im Bereich der Rhythmik und der Klangfarben spannend. Ich glaube, dass es da in der Neuen Musik noch viel zu tun und zu entdecken gibt, denn, was die Harmonik betrifft, ist eigentlich das meiste ausgereizt. Ich wundere mich manchmal, dass einige Leute noch immer ausschließlich seriell komponieren.

Worin besteht das Neue für Sie?

Das Neue besteht in einer Rekontextualisierung, dass man Dinge, die man spannend findet, in einem anderen Kontext künstlerisch auszudrücken versucht. Das heißt, wenn ich aus dem Bereich des Jazz die Improvisation nehme, dann ist das meistens eine idiomatische Improvisation im Vergleich zur freien Improvisation der Neuen Musik, aber da gibt es auch sehr viele Möglichkeiten und Schnittstellen, wo man sozusagen die Improvisation in eine neue Dimension transformieren kann, nämlich indem man gewisse Vorgaben macht, die auch das Tonmaterial oder vielleicht auch einen Gestus betreffen, sodass gewisse Parameter vorgegeben sind und dadurch auch die Improvisation in einer neuen Dimension möglich wird. Ich habe sehr viele Stücke, wo die Improvisation teilweise oder in kurzen Elementen vorhanden ist. Auch aus dem Grund, um dem Interpreten mehr Kompetenz zuzubilligen und auch die Möglichkeit zu geben, aus dem Moment heraus noch stärker zu interpretieren, als es vielleicht möglich wäre, wenn man das alles zu 100 Prozent fixiert.
Wir leben in einer Welt, wo so viele Dinge schon da sind und ich kann darauf zugreifen. Ich unterrichte ja auch Komposition und versuche den Leuten grundsätzlich natürlich das Handwerk näher zu bringen, aber auf der anderen Seite auch zu erklären, dass sie die Möglichkeit haben, Dinge, die es schon gegeben hat, für sich zu nutzen – das heißt nicht im Sinne eines Plagiats, sondern im Sinne eines Konzepts, einer Kompositionstechnik, einer Idee. Mein Schaffen ist geprägt von diesen Welten Neue Musik und Jazz, teilweise auch World Music.
Komponieren ist für mich ein Prozess, in dem ich versuche, Musik zu kreieren, die auf der einen Seite meinen künstlerischen Ansprüchen genügen soll und die auf der anderen Seite – weil ich glaube, dass das auch eine spannende Möglichkeit ist, Neues zu schaffen – alle diese Einflüsse künstlerisch verarbeitet. Wenn man es jetzt veranschaulichen will: Die kubanische Clave wird dann in einer Komposition von Richard Graf zu einer polymetrischen Struktur. Z. B. zwei Metren koexistieren völlig unabhängig voneinander. Das geht natürlich leichter mit Computern, bei elektronischer Musik, wo ich dann auch Spannung dadurch erzeuge, dass eine Welt für sich in einem eigenen Metrum funktioniert, in sich geschlossen, man nimmt das auch so wahr, und darüber passiert dann eben eine andere, davon losgelöste Struktur und die können sich finden, müssen es aber nicht.
Auch die Elektronik ist ein wichtiger Punkt. Wir leben in einer Zeit, wo das nicht zu verleugnen ist, das ist einfach Alltag. Z. B. hat Björk, die ja auch ein paar kompositorisch spannende Dinge gemacht hat, eine neue CD produziert, die eigentlich keine CD ist, sondern nur elektronisch als App für das iPad erhältlich ist. Das ist auch ein Teil der musikalischen Zukunft: Interaktion. Das heißt, sie hat die Komposition als Konzept vorgegeben. Sie hat diverse Algorithmen festgelegt, die sind Teil der Komposition, aber innerhalb dessen kann man sich als Konsument bewegen und auch eingreifen und wird dadurch zum Interpreten bzw. sogar teilweise zum Komponisten. Das ist auch ein spannender Punkt, diese Entwicklung verfolge ich auch mit großem Interesse.

Sie betätigen sich intensiv im Bereich Musikvermittlung. Geht das Komponieren mit Kindern in Ihren Workshops auch in Richtung Interaktivität?

Ich habe einen anderen Ansatz als manche andere, was die Musikvermittlung betrifft – ich bin ein bisschen vorsichtig bei dem Wort. Ich glaube, dass man die Elektronik und den Computer in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tatsächlich sinnvoll einsetzen kann und soll. Interaktivität ist dabei in jeder Hinsicht essenziell. Im urbanen Raum ist es um den Musikunterricht m. E. nicht gut bestellt. Ich habe das Projekt net-music.at ins Leben gerufen, ein EU-gefördertes Projekt gemeinsam mit der Slowakei. Das Konzept dahinter ist, Kindern und Jugendlichen, die heute sehr stark mit Computern und Neuen Medien konfrontiert sind und auch überschwemmt werden, die Chance geben, diese auch sinnvoll einzusetzen. Die Musik könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.
Mein Ansatz ist, was eben auch den Einsatz des Computers betrifft, den Kindern einen spielerischen Zugang zu ermöglichen, zuerst über Remixing. Ich denke, eine der Hauptaufgaben in dieser Richtung ist, das Hören zu reaktivieren, einfach die Leute zu motivieren, zuzuhören, einen Moment inne zu halten und zu lauschen, das können viele Leute nicht und das ist wirklich ein Problem. Meine Erfahrung ist bei diesen Workshops, die ich normalerweise mehrere Wochen lang mache, um eben auch eine gewisse Nachhaltigkeit zu erzielen, dass ich versuche, die Leute über das Remixen zu motivieren, zuzuhören, was da passiert. Dann kommen wir zur Live-Elektronik, weil das direkt erfahrbar ist. Wenn sie dann merken, das reagiert und ich kann direkt eingreifen, das ist etwas Tolles und ich muss nicht unbedingt jahrelang ein Instrument gelernt haben. So versuche ich dann, die Leute langsam zur Musik zu bringen, wie immer man die definieren mag. Dann kommen wir zur Soundmanipulation und Soundkreation, meistens Collagen, die nach einem Konzept, nach einer Idee organisiert werden. Das ist ein gemeinsamer oder individueller Prozess, wir spielen einfach einmal oder wir experimentieren und entdecken und gestalten Klänge. Dann kommt der bewusste Akt des Komponierens und des Gestaltens. Da wird in durchaus demokratischer Art und Weise diskutiert, was man da machen könnte und dann kristallisiert sich sehr oft ein Thema heraus.

Neben der Musikvermittlung ist Ihnen aber auch die Kompositionspädagogik ein wichtiges Anliegen.

Ja, weil ich der Meinung war, dass es eine adäquate Ausbildungsform, wie sie mir vorschwebte, noch nicht gab, habe ich 2010 ein neues Studium ins Leben gerufen: Kompositionspädagogik. Das ist ein vollwertiges IGP-Studium und als solches ist es europaweit einzigartig. Als ich angesprochen wurde, am „VMI – Vienna Music Institute“ Komposition als Hauptfach zu unterrichten, habe ich gesagt: Dann möchte ich auch Kompositionspädagogik als Fach einrichten. Das ist dann tatsächlich gelungen. Das ist eben auch ein Gebiet, wo ich alle meine pädagogischen Ideen, Konzepte fokussiert einfließen lassen kann, um auch nachhaltig etwas auf die Beine zu stellen. Das ist natürlich auch eine Pionierarbeit. Klarerweise kommt man im Laufe der Zeit  drauf, dass man noch optimieren und nachbessern muss, aber das ist halt immer so bei Projekten, die man als erster macht. Es ist eine ganz spannende Sache und die verfolge ich mit Vehemenz und Akribie und arbeite auch an einer größeren Publikation.

Die INÖK hat 2009 ihr 20. Jubiläum gefeiert, bzw. hat es ja schon vorher Komponistenvereinigungen gegeben. Wie sehen Sie die Rolle der INÖK bzw. die Funktion in der Zukunft? Inwiefern hat sie sich auch gewandelt?

Grundsätzlich war sie vor 20 Jahren eine Art „Selbsthilfegruppe“. Es haben sich ein paar Leute zusammengetan, um über die Edition ihre Werke zu verbreiten. Ich habe vor fast drei Jahren die INÖK übernommen und bin noch immer dabei, vieles zu verändern. Seit einiger Zeit ist auch eine neue Homepage in Arbeit. Die neuen Medien sind natürlich auch ein wichtiger Punkt, da wollen wir uns auch stärker platzieren: Die ganze Edition soll digitalisiert werden und im Online-Shop vertrieben werden. Auch bei der Internationalisierung muss noch einiges passieren, das Symposion soll ausgebaut werden; ich habe vor eineinhalb Jahren auch das „Netzwerk Neue Musik in Niederösterreich“ ins Leben gerufen, wo sich zweimal im Jahr Vertreter aller Institutionen bei einem runden Tisch treffen und überlegen, was sie machen können und ob man nicht mehr Synergieeffekte nutzen kann, weil wir alle wissen, wir haben immer weniger Geld, wir müssen auch schauen, dass wir die Zusammenarbeit optimieren, mit den Medien stärker kooperieren usw.
2012 ist für die INÖK gewissermaßen ein Neustart, da der Fördervertrag aktualisiert wird. Dies ist eine gute Gelegenheit frische Ideen und neue Konzepte zu integrieren.

Um welche Projekte handelt es sich?

Es geht um eine bessere Darstellung unserer Arbeit insgesamt. Eine Online-Zeitung, Noten on demand, das Symposium zu einem Festival auszubauen. Es sollte in Niederösterreich auch etwas Vergleichbares wie in Tirol oder in der Steiermark geben. Es wäre auch an der Zeit, dass es auch in Niederösterreich ein Ensemble gibt, das sich mit Neuer Musik beschäftigt. Es gibt schon relativ konkrete Ideen. Eine Kooperation mit dem Tonkünstler Orchester NÖ wäre da sinnvoll. Das braucht natürlich auch das OK von den Partnern und das geht wahrscheinlich nicht ohne politische Unterstützung.
Wir haben viele Kooperationen mit ausländischen Ensembles; pro Jahr ca. 60 Konzerte, in denen zahlreiche INÖK-KomponistInnen gespielt werden. Wir haben einen ziemlich hohen Output im Verhältnis zum Budget. Da würde ich ganz gerne ein bisschen die Statistik spielen lassen. Ich habe keine Scheu, die INÖK – auch qualitativ – mit anderen, größeren Institutionen zu vergleichen.

Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgaben als INÖK-Vorsitzender?

Ich sehe meine Hauptaufgabe persönlich im Netzwerken und im Ausloten neuer Bereiche – z. B. durch „Die Tage der Neuen Musik“ und dem Symposium, das 2010 zum ersten Mal stattgefunden hat zum Thema Neue Musik und Jazz. Es waren tolle Vorträge und Präsentationen dabei.
2011 gab es ein Symposion zum Thema Elektronik/Nicht-Elektronik, Plugged/unplugged, wo es eben genau um diese Sache ging: Wie sieht es aus mit der Elektronik in der Neuen Musik? Wird es überhaupt noch Neue Musik ohne Elektronik geben? Oder wird es in Richtung Lachenmann weitergehen und man wird noch mehr die Sounds aus dem Instrument herauskratzen?
Es gab auch einige Uraufführungen gestaltet vom Janus Ensemble unter der Leitung von Christoph Cech. Das Symposium wird gemeinsam mit der Donau-Universität Krems, mit dem Zentrum für zeitgenössische Musik programmiert. Mein Wunsch war und ist, da sind Frau Stöckler und ich zum Glück d’accord, dass man das auch möglichst praxisnah gestaltet und die Musik auch hören kann. Das Symposium ist durchsetzt von Musikbeiträgen. Auch der musikpädagogische Block ist ein Fixum: „Jugend komponiert“ (prima la musica) wurde 2011 präsentiert. Das ist mir auch ein Anliegen, nicht zuletzt, da ich 2012 den Vorsitz innehabe.
Das Thema der „Tage der Neuen Musik“ 2012 ist: „Neue Musi !“ Dabei wird es, auf Anregung von Christoph Cech einen Schwerpunkt zum Thema Neue Musik und Blasmusik geben. Auch ein Wettbewerb wird ausgeschrieben. Man darf gespannt sein.
Als INÖK-Vorsitzender versuche ich, den Leuten eine Plattform zu bieten, um aufgeführt zu werden, um in der Edition vertreten zu, und darum, medial stärkere Präsenz zu erlangen. Die Grenzen möchte ich stilistisch sehr offen lassen. Wir haben in den Statuten stehen, dass wir nur Leute aufnehmen, die Kompositionen geschrieben haben, die als E-Musik eingestuft sind. Das ist ein Teil unseres Selbstverständnisses und trotzdem denke ich, dass es in den Randbereichen viele spannende Aspekte gibt und da möchte auch schauen, dass man das aufmacht. Und das Symposion ist ja auch wieder ein Schritt, diesen Randbereich besser zu präsentieren.

Warum diese Konzentration auf E-Musik?

Weil wir sonst überflutet werden von Anfragen auch aus der Pop- und Schlager-Branche. Das wollen wir nicht. Die INÖK kooperiert sehr stark mit dem Österreichischen Komponistenbund, seit ich beim ÖKB in der Arbeitsgruppe E-Musik bin, machen wir auch viele Projekte gemeinsam. Sehr gerne möchten wir in Niederösterreich die Standesvertretung für die KomponistInnen sein, aber nicht für die U-Musik. Das können und wollen wir nicht. Wir wissen alle, dass es auch Leute gibt, die in beiden Bereichen tätig sind und ich habe auch Medienmusik gemacht, die musikalisch oft dem U-Musik-Bereich zugeordnet wird. Das ist auch ein altes Problem der AKM mit der Einstufung.

Wie sehen Sie als INÖK-Vorsitzender die Rolle des Komponisten im 21. Jahrhundert, auch unter finanziellem Aspekt?

Man muss schon sagen, dass auch die Neue Musik von Modetrends geprägt ist. Es gibt Modeerscheinungen und es gibt Dinge, die sich dann auch gut verkaufen lassen. Die finanzielle Seite hängt teilweise damit zusammen; ein Komponist oder eine Komponistin kann nur dann davon gut leben, wenn sie einige Mithelfer, zumindest zu Beginn, im Boot haben. Mit Mithelfer meine ich eben auch, einen Trend erzeugen, oder zumindest, dass die Musik einer Komponistin, eines Komponisten eine Zeitlang wirklich im Fokus steht und auch gepusht wird. Das hängt natürlich mit den Medien zusammen. Manche können dieses Spiel gut spielen, manche können es überhaupt nicht spielen und da sehe ich teilweise meine Aufgabe im Bereich der INÖK, dass man ein paar Leute stärker ins Rampenlicht rückt, die an diesem Spiel nicht teilhaben oder nicht teilhaben können, weil sie zu alt sind, weil sie so in ihrer Welt leben, dass sie gar nicht mitbekommen, was da läuft. Ich möchte diejenigen unterstützen, wo ich sehe, da ist besonderes Potenzial und die gehören noch stärker ins Rampenlicht. Ich bin ja auch in diversen Jurien …

Was sind denn Kriterien, um dieses Potenzial zu bewerten?

Kriterien sind u. a. die ernsthafte Auseinandersetzung mit Musik und der Versuch, künstlerisch-handwerklich auf hohem und höchstem Niveau zu agieren und auch da zu versuchen, neue Bereiche auszuloten. Ich versuche in meinem Urteil zu sehen, was will der Komponist ausdrücken, versteht er sein Handwerk, gibt es Ansätze, die erkennen lassen, dass auch Neues ausgelotet wird. Wenn dann auch das kreative Ergebnis passt … wunderbar; alles andere werden nachfolgende Generationen zu beurteilen haben.

Foto 1: Helmut Lackinger
Foto 2: Wolfgang Hartl

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