“Liebe, Hass, Tod – dort wo der Horizont in weiter Ferne und die Angebetete unerreichbar, das Leben hart und Gott voller Zorn ist, dort kauert der Country der Rewolfinger in der schmutzigen Ecke – immer bereit, uns die letzten schäbigen Fetzen unserer zerrissenen Maßanzüge vom müden Leib zu reißen!” So definiert sich die Band selbst und Rewolfinger-Gitarrist Herbert Zgubic stellt sich dem mica-Interview ganz ohne Revolver-Gürtel.
Wie würdest du eure Musik beschreiben?
Herbert Zgubic: Man könnte sagen: Eine sehr vielfältige Mixtur aus verschiedenen Stilen, aber mit einer ganz tiefen Basis in der alten Country-Musik der amerikanischen Midwest-1930er und 1940er Jahren. Das sind die Roots unserer Musik, das ist sozusagen Old-Style-Country.
Was ist das Besondere an dieser Zeit?
Erstens gefällt uns allen diese Country-Musik, die mit Nashville nichts zu tun hat, sondern sehr viel ursprünglicher ist und viel mehr in der Volksmusik – zum Beispiel Polka – verwurzelt ist. Durch das Hören dieser Musik haben wir immer mehr die Texte in uns aufgenommen und sind draufgekommen, dass das phantastische Songs sind. Da ist ein unglaubliches Potential an Geschichten, an Stories, die – zumindest bei uns – vollkommen verschüttet sind oder nicht einmal bei uns angekommen sind. Das klingt ein wenig nach Missionarsauftrag, das ist es wahrscheinlich auch zu einem kleinen Teil. Aber es geht uns um Stories, um Geschichten, die wir mit neueren Texten, mit neueren Songs verbinden, die aber für uns immer sehr stark mit diesen alten Songs verquickt sind.
Wo treibt ihr diese Lieder auf?
Alte LPs, CDs oder auch nur Texte im Internet. Teilweise ist es auch Mundpropaganda. Denn bei uns gibt es keine Szene, die sich stark mit dieser Richtung auseinander setzt und da ist man sehr stark auf die Tipps von anderen Leute angewiesen. Natürlich, wenn man die Carter Family kennt, beschäftigt man sich mit dieser Zeit, mit den 1930er und 1940er Jahren.
Auf welche Region bezieht ihr euch?
Auf eine Region nicht wirklich, sondern wir sagen immer: Es gibt so etwas wie ein bestimmtes Universum an Geschichten, an Stories. Es ist weniger, dass wir sagen: Die Bands aus den Ragged Mountains sind besser. Es geht uns um den Inhalt der Songs.
Welche Geschichten interessieren euch?
Nachdem jeder von uns langsam dem Sterben entgegen rückt und jede Zigarette schön langsam mit Skepsis betrachtet wird, sind es auch sehr viele Songs, die sich mit Tod und Leben auseinander setzen, mit dem Leben angesichts des Todes. Oder einfach Songs, in denen jemand wegfährt, jemand abhaut – und weiß nicht wohin. Das sind Geschichten, die auch für uns stark nachvollziehbar sind. Mehr als Geschichten, in denen es heißt: Ich liebe dich und die liebst mich. Natürlich gibt es diese Country-Songs auch zuhauf, aber wir haben uns mehr auf die dunkle Seite des Country – the dark side of country, wie Pink Floyd schon gesagt hat – verlegt.
Der Country-Songwriter Harlan Howard hat mal gesagt, ein guter Country-Song brauche nur “three chords and the truth”. Was sagst du dazu?
Der Mann hat gewusst, wovon er spricht. Das kann man ja wirklich nur unterschreiben. Das merkt man auch bei unseren Songs, die meistens mit drei Akkorden auskommen und die eine Geschichte erzählen, zu der man sagen kann: Genau so ist es.
Das heißt es geht schon um Wahrhaftigkeit und Authentizität?
Authentizität nicht in dem Sinn, dass wir versuchen, einen Stil nach zu stellen. Sondern Authentizität, in dem wir einen Song, der uns berührt, für uns adaptieren. Dann wird er erst für uns authentisch. Das ist vielleicht ein verquerer Ansatz für Authentizität, aber wir würden nie eine Band sein, die sagt: So gehört der Song gespielt und so müssen wir ihn bis zur letzten Note spielen. Sondern ganz im Gegenteil: Wir verwandeln den Song in einen Rewolfinger-Song. Die Songs sind meistens nicht so kompliziert und das ist dann eben, wie du sagst “three chords or four and the truth”.
Habt ihr Vorbilder?
Vorbilder gibt es natürlich viele für uns, wir sind fünf Mann und ein Mädchen und da sind die musikalischen Geschmäcker sehr vielfältig, aber wir können uns auf Townes van Zandt und Hank Williams einigen. Der Nenner, auf den die Rewolfinger zu bringen sind, ist sicher Hank Williams. Wir stellen ihn nicht sozusagen als Gott auf ein Tischchen, aber der Mann hat etwas zu sagen gehabt und hat es – solange er gekonnt hat – auch gesagt.
Wie ist es mit Woody Guthrie?
Es gibt auch einen bei uns, der sich für Woody Guthrie interessiert. Ich finde Woody Guthrie auch sehr gut, aber mit dem haben wir uns noch nicht so stark beschäftigt. Ich merke auch, dass wir uns immer mehr für die früheren Zeiten interessieren und untereinander CDs in diese Richtung austauschen. Ich bin zum Beispiel ein Fan vom Blues der 1920er und 1930er Jahre und ein anderer von uns hört Doc Boggs, der in den späten 1920er Jahre ganz groß geworden ist.
Wie lange gibt es Rewolfinger und wieso hat es bis zur ersten CD so lange gedauert?
Es gibt uns schon seit sechs Jahren. Man muss dazu sagen, dass jeder der Band immer in anderen Bands gespielt hat. Rewolfinger war ein Konglomerat aus anderen Bands und erst in den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass uns das Rewolfinger-Bandfeeling immer mehr gefallen hat und dass diese Band die anderen Bands immer mehr überwuchert hat. Aus dem Nebenprojekt Rewolfinger ist immer mehr ein Hauptprojekt geworden. Dadurch, dass es so viele Musikstile vereint, hat jeder immer alles ausprobieren dürfen. Sonst gibt es bei Independent-Bands oft strenge Richtungen und Regeln, aber wir sind da sehr offen.
Hast du jemals andere Musik gemacht oder hast du dich schon immer mit Country beschäftigt?
Meine erste Band war eine Noise-Band, da habe ich die Gitarre mit dem Rasierapparat bearbeitet. Oder es gab andere Independent-Bands, die so in die Richtung Sonic Youth gegangen sind. Aber in letzter Zeit ist die Beschäftigung mit Country-Musik, auch mit Singer-Songwriter immer stärker geworden. Vor vielleicht fünfzehn oder zwanzig Jahren hätte ich nicht gedacht, dass mich das interessiert. Aber die Band Rewolfinger verändert mich ja auch, auch in meinen Hörgewohnheiten – und das ist auch gut so.
Die Band als soziales Biotop.
Absolut. Es ist eine Psycho-Couch, es ist ein Restaurant, es ist ein Wirtshaus! Eine Band ist wirklich ein soziales Biotop und man merkt eigentlich erst, wenn man lange nicht mehr gespielt hat, dass sie einem abgeht.
Wie wird eure aktuelle CD “Redemption, Daily 10 AM” angenommen?
Feedback haben wir schon, die CD wird überraschend gut angenommen von Leuten, bei denen es uns eigentlich wundert, dass sie die CD überhaupt anhören, wie zum Beispiel Fritz Ostermayer. Die CD kommt gut an, aber es wird immer Spartenkino bleiben. Es wird nie etwas sein, mit dem man einmal durchstarten und irgendwann einen Cadillac reiten kann. Aber ich bin stolz darauf, dass wir unser Ding einfach durchziehen. Wir haben selbst mal im Home-Recording eine 6-Songs-CD aufgenommen, durch das Konkord-Label haben wir die Möglichkeit bekommen, sehr gut aufzunehmen.
Unser Tontechniker Matthias hat sehr lange mit uns darüber gesprochen, wie der Sound sein soll. Wir haben sehr viele Instrumente in unserer Band und wir treiben Tontechniker normalerweise in den Wahnsinn, denn immer wenn der Tontechniker glaubt, er ist jetzt fertig, ziehen wir noch ein Instrument hervor. Aber Matthias hat den Sound wirklich so geschafft, wie wir ihn wollten: Einfach und auch sehr rau. Insofern bin ich sehr froh, dass wir sehr lange gewartet haben auf den richtigen Mann, der das dann auch wirklich gut gemacht hat.
Interview: Jürgen Plank
Aktuelle CD: Rewolfinger: “Redemption, Daily 10 AM” (Konkord)
Termine:
14.09.: Ebensee, Kino Ebensee
15.09.: Wien, Strassenfest Verein Häferl
05.10.: Stadt Haag, Böllerbauer
19.10.: Wien, Einbaumöbel
28.11.: Wien, OST Klub, Labelnight Konkord + fm-music