Punkt. Und abgehakt – Rainer Krispel, Booker für die Kapu in Linz, das Chelsea und auch für die Szene Wien, Musikarbeiter und Aktivist der Plattform szenebleibt.at, über so genannte Monopolisten, Maulkörbe und die älteste Geschichte der Welt. Das Interview führte Markus Deisenberger.
Du bist schon so lange in der Szene. Was hat sich an den Strukturen seitdem verändert?
Aus meiner Sicht, der ich aus einer subkulturellen Prägung komme, ist das, was Christiane Rösinger (Lassie Singers, Britta, Anm.) in ihrem letzten Buch auf den Punkt gebracht hat, in dem sie die Berliner Szene beschreibt – Berlin war ja immer der Leitstern, was subkulturelle Durchmischung von Punk und Indietum betrifft. Zum ersten Mal habe ich dort den Gedanken ausformuliert gelesen, dass der Subkultur-Kapitalismus heute einfach viel effizienter ist. Genau das ist die Entwicklung, die über allem liegt, dass nämlich auch in den Underground-Bereichen inhaltlich betriebener Musiken auf einmal wirtschaftliche Effizienz eine maßgebliche Rolle spielt. Das ist durchaus umlegbar auf Österreich. Die Agentur-Logiken haben Indieland erreicht. Seit der Existenz von Nova und Musicnet hat sich eine Professionalisierung etabliert, gleichzeitig ist mit den Festivals aber auch der Markt viel wichtiger geworden. In Frequenzy und Nova Rock kulminiert dieser Markt heute.
Aber hat die dort gespielte Musik denn noch etwas mit Indie-Kultur zu tun?
Nein, natürlich überhaupt nicht. Das Erstaunliche ist aber, dass es sehr wenige Ansätze eines inhaltlichen Arbeitens daneben gibt. Die Kritik, die an den bestehenden Festivals geäußert wird, ist zu einem Gutteil dem Umstand geschuldet, dass die Leute halt selbst gern Monopolisten wären. Was es an Diskurs gibt, ist, dass man nicht einsieht, dass die Pfründe, die es gibt, nicht gerechter aufgeteilt sind. Gleichzeitig, und das ist ebenfalls erstaunlich, gibt es diese Medienmacht der besser angebliche Medienmacht von fm4 und GoTV, die ich nicht im Einzelnen kritisieren möchte. Aber beinahe jede Band ist in der Denkweise gefangen, dort vorzukommen. Das kann es aber doch nicht sein, weil diese Medien in Anspruch und Wirken doch äußerst limitiert sind. Das Erstaunliche ist, dass auch bei Veranstaltern eine große Perspektive- und Fantasielosigkeit Einzug gehalten hat. Mit dem Donaufestival haben wir ein einziges dezidiert inhaltlich ausgerichtetes Festival, das diesen Bereich berührt, da es ja an der Schnittstelle von Musik und Performancekunst angesiedelt ist. Das ist alles und es wirft ein armseeliges Bild auf die freie Kultur im Bereich der Musik in Österreich. Es gibt natürlich schon noch so etwas wie Ottensheim, das ist aber eher über die Soziologie der Szenen, die das betreiben zu erklären. Die hängen sich das aber auch nicht mehr in dem Ausmaß um, weil ihnen einerseits der Diskurs zu mühsam geworden ist und sie andererseits sowieso nicht gehört werden. Es gibt ja keine Plätze und keine Medien, in denen ein solcher Diskurs ausgetragen werden könnte. Martin Moped von der Medienmanufaktur hat in einer Geschichte letztens gesagt, dass es überhaupt vermessen wäre zu glauben, in einen Kulturkampf eintreten zu können. Aus oberösterreichischer Perspektive waren die Institutionen, die es damals und heute gab wie den Schlachthof Wels, das Kino Ebensee und Posthof damals viel näher beisammen als heute. Die Protagonisten kennen sich zwar bis heute, aber über die Jahre hat sich das so entwickelt dass man isoliert dahinarbeitet. Man tauscht sich zwar schon hin und wieder aus, aber das ist es dann auch schon. Einzig Klaus Wallinger vom Kino Ebensee, der ein bisschen verbindlicher und vernehmlicher zu machen versucht hat, was Alternativkultur gesellschaftlich will.
Gleicht diese Entwicklung nicht ein bisschen der Typologie einer Revolution, wonach es logische Konsequenz subkultureller Entwicklung ist, dass die einst autonome Zelle von den sie lenkenden Menschen, die allesamt älter werden, professionalisiert und kommerzialisiert wird, was meistens damit endet, dass etwas, was kulturell funktionierte, entweder kaputt renoviert wird oder man gleich woanders hingeht und sich die Punks von früher eben einen neuen Platz suchen müssen. Siehe ARGE Salzburg. Oder kann man es schaffen, sich diese Inhalte zu bewahren, auch wenn man älter wird und Subventionen erhält?
David Thomas von Pere Ubu hat einmal zu mir gesagt, dass ihn am meisten ärgert, dass Rock immer so etwas Jugendliches anhaftet. Er habe Rock immer als Kunstform gesehen, die auch für Erwachsene legitim ist. Darum singe er ja auch über erwachsene Dinge. Genau diesen Geist müsste man anfangen umzulegen. Es gibt ja auch Leute wie den Wasserbauer in Wels, die jahrzehntelange Perspektive haben. Eine Frage ist, wie ich Erneuerung mit strategischer Erfahrung in Einklang bringe. Wie kann man Musik so aufmachen, dass auch für die Elder Statesmen oder -women Platz ist, denn es geht ja auch um Existenzen. Es geht ja letztendlich auch um Jobs. Und dafür, dass das ohne Blockaden vonstatten geht, gibt es keine Modelle. Meist gibt es wie Du richtig sagst ein Aufgehen in kapitalistischen Mustern. Subkultur wird dann in tatsächlich marktwirtschaftlichen Texturen umgesetzt. Das Verbleiben in der inhaltlichen Arbeit mit Pop und Rockmusik ist anscheinend nicht möglich.
Womit wir beim Thema wären: Du bis aktiv in der Bewegung Szene bleibt. Egal was im Hintergrund für diese von vielen Leuten als unerfreuliche empfundene Entwicklung, dass nämlich die Szene Wien von den Planet Music-Leuten übernommen wird, verantwortlich war, die Konsequenz des Ganzen ist, dass bei der Übernahme das Wissen und die Erfahrung von Leuten, die dort zehn, zwanzig Jahre Erfahrung sammeln durften, genau dieses Know Howa lso, von dem Du sprichst, versackt.
Die grundlegende Tragik offenbart sich im einfachen Bild. Wen ich mir ganz ohne Wertung anschaue, was passiert, dh ohne die Arbeit der Szene Wien und des Planet Musik zu bewerten, ist schon das erste Bild schief, weil ich nachher statt zwei Bühnen nur noch eine habe. Und das ist schlecht.
Da wir sowieso einen grundsätzlichen Mangel an Bühnen haben.
Ganz genau. Das heißt, dieses Faktum ist alleine schon Grund genug, einen Aufschrei zu tun. Und dann muss ich mir aber auch die qualitativen Unterschiede in der Arbeit anschauen und das, was Du in Deiner Frage angeschnitten hast, nämlich, dass Arbeitsplätze gefährdet werden, aber auch, welche Neurungen in der Szene Wien den letzten Jahre über passiert sind. Da gab es etwa das Festival Daneben, das ganz kleinen, schrägen und “unverkäuflichen” Bands ein Forum geboten hat. Das Problem der Szene ist nun, dass sie einen Kulturauftrag erfüllt hat, über den sie nicht ausschließlich definiert war. Das heißt es hätte schon lange einmal passieren müssen, dass man das Haus aus dem Stadthallen-Konstrukt ausklammert und es als Stätte definiert, die im weit gefassten Pop-Umfeld einen ganz dezidierten Kulturauftrag hat. Es haben ja auch Tanz und bezirksbezogene Events stattgefunden. Aus dem heraus hätte man eine neue Definition entwickeln müssen, für die man Strukturen schafft. Das ist aber nie passiert, was ich sehr bedaure. Die Legitimation, die jetzt nachträglich von der Stadthalle geschaffen wird, ist eine rein wirtschaftliche, was äußerst kurios ist, da der Stadthallen-Direktor selbst der Szene weniger Spieltage verordnet hat. Es ist daher absurd, über mangelhafte Auslastung zu sprechen, wenn es gleichzeitig eine Reduktion des Fassungsvermögens und verordnet auch weniger Spieltage geben soll. Da alles ist sehr widersprüchlich.
Und wieso zerreißt man überhaupt etwas Funktionierendes?
Da kommt ganz massiv eine Person ins Spiel: Josef “Muff” Sopper, der ja auch keine Schwierigkeit hat zu sagen, dass er dieses Haus einfach wollte. Das ist ja an sich auch nichts Verwerfliches, nur nicht unbedingt eine Arbeitsweise, die mich anspricht oder die ich passend finde. Wenn jemand eine neue Veranstaltungsstätte will, dann soll er sich eine neue suchen, finde ich.
Logisch wäre doch gewesen, eine ebenso große Bude wie das Planet Music neu zu etablieren, dann hätte Wien wieder – wie bisher auch – drei Veranstaltungsorte mit drei verschiedenen Fassungsvermögen und drei verschiedenen Zielgruppen.
Da bin ich ganz bei Dir. Aber offenbar hat Muff Supper die Energie, seinem Wunsch, die Szene zu bekommen, den ich unkommentiert lassen möchte, auch genügend politischen Nachdruck zu verleihen, damit es dann auch passiert. Wenn er die selbe Energie darauf verwendet, ein neues Haus zu bekommen, dann kriegt er wohl auch dieses.
Was für den Musikstandort Wien zehn Mal besser wäre.
Auch das unterschreibe ich zu 100%. Ich glaube, dass in Wien en Planet Music und eine Szene Wien Platz haben. Was diese Häuser dann im einzelne heißen, ist eine andere Geschichte. Das können die Protagonisten in ihrer Arbeit dann ausdefinieren. Aber dass beide ihre Berechtigung haben, stand nie zur Debatte. Es geht ja auch nicht umgekehrt darum, den Planet Music abzudrehen.
Du wolltest inhaltlich nicht werten. Dann tu ich das jetzt: Es gab – und das ist für einen beobachtenden Journalisten wir mich Fakt – unzählige Bands, die einmal im Planet spielten und nie wieder. Die Tindersticks zum Beispiel. Dem gegenüber genießt die Szene einen international einwandfreien Ruf. Steve Kilbey von The Church – immerhin fast dreißig Jahre im Geschäft – hat mir gegenüber gesagt, er sei selten so zuvorkommend behandelt worden. Ebenso gibt es eine junge viel versprechende Band, deren Sänger, als er im Planet ein Bier ordern wollte, beschieden wurde, dass es für eine kleine österreichische Null wie ihn kein Bier gebe, während ebendiese Band in der Szene vor ausverkauftem Haus spielt und mir gegenüber begeistert davon schwärmte, dass sie dort genau so behandelt würde wie ein internationaler Act.
Auch wenn ich nicht inhaltlich werten will, kann natürlich schon sagen, dass das Planet Musik für mich für einen marktwirtschaftlichen Grundsatz steht.
Umso komischer ist aber doch, als sich der Planet immer als Band-fördernd präsentierte, wobei wir doch alle wissen, dass dieses Modell des Bandwettbewerbes mit Mindest-Kartenabhname zumindest fragwürdig ist. Es gibt Bandwettbewebe, die wirklich etwas nutzen, und solche, die unter dem Deckmantel der Förderung vorrangig dem Geschäft dienen. Wenn ich das Planet Musik mit dem Rochouse Salzburg vergleiche, liegen da doch Welten dazwischen, oder?
Das hat auch sehr viel mit einem Menschenbild zu tun. Ich will das, was mir am Herzen liegt, aber nicht als reines Anti-Planet-Statement verstanden wissen. Natürlich ist die Frage, warum man sich das nicht schon längst einmal genauer angeschaut hat, sondern erst jetzt, als die Hinichen dort spielten, eine Band, die von ihren frauenverachtenden Inhalten so grausig ist, dass sich ein paar Leute gedacht haben, das geht ja jetzt wirklich nicht mehr. Dann sind wir dann aber bei Zensur und Autonomie von Veranstaltern angelangt. Das sind große Themen. Aber Fakt ist auch, dass es keine Diskussion über Popmusik und deren Inhalte auf politischem Niveau gibt. Der Kulturpolitik müsste daher einmal klargemacht werden, dass es unterschiedliche Haltungen gibt, aus denen heraus man veranstaltet.
Aber um noch einmal auf die Unterschiede in der Behandlung von Bands vor Ort zu sprechen zu kommen: warum wissen das Du und ich, in der Politik aber niemand?
Ich sage das jetzt einmal ganz salopp. Weil es der Politik scheißegal ist. Die Politik hat eine Menge Agenden und handelt in der Regel auch erst dann, wenn es irgendwo kracht. Das soll kein Pauschalurteil sein: Natürlich sind auch schon Leute seitens der SPÖ oder der Grünen an uns herangetreten, um einen Diskurs zu führen. Die Frage ist aber auch, warum das nicht schon vor zwanzig Jahren passiert ist. Die Enquete, die jetzt bevorsteht, ist nicht die erste Quotendiskussion, die geführt wird. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als die Grünen mit Hern Wolf am runden Tisch saßen. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich mit Christof Kurzmann vom MusikerInnenrat aus bei Madelaine Petrovic vorstellig war. Petrovic hat damals nach zwei Minuten gesagt, dass sie jetzt zum Flötenkonzert ihrer Tochter müsste. Wir müssten verstehen. “Erzählen sie doch das alles meinem Assistenten”, hat sie gesagt, was wir allerdings nicht getan haben. Wir haben ihren Abgang abgewartet und sind dann auch gegangen. Ohne üble Nachrede: So ist es eben. So lange die Musik keine wirtschaftliche Power hat, wird sie nicht ernst genommen und das sagt dir wieder etwas über das Menschenbild und die Systematik von Politik in diesem Lande.
Nun aber hat man den Bedarf erkannt und will darüber reden, wie sich die Strukturen so anpassen lassen, dass sie das neue Jahrtausend tragen. Zeigt sich parallel etwa, dass schon die althergebrachten nicht funktionieren?
Du hast vorher dieses recht passende Bild der Zyklen bemüht. Wenn ich das noch einmal reaktivieren darf, dann ist die kulturpolitische Wahrnehmung von Pop-Musik ein Neugeborenes, das in eine sehr reiche Familie hineingeboren wird. Patschert und unbeholfen. Ein Neugeborenes, das auf eine lange Geschichte zurück blickt, was die Sache nicht leichter macht. Wir müssten viel mehr über die Polarität von Popmusik als Handelsware und Kulturgut reden. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre, die Szene Wien einmal als Kulturhaus anzuerkennen und einen kulturellen Auftrag auszuformulieren, denn dann greifen alle Argumente, die rein auf Auslastung und Wirtschaftlichkeit zielen, nicht mehr.
Wenn man ich den aktuellen Szene-Flyer anschaut, spielt diesen Monat noch Matmos, bald Alannah Myles und Roland Düringer. Das ist schon eine andere Welt, oder? Außerdem haben viele Booker aus Protest gegen diese “feindliche Übernahme” ihre Bands aus der Szene ins Flex oder andere Locations verlegt. Tausende haben auf eurer Liste unterschrieben. Kann es sich die Politik leisten, da einfach wegzuschauen?
Ein weiterer Punkt ist, dass hier eine Männerseilschaft eine Frau (die bisherige Geschäftsführerin, Anm.) abschießt. Auch das von der Planet-Führung schnell aus dem Hut gezauberte feministische Konzept, eine Walpurgisnacht zu veranstalten, ist grober Unfug. Inhaltlich fehlen mir da einfach die Worte. Solche Feste passieren schon seit fünfzehn Jahren, aber das als feministisches Statement verkaufen zu wollen, ist schon ein starkes Stück. Im Grunde genommen gab es wider anders lautende Beteuerungen nie ein Interesse, mit den bestehenden Strukturen weiter zu arbeiten. In der bestehenden Struktur des Planet gibt es doch schon Leute, die man sich antizipierend hereinnahm, um sich auf einem bestimmten Feld eine Kompetenz anzueignen, die eine Rolle spielt. Da gab es etwa die Gravity-Line, die sehr kompetent betreut wurde. Meine Optik ist aber, dass das ganz bewusst und mit Kalkül schon antizipierend geschah, um den Indie-Bereich abzudecken. Garantiert ohne inhaltliche Auseinandersetzung, sondern in Pflichterfüllung. Punkt und abgehakt. Die Form nach außen wahren, das läuft seit Jahrtausenden so. Potemkinsche Dörfer, die älteste Geschichte der Welt. In einer Stadt wie Wien, in der es eine Kultur des gesprochenen Worts gibt, in der uns Karl Kraus die Beistrichsetzung beibrachte, lässt man einen Bereich einfach außen vor, weil er eh miterledigt wird. Das ist erschütternd. Michael Köhlmeier formuliert den Gedanken in seinem Buch “Abendland” aus: Nach dem Weltkrieg haben sich in diesem Land nur Elitekulturen etabliert. Und er hat recht. Es ist doch eine Tragödie, dass die bestausgebildetsten Musiker dieses Landes ihr Leben nichts andere tun als jahrhundertealte Musik zu reproduzieren und vielleicht nur zu einem Promillesatz neue Kompositionen spielen. Das ist doch eine ästhetische Katastrophe. Ich will anderseits dieselbe sensible inhaltliche Auseinandersetzung mit der sogenannten “U-Musik” wie mit der sogenannten “E-Musik”. Ist denn das zu viel verlangt? Ich will, dass die Besetzung des Chefs des Gasometer inhaltlich tatsächlich Chefsache ist und nicht von Genosse Häupl, sondern vom Genossen Bundeskanzler erledigt wird – oder er wenigstens eine Wahrnehmung der Sache hat. So wie es beim Staatsoperndirektor der Fall ist.
Ist das realistisch?
Jetzt erzähl ich Dir, was realistische Einschätzung in diesem Land bedeutet. Wir haben uns vor zehn Jahren, als wir als Band wirklich viel spielten, ausgerechnet, wie viel wir spielen müssen, um 8.000 Schilling netto zu verdienen. Die Untergrenze lag bei hundert, reell hätten wir hundertfünfzig mal im Jahr spielen müssen, damit es sich für vier Leute ausgeht. Beim heurigen Amadeus sagte Andreas Eder von fm4 über ALASAC (A Life a Song a cigarette), dass das eine gute Band ist, weil sie ja viel spielen. Dann hab ich mir auf deren Homepage angeschaut, wie oft die denn spielen: 40 Mal im Jahr 2007. Das ist also angeblich viel für eine gut im Saft stehende Indie-Band. Absurd. Jede britische Hobby-Band spielt öfter.
Du hast vorher die Definitionsmacht der beiden für Pop maßgeblichsten Medien angesprochen. Wird der redaktionelle Input, der dort eingesetzt wird, nicht immer weniger?
Klar. Die Subkulturkompetenz wurde abgezogen. Jemand, der subkulturell etwas bewegen will, geht ja auch nicht zu fm4. Ab dem Zeitpunkt, ab dem vier Marketing-Leute am Tisch sitzen, ist es doch vorbei.
Du hast im Vorfeld dieses Gespräches erwähnt, dass der AKM oft die Rolle einer Blockade zukomme.
Ja, die AKM spielt eine unglückliche Rolle. Da müsste man die Aufteilung zwischen E- und U-Musik und die Mitgliederstrukturen hinterfragen. Eigentlich wäre die AKM ja meine Interessensvertretung. Meine Interessen hat sie aber noch nie vertreten, weil sie ja über keine Leute verfügt, die entsprechende Credibility haben. Das wesentlich größere Problem aber ist, dass es in Österreich keine Konfliktkultur gibt. Es wird immer gleich so elementar und geht um Vernichtung. Jedes Thema wird sofort radikalisiert: Entweder so oder so. dazwischen gibt es offenbar wenig. Ich hab mich ja auch mit Muff Sopper getroffen, um zu diskutieren, auch wenn der meinen ungebrochenen Wunsch nach einer Szene Wien wie sie war nie verstehen wird können, weil er das Haus schon seit 1983 will, als es ausgeschrieben war und er es nicht bekam.
Ist das realistisch, dass man so etwas bewegen kann?
Es schaut nicht so schlecht ist. Die Frage ist, ob sich die SPÖ dem öffnen kann oder mauert.
Ist dieser Mangel an kulturpolitischen Positionen in einem Land, das nach außen als Musikland und in einer Stadt, die als Musikmetropole gehandelt wird, nicht äußerst merkwürdig?
Klar. Aber ich gebe die Hoffung auf einen offenen, differenzierten Diskurs nicht auf. Ich will ja auch ein Buch über eine zentrale Figur der heimischen Popkultur schreiben, weil mich interessiert, ab wann genau es schlecht wird, ab wann der Kokon, in den man eingewebt wird, zu dicht wird.
Ich bin gespannt. Ein Schlusswort?
Ja. Das aktuell schlimmste Problem in Sachen Szene Wien ist der Maulkorb, dh dass sich viele Leute nicht trauen was zu sagen, weil sie befürchten, dann den Zugang zu den Bühnen, die Sopper kontrolliert, zu verlieren. Dieses “Bist du nicht für mich, bis du gegen mich” ist ein Unsinn. Nur weil ich die Freiheit der Kunst verteidige, muss ich noch nicht jedes Kunstwerk gut finden. Nur weil es meine Feinde schlecht finden… Die Feinde meiner Feinde … Diese Denkweise muss weg, es muss endlich Auseinandersetzung in den Sachfragen geben. Das ist doch das Wesen einer Demokratie, dass die Leute miteinander reden. Hier aber reden sie gegeneinander, weil sie sofort ihre Interessen gefährdet sehen.
Vielen Dank für das Gespräch.