mica-Interview mit Polkov

Polkov ist der bestehende Beweis dafür, dass aus aus ein paar im Schlafzimmer aufgenommenen Demos eine Band entstehen kann, die Musik – vielleicht weil sie schon vorher da war – ernster nimmt als sich selbst. Mit Laurenz Jandl und Paul Pfleger sprach Lucia Laggner über flexible Formationen, die Korrelation von Eifer und Organisationstalent, die Daseinsberechtigung eines Amadeus und eine Form der Nächstenliebe fernab der Nationalratswahl.

Wie hat sich Polkov ergeben?

Laurenz Jandl: Meine vorherige Band, Lullabies, haben sich 2008/2009 aufgelöst. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine Menge Songs, aus denen ich etwas machen wollte. 2010 haben wir im Trio eine (unreleaste) EP aufgenommen und mit der Zeit sind immer mehr Musiker hinzugestossen um in irgendeiner Form mitzumachen, bis es irgendwann zu einer Art Kollektiv wurde. Es hat seine Zeit gedauert bis dieses Projekt zu der Band geworden ist, die sie jetzt ist.

Paul Pfleger: Wobei der Kollektivgedanke erhalten geblieben ist.


Eure Konzept, die Formation je nach Anlass wachsen und schrumpfen zu lassen, erscheint zunächst plausibel, wirft aber auch Fragen auf. Wie denkt man die Musik, wenn man nicht weiß, durch wen sie entsteht? Gibt es eine Grundformation, auf der man aufbaut oder können eure Nummern in den unterschiedlichsten Besetzungen gespielt werden?

Laurenz Jandl: Es gibt einfach Lieder und die sind ausbaubar. Ich glaube das Grundding ist der Song. Gitarre und Gesang bilden die Basis, auf der alles Mögliche aufbauen kann.

Paul Pfleger: Das ist extrem cool, weil die Songs von Lauri alleine weggehen. Ein Song kann schon mit Stimme und Gitarre oder Stimme und Klavier da sein. In der Besetzung sind nach oben keine Grenzen gesetzt. Angenehm ist auch, dass man nach unten flexibel ist. Bei Stereoface etwa brauchen wir ein Rock’n’Roll Line-up mit Gitarren und Schlagzeug, damit unser Ding repräsentiert werden kann. Im Falle von Polkov ist das wesentlich anpassungsfähiger.

Laurenz Jandl: Das hängt natürlich sehr stark damit zusammen, dass das einfache Singer-Songwriter Songs sind. Eigentlich sind das Nummern, die ich oder mittlerweile auch der Paul, mit einfachen Gitarren-Akkorden und Gesang arrangiert haben. Das entspricht weder einem Riff-orientierten Songwriting, noch sind diese Nummern im Jam entstanden, sondern das sind einfach ganz basic Songwritersongs, die wir als Band gemeinsam ausgebaut haben.

Paul Pfleger:
Polkov entsteht vom Song weg und die Sounds kleiden den Song dann ein.

Verhindert man durch ein Konzept abseits der klassischen Bandstruktur auch bestimmte Schwierigkeiten und Reibungspunkte, mit denen Bands oft zu kämpfen haben?

Laurenz Jandl: Wenn man die letzten Konzerte, Proben und auch unsere momentanen Aufnahmen beobachtet, dann hat sich unser Projekt schon in eine Band verwandelt. Wir haben mittlerweile eine ziemlich fixe Besetzung, einen Grundkern. Gitarren- und gesangtechnisch ist das Ganze nach oben hin offen. Florentina, unsere Sängerin, geht für ein halbes Jahr nach Barcelona und wir müssen ohne sie auskommen, aber das geht.

Paul Pfleger: Logistisch und pragmatisch gestaltet sich dieses Projekt natürlich entspannt. Wenn man immer eine zehn-köpfige Truppe stellen müsste, dann wäre das unglaublich schwer, aber wir haben, auf Grund der Beschaffenheit der Songs, die Freiheit, schon zu zweit oder alleine zu performen. Bevor die Band entstanden und die Sache gewachsen ist, haben wir oft zu zweit oder zu dritt und ohne viel Verstärkung gespielt. Das ist natürlich sehr angenehm, wenn man sich auch mal dem Rahmen anpassen kann, weil nach unten sehr viel Spielraum ist. Schwierig ist es ja immer, wenn man gleich ein Live-Schlagzeug dabei hat.

Würdet ihr sagen, dass es trotz dieser Flexibilität und, man könnte sogar sagen, unsteten Formierung, so etwas wie einen typischen Polkov Sound gibt?

Laurenz Jandl: Der Kollektivgedanke ist sehr schön, aber mittlerweile sehe ich dieses Projekt schon als Band und daher haben wir auch einen Sound. Im Zuge der Album Aufnahmen haben wir zum Beispiel einen super Schlagzeug Sound gefunden, richtig 70s. Der Paul hat ein ganz charakteristisches Pianospiel. Da kommt einiges Zusammen und ich finde, daraus ergibt sich ein sehr schöner und individueller Sound.

Liegt das auch daran, dass ihr früher in anderen Formationen gespielt habe und das auch jetzt noch tut? Beeinflusst euch dieser Sound, den ihr in anderen Projekten erarbeitet habt?

Paul Pfleger: Das glaube ich schon. Was bei Polkov charakteristisch ist, und mir auch bei den Aufnahmen aufgefallen ist, ist der relativ lockere Sound. Dadurch, dass die Songs meist sehr einfach aufgebaut sind, bleibt total viel Spielraum für eigenen Arrangements und lockerel Licks. Bei den Studiosessions hatte ich das Gefühl, dass die Aufnahmen oft sehr unterschiedlich sind und die Leute Phrasen und Licks ausprobiert haben, die ich, für meinen Teil, beim nächsten Mal gar nicht mehr gewusst habe. Das ist sehr positiv, weil es viel Spielraum lässt.

Eure Videos lassen Musik und MusikerInnen den Vortritt. Liegt auch das an einem Konzept, dass sich der Musik selbst mehr verpflichtet fühlt als außermusikalischen Konzepten?

Laurenz Jandl: Ich glaube, dass bei uns die Show der Musik auf jeden Fall untergeordnet ist. Wir wollen einfach nichts Artifizielles fabrizieren. Die Songs sind, was sie sind.  Es gibt aber genug Freiheit für jeden. Jeder kann seinen eigenen Touch bei Polkov einbringen. Jeder kann live soviel oder so wenig machen wie er will. In einem mehr oder weniger angemessenen Rahmen.

Jede Band, egal ob sie aus einem Konzept oder Projekt heraus entstanden ist, muss verwaltet werden, um am Leben zu bleiben. Wer organisiert Polkov? Gibt es auch im Hintergrund Rollenverteilungen?

Paul Pfleger:
Die Sache geht vom Lauri weg.

Laurenz Jandl:
Die Verwaltungsarbeit mache eigentlich ich, wie etwa Förderungen einzureichen. Organisatorisches übernehme eigentlich auch zum größten Teil ich. Ein Bekannte von uns hat einige Managementsachen für uns geregelt und ein paar Konzerte für uns organisiert. Auch Paul hat schon ein paar Sachen aufgestellt. Ich denke, dass sich auch in diesem Bereich jeder involvieren kann, aber der Löwenanteil liegt bei mir.

Paul Pfleger:
Sobald mehr Sachen anstehen, wird es sicher interessant, wie sich die Sache entwickelt. Da brauchen wir dann auch ein Netzwerk und Partner.

Laurenz Jandl: Ich bin eigentlich ein “Zniachtl” im Bereich des Organisatorischen. Ich gebe meine Bestes, aber…

Paul Pfleger: Lauri ist ein Organisationsuntalent, aber dafür macht er es sehr gut.

Laurenz Jandl: Das Untalent versuche ich mit meinem Eifer wettzumachen. Nicht ausser Acht zu lassen ist Matzi (Matthäus Maier von ZITA Records), unser Labelboss. Er greift uns wirklich sehr unter die Arme, ist sehr engagiert und zuverlässig!

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Der österreichische Musikmarkt ist bekanntlich nicht die bandfreundlichste Spielwiese für heimische Formationen. Ist Polkov neben einem künstlerischen Projekt auch eine geschickte wirtschaftliche Idee, da ihr eure Größe ja ändern und dementsprechend auch dem Kunden bzw. Anlass sehr flexibel entsprechen könnt?

Paul Pfleger: Ich finde es gut, was du sagst, aber ich denke, dass es bis jetzt extremer Idealismus ist. Momentan steht das Künstlerische für alle Beteiligten so stark im Vordergrund, weil es auch noch nichts zu verdienen gibt.

Laurenz Jandl:
Für das Konzert am 3.9. in der Postgarage hat mich der Veranstalter gefragt, ob es möglich wäre in einer kleineren Besetzung zu spielen. Auch wegen der Bühne und dem Hauptakt, weil die nur zu zweit sind. Da kann man sich dem Anlass schon ein wenig besser als andere anpassen.

Paul Pfleger: Es ist Bandmäßig so wahnsinnig schwierig. Vor fünf Jahren haben Bands noch einige wirklich gute Möglichkeiten gehabt. Gerade im Hinblick auf Gagen haben die Veranstalter selbstverständlich und gerne gezahlt haben. Diese Gagen sind weg, das ist unglaublich.

Laurenz Jandl:
Auch im Hinblick auf das Publikum, war viel mehr los. Man ist einfach noch zu Rock’nRoll Konzerten gegangen.

Paul Pfleger: Leute, die durchschnittlich oder unterdurchschnittlich musikbegeistert sind, sind früher trotzdem auf Konzerte gegangen. Diese Leute kommen heute fast gar nicht mehr und sie gilt es zu begeistern. Freaks, die selbst auf unserer Ebene sind und selbst was machen, gibt es immer, aber die mittelmäßig interessierte Masse gilt es zu erreichen und zu begeistern. Das gestaltet sich im Moment wahnsinnig schwer.

Laurnez Jandl:
Es ist wirklich schwierig, dass man nicht in das Musikerklischee reinfällt und nur “Musikermusik” macht. Gerade, wenn man sich abseits des Mainstreams – durch Country, Folk und Rock’nRoll – kämpft.

Paul Pfleger: Das stimmt schon, aber ich glaube, dass sich die Songs, da sie einfach sind, auch super verständlich präsentieren. Ich denke, das bietet gutes Potential.

Patrick Pulsinger hat in einem Mica-Interview vor dem diesjährigen Popfest gemeint, dass er als Kurator zunächst auch mit vielen Bands konfrontiert ist, die er eben kennt oder die man so kennt. Das ist ja nicht weiter verwerflich, sondern eigentlich klar. Aber wie schafft man es auf den Radar dieser Entscheidungsträger und wo führt einen das hin? Ist es erstrebenswert den österreichischen Markt zu erobern oder orientiert man sich international oder macht man bzw. ihr einfach Musik ohne am Markt und Wirtschaft zu denken?


Paul Pfleger:
Ich weiß nicht, ob vom Popfest die Intention besteht, wirklich die Spitze der Musiklandschaften zu repräsentieren. Wenn Patrick Pulsinger der Kurator ist, dann sehe ich das so, dass er aus seinem Erfahrungs- und Geschmackspool schöpft. Das ist total ok. Ich kenne Leute, die mit ihm gearbeitet haben und finde es völlig in Ordnung, dass er die auch einlädt. Ich fühle mich nicht ausgeschlossen. Ich finde es vielmehr super, wenn sie Jahr für Jahr einen anderen Kurator haben, der was anderes vorstellt. Mich stört etwa der Amadeus viel mehr. Den Anspruch zu erheben, Preise an die Besten vergeben zu wollen, und dann eine dermaßen schwammige Selektion zu betreiben. Das finde ich sehr fragwürdig. Das Popfest kann nicht alle unterbringen, damit habe ich kein Problem.

Laurenz Jandl: Der Pool (der Nomierten Acts) vom Amadeus wiederholt sich ja auch immer wieder. Meiner Meinung nach würde es reichen, wenn man den Award zum Beispiel alle drei Jahr vergeben würde.

Paul Pfleger:
Dafür bräuchte es allerdings wirklich viele Kategorien und viel mehr Nominierte. Der Aufwand wäre auf jeden Fall ein anderer. Letztlich soll es nicht unsere Sorgen sein.

Wie beurteilt ihr die österreichische Musiklandschaft und den Markt im Vergleich zu Nachbarländern oder EU-Ländern? Habt ihr Kollegen oder Freunde mit Erfahrungsberichten oder eigenen Erfahrungswerte?

Paul Pfleger: Ich weiß, das Österreich total viel coole Sachen hat und die muss man sehen. Man sollte auch versuchen, nicht auf andere neidig zu sein.

Laurenz Jandl: Ich denke, dass die “Austrian Virtues” dem Ganzen ein bisschen im Weg stehen. Wirtschaftlich betrachtet, nutzt Österreich die Popmusik nicht als Faktor. Die Schweden haben das schon zu Zeiten von Abba erkannt und gefördert. Auch heute tun sie das noch. Das ist nicht nur ein nützlicher Wirtschaftsfaktor sondern das sind coole Aushängeschilder. Refused und Mando Diao werden mit Schweden assoziiert. Das fehlt in Österreich einfach total.

Paul Pfleger:
Wenn der ORF sagt, dass er die Unterstützung für den österreichischen Musikfond streicht, dann ist das symbolisch sehr problematisch. Das heißt einfach, dass es dem ORF das nicht wert ist. Das sind Misstände, die symbolisch viel stärker wirken, als das Vorhandensein oder nicht Vorhandensein tausender Euro.

Laurenz Jandl: Die Künstler, die den Sprung aus Österreich heraus geschafft haben, sind sehr zu bewundern. Was in Österreich auch sehr bezeichnende ist, dass Bands, die von Außen kommen, einfach viel mehr Wert sind als die eigenen. Das ist auch für die Musikwahrnehmung eine sehr gefährliche Sache. Ob das nun Ö3 betrifft oder FM4, ist völlig egal.

Paul Pfleger: Das ist woanders zwar auch so, aber wir sind sehr extrem. Daher ist es umso wichtiger, dass die Gemeinschaft der MusikerInnen Österreichs zusammenhält, wenn jemand International Resonanz bekommt. Man sollte die Aushängeschilder supporten und nicht sofort wieder Fehler suchen.

Laurenz Jandl: Daher würde ich es auch politisch wichtig finden, dass es eine Einheimischenquote im Radio gibt. Da steckt kein Zensurgedanke dahinter. Ich finde einfach, dass genug Scheiße gespielt wird. Dann soll wenigstens österreichische Scheiße gespielt werden.

Eine Abschlussfrage zum kommenden Album. Man kann immer zwei Erwartungen ausmachen. Die eigene Erwartung und die der Leute, die die Musik rezipieren. Was erwartet ihr euch? Was denkt ihr, kann man sich von diesem Album erwarten?

Laurenz Jandl: Wir sind in einem sehr frühen Stadium und haben gerade erst die erste Studiosession hinter uns gebracht. Wir haben fünfzehn Songs in Livesessions aufgenommen, um den live Spirit zu konservieren. Aufbauend auf diesen Songs werden wir bis Oktober oder November overdubben. Bis jetzt ist es super gelaufen. Meine persönliche Erwartungshaltung ist, dass es ein cooles Album wird. That’s it.

Paul Pfleger: Ich bin vom Songmaterial sehr überzeugt. Nach den ersten Roughmixes bin ich schon vom Livematerial sehr begeistert, weil es super eingespielt und sehr stimmig klingt. Einige Leute werden von der Vielfalt überrascht sein. Das Material reicht von traditionell klingenden Country Nummern bis hin zu total improvisierten, freien rhythmischen Teilen. Es lassen sich viele verschiedene Farben erkennen und es ist sowohl im Hinblick auf die Songstimmungen als auch auf die Instrumentierungen sehr vielseitig. Ich hoffe sehr, dass viele Leute die Gelegenheit bekommen, das Album zu hören und es aufmerksam hören, weil viele coole Songs dabei sind.

Laurenz Jandl: Das Album wird herausstechen.

Paul Pfleger: Wenn die Leute die Chance bekommen, es zu hören, dann wird es genug Menschen geben, denen es gefällt. Da bin ich mir sicher.
Logo: Christian Neuwirth
Fotos: Lukas Schneeberger

 

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