mica-Interview mit Philipp Quehenberger

Entzückend entrückend Philipp Quehenberger ist einer der innovativsten und vielschichtigsten elektronischen Musiker des Landes. Sein neues, kurz vor Fertigstellung stehendes Album präsentiert ihn in Hochform: Schräge Harmonien, treibende Beats und verquerer Industrial-Noise. Tanzbarkeit und Pop-Appeal halten sich dabei die Waage, Entrückung hat oberste Priorität. Quehenberger ist aber nicht nur ein Meister des in Richtung Experiment ausufernden Techno-Tracks, derzeit ist er vor allem eines: ohne Label. Pech oder Verweigerung? Bigload traf den Elektro-Exzentriker zu einer exklusiven Listening-Session und Plauderei.

Was hören wir jetzt? Dein neues Album?
Nein, als fertiges Album würde ich das noch nicht bezeichnen. Das sind jetzt einmal 9 Tracks. Derzeit bin ich noch auf Labelsuche.

Wo würdest Du selbst Deine neuen Sachen einordnen?
Im Vergleich zu meinen älteren Sachen sind die neuen Stücke vielleicht ein wenig poppiger. Insgesamt bewegt sich meine Musik immer mehr in Richtung Psychedelic.

Wie wichtig ist Dir Psychedelik?
Ich tue mir immer enorm schwer mit Begriffsdefinitionen, weil ich Musik nicht definieren kann und eigentlich auch nicht will. Wichtig ist nur, dass man sich in der Musik verlieren kann. Insofern sind psychedelische Elemente enorm wichtig.

Was genau ist jetzt der Plan mit den neuen Tracks?
Keine Ahnung, was damit passiert. Erst mal möchte ich eine Maxi releasen, vielleicht den gemeinsamen Track mit Mark Stewart, dann das Album. Entweder mach ich das selbst oder auf irgendeinem coolen Underground-Label.

Mark Stewart?
Ja, den hab ich zufällig kennen gelernt. Er hat einen Text zu einem meiner neuen Tracks – auf dem Demo der übernächste – geschrieben. Uns schwebt eine Maxi, vielleicht auch eine Split-Maxi vor. Den Text selbst kenn ich noch nicht. Eigentlich wollten wir schon letzte Woche gemeinsam ins Studio, dann ist er aber leider krank geworden.

War “QBBQ” (Cheap) Dein bisher einziger Release?
Nein, auf Ego-Vakuum, einem Sub-Label von Sabotage, ist auch etwas erschienen. Das war wieder eher beat-orientierter.
Aber grundsätzlich releast Du wenig bis gar nichts. Woran liegt es, dass bei der Qualität nicht wesentlich mehr weiter geht?
Mit der jetzigen Platte wollte ich mir einfach Zeit lassen, da hab ich mir überhaupt keinen Stress gemacht. Und dann ist es eben auch nicht gerade einfach, ein Label zu finden. Mit Platten lässt sich außerdem kein Geld verdienen, sie sind in meinem Bereich eher eine Art Visitenkarte, die dir dabei hilft, Live-Auftritte zu generieren, von denen ich als hauptberuflicher Musiker leben muss. Die letzte Platte hat das geschafft. Hoffentlich auch diese. Ständiges Platten aufnehmen finde ich nervig, ich spiele lieber live.

Hast Du die Live-Spielbarkeit im Hinterkopf, wenn Du an neuen Sounds bastelst?
Dinge entwickeln sich. Oft entsteht live etwas, dann wieder zu Hause. Manchmal fällt mir live etwas ein, was ich dann zu Hause weiter entwickle und umgekehrt. Grundsätzlich versuche ich aber, die Sounds so organisch und einfach wie möglich zu halten, damit sie live umsetzbar sind. Die richtige Balance zwischen Spiel und Programmierung ist enorm wichtig.
Um noch einmal auf die vorige Frage zurückzukommen: Eine Zeit lang war ich auch ein wenig halbherzig mit dem Verschicken von Demos, live in verschiedenen Formationen aufzutreten war mir einfach wichtiger.

Und jetzt?
Mit dem neuen Album möchte ich jetzt schon Gas geben. Derzeit gibt es Interessenten, aber noch keine definitiven Zusagen. Labelmäßig hänge ich also in der Luft. Alles in allem sehe ich mich aber schon eher als Live-Musiker.

Inzwischen möchte Philipp Quehenberger auf der Demo-CD ein Stück vorskippen
Da muss man noch viel daran ändern.

Mir gefällts. Klingt ziemlich anders als das bisher Gehörte. Geht eher in die Minimal-Richtung.
Stimmt, mir ist es irgendwie zu technoid.

Wie stehts eigentlich mit Deiner Cheap-Connection?
Cheap ist eher maxi-orientiert. Vielleicht machen wir wieder etwas gemeinsam. Derzeit ist aber nichts geplant, unsere Zusammenarbeit liegt auf Eis. Warum kein Live-Album?
Live-Mitschnitte habe ich unzählige, aber meistens passt halt die Qualität nicht ganz. Einen allerdings gibt es, der sehr cool geworden ist und bald auch erscheinen wird: “An Evening in Bregenz”. Franz West, mit dem ich schon bei einigen Projekten zusammen gearbeitet habe, hat den Auftritt nicht nur initiiert, sondern auch das Cover gestaltet.

Allmählich kippt der anfänglich technoide Track und mutiert zu jungle-artigem Noise. Jetzt wird der Beat aber ungerader.

Quehenberger nimmt das Gesagte kopfnickend zur Kenntnis. Er wirkt zufriedener als noch vor wenigen Augenblicken.

Sonstige Projekte?
Ich mache derzeit viel mit dem Didi Kern gemeinsam, er am Schlagzeug und ich am Keyboard. Von dieser Grundbesetzung ausgehend haben wir mehrere Formationen bis rauf zu einer 8-köpfigen Band mit den verschiedensten Leuten. Unter anderem auch mit Jazzern wie dem New Yorker Saxophonisten Marco Eneidi, der schon mit Cecil Taylor gespielt hat, und Franz Hautzinger an der Trompete.

Geht das in Richtung Impro?
Schwer zu sagen. Auch. Uns geht es aber mehr darum, das Energie-Level hoch zu halten. Alle spielen gleichzeitig. Wenige Solis, viel Party.

Wie wichtig ist Noise für Dich?
Ich verwende Sounds mit hohem Geräuschanteil. Die Geräusche überlagern sich, lösen sich in Harmonien auf. Irgendwann hört man dann die Geräusche nicht mehr. Mir geht es weniger um Noise als schlicht um die Möglichkeit, sich in den Sounds verlieren zu können.
Mit dem Sänger von Nitro Mahalia hatte ich auch einmal eine Noise-Elektro-Sache am laufen. Wir nannten uns “Devil Duo” Über einige weinige Tapes-Releases sind wir nicht raus gekommen.

Was hörst Du eigentlich privat?
Viel Blues & Country. Aber auch Jazz und alten Punk, die New York Dolls etwa. In letzter Zeit vor allem Free Jazz aus den 60er-Jahren.

Techno?
Auch. Das Projekt, das ich mit Werner Moebius betreibe, geht in Richtung Techno.

Death-Metal?
Als 14-jähriger hat mich eine Innsbrucker Metal-Band als Keyboarder angeheuert. Wir waren nicht besonders erfolgreich.

Bist Du Platten-Sammler?
Nein. Ich kaufe zwar viel, vor allem altes Vinyl, mir fehlt dabei aber jedes System.

Ein Schlusswort?
Ja. Über Musik zu sprechen ist überhaupt nicht meins. Sie zu beschreiben, fällt mir ungemein schwer. Alles, was ich gesagt habe, möchte ich eigentlich gar nicht gesagt haben.

 

Philipp Quehenbergers hervorragendes neues Album – davon haben wir uns beim Durchhören durch die 9 Tracks überzeugen können – wird hoffentlich bald erscheinen, den im Eigenvertrieb erschienenen Live-Mitschnitt “An Evening in Bregenz” mit Cover-Artwork von Franz West kann man als Appetizer schon jetzt bestellen: einfach ein E-Mail an pq@cheap.at senden.

Interview: Markus Deisenberger

Philipp Quehenberger

 

 

 

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