Ein mehr als feines und ganz und gar nicht mehr kleines Festival verwandelt vom 10. bis zum 17. Juli das 5000 Einwohner zählende Städtchen Andorf in Oberösterreich einmal mehr in einen bunten Ort der Begegnung und kulturellen Vielfalt. Unter dem Motto „arts, cows & party“ öffnet das vom Kunst- und Kulturverein m-arts veranstaltete disziplinenübergreifende zeitgenössische Kunstfestival “Spiel” nunmehr zum dritten Mal seine Pforten, um im und rund um den Biobauernhof Schlossergütl die KünstlerInnen aus dem In- und Ausland und BesucherInnen gleichermaßen dazu zu animieren, neue und ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Was erwartet werden darf, sind hoch interessante und hochwertige Kunstprojekte zwischen Musik, Schauspiel und Tanz. Ebenfalls auf dem Programm stehen fünf Uraufführungen von Werken der jungen heimischen und in Österreich lebenden KomponistInnen Dietmar Hellmich, Veronika Mayer, Burkhard Stangl, Angelica Castello und Matthias Kranebitter. Peter Mayer, einer der drei künstlerischen Leiter des Festivals, im Gespräch mit Michael Ternai.
Wie kommt man als junger Komponist auf die Idee, selber einmal ein Festival auf die Beine zu stellen?
Peter Mayer: Das Festival organisieren ja meine zwei Brüder und ich. Der eine ist Tänzer, Simon Mayer, und der andere, Philipp, ist Sänger. Wir haben in den Teenager-Zeiten in einer Rockband zusammengespielt und mit dieser einige spannende Sachen gemacht. Unter anderem haben wir auch kleinere Festivals am elterlichen Bauernhof veranstaltet. Mit der Zeit sind wir dann immer mehr in die Kunstszene hineingewachsen, womit sich klarerweise auch das Programm von einem rein musikalischen, immer mehr in einem spartenübergreifenderen entwickelt hat. Eigentlich war das eine ziemlich logische Entwicklung, wobei eine richtige Idee eigentlich nie wirklich dahintergestanden ist. Zu Beginn war das eher eine Art „die drei Mayers laden ihre Freunde ein und machen etwas mit denen gemeinsam“. Das ganze Ding ist in Folge dann eben immer mehr gewachsen. Das „Spiel Festival“ findet in diesem Jahr ja bereits zum dritten Mal statt. Davor lief das Festival unter dem Namen „Heimspiel“.
„Du siehst dir die Dinge an und kannst dir anschließend selbst Gedanken darüber machen.“
Die Resonanz auf euer Festival ist ja überaus positiv. Überrascht euch das? Das Konzept beinhaltet ja ziemlich viel und ist sehr umfangreich.
Peter Mayer: Ich glaube, genau das macht unser Festival im Endeffekt aus. Bei uns kann es schon passieren, dass ein experimenteller Musiker ein Konzert vor einem Publikum spielt, welches zu einem Drittel aus Liebhabern der Tanzkunst besteht. Dazu kommt auch noch das Zusammentreffen der ländlichen Bevölkerung mit Leuten aus städtischen Kulturszenen, was dann ebenfalls eine recht spannende Mischung ergibt. Es ist sehr interessant zu beobachten, welche Reaktionen es seitens der BesucherInnen immer wieder gibt. Man kann durchaus sagen, wir halten die Leute dazu an, Brücken zu überwinden. Und genau an dem Punkt haben wir im Rahmen unseres Festivals immer wieder experimentiert. Es ist schön zu sehen, wie unterschiedlich Leute reagieren können. Dass etwa Menschen vom Land, ganz entgegen den Vorurteilen mancher, mit den abstraktesten Dingen umgehen können. Ich erzähle immer wieder gerne die Geschichte von diesem einen pensionierten Tischler, der jedes Jahr zum Festival kommt und meint: „Ich mag diese Art der Kunst, die ihr uns präsentiert, sehr gerne. Da wird dir nichts vorgesetzt. Du siehst dir die Dinge an und kannst dir anschließend selbst Gedanken darüber machen.“ Und das ist genau das, was wir wollen. Dem Gegenüber gibt es aber natürlich auch Leute, die zwar studiert haben und von denen man annimmt, dass diese gebildet wären, die sich aber fragen, was denn das alles jetzt soll.
Obwohl man auch sagen muss, dass wir von der Programmierung her immer auch etwas dazulernen. So ist das erste Programm vom Spiel Festival vor drei Jahren, vom experimentellen Charakter her schon sehr reingefahren. Es war von uns vielleicht ein wenig ungeschickt, vier sehr experimentelle Stück gleich hintereinander zu platzieren. Was wir jetzt versuchen, ist, die Sachen besser zu durchmischen. Was auch sehr sinnvoll ist, weil es die Stimmung auflockert. So stellt etwa die Aufführung eines zwanzigminütigen sehr anspruchsvollen und experimentellen Stückes schon eine große Herausforderung für den/die HörerIn dar. Wenn anschließend sagen wir ein Clown für fünf Minuten die Bühne betritt und seine Performance abzieht, entspannt sich natürlich auch die Stimmung im Publikum, was es wiederum für nächsten Künstler leichter macht.
Wo liegen eigentlich die großen Herausforderungen, ein Festival dieser Größe und Länge zu veranstalten. Ist euch schon zu Beginn der Planung klar, was ihr wollt oder entsteht alles nach und nach.
Peter Mayer: Im Grunde genommen ist unser Konzept, das wir fast kein Konzept haben. Und wir tun uns auch mit Mottos recht schwer. Das Programm entsteht wirklich während des Jahres. Mittlerweile sind wir schon so weit, dass jeder von uns seine eigene Liste von KünstlerInnen hat, die für das nächste Jahr in Frage kommen. Ich finde, am besten kann man das Motto unseres Festivals immer im Nachhinein benennen. Es ist immer ein großes Experiment, in dem viele Leute zusammenkommen, die sich sonst wahrscheinlich nie treffen würden. Von den KünstlerInnen her, aber auch vom Publikum her. Es kann sein, dass sich das Ding über die nächsten Jahre schon so etabliert, dass man sagen kann, was es ist, in welche Richtung es geht usw. Aber wir finden es nach wie vor interessant, dass am Anfang das Ziel noch nicht bekannt ist.
“Es ist für uns besonders wichtig, den Leuten Freiheiten zu geben, die sie anderswo nicht haben.”
Wie sieht es mit den KomponistInnen aus, die für euch Auftragswerke komponieren. Inwieweit dürfen die machen, was sie wollen?
Peter Mayer: Wir haben eine Liste aller MusikerInnen zusammengestellt, die beim Festival zu Gast sein werden, und die Komponistinnen gebeten, sich aus diesem Pool an MusikerInnen eine Formation zusammenzustellen, für die sie dann ein Stück komponieren. So hat sich Dietmar Hellmich etwa ein Ensemble bestehend aus zwei oder drei E-Gitarristen, zwei Schlagzeugern, vier Streichern und einem Perkussionisten zusammengestellt. Es ist für uns besonders wichtig, den Leuten Freiheiten zu geben, die sie anderswo nicht haben. Weil ich glaube, dass genau dann viel mehr Herzblut in dem Projekt steckt.
Wie wichtig ist es für dich, einen hohen Anteil an österreichischen KünstlerInnen im Programm zu haben?
Peter Mayer: Diese fünf KomponistInnen habe ich ja zusammengefasst unter „featured Austrian Composers“. Nachdem ich aber noch nie wirklich in der experimentellen oder zeitgenössischen Musikszene in Österreich tätig war, hat mich das selber sehr interessiert, was da los ist. Ich habe selber zwei Jahre in Dresden studiert, und zwei Jahre in Los Angeles. In Wien selber war ich als Musiker oder Komponist vorher ja noch nie. Ich war auf sehr vielen Wien Modern- oder klingt.org- und anderen Veranstaltungen und bin in die Szenen ein wenig hineingerutscht. Ich habe viele Leute kennengelernt, bei denen mir gedacht habe, es wäre sehr interessant, mit einigen von ihnen etwas zu machen. Ja und schließlich habe ich manchen die vorher erwähnte Besetzungslist geschickt. Einfach mit der Bitte, doch etwas auszuprobieren, was sie vorher noch nie gemacht haben.
“Ich glaube, es könnte in dieser Richtung noch mehr passieren.”
Wie hast du die Neue Musik Szene in Österreich ganz zu Beginn für dich erlebt?
Peter Mayer: Ich habe das Gefühl, dass es hier schon eine starke Szenenbildung gibt, was mir auch beim Suchen der Leute für das Festival aufgefallen ist. Oftmals habe ich mich schon darüber gewundert, dass der eine den anderen einfach nicht gekannt hat. Und auch, dass manche Leute wirklich sehr fixiert auf einzelne Richtung sind. Der eine ist nur in der Jazz-Impro-Szene unterwegs, der anderen nur in Noise-Impro-Szene, der nächste ist dann überhaupt nur in der Computermusik tätig usw. Ich habe mir einfach gedacht, was für geniale Projekte die doch gemeinsam auf die Beine stellen könnten. Ich glaube, es könnte in dieser Richtung noch mehr passieren.
Ich finde aber auch, dass sich hierzulande manche zu sehr abhängig machen von Förderungen. In Los Angeles oder in New York gibt es nichts, und trotzdem passiert dort sehr viel. Klar, dort sind Voraussetzungen andere, dennoch meine ich, wenn man sich so abhängig macht, dann wird die Förderung zu einer Art Zensur. Wenn ich eine bekomme, mache ich etwas, wenn ich keine bekomme, geht sich eben kein Ensemble oder so Ähnliches aus. Wir haben bei unserem Festival nie das Budget so etwas zu machen oder die KünstlerInnen wirklich ordentlich zu bezahlen. Wir geben ihnen natürlich die Fahrtkosten usw., aber im Grunde sind alle dabei, weil sie es gerne machen oder weil sie es interessant finden.
Blickt man auf das Programm des Festivals, auf die verschiedenen Schienen, muss man sagen, dass der Name „Spiel“ ja wie die Faust aufs Auge passt. Eine Art Veranstaltung, im Rahmen derer alles erlaubt ist und viel ausprobiert werden kann. Liegt man da richtig mit der Einschätzung?
Peter Mayer: Das ist schon richtig. Es ist aber auch eine Balance. Auf der einen Seite wollen wir schon, dass das ganze Ding, und das sieht man auch an unserem Programmheft, professionell gestaltet und organisiert ist und es auch Qualität hat. Aber auf der anderen Seite bieten wir den KünstlerInnen sehr viel Freiraum. Voriges Jahr zum Beispiel ist während der Performance von Mae Karthauser, die Singer/Songwriterin aus England, die auch heuer zu Gast sein wird, plötzlich auf der Bühne dieser Clown aufgetaucht und hat seine Show abgezogen, was zusammen ein wirklich witziges Bild ergeben hat. Und so etwas ist bei diesem Festival einfach möglich.
Weil du gerade Mae Karthauser erwähnt hast. Spannend ist ja auch, dass das Festival den Fokus nicht auf einen einzelnen Stil legt, sondern unterschiedlichste Musikformen im Programm hat. Modernes Wienerlied etwa bei den 5/8erl in Ehr`n usw.
Peter Mayer: Bei mir persönlich verhält es sich so. Wenn ich ein einstündiges experimentelles Musikkonzert besuche, habe ich danach eigentlich schon genug, weil dieses so viel zu denken gibt und ungemein viel Input liefert. Ich freue mich dann eigentlich schon darauf, danach eine mitreißende Balkanband zu hören oder etwas Ähnliches. Ich denke, so geht es anderen auch.
Wie zeigt sich die Reaktion der Politik? Ist die begeistert davon, dass hier drei junge Leute so ein Ding auf die Beine stellen?
Peter Mayer: Ja, schon. Dazu muss man sagen, dass wir einen Verein haben, m-arts, in welchem sich fast ausschließlich unter dreißig-Jährige zusammenfinden. Da steckt natürlich sehr viel Engagement und Zeit drinnen. Und wenn man den Fördergebern präsentiert, dass hier so viele junge Menschen an einem Strang ziehen, beeindruckt das schon.
“Im vergangenen hatten wir sogar zehn Leute aus Los Angeles und New York da.”
Welche Ausrichtung soll das Festival in Zukunft haben. Eine noch internationalere.
Peter Mayer: Eigentlich muss man sagen, dass es schon internationaler war. Wir haben in diesem Jahr verhältnismäßig viele österreichische KünstlerInnen. Simon, mein großer Bruder, hat ja fünf Jahre lang in Brüssel gelebt, und aus diesem Grund, sind auch bei den letzten Malen auch sehr viele KünstlerInnen aus dieser Gegend, aus Belgien, den Niederlande und auch aus England bei uns zu Gast gewesen. Im vergangenen hatten wir sogar zehn Leute aus Los Angeles und New York da. Wir sind in dem Jahr auch ein bisschen mehr auf Österreich gekommen, alleine auch aus dem Grund, dass die Flüge extrem teuer geworden sind. Wenn man 600 Euro dafür zahlt eine/n MusikerIn hierher zu fliegen, kann man gleich auch eine ganz Band aus Wien nach Andorf zum Festival einladen. Und auch im Hinblick, darauf, dass das ganze Festival auf einem Biobauernhof stattfindet und das Thema Umwelt für uns alle generell ein sehr wichtiges ist, haben wir entschieden, in diesem Jahr diesen Weg zu gehen. Denn viel Sinn macht es nicht gerade, jedes Jahr 8000 Euro in Fluglinien rein zu pumpen.
Mit welchem Projekt wirst du am Start sein.
Peter Mayer: Mit einem sehr interessanten. Und zwar gemeinsam mit dem Berliner SolistInnen-Ensemble Kaleidoskop. Mit denen mache ich so eine Art musik-performatives Stück draußen im Freien, auf einem einen Hektar großen Feld, auf dem das Ensemble dann drei, vier Traktoren arbeiten werden. Wir verwandeln das ganze Feld in eine große Bühne, deren einzige Beleuchtung die Scheinwerfer der Traktoren sein werden.
Wenn du den Leuten das Festival in wenigen Worten beschreiben müsstest. Was erwartet die BesucherInnen?
Peter Mayer: Es erwartet sie ein Festival, welches Persönlichkeit hat und auch persönlich ist. Es ist schwer zu beschreiben, die Leute müssten schon kommen.
Vielen Dank für das Interview.