mica-Interview mit Parov Stelar

310.000 Facebook-Fans können nicht irren: Marcus Füreder alias Parov Stelar ist der derzeit weltweit beliebteste Musiker aus Österreich. Freilich merkt man seinem Sound, der unter dem Etikett Electro-Swing bekannt geworden ist, die Herkunft des Machers nicht wirklich an. Der 37-jährige Oberösterreicher hat mit Sebastian Fasthuber in seinem Linzer Büro über seine Anfänge, sein neues Album „The Princess“, seine Fans, seinen Antrieb und über sein Leben als vielbeschäftigter Globetrotter gesprochen.

Wie bist du in Linz musikalisch sozialisiert worden?
Die erste bewusste Erinnerung, die ich ans Weggehen in Linz habe, ist an die Endzeit vom alten Café Landgraf. Das war schon komplett runtergekommen, ich glaube, es war sogar die Closing Party, bei der ich war. Ich kann mich leider nicht mehr erinnern, wer an dem Abend gespielt hat. Da muss ich ungefähr 13 oder 14 Jahre alt gewesen sein. Danach war ich sehr viel in der Stadtwerkstatt unterwegs. Dadurch dass ich Grafiker gelernt habe, habe ich damit begonnen, Flyer zu machen. In Linz war Anfang der 90er Jahren techno- und elektronikmäßig extrem viel los, da sind die Leute von überall hergekommen. Ich habe halt die ganzen Flyer für die Veranstaltungen gemacht. Auf die Art bin ich in die elektronische Musik reingewachsen. Das Hypnotische daran hat mich fasziniert – und so habe ich irgendwann selber damit begonnen.

Soweit ich weiß, hast du mit Techno angefangen.
Ich habe eigentlich mit Minimal Techno begonnen, aber bald auch housige Sachen gemacht und sogar Drum’n’Bass. Man kann sagen, ich habe mich durch den ganzen elektronischen Gemüsegarten durchgepflückt. Und irgendwann findest du halt einmal ein bisschen deinen Weg.

Die ersten Releases waren noch unter deinem bürgerlichen Namen?
Genau. Kurz vor der Jahrtausendwende habe erste Sachen veröffentlicht und dafür mit Freunden das Label Bushido gegründet. Heute muss man über den Namen lachen, aber das war noch, bevor es den Rapper gab. Als er bekannt wurde, haben wir das Label auch gar nicht mehr betreut. Ich habe dann relativ schnell umgeschwenkt und die Parov-Stelar-Geschichte gemacht.

Wie bist du auf den Namen gekommen?

Mir war wichtig, dass der Name etwas Eigenständiges hat. Man muss sich denken: Wo kommt das her, was ist das? Es klingt nach einer „big story“ und ich habe auch schon tausend verschiedene Geschichten über die Entstehung des Namens erzählt, aber im Endeffekt gibt es keine Erklärung für den Namen. Ich habe mich halt hingesetzt und habe den Namen gegoogelt: null Suchresultate – passt. Ein bisschen soll der Name an alte Agentfilme aus der Zeit des Eisernen Vorhangs erinnern. Für die habe ich schon immer ein Faible gehabt. Ich bin ja noch ein Kind des Kalten Krieges.

Man kann den Namen nicht gleich einer Nationalität zuordnen, was wahrscheinlich nicht schadet.

Absolut nicht. Ich bekomme immer wieder Mails auf Russisch, Bulgarisch oder Rumänisch, weil die Leute glauben, ich wäre ein Landsmann.

Parov Stelar hat als reines Sampling-Projekt begonnen.

Ja, und im Prinzip ist es das immer noch. Sampling ist ein Kernthematik in meiner Arbeit. Ich färbe meine Musik damit ein. Ich spiele kein Instrument, mein Instrument ist der Sampler und jetzt in weiterer Folge der Computer. Anfangs habe ich alles mit einer MPC 3000 gemacht. Das ist meine Ausdrucksform.

Und wie kam der Electro-Swing ins Spiel?
Damals habe ich noch Minimal Techno gemacht. Irgendwann ist mir dabei eine alte Billie-Holiday-Nummer reingelaufen. Ich habe ein Stück daraus geloopt und hatte plötzlich eine super Hookline. Dazu habe ich eine Studio-1-Nummer aufgelegt, ganz minimales Technozeugs aus den späten 90ern. Dieser Track hatte diese berühmte Clicks-&-Cuts-Ästhetik, aber ich dachte mir: die Billie-Holiday-Nummer knistert und knackst ja auch. Irgendwie hat sich das in meinem Kopf vermischt. So ist das in Gang gekommen.

Mittlerweile hast du wahrscheinlich Zugriff auf ganze Sampling-Bibliotheken, um deine Stücke zu produzieren. Erzähl mal, wie sie entstehen.
Ja, klar. Da hat sich viel aufgetan. Wobei es mir nicht darum geht, einen Haufen Samples zu suchen und die zu archivieren. Ich fange bei jedem Track komplett von vorn an. Am Anfang steht immer der Beat, dann erst beginne ich nach einem Sample zu suchen. Teilweise suche ich auch drei Tage wie ein Wahnsinniger und finde gar nichts, was wirklich groovt. Das kann auch passieren. Mir ist es sehr wichtig, dass ich nicht eine ganze Phrase nehme und die sample. Ich schneide bei meinen Vocals und Instrumentalisierungssachen oft nur eine Note heraus und suche mir dann eine zweite dazu. Am Schluss kommt ganz was Neues raus, was nie wer so gespielt hat. Ich fände es langweilig, eine ganze Phrase zu übernehmen.

„The Princess“ ist bereits dein fünftes Album. Bist du ein Workaholic?
Wenn ich nicht unterwegs bin, gehe ich ins Studio. Ich fühle mich dort so wohl und mir macht Musikmachen so viel Spaß, dass ich gar nicht anders kann. Und nachdem meine Frau selbst auch selbständig und Künstlerin ist und ihr Atelier gleich daneben hat, sitzen wir sowieso den ganzen Tag zusammen und werkeln dahin. Zwei Tage in der Woche muss ich im Büro sein, aber das macht mir auch Spaß. Was die Frequenz der Veröffentlichungen betrifft, werde ich aber eh gerade langsamer. Vom letzten Album „Coco“ zu „The Princess“ sind über zweieinhalb Jahre vergangen, vorher habe ich Abstände von einem Jahr gehabt. Die Abstände werden schon von daher länger, weil man länger tourt und zu der Zeit produktionstechnisch nichts geht.

Wir sitzen hier in deinem Büro in der Linzer Altstadt. Wo hast du dein Studio?
Bei mir zu Hause in Altenfelden. Dort haben wir uns einen alten Bauernhof umgebaut und da ist auch das Studio drinnen. In das neue Büro sind wir erst vor ein paar Monaten eingezogen, vorher waren wir in Rohrbach.

Wieviele Leute sind mit Parov Stelar beschäftigt?

Wenn man alles zusammenzählt, kommen wir mittlerweile auf weit über 20 Leute, die für das Projekt arbeiten und auch davon leben. Das ist ziemlich groß geworden.

Und auch eine ziemliche Verantwortung, nehme ich an?
Voll. Ich habe das komplett alleine angefangen und wollte nie die Position einnehmen, für so ein großes Ding verantwortlich zu sein oder den Chef machen zu müssen. Man wächst aber rein. Es ist ja auch schön, wenn man sieht, dass gewisse Denkstrukturen, die man sich selbst auferlegt hat, funktionieren. Ich habe das Glück, dass wir ein wahnsinnig familäres Team sind. Ich habe das im Musikbusiness auch schon ganz anders erlebt. Wir halten zusammmen. Es ist nicht nur die Musik, die uns verbindet.

Du hast dein Label Etage Noir als klassisches One-Man-Indieding gestartet. Man macht so ein Label primär, um die eigene Musik zu veröffentlichen. Wie schaut es mit dem Geschäftlichen aus, wie sehr bist du da involviert?
Ich habe schon gern die Fäden in der Hand. Zu einem gewissen Grad bin ich sicher ein Control-Freak. Ich habe das Geschäftliche in meinem Leben schon ein paar Mal abgegeben und es hat sich nie als gute Entscheidung erwiesen.

Wie hat sich der erstaunliche Publikumserfolg von Parov Stelar ergeben? Ist das nach und nach gewachsen?
Genau. Ich habe mir in den ersten Jahren hierzulande sehr schwer getan. Wir haben zu der Zeit schon irrsinnig große Resonanz aus dem Ausland bekommen, aber hierzulande haben wir uns die Zähne ausgebissen. FM4 waren die einzigen, die wirklich mitgemacht und uns geholfen haben, aber es war schwierig hier und ist es nach wie vor. Wir haben es über die Fans, über Social Medica und vor allem über die Livekonzerte geschafft. Am Anfang haben wir vor 300 Leuten gespielt. Denen hat es getaugt und beim nächsten Mal hat jeder zwei neue Leute mitgenommen. So ist das gelaufen. Vom Energieaufwand waren die letzten Jahre heftig. Ich glaube, durch die Situation, dass wir total unabhängig arbeiten mussten und weder Förderungen noch viel Medienresonanz bekommen haben, hat es den Leuten besonders getaugt. Sie haben das Gefühl gehabt, das ist eine ehrliche Geschichte, auf die sie da treffen. Die haben uns das einfach abgenommen. Sie fühlen sich bei uns nicht verarscht.

Es heißt, dass du der international derzeit erfolgreichste heimische Musik bist. Woran lässt sich das ablesen?

Ja, so heißt es momentan. Ich muss sagen, ich beschäftige mich nicht so wahnsinnig viel damit, was andere machen. Aber mit rund 310.000 Facebook-Fans sind wir schon sehr weit vorn. Wir haben beim letzten Wien-Konzert in der Rinderhalle knappe 4.000 Leute gehabt. Wir spielen 70 Konzerte pro Jahr im Ausland. Vor kurzem waren wir in Paris. Das war eine Halle, wo zwar nur 1.200 Leute reingegangen sind, aber die war innerhalb von fünf Tagen ausverkauft. Das Coco in London mit einer Kapazität von 1.500 war innerhalb von zehn Tagen ausverkauft. Da kann man sich nicht beschweren. Man muss aber auch sagen, dass wir international nicht als österreichische Band wahrgenommen werden.

Du stehst live mit Band auf der Bühne. Wie tust du dir als Bandleader?
Mit der Zeit bekommst du schon mit, wie das geht. Ganz wichtig ist, dass ich das Songwriting inzwischen verstehe und weiß, was ich mache. Und ich habe das Glück, dass ich mit wahnsinnig guten Musikern zusammenarbeiten kann. Das sind lauter studierte Musiker und alte Hasen. Meist läuft es so, dass ich einen Song schreibe und wir uns danach zusammensetzen und sehen, ob sie etwas damit anfangen können. Dann tauschen wir die elektronischen Parts langsam durch Instrumente aus und erabeiten uns so Stück für Stück gemeinsam die Live-Show. Ich finde es extrem wichtig, dass eine Live-Show anders funktioniert als ein Tonträger. Es müssen neue Nuancen dazukommen. Da arbeiten die Musiker sehr aktiv mit.

Sind deine Auftritte mehr Konzerte oder Partys?

Es ist schon ein Konzert, ein sehr energetisches Konzert. Die Leute sind eigentlich immer in Bewegung. Es ist keine Pogo-Tänzerei und Sauferei im Gange, aber es ist alles ständig in Bewegung.

Du machst Parov Stelar nun seit fast zehn Jahren, und das auf einem sehr intensiven Level. Noch keine Abnützungserscheinungen?
Nein, es macht mir nach wie vor einen Riesenspaß. Aber ich gehe langsam auf die 40 zu und muss natürlich auch mit meinen Energien haushalten. Ich kann mir jetzt nicht jeden Abend einen drüberhauen, das möchte ich auch nicht. Die Leute, die zu einem Konzert kommen, haben sich Qualität verdient. Ich möchte den Qualitätslevel halten und konsequent weiterarbeiten. Ich möchte das Ding weiterentwickeln.

War die Erfolgskurve konstant oder hat es auch schon Dämpfer gegeben?
Eigentlich ging es bis jetzt steil nach oben. Kleine Dämpfer gehören natürlich dazu. Ich habe lernen müssen, dass Erfolg einen in die Öffentlichkeit bringt und letztlich auch zu Kritik führt. Vor fünf Jahren bin ich noch ausgeflippt, wenn ich etwas Negatives über meine Musik gelesen habe. Heute weiß ich: Solche kleinen Dämpfer braucht man sogar.

Wenn ich mich richtig erinnere, hast du durch Pleite des Vertriebs Soul Seduction vor ein paar Jahren ziemlich Troubles gehabt.
Ja, das war dramatisch. Ich bin um meine Einkünfte von einem ganzen Jahr umgefallen. Damals war Parov Stelar noch viel kleiner. Ich habe dann versucht, das Defizit durch sehr viel Touren und DJing wieder auszugleichen. Es war sehr traurig anzuschauen, wie da nicht nur finanziell viel kaputtgegangen ist. Damals ist auch die Identität einer Musik zerstört worden, die heute nur mehr eine Randerscheinung ist. Dieses Groove- und Soulding ist meiner Meinung nach mit Soul Seduction mitgestorben.

Du hast dann verstärkt in eigene Strukturen investiert?
Zunächst war es vertriebsmäßig schwierig. Die Majors hatten damals kein Interesse an mir. Und auf der Indieseite sind gleich ein paar Vertriebe pleite gegangen, dadurch hat sich ein riesiges Loch aufgetan. Die Vertriebe, die noch da waren, hat das komplett überfordert. Das war wie eine Völkerwanderung, weil extrem viele Künstler gleichzeitig einen neuen Vertrieb gesucht haben. Ich habe dann gleich den nächsten gehabt, der auch in Konkurs gegangen ist. Danach habe ich stark auf die elektronische Schiene und Downloads gesetzt. Auf der anderen Seite sind mir aber auch CDs und vor allem Vinyl sehr wichtig. Einen Tonträger, den ich nicht angreifen kann, gibt es für mich nicht. Wir haben mit Daily Records selbst einen ganz kleinen Vertrieb begonnen. Und wir haben mittlerweile in jedem Land einen Vertrieb, mit dem wir zusammenarbeiten.

Dein neues Album „The Princess“ ist, wie auch schon der Vorgänger „Coco“ ein Doppelalbum. Wie kam das?
Das Konzept, eine ruhigere, songlastige CD und eine clubbige zu machen, hat sich bei der „Coco“ so ergeben. Ich habe immer in verschiedene Richtungen produziert. Es hat sich zum Glück noch nie wer beschwert, dass es von Pop bis Electro-Swing geht. Was live auf der Bühne passiert, war meistens nicht auf der CD drauf, sondern eher nur die langsamen, cinematischen Stücke drauf. Nachdem ich aber beides zeigen wollte, habe ich mich auf Doppel-CDs verlegt. CD1 von „The Princess“ ist komplett neues Material. CD2 ist so eine Art Werkschau, was zwischen den Alben auf Maxis passiert ist plus einige neue Stücke. Eine Kollektion eigentlich.

Wie sehen die Planungen für die nächste Zeit aus?
Wir sind gerade dabei, schon Termine für 2013 zu fixieren. Die Intensität der Konzerte nimmt sicher nicht ab. Wir versuchen aber, die Zeit besser zu managen. Früher waren wir am Freitag in Rom, sind dann nach Oslo weitergeflogen usw. Wir wollen das besser bündeln. Wir sind jetzt immer im Nightliner unterwegs. Und ich schaue auch, dass ein Wochenende im Monat frei ist. Die Qualität darf nicht leiden, wir müssen immer geil drauf sein und uns verbessern. Ich werde da auch nicht müde.

Du bist trotz deines Erfolgs immer noch in Linz bzw. Oberösterreich. Wie ist dein Verhältnis zur Heimat?
Linz ist der Ort, den sich meine Eltern ausgesucht haben und wo ich auf die Welt gekommen bin. Das kann man eh nicht ändern. Ich war eine Zeit lang in Berlin und pendle jetzt zwischen Palma de Mallorca, wo auch der Großteil des neuen Albums entstanden ist, und Linz. Es ist ein gespaltenes Verhältnis. Teilweise liebe ich die Stadt sehr, weil es einfach Heimat ist. Das kann man nicht verleugnen. Manchmal geht mir Linz auch extrem auf den Sack, doch wenn man nach einer Tour heimkommt, freut man sich wieder. Es ist Heimat, trotz allem. Aber es wird einem nicht immer leicht gemacht. Alles was hier nicht aus der Klassik kommt, wird sehr stiefmütterlich behandelt. Wenn man mal um eine Förderung ansucht, stößt man auf sehr wenig Resonanz. Umso mehr freue ich mich, daheim zu spielen, auch wenn ich es nur mehr einmal im Jahr mache. Bei diesen Auftritten bin ich immer sehr aufgeregt. Da kennen sie dich halt.

 

 

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