mica-Interview mit Novi Sad

Die Wiener Band Novi Sad gibt es seit mehr als 22 Jahre: Ein Hit ist der Band einst in Bulgarien gelungen, jetzt schaut die Gruppe mit einem Best-Of-Album zurück auf die eigene Geschichte und erleichtert den Rückblick für alle Fans mit einem 80 Seiten starken Buch, dem diese CD beigelegt ist. Außer zahlreichen Konzerten hat die Band gemeinsam mit dem Schauspieler Tristan Jorde auch ein Programm mit Texten von Ernst Jandl entwickelt. Im Interview berichtet Novi Sad, benannt nach einer serbischen Stadt, auch von Konzerten in Südosteuropa.

Wie hält man so eine lange Zeit als Band durch?
Evelyn Blumenau: Es ist so, dass wir uns als Band immer wieder neu erfinden. Denn 22 Jahre ist eine wirklich sehr lange Zeit – und es gab ja auch noch eine Vorläuferband. Man schafft es als Band so lange durchzuhalten, indem man immer wieder an Projekten dran bleibt: Ein Projekt kann eine CD sein oder ein Live-Programm. Mitte der 1990er-Jahren haben wir einmal eine kreative Pause gemacht, das hat uns auch gut getan. Damals waren wir für unseren eigenen Geschmack etwas zu schnell am Produzieren. Man bleibt als Band auch dran, wenn man die Freiheit hat, independent zu sein, mit allen Nachteilen. Aber es ist auch ein riesiger Vorteil: Du bleibst bei dir. Du kannst aus deinem Innersten schöpfen und wenn sich so ein Kollektiv bildet wie bei uns – was ein unglaubliches Glück ist –, dann stellt sich die Frage: Was will man noch mehr? Natürlich hat man jetzt nicht diesen großen kommerziellen Erfolg, aber eine Bekanntheit und man wird darüber definiert, was man tut und veröffentlicht und das halte ich für viel wichtiger.

Wie ich weiß, probt ihr zumindest ein Mal, wenn nicht zwei Mal pro Woche, wie schafft man das?

Evelyn Blumenau: Ja, das ist eine gute Übung darin, das Ganze aufrecht zu erhalten. Sich zwei Mal pro Woche zu treffen, klappt recht gut. Manchmal sind wir wie eine Patchwork-Familie und proben nur zu dritt oder zu viert. Am schönsten ist es natürlich, wenn wir komplett sind. Wenn man nur zu viert spielt, kommt eine gewisse Virtuosität ins Laufen, weil man den fehlenden Fünften mitdenken muss, aber das ist natürlich anstrengender.

Klaus, wie siehst du, eure Band im Kontext der österreichischen Popmusik?
Klaus Schuch: Als wir uns gegründet haben, haben wir uns gedacht: Unsere Musik ist so anders wie das, was andere in der damaligen Zeit gemacht haben. Deshalb haben wir gesagt, wir sind der Balkan der österreichischen Rock-Musik, obwohl unsere Musik mit Balkan-Musik überhaupt nichts zu tun gehabt hat, wenngleich es durchaus Einflüsse aus dieser Region gibt. Was dann schon auch dazu gekommen ist, sind relativ viele Touren und Konzerte in Südost-Europa. Von Budapest bis in die Rhodopen. Das war schon interessant und ich habe auch zwei Jahre lang in Bulgarien gelebt, da sind auch wieder Einflüsse dazu gekommen, aber in Wirklichkeit sind wir eine richtige Wiener Band und da gehört es dazu, Tschusch zu sein.

Wie würdest du euer Agieren als Band beschreiben?
Evelyn Blumenau: Ich empfinde uns als Gruppe immer als kollektives Musikgedächtnis. Das kommt sicher auch durch die vielen Proben, die sicher etwas bringen. Der gemeinsame musikalische Schatz kreist in der Gruppe und wir erinnern einander gegenseitig an die Versionen eines Songs und sagen: Das haben wir doch damals so und so gespielt. Ich hätte mir als junges Mädchen auch nicht vorstellen können, dass das so wachsen kann.

Was ist das Besondere an eurem neuesten Werk, das ist ja inzwischen die achte Veröffentlichung?
Klaus Schuch: Besonders ist, dass die CD sehr lang ist. Sie besteht aus 16 Nummern und im Downloadbereich unserer Website gibt es weitere sechs Lieder. Das 80 Seiten-Buch gibt sehr viel Information über die Schaffensgeschichte der Gruppe Novi Sad. Die Lieder sind ein Querschnitt von der ersten bis zur siebenten CD und das Interessante ist, dass sich eigentlich von der ersten bis zur letzten CD gar nicht so viel geändert hat. Es ist immer so eine Mischung aus Rock-Songs, Noise und Folk, wobei das folkige Element immer durchaus balkaneske oder irische Melodien drinnen hatte.

Wie entsteht ein Lied von euch?
Wurli (Bass): Ich finde es spannend, dass eine Komposition in der Regel von einer Person kommt, die das Lied dann rudimentär vorstellt und jeder von uns trägt seinen Teil dazu bei, um das daraus zu machen, was dann daraus wird. Wir werden oft gefragt: Welche Schublade dürfen wir öffnen, um euch hinein zu tun? Und ich sage dann: Keine. Es gibt nur einen Stil für uns und der heißt Novi Sad. Das ist genau das, was heraus kommt, wenn wir fünf musizieren.

Warum sollte man sich das Buch und die neue CD durchlesen bzw. anhören?

Evelyn Blumenau: So ein Produkt signalisiert auch: So kann man auch mit Musik leben. Es gibt nicht nur den einen Weg und man wird Rock-Star und nach drei Jahren ist alles vorbei. Das zeigt das Buch sehr gut, da ist auch etwas über die Vorgeschichte der Band, ein Überblick über die 22 Jahre, da bekommt man schon ein gutes Gefühl dafür, was ein Bandleben eigentlich sein kann. Es gibt nicht nur einen geraden Weg, es gibt immer viele Entwicklungen und man bekommt das so ganz gut mit und es ist spannend so etwas zu sehen, denn das kriegt man nicht jeden Tag mit.

Klaus Schuch: Außerdem finde ich, wir sind die dienstälteste, unpeinlichste Band Österreichs. (lacht)
Wurli (Bass): Es gibt im Buch auch Stellungnahmen von Musikjournalisten zu unserer Musik, es wird das Ranking erwähnt, das unsere Homepage-Besucher abgegeben haben. Wir haben auf unserer Website darüber abstimmen lassen, welche unserer Nummern am besten ankommen und aufgrund dieser Abstimmung haben wir die Songs ausgesucht, die auf der CD sind. Auch Musikjournalisten haben wir gebeten, ihre Stimmen abzugeben und das Ergebnis ist sozusagen diese Best-Of-CD.

Wie geht es in den nächsten 22 Jahren weiter?
Wurli (Bass): Wir sind selbst schon gespannt. Nach dieser Best-Of-CD ist die nächste CD schon im Gespräch, die in etwa einem Jahr erscheinen wird. Mit vielen neuen Songs drauf, aber Leute, die zu unseren Konzerten kommen, werden das eine oder andere Lied schon gehört haben. Wir haben noch viele Ideen, das reicht von Multimedia-Konzerten bis hin zu Lesungskonzerten, wie wir das mit Texten von Ernst Jandl schon gemacht haben.

Evelyn, was ist dein Lieblingslied von Novi Sad?

Evelyn Blumenau: Das ist immer schwer zu sagen, weil ich alle liebe. Natürlich bin ich mit „In the air“ sehr verbunden, aber ich habe mich wieder gut gefühlt, als ich „Ungargassenland“ gehört habe. Ein sehr altes Lied, das ist sehr episch, sehr tragend, sehr verstörend. Es erinnert textlich ein bisschen an Ingeborg Bachmann und führt in eine andere Zeit, in die frühen 1990er-Jahre, und ist aber trotzdem ganz eng mit uns verbunden, weil wir Teile dieses Stils weiter getragen haben. „Ungargassenland“ schwebt mir immer im Kopf herum.

Interview: Jürgen Plank

Live:
Mi 18.7.2012: WUK, Währinger Str. 59, 1090 Wien, 20:30h
Fr 02.11.2012: Heureka, Skodagasse 17/1, 1080 Wien, 20h

http://www.novisad.at