mica-Interview mit Nana Schulz und Josef Novotny

Die deutsche Bildhauerin Nana Schulz und der österreichische Komponist und Organist Josef Novotny gewannen mit ihrem gemeinsamen Filmmusik-Projekt „Die Novotnyorgel“ im Dezember 2011 den vom mica-music austria veranstalteten Filmmusik-Wettbewerb „TonBild“. Wie viel Arbeit, Schweiß und Geduld die beiden KünstlerInnen während der einjährigen Produktionsphase aufzubringen hatten und vor welche Herausforderung sie der Bau der Orgel tatsächlich stellte, erzählen sie im Interview mit Michael Ternai.

Welche Bedeutung messt ihr einer solchen Auszeichnung bei.

Nana Schulz: Naja, es ist schwer zu sagen. Ich kannte das mica ja gar nicht, weil ich ja aus Deutschland komme und nicht sagen konnte, welchen Stellenwert es hat. Noch dazu hat dieses Filmfestival zum ersten Mal stattgefunden.

Aber gefreut hat es euch trotzdem.

Josef Novotny: Klar.

Nana Schulz: Na klar, ich bin hierher gefahren und habe gedacht: „Okay, es hat das erste Mal stattgefunden und möglicherweise hat es überhaupt nur fünf Bewerber gegeben. Also war es dann doch schön zu erfahren, dass es 70 Einreichungen gegeben hat.

Josef Novotny: Ich denke mir, so eine Auszeichnung kann dabei nur helfen, in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen.  Denn wir haben ja nicht wirklich ein Netzwerk, über welches wir Aufmerksamkeit generieren können.

Die Novotnyorgel from Nana Schulz on Vimeo.


Wo liegen die Anfänge eurer Zusammenarbeit?

Nana Schulz: Wir kennen uns jetzt seit sechs Jahren.

Josef Novotny:  Seit 2005 in Schrattenberg. Dort waren wir beide im selben Jahr als Stipendiaten eingeladen. Und seitdem sind wir eigentlich befreundet und arbeiten zusammen.

Nana Schulz: Irgendwann hatte Josef die Idee, eine DVD zu machen, also bzw. eine CD zu machen, mit bestimmten Stücken. Und dann hat er sich überlegt, er hätte das alles gerne nicht nur in Stereo, sondern in Mehrkanalton. Dazu braucht man irgendwie eine DVD.

Josef Novotny: Und für diese wiederum Filme (lacht). Ich habe Nana gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mitzumachen. Und so haben die Zahnräder begonnen sich zu bewegen. Das war schon 2007 oder so.

Nana Schulz: Die Planung auf jeden Fall lief schon relativ lange. Es gab eben die Musik, zu der ich unbedingt einen Film machen wollte. Ursprünglich war ja auch nur so ein Dreiminuten-Gimmick geplant. Aber es ist doch etwas anders gekommen. Es ist zu einem riesen Filmprojekt erwachsen und dadurch hat sich das Ganze um ein Jahr verzögert. Ich habe  das Ganze in einem Rutsch durchgedreht, quasi ohne Unterbrechungen.  Es musste also immer alles hinhauen. Teilweise habe ich am Tag nur zehn Bilder geschafft, weil sich 70 oder 80 Sachen gleichzeitig zu bewegen hatten und ich für das Umstellen der Dinge eine Stunde gebraucht habe. Ich arbeite total gerne und auch relativ lange am Tag. Aber irgendwann merke ich – so nach sechs Stunden meistens –, dass die Konzentration verloren geht. Ich musste behutsam vorgehen, denn Fehler durfte ich keine machen. Weil diese hätte ich nicht mehr rückwirkend ausbügeln können. Es war interessant zu sehen, welche Konzentration man aufbringen kann, wenn man weiß, dass eine Sache unbedingt zu funktionieren hat.

Josef Novotny: Irgendwie hat sich das Ganze verselbstständigt.

Nana Schulz: Ich habe an dem Film ein ganzes Jahr gearbeitet, mit dem ganzen Drumherum eigentlich sogar ein bisschen mehr. Allein die Figur von Josef zu bauen, hat einen Monat gedauert. Danach ist die Novotnyorgel an der Reihe gewesen. Und für die habe ich weitere vier Monate gebraucht. Weil, die ist groß. Das sieht man in dem Film nicht, aber die ist vier ein halb Meter hoch. Die passt gerade in mein Atelier hinein.

Josef Novotny: Und es war ja nicht nur das Bauen alleine. Du hast ja recherchiert. Du hast genau studiert, wie man eine Orgel baut. Du hast ja schließlich tatsächlich wirklich alles maßstabsgetreu gebaut. Und sie ist ja nicht nur ein Modell, sondern sie funktioniert auch.

Nana Schulz: Also, ich könnte sie jetzt weiterbauen, dann würde sie irgendwann auch funktionieren. Also sie ist so gebaut, dass sie funktionieren könnte. Bisher handelt sich es nur um einen  Ausschnitt – ein Prospekt – und daraus auch nur ein Detail.  Eigentlich wäre die Orgel acht Meter breit und sechs Meter hoch im Original.

Und wie bekommt man es hin, dass die Orgel dann im Clip, oder im Film wirkt wie eine kleine Puppenkiste. Das ist das Interessante.

Nana Schulz: Naja, das ist ein spezielles Objektiv, sozusagen, eine Mischung aus Tele und Weitwinkel. Die Kamera filmt aus einer einzigen Richtung, ich habe mir eine Schiene gebaut, auf der sie vor und zurückfahren kann. Der Abstand, den ich zur Orgel hatte war relativ gering und so verwende ich teilweise auch sehr extreme Weitwinkelaufnahmen. Ausserdem hat man keinen Größenvergleich. Das ganze wirkt so, als ob ich in mein Atelier eine Box hineingebaut hätte.

Ja eben, ich war auch total überrascht.

Josef Novotny: Mir ist es genau umgekehrt gegangen: Wie ich das erste Bild, welches Nana mir per Internet geschickt hat, gesehen habe, ist mir bewusst geworden, wie groß das Ding tatsächlich wird. Meine Figur ist ja tatsächlich halb so groß wie ich. Und in der ersten Szene steht diese ja neben dieser Tür, welche von der Orgel größenmäßig ja noch übertrumpft werden sollte.

Nana Schulz: Als Bildhauerin fragte ich mich zu Beginn, ob ich für einen Trickfilm eine Kulisse bauen sollte oder gleich eine Skulptur, die ich auch ausstellen könnte. Ich habe mich für die Orgel, sprich eine Skulptur entschieden.  Und ja wir haben sie auch in diesem Jahr schon einmal ausgestellt. Im Odeon Theater in Wien.

Was war eigentlich die Inspiration so eine Geschichte zu erzählen?  Eine Orgel zu bauen?

Josef Novotny: Darf ich für dich sprechen? Ich glaube, es hat mit der Zeit zu tun, in der wir uns kennengelernt haben. Ich war zu einem Präsentationswochenende nach Murau eingeladen, in dessen Rahmen am Sonntagvormittag eine Orgelmatinee stattgefunden hat. Für diese hat der dort ansässige Orgelbauer Walter Vonbank eine neue Orgel gebaut, die ich dann auch als erster spielen durfte. Nana begleitete mich öfters zum Üben, weil sie sich dafür interessiert hat. So ging es eine Woche lang. Und auf diesem Wege haben wir uns eigentlich richtig kennen gelernt.

Nana Schulz: Nachdem ich gewusst habe, dass ich unbedingt einen Film für die DVD machen will, habe ich mich natürlich richtiggehend aufgedrängt. Aber da Josef ja nicht nur Komponist ist, sondern auch Organist, ist die Geschichte dann doch nicht so weit hergeholt. Zudem habe ich ja ebenfalls Walter Vonbank kennengelernt. Ich war ein paar Mal in seiner Werkstatt und habe mir das angekuckt. Und das war schon faszinierend, wie ein echter Orgelbauer arbeitet. Im Grunde genommen ist es ja auch relativ egal, was man baut. Ob nun eine Orgel oder eine Skulptur. Die Machart ist ähnlich. Aber was mich daran fasziniert hat, war dieses unglaubliche Architektonische.

Kann man eigentlich sagen, wie viele Bilder du da gemacht hast.

Nana Schulz: 20. 000. Also es sind 20. 000 durch drei, weil jedes Bild drei Bilder lang ist. Der Film ist ja ein bisschen ruckelig, weil er aus ungefähr 7.500 Einzelbildern besteht. Gemacht habe ich aber doppelt so viele.  Denn es gab schon einen ersten Versuch. Der hat aber unter nicht wirklich guten Sternen gestanden. Ich habe nicht in meinem Atelier gebaut, sondern in einem anderen leer stehenden Gebäude. Ganze eineinhalb Monate lang. Und ich hatte schon die erste Sequenz quasi fertig, da hat man mich nachts überfallen und das gesamte Equipment zerstört. Also, bis auf die Orgel, ansonsten war alles kaputt. Die Orgel haben sie schön heil gelassen. Ich bin am nächsten Tag sofort ausgezogen und musste dann noch einmal anfangen.

Wie geht man an so ein Projekt heran? Was war zuerst da? Die Musik?

Josef Novotny: Nein, sicher nicht.

Nana Schulz: Die Idee war: Josef wollte ein Musikstück machen, für welches ich den Film machen sollte. Als ich dann begonnen habe den Film zu machen, wurde mir schnell klar, dass das absolut nicht möglich ist. Zum einen gab es noch keine fertige Musik, vielleicht Ideensammlungen. Zum anderen entwickelte das Filmemachen eine eigene Dynamik, sodass die Musik auch nicht mehr dazu passte.

Josef Novotny: Naja, es handelte sich nicht um ein Musikstück, sondern eher um Stimmungen. Ich habe zunächst auch eher damit gerechnet, dass der Film so zwei bis drei Minuten lang wird. Ich habe mir gedacht, ich schicke dir halt einmal Material in der Art, in der ich mir das Ganze vorstellen könnte.

Nana Schulz: Ich habe mir auch gedacht, dass bei bestimmten Sequenzen verschiedene ganz viele kleine Gimmicks oder Sounds erklingen müssten. Und deswegen haben wir eigentlich ganz von vorne wieder angefangen. Ich bin dann nach Wien gekommen und wir haben angefangen, eine Art Sound-Geschichte auf die Bilder zu setzen. Und ich hatte ganz genau im Kopf: wo jetzt was hin muss.

Josef Novotny: Das war so ein ganzer Katalog.

Nana Schulz: Genau. Eigentlich alles was man jetzt so an Geräuschen hört, was nicht direkt zur Musik gehört, – dieses Sprechen, die verschiedenen Geräusche, usw.

Josef Novotny: Ja, diese ganzen kommentierenden Sachen, die synchron zu den Aktionen laufen.

Nana Schulz: Genau, die habe ich mitgebracht. Gemeinsam haben wir dann die passenden Samples ausgesucht. Das kam noch überhaupt ganz vor der Musik.

Josef Novotny: Naja, ich habe dann ja nur noch ein paar Wochen Zeit gehabt für die Musik. Ich wusste, wann der Termin für die Präsentation angesetzt war, und habe mir ausrechnen können, wann ich entsprechend der Veröffentlichung der DVD fertig sein musste. Das ging dann ruck-zuck.

Welche Vorstellungen über die Musik habt ihr dann eigentlich gehabt. Sollte sie eine kommentierende sein oder eine vom Film losgelöste.

Nana Schulz: Es kommt ja automatisch zu einer Verschränkung, wiewohl sie eigentlich eher durch diese Soundeffekte passiert. Obwohl meine Vorstellungen zu Beginn dann doch eine andere waren. Aber Josef ist dann mit einigen Ideen und Entwürfen gekommen, die dann eigentlich gut gepasst haben.  Generell kann ich aber sagen, dass ich mich schon auch auf Sachen eingelassen habe, die mir vorher nicht so klar waren oder die ich nie so gemacht hätte.

Josef Novotny: Umgekehrt war es auch so. Ich bin von einer ganz anderen Seite an die Sache herangegangen. Ich habe mir Material ausgesucht, von dem ich geglaubt habe, dass es von der Stimmung her passen  könnte. Vieles ist aber auch aus dem Zufall heraus entstanden. Im Prinzip handelt es sich um zwei Ebenen. Auf der einen Seite eine kommentierende und auf der anderen die Musik selbst. Irgendwie ist es eben eine Mischung aus beiden Ansätzen geworden. Ich denke, Nana und ich haben uns einfach arrangiert, wie wir unsere Ideen da unter einen Hut bringen.

Das heißt, es besteht dann schon so ein wirkliches Vertrauen zwischen euch beiden.

Nana Schulz: Muss, ja.

Josef Novotny: Hundertprozentig.

Nana Schulz: Also, ich meine zwangsläufig (lacht). Du kannst so ein Projekt ja gar nicht anders machen.

Es gibt aber auch Künstler, die einfach alles kontrollieren wollen.

Nana Schulz: So bin ich normalerweise auch, also das ist schon eine Ausnahme (lacht).

Josef Novotny: Naja, so einige Details haben wir dann eh noch besprochen. „Da gibt es noch diese eine Stelle, da könnte man auch noch etwas machen usw.“

Nana Schulz: Bei manchen Soundgeschichten war es dann schon so, dass ich Josef teilweise schon genervt habe, weil ich eine ganz genaue Vorstellung gehabt davon habe, wie ein bestimmter Teil funktionieren sollte.  Aber wir können uns generell ganz gut zusammenreißen.

Inwieweit Josef ist dieses Werk von dem normalen Kontext entfernt, in dem du dich sonst künstlerisch bewegst? Du kommst ja eigentlich aus der Jazz-Szene?

Josef Novotny: Ja, stimmt. Das Thema Jazz liegt allerdings schon relativ weit zurück bei mir, wiewohl es natürlich noch Verbindungen gibt. Bei mir ist es eigentlich immer ein ziemlich buntes Durcheinander von allen möglichen Bereichen. Aber das gefällt mir ganz gut. Ich hoffe aber trotzdem, dass ich dann doch noch eine gewisse Linie habe, die aber natürlich sehr unterschiedlich gefärbt sein kann.

Der Brückenschlag zur Bildhauerei ist dann aber doch ein größerer als im rein musikalischen Kontext.

Josef Novotny: Ja.

Ihr seid beide Künstler, die die Herausforderung suchen, die sich nicht mit 08/15 Schema zufrieden geben, die den Drang haben, etwas Großes entstehen zu lassen. Nun ist die Orgel ja tatsächlich eine Art Monumentalwerk. Habt ihr so etwas im Sinn gehabt?

Nana Schulz: Eigentlich nicht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Ganze so lange dauert. Aber im Prinzip: Ich arbeite immer so. Ich fange etwas  an und irgendwann ist es fertig. Überhaupt mache ich sehr viele unterschiedliche Sachen. Mich langweilt es immer das Gleiche zu machen. Ich habe ja vorher schon  viel mit Film gearbeitet und verspürte die Lust halt wieder einmal in diesem Bereich zu arbeiten.  Ich wollte einfach einen Stop-Motion-Film machen und habe an eine Art Serie mit einer durchgehenden Geschichte gedacht. Jetzt muss ich aber sagen, dass wenn 15 Minuten ein Jahr dauern, ich das sicher nicht weiterverfolge.  (lacht) Ich meine, so etwas kannst du auch gar nicht finanzieren.

Also das war jetzt wirklich ein Projekt der Kunst wegen.

Nana Schulz: Ja, auf jeden Fall.

Idealismus?

Nana Schulz: Um Geld zu verdienen mache ich andere Sachen (lacht).

Und wie kann man eine Ausstellung samt Musik eigentlich vorstellen?

Nana Schulz: Das ist schon ein bisschen kompliziert, weil die Orgel ja so groß ist. Dementsprechend wären auch die Transportkosten sehr hoch. Und zudem ist sie sehr empfindlich. Letztens habe ich sie ja auf einem Pferdeanhänger nach Wien transportiert und auf dem Weg ist sie kaputt gegangen. Ich habe sie reparieren müssen. Und beim Rücktransport war es das Gleiche. Wenn ich sie aber ausstelle, werde ich sie aufstellen und den Film dazu auf einer großen Leinwand parallel laufen lassen.

Wie sieht es eigentlich mit eurer Vernetzung mit Institutionen aus, die euch eventuell bei Ausstellungen unterstützen könnten? Gibt es welche?

Josef Novotny: Leider nicht. Oder?

Nana Schulz: Also, im Prinzip schon. Also, ich habe in Deutschland ja irgendwie ein relativ gutes Netzwerk. Was lustig ist, weil ich ja ein Jahr lang nichts anderes getan habe, als gearbeitet. Ich habe kaum Zeit gehabt, mich um etwas anderes zu kümmern. Ausstellungen hat es aus diesem Grund auch nicht gegeben. Deswegen passiert im Moment auch nicht wirklich viel. Klar würde ich die Orgel gerne irgendwo ausstellen, aber es ist nicht leicht mit dieser großen Arbeit. Außerdem, ich bin seitdem total pleite (lacht).

Das heißt jetzt müssen mal ein bisschen andere Projekte her?

Nana Schulz: Naja, um mich über Wasser zu halten, habe ich dieses Jahr vor allem gejobbt.

Aber würde es sich da nicht jetzt anbieten, (Kurz-) Filmfestivals mit diesem Film zu beschicken? Nur um zu schauen, ob da etwas geht.

Nana Schulz: Ja, das schon. Ich muss aber zugeben, im Sachen Management, bin ich eher lasch.

Josef Novotny: Um ganz ehrlich zu sein, wir kennen uns einfach beide nicht aus, wie man das geschickt macht (lacht).

Nana Schulz: Naja, ich habe den Film schon einmal einzureichen versucht. Ich habe mir auch einen Guide gekauft, in dem alle Filmfestivals der Welt drin sind – so ein dickes Buch. Nur, ich Trottel habe die Gebühr nicht bezahlt und wurde schon daher abgelehnt.  Ich bin eben ein unglaublich schlechter Manager für mich selbst. Wäre schon super, wenn jemand da wäre, der das Ganze für mich erledigen könnte (lacht).

Danke für das Interview

 

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