mica-Interview mit Mosa Sisic

Mosa Sisic stammt aus einer jugoslawischen Roma-Musikerfamilie: Er spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Geige und fühlt sich heute als Wiener. Bei seinen mitreißenden Konzerten spielt Sisic sowohl traditionelle Roma-Lieder als auch Eigenkompositionen. Im mica-Interview mit Jürgen Plank erzählt der Geiger über seinen Werdegang und seinen Zugang zur Musik.

Wie hat das Musikmachen bei dir begonnen?
Ich habe diese Klänge schon seit meiner Kindheit im Ohr, das kommt von meiner Familie, von meinem Vater: Sisic ist im ehemaligen Jugoslawien eine bekannte Geigendynastie, mein Vater hat früher auch gespielt. Er ist herumgereist und hat auf Hochzeiten gespielt, früher hat man noch ohne Verstärker gespielt – und ich habe begonnen, weil es mir gefallen hat.

Bedeutet “berühmte Geigendynastie”, dass ihr auch Geigen gebaut habt oder gab es einfach in jeder Generation Geiger?
Keine Geigenbauer, sondern Geigenspieler. Schon in der Generation vor meinem Vater. Mein Vater war nicht ein ganz großer Geiger, aber ein Cousin von ihm. Alle haben gespielt, fast 80 Prozent der Familie haben Geige gespielt, das war toll!

Du spielst ja auch Geige, wie bist du ausgebildet worden?
Erstens durch die Familie und dann später habe ich auch einige Jahre in Wien am Konservatorium studiert, damit ich auch die Noten lerne und den Lagenwechsel, das ist sehr wichtig. Das hat mir dabei geholfen, meine Musik besser umzusetzen. Besonders bei Geige ist das sehr wichtig, denn es ist das schwerste Instrument, das es gibt.

Du hast gesagt: “Meine Musik besser umsetzen.” Wie ist denn deine Musik?
Früher, in Serbien, habe ich auf Festen gespielt, auf Hochzeiten, in Lokalen. Als ich dann in den 1990er Jahren angefangen habe, hier in Österreich Fuß zu fassen, hat es sich bei mir entwickelt, Gypsy-Musik ohne Grenzen zu machen: Von Orient und Balkan, bis zum Wilden Westen und Spanien. Besonders der Rhythmus ist eine Mischung aus Balkan und orientalischem Rhythmus, der begeistert mich. Der inspiriert mich und es macht mir Freude solche Musik zu machen.

Spielst du Traditionals oder komponierst du auch selbst?
Traditionals spiele ich schon ein paar, die mir gefallen. Das gehört zu uns, zu den Wurzeln eines Volkes wie den Roma. Sei es Zigeunermusik oder eine andere Musik. Aber zu rund 90 Prozent, mehr als 90 Prozent, spiele ich eigene Kompositionen, also ich komponiere selbst Musik.

Wie entsteht ein Stück, wie arbeitest du?
Ich komponiere einfach, mich inspiriert eine Situation, die Konzerte, die Vergangenheit, die Zukunft, die Natur! Alles, was mit dem Leben verbunden ist, inspiriert mich. Sogar die Tiere inspirieren mich.

Kannst du ein Lied von dir als Beispiel nennen?
Ich habe ein Stück, das kennt fast jeder meiner Fans. Das Stück heißt “Kukuriku” und in diesem Stück imitiere ich verschiedene Tiere mit der Geige: Kühe und Pferde. Das ist ein schnelles, lustiges Stück.

In deinen Konzerten kommen immer wieder Kunststücke mit der Geige vor. Was machst du da?
Bei diesen Kunststücken, bei dieser Show, verwende ich eine ganz andere Spieltechnik. Da spiele ich zum Beispiel mit den Zähnen statt mit dem Bogen. Oder ich spiele mit einem Kamm. Oder ich spiele mit zwei Geigen – oder mit einem Schuh.

 

 

Warum machst du das?
Weil es mir Spaß macht und ich die Geige nicht so ernst sehe. Ein bisschen herum zu spielen, das ist ganz lustig für mich und für die Leute, für die Fans ist es auch interessant. Damit man das nicht zu ernst nimmt: Man muss die Geige nicht auf eine bestimmte Weise halten und spielen. Ich mache das, damit man sieht, dass man auch anders spielen kann.

Du stammst ursprünglich aus Ex-Jugoslawien und bist Roma. Wie siehst du deinen ethnischen Hintergrund?
Ich wurde in Serbien geboren und bin in Wien aufgewachsen. Ich war wenige Jahre meines Lebens in Serbien. Mehr als ein Drittel meines Lebens habe ich in Österreich verbracht. Ich fühle mich als der, der ich bin: Ich stamme aus einer Roma-Familie, aus einer Zigeunerfamilie, aber ich fühle mich als Wiener, als Österreicher, weil ich hier aufgewachsen bin. Die Kompositionen, die in mir erwacht sind, sind ein Teil von Wien, ein Teil dieser Menschen, die mich inspiriert haben – und so fühle ich mich.

Würdest du das auch so sehen, dass Roma-Musik eine der weltumspannendsten Musikrichtungen überhaupt ist, weil es Roma von Asien bis Europa und in der Diaspora in der ganzen Welt gibt?
Ja, das ist so und darum gefällt mir auch die Vielfalt meiner Musik und es ist glaube ich sehr wichtig, dass meine Generation und die folgenden Generationen sehen, dass Zigeunermusik nicht nur das ist, was die Menschen seit der Monarchie und bis in die 1950er und 1960er Jahre gehört haben: Dieser ungarische Stil, damals haben die Leute nur diesen Stil gehört. Denn wie du gesagt hast: Zigeuner gibt es ja auf der ganzen Welt. Und je nachdem, wo der Musiker aufwächst oder wohin er reist, er nimmt immer die Einflüsse eines anderen Landes auf und so geht das immer weiter.
Zigeunermusik ist für mich eine Musik ohne Grenzen, so nenne ich das.

D.h.: Das Spezielle an der Musik ist dann eigentlich die jeweilige regionale Färbung?
Ja, ganz genau. Wenn mein Sohn zum Beispiel nach Frankreich geht und dort dreißig Jahre lebt, würde er und dort Einflüsse aufnehmen und auch von Wien Einflüsse mitnehmen, die wiederum andere Musiker hören. Ich habe hier viele Dinge in der Musik entdeckt. Andere Musiker haben wieder an meiner Musik Interesse gezeigt, weil darin für sie etwas Neues enthalten war.

 

 

Was ist in deine Musik eingeflossen: Wiener Walzer und Wienerlied?
Ja, der Dreiviertel-Takt. Ich habe einen Zigeunerwalzer komponiert, einen Gypsy-Walzer. Ich weiß nicht, ob das schon ein anderer Komponist gemacht hat, aber ich habe das gemacht. Hoffentlich bin ich der Erste. (lacht)

Wie geht es bei dir weiter?
Im Herbst 2008 präsentiere ich meine neue CD im Metropol, da werde ich wunderbare Gäste haben: Den sehr bekannten Geiger Toni Stricker, der im Laufe der Zeit ein Fan von mir geworden ist. Ich habe ihn kennen gelernt, er hat mich schon einige Male besucht. Lakis & Achwach werden auch meine Gäste im Metropol sein, am 11. November 2008.

In letzter Zeit hat Musik aus dem Osten einen Boom erlebt, auch dank des Klub Ost. Es gibt Russendiskos und Balkanfestivals. Hast du einen Impuls für dich gemerkt? Ist das Interesse an deiner Musik gestärkt worden?
Ja, das ist schon sehr wichtig. Denn so lernen die Menschen, die hier leben, diese Musik besser kennen und sehen, dass das wunderbare Musik ist. Es ist gut, dass dieser Boom passiert ist und ich hoffe, dass das weiterhin so bleibt. Ich habe mich davor auch schon darum bemüht, meine Fans zu bekommen und die Leute davon zu überzeugen, dass das, was ich tue Musik mit Leidenschaft und Tempo ist. Dass man bei meiner Musik auch lachen, weinen und feiern kann. Wenn es die Festivals nicht gäbe, hätte ich mich weiterhin bemüht, meine Musik bekannt zu machen. Man muss an sich glauben und an sich arbeiten.