mica-Interview mit Monsterheart

Anna Attar hat erstmals in dem mittlerweile aufgelösten Kollektiv Go Die Big City auf sich aufmerksam gemacht. Inzwischen betreibt die 25-Jährige das Soloprojekt Monsterheart, mit dem sie zwischen Finsternis und Licht pendelt. Kürzlich ist auf Seayou die erste EP der gebürtigen Wienerin erschienen, auf der sich eine Reihe kleiner Ohrwürmer findet. Sebastian Fasthuber hat Monsterheart befragt.

In dem Song „Monsterheart” buchstabierst du deinen Namen. Wofür steht Monsterheart denn? Und was für eine Welt versteckt sich dahinter?
Das Lied „Monsterheart“ erzählt von einer Kriegerin im Wald und ihrem Überlebenstrieb, der sie zum Morden zwingt. Ich habe es aber erst nach der Namensfindung geschrieben. Ich habe einen Namen gesucht, der für mich für genau das steht, was ich mache und was ich bin: nach außen hin natürlich ein Mensch, aber innen drin pocht ein mächtiges Monsterherz, aus dem alles kommt, das mich vorantreibt. Meine Lieder sind selten aus einer menschlichen Perspektive geschrieben, die verschiedensten Kreaturen erzählen von ihrem Leben. In „Moon“ ist es ein Werwolf, in „D.O.D.” eine Vampirprinzessin, in „Doll“ eine Musikspieldosen-Ballerina. Da geht es eben auch um ihre Sehnsüchte und Herzen.

Bei deinem Namen kann man Horror assoziieren, auf deiner Facebook-Seite bringst du dich – vielleicht ironisch? – mit Goth in Verbindung. Und einen „Dead of the Day“ präsentierst du dort auch. Was hat es mit dieser Faszination für das Düstere und den Tod auf sich?
Nicht ironisch, niemals ironisch. Ich war nie Teil einer Jugendbewegung, weil ich Gruppen generell ein wenig misstrauisch gegenüberstehe. Allerdings konnte ich mich immer eher mit Goths und deren Ästhetik identifizieren. Die faszination für das Düstere: Soweit ich zurückdenken kann, hatte ich immer schon einen Hang zum Romantischen und Morbiden. Polanskis „Tanz der Vampire“ war einer meiner Lieblingsfilme als Kind. Ich war auch davon überzeugt, selbst ein Vampir zu sein. Als ich 13 war, ist mein Vater gestorben. Seitdem ist mein Zugang zum Tod ein sehr persönlicher und tiefer, vor allem aber kein feindlicher. Der lebendigste Teil von mir tanzt innerlich immer mit dem Tod. Ich denke, dass das auch ein essenzieller Kern meiner Musik und Texte ist, aber für Dritte jetzt nicht unbedingt lesbar.

Deine Musik klingt eigentlich sehr diesseitig und lebensfroh, eingängig und auch tanzbar – also im Prinzip gar nicht düster.
Das ist kein Widerspruch. Das Leben und der Tod gehen ja Hand in Hand. In unserem Kulturkreis wird der Tod leider als etwas Schwermütiges gesehen. Ich tendiere eher zum Feiern des Todes, wie das die Zentralamerikaner zum Beispiel machen. Meine lieder sollen aufs Leben hinweisen, auf Freude am Leben, solange man es eben hat, deshalb sind sie fröhlich.

Ich höre in den Songs auch einen gewissen Rock’n’Roll-Einfluss raus – Rock’n’Roll, wie zum Beispiel Suicide ihn verstanden und gemacht haben. Welche Sachen haben dich generell beeinflusst?

Viel Musik aus den 60ern, 70ern und 80ern. ich kann mit moderner Musik nicht so viel anfangen, liebe Psychedelic- und Garage-/Surfbands, aber auch frühen Punk und Wave, vor allem aber alles, was als Popmusik zu seiner Zeit gegolten hat. Bands, die mich beeinflusst haben, sind zum Beispiel The Red Crayola und 13th Floor Elevators, bei denen man teilweise das Gefühl hat, der Beat stolpert rückwärts. Sehr viel kommt auch von 60ies Garage-Girlbands. Den meisten Einfluss, vor allem was die Thematik der Lieder betrifft, hatten The Monochrome Set für mich. „Eine Symphonie der Grauens“ ist ein Lied, dass aus der Perspektive einer liebestrunkenen Mumie erzählt. Ich hatte schon ein paar Lieder für Monsterheart geschrieben, als ich Monochrome Set entdeckt habe, und war total glücklich, etwas gefunden zu haben, das meinen Gedankengängen so gleicht. Es war eher bestärkend als tatsächlich ein Einfluss, aber das ist auch wichtig.

Wie lange hat es gebraucht, bis Monsterheart Form angenommen hat? Bis sich die Musik und die ganze Ästhetik ausgeprägt haben?
Das ist recht schwer zu sagen, da sich das immer noch entwickelt. Geboren ist Monsterheart vor drei Jahren. Damals war die Grundidee schon da, der Sound hat sich langsam angebahnt. Ich bin momentan recht zwiegespalten, ob ich den Sound der EP jetzt beibehalten oder in eine ganz andere Richtung gehen möchte. Es ist also noch nichts fertiggedacht. Die Ästhetik an sich ist einfach das Resultat aus einem Zusammenwürfeln meiner Lieblingsästhetiken. Ich klau, was ich kann!

Du warst vorher Teil von Go Die Big City. Waren das schon deine Anfänge als Musikerin – oder gab es vorher noch was?
Die erste Band hatte ich mit 15 mit Schulfreunden. Die beschränkte sich allerdings nur auf den Proberaum. Mit 16/17 sang ich dann in einer Pop-Punkband in St. Pölten, mit der ich dann die ersten Live-Erfahrungen sammeln konnte. Wir haben sogar vor den Leningrad Cowboys gespielt. Da bin ich immer noch stolz drauf. Mit 19 habe ich dann bei Vortex Rex Glockenspiel gespielt und ein bisschen rumgeschrien und ein wenig später ging das dann auch mit Go Die Big City los.

Bei Go Die Big City warst du Teil eines Kollektivs. Jetzt bist du Alleinherrscherin über deine Musik. Welche Art zu arbeiten liegt dir näher? Und profitierst du noch von den Erfahrungen mit Go Die Big City?

Go Die Big City war ja das quasi das Monsterheart von Rudi Hebenstreit. Die Musik kam zu hundert Prozent von ihm, manchmal habe ich Texte beigesteuert. Der kreative teil hat sich damals auf uns beide beschränkt und wir hatten glück viele, liebe musikalische Leute in unserer Umgebung zu haben, die das ganze unterstützt haben. Um ehrlich zu sein, ist Musikmachen nur Mittel zum Zweck für mich. Ich hatte den Entschluss gefasst, endlich selbst ein musikalisches Projekt auf die Beine zu stellen, hatte Texte, aber keine Musik dazu und niemanden, dem ich das alles so anvertrauen wollte. Da musste ich dann einfach selbst ran. Ich bin keine Musikerin, habe keinerlei musikalische Ausbildung genossen. Was da passiert, wenn ich Musik mache, weiß ich selbst nicht so genau. Ich weiß nur, welche Atmosphäre ein Lied haben soll und davon gehe ich beim –nennen wir es mal so – Komponieren aus. Go Die Big City hat mir auf jeden Fall geholfen, was das Songwriting betrifft, und die Art und Weise, wie ich singe, geprägt. Ich denke, am nächsten liegt mir das Arbeiten zu zweit, wobei jeder Vorarbeit alleine leisten sollte. Dennoch träume ich manchmal davon, Teil einer Band zu sein, die die Monsterheart-Lieder vervollständigt und live alle von den Socken haut.

Wie machst du deine Musik? Ist das alles Heimarbeit?

Alles heimarbeit. Ich hätte zwar gerne ein Studio, kann mir das aber leider nicht leisten, deshalb rüste ich eben zuhause auf – sehr zur freude der Nachbarn.

Deine Songs sind sehr kurz, so wie Songs vor 50, 60 Jahren mal waren. Streichst du Sachen weg – oder kommen die Stücke schon so pointiert aus dir raus?

Es wird nichts weggestrichen. Die Lieder, an denen ich momentan arbeite, sind auch schon etwas länger, manche sogar über vier Minuten lang. Die Kürze liegt, denke ich, daran, dass ich mich sehr stark am Text orientiere und mir da manchmal auch keine Atempausen lasse und deshalb die Lieder nicht strecke. Die hören eben da auf, wo der Text aufhört. Ich versuche mittlerweile, der Musik mehr Raum zu lassen, aber es fällt schwer, weil meine Texte selten kurz ausfallen und ich sie immer auf jeden Fall überall reinquetschen will.

Was hat es mit dem Song „Food“ auf sich? Eine witzige Kannibalismus-Hymne?
Es handelt sich nicht wirklich um Kannibalismus, da ich aus der perspektive eines menschenfressenden Engels erzähle:
„Sorry boyfriend, sorry girlfriend,
This is where the party ends.
Don’t get the wrong impression, I am heaven sent,
But there are things, that you humans will never understand.“
Da gehts um göttliche vergeltung, eher eine Anti-menschlicher-Hochmut-Hymne.

Die Kollegin Soap&Skin zeigt, dass man auch als österreichische Musikerin von der Musik leben kann. Andere streben das gar nicht erst an. Wie stehst du zu der Problematik?
Es ist auf jeden Fall schwierig, wenn man sich selbst Freiraum lassen will für ästhetische Veränderungen. Soap&Skin ist eine Marke, von der sich das Publikum etwas ganz Spezielles erwartet und wo man dann, so stelle ich mir das vor, auch als Künstlerin den Druck spürt, sich einschränken zu müssen, um auf der Schiene zu bleiben, die funktioniert. Ich denke, ich stehe da selbst gerade ein wenig an der Gabelung: Entweder ich arbeite darauf hin, meine Schiene zu finden, um ein schlüssiges, ästhetisch poliertes Produkt abzuliefern, auf das sich der Hörer verlassen kann – oder ich lasse das offen und experimentiere, mit der Möglichkeit, dass dabei etwas rauskommt, das niemand hören will, mir aber unheimlich Spaß macht und ich selbst dran mein künstlerisches Wachstum (oder meine künstlerische Regression) erkennen kann. Es ist ja beides schön, aber der Druck von Erwartungshaltungen Dritter spielt bei mir leider auch mit. Und weil ich auf Druck immer bockig reagiere, tendiere ich dazu, eher etwas Neues auszuprobieren, als das abzuliefern, was sich Menschen von Monsterheart erwarten.

Was macht du sonst außer Musik, sprich, wovon zahlst du deine Rechnungen?

Ich studiere in der Grafikklasse an der Akademie. Meine Rechnungen zahlen momentan Minijobs und die Studienbeihilfe.

Was sind die nächsten Plänen mit Monsterheart?
Auf alle Fälle Schreiben, Aufnehmen, Spielen, neue Menschen zum Zusammenarbeiten kennenlernen und neue Inspirationsquellen finden. Ich schätze, das Album sollte so gegen Dezember 2012 fertig sein und somit im Frühling 2013 erscheinen. Ich suche auch Produzenten, die sich einzelne Lieder vorküpfen wollen. Also auf diesem wege: Wem Monsterheart gefällt, bitte melden.

 

http://www.myspace.com/themheart
http://www.seayourecords.com/