mica-Interview mit Matthias Schulz

„Mozart und Neues“ – Ab März 2012 wird Matthias Schulz die Stiftung Mozarteum Salzburg leiten. Mit dem mica – music austria sprach der studierte Pianist und Volkswirt über Wolfgang Amadeus Mozarts perfekte Balance, musikalische Grundnahrungsmittel und missionarischen Eifer. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Ihr Vorgänger Stephan Pauly stand in gewisser Hinsicht für einen Kurswechsel, indem er das Werk Mozarts in neuen Zusammenhängen, vor allem aber im Kontext zeitgenössischer Musik, erklingen ließ. Werden Sie seine Arbeit fortsetzen?
Mein Vorgänger hat, indem er die Musik Mozarts mit Werken der Moderne, neuen Werken und Uraufführungen in Bezug setzte, einen guten, wichtigen Weg eingeschlagen, den ich auf jeden Fall fortsetzen, weiterentwickeln und mit eigener Handschrift versehen möchte.

Aufbruch und Mozart in einem Satz zu erwähnen klingt für den Durchschnittsbürger dennoch immer auch ein wenig paradox…

Man muss die Dinge immer weiter entwickeln, sie dürfen nicht in sich erstarren. Daran muss man hochkonzentriert arbeiten. Es ändern sich ja auch Umfeld und Publikum. Man darf es dem Publikum andererseits auch nicht zu leicht machen. Werke müssen schon so gezeigt werden, wie sie gezeigt werden sollen. Und auch Mozart muss dabei immer wieder neu hörbar gemacht werden, sei es durch Interpretationen der Wiener Philharmoniker, im Originalklang oder im Kontext der Romantik oder Neuer Musik. Mozart eignet sich besonders gut als Referenzpunkt, weil er ein Komponist ist, bei dem weder Form noch Emotion im Vordergrund stehen, sondern so etwas wie eine perfekte Balance bilden.

Wird es hier auch neue Herangehensweisen geben?
Da möchte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht allzu viel verraten. Nur so viel: Die Stiftung besitzt zahlreiche Fragmente aus Mozarts Werk – teilweise sind das nur wenige, kurze Takte. Etwas damit zu machen, könnte sehr interessant sein.

Denken Sie dabei an Kompositionsaufträge?
Ja. Kompositionsaufträge wird es auf jeden Fall geben. Es wird bei der Mozartwoche aber auch eine Art Composer in Residence geben, jemanden also, der einen Kompositionsauftrag erhält und dessen Werke wir dann möglichst gut in das jeweilige Programm einfügen und mit dem Werk Mozarts in Beziehung setzen werden.

Verträgt Mozarts Werk auch die Auseinandersetzung mit Populärkultur, vor allem avantgardistischen Strömungen innerhalb dieser, oder wäre das des Guten dann doch zu viel?
Hie und da verträgt es das, und ich möchte es auch gar nicht ausschließen, aber das ist keine einfache Auseinandersetzung, sondern muss sehr intelligent und ernsthaft gemacht sein. Ich habe erst neulich das Können eines polnischen Improvisationskünstlers am Klavier erleben dürfen. Dass er sich bestimmter Werke Mozarts annähme, um sie in seine Sprache zu überführen, kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber auch wenn man sich den Film Amadeus anschaut, gelang es darin trotz der völligen Überzeichnung der Figur Mozarts hin zum „Rockstar“, seine Musik ins Zentrum zu stellen – eine durchaus geglückte Form, wie man Massen- und Hochkultur miteinander vereint. Ich kann mir vorstellen, dass das auch in anderen Formen möglich ist.

Können Sie Ihre Zeit bei den Salzburger Festspielen in einigen wenigen Sätzen beschreiben?
Das war eine absolut wesentliche Zeit, in der ich ganz Entscheidendes gelernt habe. Ich kam als Projektleiter für Mozart 22, als Ruzicka alle 22 Bühnenwerke Mozarts auf die Bühne brachte, was sich nicht nur als äußerst passend für meine jetzige Tätigkeit erwies, sondern auch oft in beispielhafter Weise – etwa in „Mitridate“ im Residenzhof – zeigte, wie Mozart dargestellt werden kann. Dann hatte ich das Glück, als Konzertreferent gemeinsam mit Markus Hinterhäuser die Konzerte der Festspiele erarbeiten zu können. Dabei war ich für Organisation, Budgetierung und all diese Dinge verantwortlich. Was später, so gegen 2007 noch dazu kam, war, dass ich Medienreferent des Direktoriums wurde. Das heißt, wenn Opern auf DVD erschienen oder im Fernsehen ausgestrahlt wurden, durfte ich die Verträge aushandeln. Zuletzt arbeitete ich als Leiter der Konzertplanung sehr intensiv mit dem neuen Intendanten, Alexander Pereira, zusammen und hätte das auch gerne noch eine Weile gemacht, aber es gibt einfach Gelegenheiten, die man sich nicht entgehen lassen kann. Die Leitung der Stiftung Mozarteum Salzburg wird ja nicht alle Tage frei. Die besondere Herausforderung liegt hierbei insbesondere in der Verknüpfung der künstlerischen und kaufmännischen Gesamtverantwortung.

Sie haben es jetzt schon vorweggenommen: Der neue Job ist für Sie eine Herzensangelegenheit. Weshalb?
Wenn man so einen Job macht, dann braucht man eine Leidenschaft für die Sache, dann will man Konzerte gestalten und neuen Konzertformate entwickeln. Daran, wie man diese Musik so lebendig wie möglich halten kann, muss man sich beteiligen wollen. Das kann nicht nur am Reißbrett entstehen. Es gilt die Leute durch gute Programmierung und gute Konzerte bei den Ohren zu packen und etwas dazu beizutragen, dass das wunderbare kammermusikalische Repertoire eben nicht als „Sonntagsdroge für ergraute Bildungsbürger“ verkommt, wie ich unlängst lesen musste, sondern sich als Grundnahrungsmittel behauptet. Dafür ist ein gewisser missionarischer Eifer erforderlich – den ich absolut mitbringe.

Stichwort: Finanzielle Unterfütterung. Besteht Handlungsbedarf?

Will man aufwändige Qualität bieten, gibt es finanziell immer Handlungsbedarf. Die Stiftung ist in einer ganz speziellen Situation, denn in allen drei Bereichen, sowohl in den Museen (Mozart Wohnhaus und Mozart Geburtshaus), als auch im wissenschaftlichen Zweig, zu dem auch die Biblioteca Mozartiana – übrigens die größte der Welt mit über 35.000 Titeln – gehört und im Konzertbereich könnte man selbstverständlich immer mehr machen. Wenn ich etwa an den Autographenkeller in Mozarts Wohnhaus denke, sollte die Stiftung Mozarteum, wenn einmal ein Mozart-Autograph frei wird, schon in der Lage sein, sich einen solchen auch ins Haus zu holen. So etwas ist natürlich wahnsinnig teuer. Aber auch im Konzertbereich und um internationale Projekte voranzutreiben, wird Geld benötigt. Damit man die Stiftung Mozarteum so stärken kann, wie ich mir das vorstelle, muss man Sponsoren finden, den Freundeskreis stärken, und neue Wege beschreiten. Denn die Stiftung Mozarteum bekommt nur sehr wenige Subventionen.

Wo liegen Ihre ganz persönlichen musikalischen Vorlieben? Jetzt müssen Sie zwangsläufig Mozart sagen, oder?

(lacht) So ist es. Jetzt muss ich Mozart sagen. Aber im Schaffen Mozarts gibt es tatsächlich Werke, die mich nicht nur faszinieren, sondern auch ganz entscheidend geprägt haben. Ein Stück, das meine gesamte Sichtweise auf Mozart und Musik generell änderte, ist das h-Moll-Adagio, ein Stück für Solo-Klavier, das geradezu unfassbar weit in die Zukunft weist, indem es mit Chromatik arbeitet, zwischen Moll und Dur changiert und zeitweise förmlich schwebt. Ein Komponist, der für mich wesentlich ist und pures Glück bedeutet, ist auch Schubert. Und Beethoven und Bach, weitere Säulen des Abendlandes sozusagen,
sind ohnehin unerlässlich. Man will aber nicht immer nur Schubert, Schumann und Brahms hören. Deshalb ist es ja auch so ungemein wichtig, sich mit neuer Musik auseinanderzusetzen.

Die Stiftung Mozarteum ist eine bürgerliche Gründung. Sie entstand aus dem Geist und den Werten des Salzburger Bürgertums. Fühlt man sich dieser Gründungsidee noch in irgendeiner Form verpflichtet?

Wenn man die Stiftung Mozarteum im positiven Sinne als einen Gipfel des Bürgertums begreift, ist das ganz wunderbar. Gerade die Öffnung für Neue Musik hat ja, finde ich, für gewisse Entstaubungen gesorgt. Und genau zu diesem Verständnis eines offenen Bürgertums möchte ich meinen Beitrag leisten.


Matthias Schulz
wurde 1977 in Bayern geboren und lebt heute mit seiner Frau und seinen vier Töchtern in Bad Reichenhall. Er studierte Volkswirtschaft in München und am Mozarteum Konzertfach Klavier. Eine Karriere als Pianist strebte er nie an, das Klavierspielen ist aber nach wie vor ein wesentlicher Lebensbestandteil für ihn. Ab 2004 arbeitete er in verschiedenen Funktionen für die Salzburger Festspiele – Projektleiter Mozart 22, Konzert- und Medienreferent, Leiter der Konzertplanung. Ab März 2012 wird er General Artistic Director und kaufmännischer Geschäftsführer der Stiftung Mozarteum sein.

Fotos Matthias Schulz: Wolfgang Lienbacher

 

http://www.moz.ac.at/de/