mica-Interview mit Matthias Lošek

Matthias Lošek trat mit 1. März 2010 die Nachfolge von Berno Odo Polzer an. Der neue Leiter des Festivals Wien Modern, über Profil, Anspruch und Grenzen des Festivals und das Rückgrat zeitgenössischer Musik. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Sie haben als künstlerischer Leiter des Festivals Wien Modern die Nachfolge von Berno Odo Polzer angetreten. Ein schwieriges Erbe?
Ein spannendes Erbe. Wir reden ja hier von einem Festival, das seit 1988 existiert und mit eines der besten und wichtigsten Festivals dieser Art über die Grenzen Österreichs hinaus ist, und das stellt eine riesige Herausforderung dar. Jedes Festival ist auf seine Art schwierig zu positionieren. Um ehrlich zu sein, hab ich mir darüber, ob es schwierig ist oder nicht ist, aber noch keine Gedanken gemacht. Ich glaube, dass es dem Festival und allen, die daran teilnehmen, gut tun wird.

Ihr Vorgänger hat auch deshalb aufgehört, weil das Budget nicht mehr erhöht wurde. Er hat von der Selbstausbeutung ähnlichen Verhältnissen gesprochen. Ich zitiere: „Die Kernproblematik liegt darin, dass Wien Modern mit zwei fixen Mitarbeitern personell eklatant unterbesetzt ist – im internationalen Vergleich fast an der Peinlichkeitsgrenze. Wenn sich das nicht bald ändert, ist das Festival in ernster Gefahr. Die Frage ist, was Wien da will: Die Stadt kann nicht gleichzeitig ein internationaler Player in der Neuen Musik sein wollen und sein wichtigstes Festival in Gefahr bringen, deutlich an Profil zu verlieren.” Mit diesen Defiziten werden sie auch zu kämpfen haben oder sehen Sie das anders?
Ich bin nicht hier, um die Äußerungen meines Vorgängers zu kommentieren. Ich kenne Berno Odo Polzer schon länger und er wird seine Gründe gehabt haben, den Job nach zehn Jahren zu beenden. Aber es ist wirklich nicht meine Aufgabe, das in irgendeiner Form zu bewerten.

Aber die von ihm beschriebene Situation wird sich auch nicht drastisch verändert haben, nehme ich an.
Er wäre ein schlechter Festivalleiter, wenn er sich mit allem zufrieden geben würde, was der Fall ist, und ich wäre ein ebenso schlechter Festivalleiter, wenn ich das Gleiche täte. Aber wenn Sie mit Ihrer Frage darauf abzielen, ob es Gespräche in diese Richtung geben wird, kann ich Ihnen versichern: Diese Gespräche gibt es bereits mit den zuständigen Stellen. Das Ergebnis kann ich noch nicht vorhersagen, aber man wird sehen.

Das heißt, es wird daran gearbeitet, zusätzliches Geld locker zu machen, wie man so schön sagt?
Selbstverständlich. Noch mal: Ich kenne keinen Festspielleiter – zumindest ist  mir noch keiner untergekommen und ich habe jetzt doch schon einige kennen gelernt – der gesagt hätte: Danke, das ist es. Aber natürlich kann ich nur mit dem arbeiten, was zur Verfügung steht. Umgekehrt kann ich auch nicht sagen, 2010 wird es kein Festival geben, wenn es keine Budget-Erhöhung gibt.

Ihr Amtsantritt erfolgte relativ spät, zieht man in Betracht, dass Wien Modern im Herbst über die Bühne geht und wir jetzt schon März haben. Das heißt, es gab keine lange Vorlaufzeit, die natürlich angenehm wäre, um sich auf eine so anspruchsvolle Aufgabe in Ruhe vorzubereiten. Wie kann man sich den Ablauf des Wechsels vorstellen?
In der Praxis gibt es nicht den Tag X, an dem ein neue Festspielleiter den Festspielbetrieb übernimmt, sondern mein Team und ich arbeiten schon seit November am Festival 2010 und auch bereits an den Nachfolgejahren.

Gibt es schon Konkretes für das kommende Festival?
Ja, es gibt bereits ein Konstrukt. Zu den einzelnen Programmpunkten kann ich aber noch nichts Genaues sagen, das wäre noch zu früh.

Sie haben den fließenden Übergang zwischen Ihnen und Herrn Polzer angesprochen: Wie viel des kommenden Programms werden Sie bestimmt haben, wie viel noch ihr Vorgänger?
Es gab Teile, die schon vorbereitet waren. Es lag dann an mir zu entscheiden – so fair war Berno – ob ich das übernehme oder nicht. Das ist klar, denn selbst mit einer offiziellen Übernahme am 1. November wäre es nicht möglich gewesen, bei Null anzufangen. Bei Orchestern ist es ja auch gängige Praxis, länger vorauszuplanen. Und die Vorlaufzeiten werden tendenziell immer länger, damit haben wir zu leben.

Es gab in den Medien Kritik am Bestellungsvorgang, weil die Stelle angeblich nicht öffentlich ausgeschrieben wurde und sozusagen ein Intimus vom Kulturstadtrat für die Stelle auserkoren wurde. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Es liegt nicht an mir, Medienkommentare noch einmal zu kommentieren. Ich habe auch keine Lust, eine Diskussion über Medien zu führen. Eine Diskussion kann und soll man dann über das von mir erarbeitete Programm führen. Zur Bestellung kann ich nur sagen, dass es einen Bestellungsvorgang gab, der meines Erachtens völlig transparent war: Ich habe eine Bewerbung abgegeben und eine Jury hat befunden, dass ich der geeignete Kandidat bin. Alle anderen Fragen, insbesondere warum und weshalb, muss man an die Jury richten. Ich möchte das nicht kommentieren.

In der Kritik trafen zwei Argumente aufeinander bzw. wurden vermischt: Die Art der Bestellung und Ihre Qualifikation. In einem Medium war zu lesen, der neue künstlerische Leiter sei „unbeleckt“ von Neuer Musik, was für jemanden, der sieben Jahre die zeitgenössische Musikschiene in Bregenz geleitet und programmiert hat, eine doch – gelinde gesagt – interessante Charakterisierung darstellt. Hat sie das nicht geärgert?

Wenn man es genau betrachtet, kamen diese Kommentare von einigen wegen und es wird an mir liegen, sie davon zu überzeugen, dass ich der Richtige bin – oder eben auch nicht.

Aber durch derlei Kommentare wird man doch in eine Art Bringschuld gedrängt, indem der Eindruck vermittelt wird, da käme jetzt jemand ans Ruder, der das ja so gar nicht verdient hätte und deshalb jetzt auf besondere Art und Weise beweisen müsse. Wie begegnet man diesem Druck?
Beweisen muss ich mich ohnehin. Ich habe einen sehr hohen Anspruch an mich. Den Anspruch, den die Bregenzer Festspiele haben, ist ein bekanntermaßen hoher, und diesen Anspruch versuche ich natürlich auch hier anzuwenden, aber ich werde mich sicher nicht von einigen wenigen in die Ecke drängen lassen. Und es wäre auch ganz falsch, Herrn  X oder Frau Y ein maßgeschneidertes Programm vorzugeben. Ich mach ein Programm für die Künstler. Wien Modern ist eine Plattform für die Komponisten, für  die Ensembles und alle, die daran teilnehmen. Und unser gemeinsames Anliegen wird es dann sein, ein Publikum zu erreichen.
Das heißt aber nicht, dass wir auf Quote gehen. Das heißt auch nicht, dass wir in die Breite gehen, sondern dass wir versuchen, mit einem qualitätvollen und stringent programmierten Programm alles, was im Kontext von Gegenwartsmusik zu sehen ist, einer neugierigen Öffentlichkeit zu präsentieren. Das ist meine Aufgabe.

„Zeitgenössische Musik“ ist ein bekanntermaßen dehnbarer Begriff. Im bisherigen Programm hat man dieser Dehnbarkeit unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass man die Musik der 50er und 60er-Jahre unter dem Schlagwort „retrospektiv“ behandelte. Wird man solche Rückblicke beibehalten?

Was man sagen kann, ist, dass es gewisse Personen geben wird, die im Mittelpunkt stehen – interessante Personen, von denen ich glaube, dass es spannend wäre, sie zu programmieren. Und dann wird man versuchen herauszuarbeiten, ob es einen Kontext und einen Konnex zwischen den einzelnen Figuren, Bruchlinien und Überschneidungen, gibt. Wenn uns das gelingt, dann wird es auch eine interessante Reise durch das, was ich als Kunst, die jetzt geschaffen wird, die jetzt entsteht, bezeichne. Dass Kunst nicht aus dem Nichts heraus entsteht, sondern dass es immer eine Historie gibt, auf die man sich beziehen kann, ist auch klar. Das bringt einem ja auch jeder Komponist, wie Sie selbst wissen, im Gespräch näher. Diese Verweise versuche ich aufzugreifen und in mein Programm einfließen zu lassen.
Mit Begriffen wie Retrospektive, Portrait oder Fokus möchte ich in dieser Klarheit aber nicht arbeiten, weil der Umstand, dass Künstler in den Mittelpunkt gerückt werden, solche Bezeichnungen eigentlich erübrigt. Solche Schubladisierungen oder Einteilungen erleichtern vielleicht den Zugang oder auch eine Marketingstrategie und natürlich kann man in der Gesamtsicht und mit den Künstlern solche Strategien erarbeiten. Das wird dann aber Sache jener Leute sein, die sich auf die marktorientierte Vermittlung dieser Dinge spezialisiert haben. Das heißt: Der Zugang wird kein anderer sein, wir verwenden nur andere Begriffe.
Was ich aber unbedingt vermeiden möchte ist, dass man Dinge auf einen Sockel stellt und das Ganze dann museal betrachtet. Das wäre ein ganz großer Fehler, denn wir sind kein Museum, wir sind kein klassisches Haus, in dem Musik konsumiert wird, sondern ein Ort der Auseinandersetzung und wir wollen Leute einladen, diese Reise mit uns zu gestalten.

Sie sagten, Wien Modern dürfe nicht in die Breite gehen. Wenn man sich das Programm anschaute, hat Wien Modern sich in den letzten Jahren doch gerade sehr breit aufgestellt…
Das kommt darauf an, wie Sie „breit“ definieren…

Robert Ashley, eine Schlüsselfigur der US-Avantgarde, war ebenso vertreten wie der norwegische Experimentalmusiker Ole-Henrik Moe. Und aus der heimischen Szene waren ebenfalls Grenzgänger am Werk: Bernhard Gander, der sich ua von Death Metal inspirieren lässt, Eva Reiter, die die Klangwelten alter und elektronischer Musik verschmilzt, und Philipp Quehenberger, der Noise-Elektronik betreibt. Ich hoffe, dieser Mut zum Risiko bleibt bestehen.
Wenn Sie das als Breite definieren, dann: Ja! Ich möchte meinen Altintendanten Alfred Wopmann zitieren, der sagte, es gäbe letztlich nur gute und nicht gute Musik bzw. Qualität und Nicht-Qualität, und genau das ist letztlich auch das Kriterium, das wir anwenden werden.

Ihr Vorgänger hat auch eine Verschmelzung zwischen E und U gefördert bzw. genau an der sehr spannenden Grenzlinie programmiert. Werden Sie diesen Kurs beibehalten?
Ich halte nichts von Grenzen. Grenzen sind dazu da, um überwunden zu werden. Um Ihre Frage zu beantworten: Wenn es intelligent und stringent in der Programmierung erscheint, dann ja. Aber ich möchte nichts programmieren, nur um irgendeine, vielleicht nur scheinbare Grenze zu überwinden. Aus dem Blickwinkel der Programmierung heraus mag das in dem einen oder anderen Fall interessant sein, nicht aber um seiner selbst willen. Wien Modern ist auch ein Festival, das sich Jahr für Jahr neu definieren und schauen muss, wo das steht, was wie als zeitgenössische Musik bezeichnen. Unter der Prämisse wurde Wien Modern ja gegründet, nämlich um nationale und internationale Strömungen zeitgenössischer Musik aufzugreifen. Davon, räumliche Grenzen bewusst auszuweiten, um sich vielleicht einen hipperen, cooleren Anstrich zu geben, halte ich nichts.

Neue Musik ist oft von einem eigenartigen Nimbus des Komplexen, Unverständlichen umgeben. Wie kommt man weg davon bzw. wie begeistert man neue Schichten?
Indem ich jetzt ganz banal und naiv für mich formuliere: Diese Grenzen gibt es nicht. Genau mit dieser Attitüde gehe ich hinein. Diesen Nimbus des Schwierigen, schwer Vermittelbaren gibt es nicht. Punkt. Und mit dieser vorgelebten Attitüde, die von vielen dann vielleicht als oberflächlich, blass oder banal angesehen wird, versuche ich, der erste Vermittler des Festivals zu sein; der erste Verführer, der das Publikum neugierig auf das Programm macht. Den gelebten Zugang des schwierigen möchte ich überhaupt nicht vermitteln. Ich glaube daran, dass ein interessiertes Publikum genauso gern zu einem Konzert bei Wien Modern kommt wie zu einem Abo-Konzert der Wiener Symphoniker.

Nehmen Sie die Symposien des Klangforums. Bei vielen Künstlern, die ich nach ihren „Magic Moments“ befragt habe, was Neue Musik anbelangt, fiel dieses Projekt, was ich nur allzu gut verstehen kann. Da wurde zwar über einen sehr langen Zeitraum von 17 bis 1 Uhr Aufmerksamkeit gefordert, aber das Ganze wurde mit Wein und Gesprächen aufgelockert. Zwei Freunde, die ich zu einem solchen Symposium eingeladen hatte und die mit Neuer Musik rein gar nichts zu tun hatten, waren so begeistert, dass sie sich gleich nachher ein Klangforum-Abo besorgten. So einfach kann es sein.

Was aber doch weniger mit Naivität als mit ausgeklügelter Programmierung zu tun hat…
Natürlich und genau das ist ja die zentrale Aufgabe. Trotzdem glaube ich nicht an die angesprochenen Barrieren und werde alles daran setzen, sie gar nicht erst aufkommen zu lassen und dadurch ein höchstmöglich interessiertes Publikum zu gewinnen.

Gibt es auch eine allgemeine Überlegung, wie man Profil entwickeln wird?
Wien Modern hat doch ein Profil. Es geht jedenfalls nicht um meine Person, sondern darum, weiterhin ein sehr intelligentes und sehr stringent programmiertes Festival auf die Beine zu stellen.

Sie haben sicher besondere persönliche Vorlieben?
Natürlich, aber die haben nicht mit dem Programm zu tun, es heißt ja nicht Losek Modern, sondern Wien Modern. Natürlich gibt es Künstler, zu denen man eine besondere Beziehung hat. Wenn man aus Bregenz kommt, wird Georg Friedrich Haas immer eine besondere Rolle im Bewusstsein spielen.

Und in Ihrem Fall wohl auch Friedrich Cerha, oder?
Auch er. Ich durfte 2006 den Spiegel machen. Das war für mich schon einer dieser Magic Moments, aber nicht nur die Aufführung selbst, sondern auch die Arbeit daran in den Jahren zuvor, die Begegnung mit ihm und seiner Frau.

Wenn wir uns weg von den persönlichen Vorlieben und hin zu jenen Dingen wenden, von denen Sie den Eindruck haben, sie wären wichtig zu vermitteln, weil sie in der Rezeption noch nicht dort angekommen sind, wo sie aufgrund ihrer Klasse eigentlich stehen müssten, was fällt Ihnen da ein?
Das ist sehr schwierig, denn alles, was ich jetzt sage, nährt natürlich Spekulationen für das Programm der kommenden Jahre.

Wie wird man die heimische Szene auf dem schmalen Grat zwischen Verhaberung und Ignoranz behandeln? Stiefmütterlich, besonders, normal als Teil des Programms?
In der Kulturnation Österreich sollten die heimischen Komponisten immer eine zentrale Rolle einnehmen. Aber ohne Zahlen oder Quoten: Das Festival hatte immer einen hohen Anteil an heimischen Komponisten und das wird wohl auch so bleiben. Wien Modern ist ein Festival internationaler Strahlkraft, das auch durch den nationalen Humus befruchtet wird. Meines Erachtens ist das eine gegenseitige Befruchtung. Das muss man nicht besonders stark programmatisch ankündigen, denn es ist wohl eine Selbstverständlichkeit, hier auch österreichische Komponisten zu bringen.

Genauso wichtig wie die Ensemblepflege. Es ist unheimlich wichtig, nationale wie internationale Ensembles und ihre Auseinandersetzung mit der Materie zu zeigen. Und das ist auch eine zentrale Ansage meinerseits: das gemeinsame Wirken zwischen Komponist und Ensemble ist ein besonders wichtiges Thema für mich. Beat Furrer bezeichnete unlängst die Ensembles als das Rückgrat der Neuen Musik. Und man erlebt das auch in der täglichen Arbeit
Dazu kommt eine dritte Komponente: den Veranstalter. Es ist ja nicht so, dass ein Auftrag erteilt wird und dann sieht man sich in zwei Jahren wieder, es ist vielmehr  ein Dialog, der geführt wird, und genau dieser Dialog ist das so ungemein Spannende. Das Festival an sich ist dann gewissermaßen die Kür dieser langwierigen Arbeit.

Das Ensemble ist das Rückgrat… Was hielten Sie dann von der Diskussion über das RSO?

Das RSO aufzulösen, war eine Schnapsidee. Das RSO ist einer der besten und wichtigsten Klangkörper für Neue Musik und nicht nur das, wie es Woche für Woche im Theater an der Wien beweist. Daher habe ich die Diskussion nicht verstanden, und bin sehr froh, dass sie endlich vom Tisch ist. Das RSO ist auch ein wichtiger Partner für Wien Modern und wird heuer – so viel kann man sagen – auch das Eröffnungskonzert bestreiten.

Wie schafft man es, eine Nachhaltigkeit oder besser eine Nachwirkung zu erzielen, so dass es nicht nur tolle Erstaufführungen gibt, sondern sich darüber hinaus positive Effekte einstellen?
Da sprechen Sie eine wichtige Problematik an: Ein Festival wird nun einmal an der Qualität seiner Erst- und Uraufführungen gemessen. Aber wir müssen natürlich aufpassen, dass wir nicht Gefahr laufen, uns in einen Uraufführungswettbewerb zu begeben. Ein Werk ist ein lebender Organismus, der sich entwickelt.

Die Praxis sieht dann meistens auch so aus, dass ein Werk seine volle Kraft gerade nicht in der Uraufführung, sondern erst in den Folgeaufführungen entfaltet. Deshalb  auch ist es sinnvoll, bei großen Auftragswerken mit anderen Festivals zusammenzuarbeiten. Das Recht der ersten Nacht ist für die Qualität nicht immer das Beste.
Es ist auch wichtig, in die Schublade zu schauen und – wenn Sie so wollen – Repertoirepflege zu betreiben, indem man schaut, wie sich dieser lebende Mikroorganismus weiter entwickelt hat. Der schönste Moment ist für uns alle doch, wenn aus den Noten Musik wird, und das, was für den Komponisten schon klingt, von einem Klangkörper für uns zu Gehör gebracht wird. Wenn es darüber hinaus noch eine weitere Auseinandersetzung gibt, dann ist das noch toller. Sie haben Cerha genannt: Bei den Bregenzer Festspielen wurde der Spiegel zu seinem 80. Geburtstag aufgeführt. Ich fände es durchaus spannend, im kommenden Jahr, in dem Cerha 85 wird, den Spiegel noch einmal bei Wien Modern zu hören.

In einer vollkommen anderen Interpretation.

Genau, durch das RSO zum Beispiel. Das wäre spannend und auch im Sinne einer Nachhaltigkeit geboten. Dass wir neben Ur- und Erstaufführungen auch junge Werke wieder aufführen, um diese Reise mit verschiedensten Punkten zu verdeutlichen

Wenn Sie von Reise sprechen: Sind Sie jemand, der für diese Reise dem Publikum viel an Erklärung zur Hand gibt oder eher jemand, der davon ausgeht, dass die Programmierung für sich spricht und nicht vieler erklärender Worte bedarf?

Ich habe einen sehr angelsächsischen Zugang dazu, der mir in der Außenwahrnehmung nicht immer zum Vorteil gereicht. Das heißt, ich überlasse sehr gerne dem Beobachter eine eigene Interpretationsmöglichkeit für sich selbst – eine Prägung, die ich durch jene Leute erhalten habe, mit denen ich in den letzten Jahren zusammen arbeiten durfte.

Vielen Dank für das Gespräch

http://www.wienmodern.at
https://www.musicaustria.at/musicaustria/liste-aller-bei-mica-erschienenen-interviews