mica-Interview mit Martin Siewert und zeitblom

“Heaven And” heißt das gemeinsame Projekt von Martin Siewert, Tony Buck, Steve Heather und zeitblom. Special Guest ist Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten. Eigentlich entstand die Kooperation für ein Hörspiel, schnell merkte man allerdings, dass die Chemie stimmte wie selten sonst, wovon das Album “Sweeter As The Years Roll By” auch eindrucksvoll Zeugnis ablegt. Kommendes Frühjahr wird das zweite Album erscheinen. Zeit für ein Gespräch. Martin Siewert und zeitblom über Aleister Crowley, den provinziellen Umgang mit österreichischer Musik und radikale Aufnahmetechniken.

Viele Optionen, keine Zwänge

Ausgangspunkt des Albums ist – wenn ich das richtig verstanden habe – das Hörspiel “Do What You Like – 17 Songs for Aleister Crowley” von Michael Farin…
S:
Ja, das war die geistige Vorgabe. Das Material ist über drei Tage hinweg entstanden. Beim Mix für die CD ging das dann aber in eine völlig andere Richtung, sie hat gewissermaßen ein Eigenleben entwickelt.

Das heißt, das Album ist kein bloßes Schnipsel, kein Überbleibsel, oder wie man so schön sagt eine Sekundärverwertung des Hörspiels?
S:
Nein, Die Arbeit am Hörspiel dauerte insgesamt zehn Tage und war extrem aufwendig, aber die Arbeit am Album war noch viel intensiver: Das Aufnehmen selbst dauerte drei Tage. Im Anschluss daran haben wir mit Unterbrechungen einige Monate an der Platte herum geschraubt. Es gibt Material, das überhaupt nicht im Hörspiel vorkommt. Die fünfte, rockigste Nummer des Albums, etwa ist aus einem Jam mit Hacke im Studio entstanden.

Apropos Jam. Wie verlief der Entstehungsprozess?
S:
Die Aufnahmen fanden in Berlin statt. Ausgangspunkt sind mehrere Stunden an ausuferndem Material, das dann ins Studio gebracht wird. Dann werden Overdubs gemacht, vieles wird ersetzt. Aber auch wenn man das nicht so hört: nur drei Nummern sind relativ nah dran an dem, was wir eingespielt haben. Bei den anderen haben wir schon kräftig gekürzt und/oder etwas hinzugefügt. 

Die Aufnahmen selbst glichen Jam-Sessions?
S: Ich würde es nicht so nennen, ich würde es ausufernde Aufnahme-Sessions improvisierter Natur nennen.

Gibt es bei den einzelnen Songs gar keine Struktur, ist wirklich alles völlig improvisiert?
S:
Für die Initialaufnahme gab es keinerlei Struktur, allerdings gab es eine thematische Vorgabe, da die Aufnahmen zeitgleich für die Aufnahmen eines Hörspieles über Aleister Crowley stattfanden. Das war überhaupt erst der Grund, die Formation zusammen zu trommeln. Deshalb ist auch Alex Hacke mit von der Partie, der beim Hörspiel neben einigen bekannten deutschen Schauspielern als Sprecher fungierte.

Inwiefern beeinflusste die Vorgabe den Stil?
S:
Natürlich haben wir mit Crowley-affinen Musikstilen im Hinterohr agiert und wussten, dass das eine intensive, dichte und psychedelische Sache wird – auch weil es diese ganzen Querverbindungen von Crowley zur 60er-Gegenkultur, z. Bsp. zu Kenneth Anger und dem Nicolas Roeg Film ,Performance’ gibt und das alles Sachen sind, die mir am Herzen liegen. Dieser ganze Kosmos hat mich schon seit einiger Zeit ziemlich interessiert. Insofern war es klar, dass das kein reduziertes, minimales Projekt wird, sondern ein relativ intensives, teilweise düsteres und lautes.

Würdest Du sagen, das Projekt war von Erfolg gekrönt?
S:
Das Hörspiel hat für mein Empfinden super funktioniert. Das eine oder andere Thema hat es davon ja auch auf Platte geschafft. Und der erste Song wurde 1:1 ins Hörspiel übernommen.

Und darüber hinaus?
S:
Die Protagonisten von Heaven And sind einander nicht fremd. Wir kennen uns alle aus anderen Formationen, haben in anderen Konstellationen alle schon miteinander gespielt. Aber, das was raus gekommen ist, ist doch erheblich anders. Bei den Sessions haben sich Unmengen an Material angesammelt, das wir dann irgendwann Markus Detmer von Staubgold vorgespielt haben und der sofort, ohne das fertige Material überhaupt gehört zu haben, zusicherte, dass er es unbedingt herausbringen wolle.

Habt ihr versucht, möglich viel vom Ausgangsmaterial rüber zu transportieren oder läutete das Album einen völlig neuen Prozess ein?
S:
Das war ein völlig neuer Prozess. Bei zwei drei Stellen und dem einen Song, der innerhalb des Hörspiels stand, war klar, dass sie funktionieren. Den Song haben wir ein bisschen anders gemischt, die anderen Stücke auf Tonträger-Format getrimmt.

Inwiefern?
S:
Einmal, was die zeitliche Achse anbelangt. Wir mussten schon viel kürzen. Dann haben wir viele Overdubs gemacht und viel an Elektronik, die im Hintergrund mitschwingt, im Studio dazu gepackt.

Aber beim Aufnehmen habt ihr als organische Band agiert?
S:
Genau. Da ging es darum, einfach zu spielen.

Da Zeitblom das Projekt initiierte, ging ich davon aus, dass die Elektronik das Ausgangsmaterial war und die Instrumente erst im Laufe des Prozesses dazu stießen.
S:
Nein, nein die Live-Elektronik ist auch ausschließlich von mir. Zeitblom hat bei den Aufnahmen nur E-Bass gespielt. Die Studio Postproduction Elektronik ist hingegen von uns beiden. Ich glaube auch, dass er wieder mehr Bass spielen will und gar nicht so viel Lust verspürt, sich mit einem Laptop auf die Bühne zu stellen. Aber das wird er Dir später, wenn er da ist, sicher selbst erklären. Ich hab hauptsächlich Gitarre gespielt – mit meinem normalen Set Up.

Slide?
S:
Slide, E und Akustische. Das meiste ist Gitarren-generiert.

Wie würdest Du das Projekt in Deinem Kosmos verorten?
S:
Prioritätsmäßig oder stilistisch?

Beides.
S:
Das zu benennen ist sowieso bei jeder Art von Musik, in diesem Fall aber besonders schwierig. Ich kann nur sagen, dass es mir sehr am Herzen liegt. Das ist mal wieder eine richtige Band und davon gibt es in meinem Kosmos nicht allzu viele. Trapist ist zwar eine richtige Band, da waren wir in den letzten Jahren aber nur so mittel-aktiv, haben zwar live gespielt und tun das auch jetzt wieder im September auf der Expo in Saragossa und Madrid, aber haben seit vier Jahren keine neue Platte herausgebracht. Interessanterweise spielen wir mit Trapist eigentlich nur größere internationale Gigs, hierzulande aber kaum. Insofern ist Heaven And auch in meiner Wahrnehmung die Band im Moment und es macht auch Riesenspaß in dieser Besetzung, vor allem mit diesen zwei Trommlern zu spielen – da kommt für mich stilistisch einfach einiges zusammen. Das sind sicher auch die konkretesten und explizitesten Gitarren, die es von mir seit einiger Zeit auf Tonträgern gibt, wenn man mal Pop-Sachen wie “The Year Of” ausklammert. Die meisten Sachen waren elektronischer, reduzierter oder offenkundig improvisierter. Lustigerweise fühlt sich das bei Heaven And auch nicht wie eine Improv-Band an.

Hört sich auch nicht so an bzw. deckt sich das mit meiner Wahrnehmung, dass es bei den Songs eine Mindest-Struktur gibt und dann eruptive Ausbrüche, die der Improvisation geschuldet sind, das heißt, dass sich Plan und Impro wie Zügel anziehen und Zügel locker lassen einander abwechseln. Aber das ist offenbar nicht so.
S:
Eher umgekehrt eigentlich. Zuerst war Impro und dann kam die Studio-Arbeit, obwohl wir auch im Studio manchmal auf Impro fokussierten, indem wir improvisatorische Settings schufen.

Wie kann man sich das vorstellen?
S: Wir versuchen auch im Studio spontane Situationen zu erzeugen, indem wir beispielsweise kleine improvisierte Live-Submixes kreieren und das Mischpult bzw die Studioelektronik in realtime kreativ ,spielen’ – also eigentlich live (re)mixes wie sie auch z bsp im Dub viel verwendet werden. Nicht alles also, was wir im Studio gemacht haben, ist geplant und minutiös auskomponiert.

Wie kam es zu dem Engagement in Saalfelden? War das überraschend?
S: Das kam überraschend. zeitblom wurde kontaktiert. Anscheinend hat es jemandem gefallen. Wie es genau zustande gekommen ist, weiß ich auch nicht. Aber lange bevor die Platte draußen war, hat das jemand gehört und uns kontaktiert, dass sie das gerne exklusiv als Premiere hätten – mit Hacke, was nicht selbstverständlich ist, weil er sicher nicht bei jedem der Gigs dabei sein wird können.
Z: Es ist schon schwierig genug, die übrigen vier zusammen zu bringen. Aber Die Geschichte trug sich so zu: Der Journalist Harry Lachner, der auch für die Süddeutsche arbeitet, hat ein Stück im Radio gehört und es dem Mario Steidl vorgespielt, der sich wiederum gleich bei mir gemeldet hat.

Ganz abgesehen davon: Werdet ihr sonst auch im Jazz-Kontext wahrgenommen? Oder ist das nur ein Streiflicht?
S: Wir haben alle ein nicht ganz unproblematisches, aber doch nahes Verhältnis zum Jazz. Die Frage ist, wie man Jazz definiert. Tony ist sicher jemand, der mit Freejazzlegenden von Cecil Taylor bis weiß Gott wem gespielt hat, der also sehr aktiv in avancierten Jazz-Kreisen verkehrt. Seine Band The Necks etwa wird von Minimal-Impro-Kreisen und Neue Musik-Festivals bis hin zu Jazz-Festivals engagiert. Bei Heaven And sehe ich eine gewisse Klammer, dh Einflüsse aus dem Jazz freierer Prägung der späten 60er, Anfang 70er Jahre. Gerade was die Percussion-Ebene anbelangt: Da kommt für mich Spirit-mäßig Art Ensemble of Chicago oder Pharoah Sanders-Feeling auf. Ich genieße es sehr etwas zu machen, bei dem ich zusätzlich zu den anderen wieder eine Jazz-Konnotation sehe, ohne dass sich das komisch anfühlt
Z: Bei uns kommen ja viele Einflüsse zusammen. Jazz, aber auch viel aus dem New Orleans-Umfeld. Dr. John zum Beispiel. Viel Percussion, auch T Bone Burnett, der viel mit Percussion arbeitet, aber aus dem Blues kommt. Jeder hat seine eigenen Vorlieben und bringt das, was seiner Sozialisation entspricht, in die Band mit ein, was das Ganze auch unheimlich spannend macht. Martin hat hier den rockigsten Ansatz von all den Bands, in denen er spielt. Und das ist es, was unheimlich viel Spaß macht: Jazz, Blues und Rock…
S: Was die rhythmische Ebene anbelangt, sicher auch Experimentelles aus den 70er Jahren aus dem so genannten Krautrock-Bereich – schon allein aufgrund der Dub-mäßigen Mischtechniken. Can und Ähnliches, Neu! Auch wenn das nicht unbedingt improvisierende Ensembles sind, war das doch etwas, was wir beim Spielen glaube ich im Hinterkopf hörten.

Gab es aufgrund der verschiedenen Sozialisationen im Entstehungsprozess Reibungen, indem der eine das, der andere aber etwas völlig anderes durchsetzen wollte?
Z: Es hat einfach vom ersten Moment an funktioniert. Das war ja das Tolle an der Band: Es hat zwar jeder schon mit den übrigen Bandmitgliedern in anderen Konstellationen gearbeitet, aber als wir als Quartett zusammen kamen, hat das sofort gegriffen. Wir kennen uns alle einfach schon so lange…
S: Wir haben vorher ja auch nicht miteinander gesprochen. Im Studio treffen, aufbauen, spaßhalber ein paar Crowley-Tarot-Karten auflegen…
Z: Und dann war das sofort da, hat sofort Click gemacht, wie es halt manchmal so funktioniert bei Musikern.

Wie weit seid ihr mit dem neuen Material?
S: Aufgenommen ist es. Jetzt geht es wieder ans Editieren, Bearbeiten

Und wie lange seid ihr schon am arbeiten?
S: Letztes Jahr haben wir aufgenommen Die Detailarbeit läuft seit ein paar Monaten. zeitblom kommt immer für ein paar Tage aus Berlin hierher, dann ist wieder ein paar Wochen Pause.

Agiert ihr beim neuen Album in der gleichen Besetzung?
Z: Ja.

Auch Hacke ist wieder mit dabei?
S: Hacke voraussichtlich auch. In diesem Falle wird er im nachhinein Stimmspenden abgeben, aber aller Voraussicht nach ist auch er wieder dabei.

Der weitere Plan?
S: Release nächstes Frühjahr, ziemlich genau ein Jahr nach der letzten. Das Material gibt es und das fühlt sich gerade sehr heiß an und es ist mir wichtig, dass wir eine gewisse Kontinuität herstellen, auch um ein Bewusstsein bei der Öffentlichkeit hervorzurufen.
Z: Dh also das Album fertig machen und ein, zwei Auftritte absolvieren. Jetzt Saalfelden, dann Berlin, vielleicht kommen wir auch noch nach Wien. Da ist einiges in Arbeit, aber noch nichts wirklich bestätigt.

Gibt es in Österreich Interesse an dem Projekt oder tut ihr euch hier schwer?
S: Es ist schwer, aber wir haben auch noch keine massiven Promo-Aktivitäten unternommen. Wir haben schon auch ein wenig darauf gehofft, dass sich das Interesse durch den Release der Platte von selbst einstellen wird. Das ist aber bisher nur bedingt eingetreten. Ich war schon ein wenig überrascht, dass über eine kleine Falter-Kritik und eine Review im Skug hinaus wenig bis nichts stattgefunden hat. Ach ja: Und der Fritz Ostermayer hat es im Sumpf gespielt. In Tageszeitungen hat aber nichts stattgefunden. Es ist schon interessant, wie die Medienlandschaft hier funktioniert und auch ein wenig schwierig für gewisse Arten von Musik.

Meinst Du, dass es, wenn der erste Stein aufgrund mangelnder Promo oder mangelnden Muts der Redakteure nicht ins Rollen kommt, schwierig wird?
S: Ja und dann ist es auch so, dass an den Schaltstellen der zwei, drei wichtigsten Medien Leute sitzen, die nicht unbedingt auf diese Art von Musik spezialisiert sind. In ihrem Bereich machen sie zwar teilweise einen guten Job, aber das, was wir machen, ist nicht vorne auf ihrer Prioritätenliste. Neu für mich war auch, dass sich in den letzten Jahren ein gewisser provinzieller Umgang mit österreichischer Musik eingebürgert hat. Wie hier mit internationalen Acts umgegangen wird, mag adäquat sein, aber für nicht unbedingt Popradio-Kompatibles ist es extrem schwierig geworden. Wenn ich mir überlege, was ich vor Jahren an Einladungen für Radio-Features bekam, als meine Musik deutlich weniger entwickelt war als jetzt und sie auch deutlich weniger internationale Aufmerksamkeit auf sich zog, und was jetzt los ist, liegen da Welten dazwischen. Mit Trapist hatten wir von der New York Times bis zur Züricher und BBC Aufmerksamkeit und große internationale Festival-Einsätze.

Nicht falsch verstehen: Die mangelnde Aufmerksamkeit ist für mich nicht entscheidend, denn wir spielen Shows, aber eben nicht hier. Ein krasses Beispiel ist die Solo-Platte von Stefan Nemeth, die auf Thrill Jockey, wo Leute wie Howie Gelb und Tom Verlaine veröffentlichen, raus kam, was alleine schon ein enormes Renommee für einen österreichischen Künstler darstellt. In Österreich aber wurde das nahezu komplett ignoriert. Nicht dass der Stefan das bräuchte, der spielt weltweit. Aber die komplett fehlende Sensibilität und Verhältnismäßigkeit – ich sehe dann plötzlich, dass Tageszeitungen seitenlange Artikel Leuten widmen, die noch nicht einmal ein Album draußen, sondern nur ein, zwei Dinge auf MySpace gestellt haben – ist schon merkwürdig. Das hat weniger mit der Musik zu tun als mit dem Journalismus: Über gewisse Dinge, die in einem gewissen international renommierten Umfeld erscheinen, sollte einfach berichtet werden. Es muss ja nicht gleich euphorisch sein. Ab einer gewissen internationalen Aufmerksamkeit gibt es doch fast schon so etwas wie eine Informationsverpflichtung.

Ist es in Deutschland anders?
Z: Da hat es eine andere Größe. In Österreich kennt sich doch jeder. In Berlin ist es so, dass sich die Szenen viel weniger berühren als hier. Da weiß der eine oft gar nicht, was der andere macht. Wie Du richtig gesagt hast, muss aber auch in Deutschland erst einmal der Stein ins Rollen kommen, dann kommt das Feuilleton.
S: In Deutschland gibt es wenigstens ein Feuilleton. Ich bezweifle, dass es so etwas hier noch gibt. Und nur auf die Größe kann man es nicht reduzieren, finde ich. In Deutschland wird das schon auch noch ein bisschen gepflegt. Wenn ich z. Bsp. die Süddeutsche mit österreichischen Tageszeitungen vergleiche, dann ist das einfach ein quantitativer Unterschied, wie viel Platz der Kultur gewidmet wird.

Aber hier seinen Lebensmittelpunkt zu haben und eine Tournee rund um den Lebensmittelpunkt zu planen, erleichtert das Musikerdasein nicht unbedingt.
S:
Es fühlt sich eher komisch an, würde ich sagen. Gegen den Lebensmittelpunkt als solchen spricht überhaupt nichts. Schade ist es nur. Ich finde es schade, wenn der Stefan Nemeth seine Platte weltweit präsentiert, nur hier nicht. Aber das wird uns alle nicht davon abhalten, hier weiter zu leben. Unseren Lebensunterhalt verdienen wir ja sowieso alle eher mit anderen Dingen als mit Bands, im Performance-, Tanz-, Studiobereicht nämlich. Gerade im Bereich Tanz und Performance ist hier die Wahrnehmung eine ganz andere.

Wie kann man sich die Live-Umsetzung des Projekts vorstellen. Bleibt ihr nahe an der Platte?
S: Wir bleiben über weite Strecken schon nahe an der Platte.
Z: Aber es wird auch viel passieren. Wie sich das entwickelt, werden wir erst sehen. Da ist alles möglich

Das heißt, es kann auch den Rahmen sprengen?
Z: Es kann komplett den Rahmen sprengen.

Ich möchte noch einmal auf Jazz zu sprechen kommen. Ist ganz allgemein und euch im Speziellen der Glaube abhanden gekommen, dass sich dieses Genre noch erneuern kann?
S: Ich kann das nur persönlich beantworten. Für eine objektive Einschätzung habe ich mich in den letzten Jahren zu wenig damit beschäftigt. Einerseits finde ich es schade, dass das, was Jazz ausmacht so einen negativen Beigeschmack hat und andererseits verstehe ich es auch wieder. Ich selber schätze sehr viel Jazz, aber größtenteils altes Zeug. Gewisse freie Spielarten des Jazz höre ich sehr gerne, er zählt zu der mir wertvollsten Musik.

Habt ihr Berührungsängste mit Pop?
Z: Überhaupt nicht.
S: Wir haben ja alle angefangen Musik zu machen, weil wir auf Rock gestanden sind.

Aber mit dem Rock ist es doch auch so eine Sache, was seine Erneuerung anbelangt.
S: Ich selbst habe in den letzten Jahren dort mehr Innovationskraft ausgemacht als im Jazz.

Zum Beispiel?
S: zB. Xiu Xiu, oder TV On The Radio. Was die Erneuerung von Singer Songwriter-Stuff anbelangt T-Bone Burnett. Aber in puncto Jazz muss noch gesagt werden, dass ich eben gerade Saalfelden immer als sehr offenes Festival wahrgenommen habe, bei dem auch gänzlich andere Dinge passierten und immer noch passieren.

Unterscheidet sich das neue Material fürs neue Album, das ihr gerade im Studio editiert, von der aktuellen Platte. Und wenn ja, inwiefern?
Z: Es wird ein wenig in eine andere Richtung gehen, aber es ist noch zu früh darüber jetzt etwas Definitives zu sagen.
S: Wir legen einen noch stärkeren Fokus auf die Percussion-Dualität gelegt. Es gibt doch noch wesentlich mehr an rhythmischer Weirdness als zuletzt.
Z: Es ist wie ein monotoner Sog, den die Schlagwerker erzeugen. Die einzelnen Stücke werden länger und es entsteht mehr Fluss. Hypnotische Grooves, die sich auf und abbauen. Genau wissen wir es aber selbst noch nicht, weil wir so viel Material haben.

Wie viel Material habt ihr in etwa?
Z: Acht Stunden. Und wenn wir ausgewählt haben, sind es wahrscheinlich immer noch zwei. Es gibt viele Optionen, keine Zwänge.
S: Produktionstechnisch ist Daniel Lanois ein großer Einfluss. Der Multi-Grammy-Gewinner. Anfang der 80er Jahre machte er ganz interessante Sache mit Brian Eno gemeinsam, indem er von der Möglichkeit, ganz radikal in den Song einzugreifen, exzessiv Gebrauch machte und so  Bilder schuf, die nur durch Studio-Intervention entstanden.

Das Gespräch führte Markus Deisenberger

Foto Martin Siewert live: Delphine Le Gatt

 

 

Martin Siewert