mica-Interview mit Manuel Normal

Eigentlich heißt der gute Mann ja David Haider. Unter seinem Künstlernamen Manuel Normal mutiert er zum Dialekt-Berseker und serviert eine herzhafte Mischung aus Rock, Funk und Rap mit zeit- und gesellschaftskritischen Inhalten. Sebastian Fasthuber befragte den Mühlviertler Vollzeitmusiker anlässlich seines neuen Albums „de wöd steht nimma laung“ über seinen Antrieb und seine Anfänge. Das Interview führte Sebastian Fasthuber.

Hast du immer schon im Dialekt gesungen? Wie bist du darauf gekommen, dass das für dich am besten passt?

Da muss ich etwas ausholen. Ich habe mich selbst schon oft gefragt, warum es so lange gedauert hat mit dem Dialekt. Ich finde, viele von uns erleben während des Erwachsenwerdens eine beachtliche musikalische Sprachenwanderung. Bei mir ist es so eine Art Sinuswelle. Als Kind bekam ich die Einschlaflieder und Gstanzl im Dialekt von der Frau Mama vorgetragen, dann kamen die ersten hochdeutschen Schullieder. Darauf „endlich“ Pubertät und internationale Radiocharts in Englisch. Sich ganz oben auf der Welle angekommen fühlend: Roxette, Jacko und so. Super, oder? Hören doch alle. Dann die erste Gitarre. Songschreiben? Natürlich! Englisch. Logisch, klingt doch am Besten. Wie im Radio. Ist leider heute noch so im „Mains trim“.

Wie ging die Welle zurück zur deutschen Sprache?

Irgendwann traust du dich mit deiner ersten Band mal über eine eigene Nummer in Schriftsprache drüber, die am Anfang total beschissen klingt, aber es eigentlich gar nicht ist. So wie die erste Dialektnummer, ist sie doch irgendwie fast ausschließlich nur mit alt gewordenen Austro-Poppern verbunden und hat für jeden gleich diesen vermoderten Beigeschmack. Aber es musste passieren. Ich bin dann mal vollkommen ausgeflippt beim Liedermachen und ich fand es endlich richtig geil. Weil richtig ehrlich sein kann ich nur in der Sprache, die ich spreche. A Gaudi, ha.

Wie wichtig ist dir, dass die Texte verstanden werden und die „Message“ ankommt? Deine Texte sind doch sehr botschaftenlastig.

Es ist oft gar nicht so wichtig, jedes Wort oder jedes Lied zu verstehen. Auch wenn es schwer zu glauben ist: Die positive Botschaft und gewisse klare Statements sind mir in diesem Zusammenhang einfach wichtig. Und die würde ich auch gerne verstanden wissen, weil ich denke, dass es viel zu wenig Querdenker gibt und viel zu sehr mit Scheuklappen durchs Leben gegangen wird. Das finde ich schade, und das macht es uns oft so schwer. Geld bedeutet heutzutage Freiheit. Das ist ein kompletter Blödsinn.

Wie weit, glaubst du, reicht dein Radius?

Natürlich ist beim Thema Verständnis die Weißwurstgrenze in Bayern ein großes Problem. Die Botschaften weiter in den Norden zu bringen, ist sehr schwierig, wie traurige Köpfe in meinem Umfeld haben feststellen müssen, die meine Musik gerne in die ganze Welt blasen würden.

Welche Reaktionen löst du aus? Geht es dir auch darum, mit deiner Musik anzuecken?

Natürlich ecke ich an, und das ist sehr gut so, finde ich. Weil wenn dann vielleicht sogar ein Teil bricht, dann wurde was verändert. Wobei die positiven Reaktionen überwiegen. Ich glaube, die negativen Feedback-Geber halten sich oft einfach zurück, wenn sie nicht schon, bevor ein Song fertig gelaufen ist, abgedreht haben. Ich bin mir im Klaren darüber, dass meine Texte nicht Jedermanns Sache sind. Da war mal ein Politiker, den ich kenne, der meine Nummer „s geht mi aun“ gehört hat: „Ah, unser Projekt ist also nichts für dich, du kannst ja keinem Politiker vertrauen.“ nd ich habe gesagt: „Genau.“ Da hatte ich also was verändert in seinem Kopf. Er wusste, dass er mich mit seinem Scheiß in Ruhe lassen soll. Ich würde gerne noch mehr Anecken und Dinge ausdiskutieren. Aber gerichtliche Klagen machen mir schon Angst.

Wie bist du überhaupt zur Musik gekommen und was hat dich beeinflusst?

Meine große Schwester wünschte sich vor Ewigkeiten zu Weihnachten eine akustische Gitarre. Diese landete dann nur Wochen später am Dachboden. Meine Mutter erkannte die Zeichen der Zeit und hat das Ding Jahre später einfach noch einmal eingepackt. Für mich. Und dann war da Peter Burschs Gitarrenbuch mit den ersten Akkorden und Songs. Ich bin fast ausgeflippt. Am 25.12. konnte ich zwei Lieder spielen. Es war einfach herrlich. Das Ding schlief sogar mit mir im Bett. Mein Onkel, ein grandioser Gitarrist und Künstler, gab mir, neben Prince, Lou Reed, Jimi Hendrix, u.v.m. dann den Rest. Neben den musikalischen Einflüssen haben mich natürlich die verschiedensten Bandprojekte und Bandkollegen beeinflusst. Wenn man mehr Zeit im Probraum und in Studios als in der Schule verbringt, muss ja irgendwas hängen bleiben. Danke.

Die meisten österreichischen Musiker zieht es irgendwann nach Wien. Du bleibst lieber am Land in Oberösterreich. Warum?

Da fällt mir sofort der Markus Binder von Attwenger ein, der einmal bei mir im Linzer Studio vorbeischaute. Wir stellten unter anderem fest: „Heitzutog is eh wurscht, wo du wohnst, weilst überoi schnö hinkumst“ Und für mich trifft das zu, habe ich doch auch diese Platte in einem Wiener Studio fertig gemacht. Rein in den Zug. Schlafposition. Und Wien. Super Sache. Geht ganz schnell. Die ÖBB müssen natürlich mitspielen, das eine oder andere Mal klapp das dann auch. Ich habe ja schließlich ein Vorteilskarte, da will ich schon einen Vorteil. Es zieht mich also sehr oft in die Städte, doch auch immer wieder zurück in die ländliche Heimat. Ich habe fast ein Jahrzehnt in der Stahlstadt gelebt und es hat mir einfach irgendwann gereicht mit Stadt. Da habe ich zu mir gesagt: „Anstadt Land.“

„Nur“ Musik machen und davon leben – wie geht sich das bei dir aus?

Ich habe mir bestimmt, ungefähr, wie jeder andere Österreicher, der sich diesem Wahnsinn aussetzt, um den Daumen herum circa 137 musikalische unabhängige Standbeine geschaffen, wobei glücklicherweise der verrückte Normal die meiste Zeit beansprucht und da natürlich auch die Millionen reinströmen. Trotz dem ganzen Geld, es ist harte, aber wunderschöne Arbeit. Und ab und zu gibt’s wieder eine Förderung. Ich bin kein Musiker, der nur Groupies fickt, LSD und Bier sauft und richtig davon leben kann. Das könnte nur der Marc Pircher. Doch es kommen mir glücklicherweise immer noch viel mehr Arbeiten aus meinem „früheren Leben“ in den Sinn, die sich für mich wirklich gar nicht mehr ausgehen. Und solange werde ich weiter machen, selbst wenn es 500 Projekte werden.

Dein neues Album heißt „de wöd steht nimma laung“. Damit greifst du einen Spruch auf, den ich eher mit unserer Großelterngeneration verbinde. Was verbindest du damit und wie passt das als Titel auf dein Album drauf?

Nein, nein, ich glaube da täuscht du dich, der Spruch lebt. In diesem Fall allerdings als reine Ironie und purer Zufall. Man arbeitet bei einer Albumproduktion über viele Monate mit verschiedenen, übrigens grandiosen Menschen zusammen, bespricht sich mit Freunden und Familie. Dabei ist mir aufgefallen, dass gerade die sehr positiv Gestimmten unter uns diesen Spruch verwenden. Das fand ich interessant. Und weil es zufällig sehr gut in mein Schreibkonzept, zu den Stücken und vor allem in unsere scheinheilige Welt passte, die ich ja immer wieder gerne aufs Tablett lege und zerschneide, war diese erste Wahl für uns die Beste. Um die Platte jedoch „ernsthaft“ zu betiteln und zu meiner Lebenseinstellung passender, sollte es „de wöd steht nu laung“ heißen. Denn Pessimist bin ich glücklicherweise keiner. Da hätte ich den falschen Beruf. Aber ernsthaft wollte ich dann wirklich nicht sein. Das sollen andere machen. Da schnapp ich doch lieber den Ironie-Witz und klaue einen Opa-Spruch. Vielleicht sind diverse Weisheiten-Sprüche allerdings auch nur Ausreden, um unser schlechtes Gewissen der Welt gegenüber zu erleichtern. Nach dem Motto: Ich habe es doch schon erkannt, dass es dem Planeten schlecht geht, also kann ich nichts mehr dafür, wenn etwas Schlimmes passiert.

Die Jugend von heute bezeichnest du im Schlusslied als „Pornogeneration“, und so ganz willst du dich da auch nicht ausnehmen, glaube ich. Wie wirkt sich das deines Erachtens in den Köpfen aus?

Der Entzug ist fast unmöglich geworden, wenn man die gesellschaftliche Realität nicht ignorieren kann. Ein E-Mail Konto genügt für Viagra-Mail-Überflutung. Ein abendliches Fernschaun genügt für extem nervige Pornohotlinewerbungen. Und ein Anmelden in der falschen jugendfreien Onlinecommunity führt zu hässlichen professionellen Pornounternehmen-Kontaktaufnahme-Versuchen. Man kann sich dem nicht komplett entziehen, denke ich. Und unsere Köpfe scheinen es ja zu wollen, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot, und der Markt ist riesig. Darum denke ich auch nicht, dass es große Auswirkungen bei der Erwachsenen-Generation hat, sondern einfach ein großes Bedürfnis darstellt. Wo immer es uns auch hinsteuert. Die Jugend ist, meiner Meinung nach, ohnehin total Porno-reizüberflutet. Die finden es eher schon fad, dass sie ständig irgendwo Vaginas und Penisse bei Natursektspielen sehen müssen. Oder Videos bekommen mit explodierenden Männeraftern, weil das Gurkenglasl zu instabil war. Ihre Köpfe werden es also aushalten, weil es sie nicht wirklich reizt. Aber mal schauen, ich bin gespannt. Früher haben meine Bande und ich noch beim Altpapier im Altstoffsammelzentrum nach der „Praline“ gesucht. Das waren noch Zeiten. „de wöd steht nimma laung.“

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