mica-Interview mit Lukas Kranzelbinder

MUCHOGUSTO ist ein von Lukas Kranzelbinder komponiertes Musikwerk, welches im weitesten Sinne als Oper bezeichnet werden kann. Während Form, Dramaturgie und Handlungsstrang stärker am herkömmlichen Stil dieser musikalischen Gattung orientiert sind, lässt sich die Aufführungsart und vor allem die Musik – in der zwischen abstrakten Electro-Noise-Gebilden, leidenschaftlichem Rumba und 50er Jahre Surf-Rock so ziemlich alles möglich ist – eher mit einer zeitgenössischen Mischung aus musikalischem Theater und Konzertbesuch assoziieren. Die Premiere des Stückes geht am 19. Juli im Rahmen des Carinthischen Sommers im Congress Center Villach über die Bühne. Lukas Kranzelbinder im Gespräch mit Michael Ternai.

Ihr seid ja gerade bei den letzten Proben für das Stück. Läuft alles nach Wunsch?
Ja. Ich muss sagen, es läuft alles erstaunlich gut. Wenn man bedenkt, dass die Entstehungsphase des Stückes gerade einmal im Jänner begonnen hat. Ich habe ja innerhalb dieser sechs Monate das Drehbuch geschrieben, die Musik komponiert und mit Marie Steiner, die sich für die Szenerie verantwortlich zeigt, an der Dramaturgie herumgefeilt, eben so lange bis diese gepasst hat und jetzt auch umsetzbar ist. Und die acht Probentage, die wir bisher absolviert haben, bedeuten ja bei einer normalen Theaterproduktion ja nur die Vorlaufzeit. Wir arbeiten in einem sehr engen Zeitplan, aber es läuft alles ziemlich gut. Dazu muss man auch sagen, dass Helmut Bohatsch seine Rolle ganz hervorragend meistert. Er ist ja der alleinige Hauptdarsteller und hat damit auch einen großen Part zu übernehmen. Der Text des Stücks ist ja zum größten Teil in Spanisch gehalten und nachdem der Helmut kein Wort Spanisch kann, mittlerweile geht es schon ein bisschen besser, stellte dieses Projekt für ihn natürlich als eine große Herausforderung dar. Generell muss ich sagen, ich bin schon erschöpft, aber relativ zufrieden mit dem bisherigen Verlauf.

Wie lange ist eigentlich die Idee, eine Oper zu komponieren und zu inszenieren, in deinem Kopf eigentlich herumgeschwirrt?
Die Idee existierte eigentlich schon länger. Ich wollte ursprünglich eine Art Held kreieren und um diesen eine passende Geschichte spinnen. Herausgekommen ist eben dieser spanische Frauenheld Gaël Muchogusto, wobei man aber dazu sagen muss, dass die Figur erst nach und nach zu dieser geworden ist, die sie heute darstellt. Die Entscheidung nämlich, dass aus der ganzen Geschichte tatsächlich eine Oper werden sollte, kristallisierte sich erst mit Angebot, vielleicht etwas für den Carinthischen Sommer zu machen, heraus. Von da an sind natürlich die vielen Ideen herangereift und haben sich konkretisiert. Mit dem endgültigen Okay der Veranstalter im vergangenen Dezember ist die ganze Sache schließlich dann in ihre heiße Phase eingetreten. Seit diesem Zeitpunkt arbeite ich daran.

Ist MUCHOGUSTO eigentlich das größte Projekt, welches du bisher in Angriff genommen hast?

Musikalisch schon. Organisatorisch habe ich schon als Festivalveranstalter (Polyamory Sound Festival) ja schon einige Erfahrung gesammelt. Es war vor allem der kompositorische Umfang ein wirklich großer. Die Oper dauert ja ungefähr 75 Minuten. Obwohl ich aber dazu sagen muss, dass die Musik dann doch relativ schnell komponiert war. Anscheinend sind die ganzen Sachen schon länger irgendwo tief in mir geschlummert und haben nur darauf gewartet, von mir herausgeholt zu werden. Die größere Herausforderung war für mich die Erarbeitung des Drehbuchs. Dieses zu schreiben, in Spanisch noch dazu, und es dann auch so anzupassen, dass es auch wirklich umsetzbar ist. Ich komme aus der Musik und habe mit dem Theater an sich eher wenig Erfahrung. Zumindest im aktiven Bereich. Die Hauptarbeit der letzten Monate gemeinsam mit Helmut Bohatsch und Marie Steiner bestand daher vor allem darin, dieses Drehbuch anzupassen, es meinen Visionen nach spielbar zu machen.

Auch war die Arbeit am Bühnenbild, das ziemlich aufwendig gestaltet ist, eine recht intensive. Es ist über die gesamte Bühne eine weiße Leinwand gespannt, vor welcher die Band spielt. Der Hauptdarsteller, Helmut, aber steht dahinter und ist die meiste Zeit auch nicht wirklich richtig zu sehen. Er ist immer so leicht im Schatten oder ist leicht überblendet, mit dem Hintergedanken, das man den größten Frauenhelden aller Zeiten nicht wirklich darstellen kann. Darüber hinaus werden noch die anderen Rollen zum großen Teil über Videos auf die Leinwand projiziert. Also auch technisch standen wird vor einigen wirklich großen Herausforderungen, mit denen wir jetzt auch noch ein wenig zu kämpfen haben. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das auch hinbekommen werden.

Ganz interessant ist ja, dass das Spanisch, welches der Hauptdarsteller spricht, ja bewusst nicht wirklich das perfekte und nur schwer verständliche ist. Was steckt hinter dieser Idee? Was soll damit ausgedrückt werden?   
Die Hintergrundgeschichte ist ja, dass dieser Muchogusto schon von seiner Geburt an so wunderschön war, dass er niemals viele Wörter von sich geben musste, damit ihm alle Leute zu Füssen gelegen sind. Er musste eigentlich nie wirklich lernen, volle Sätze zu sprechen, um die Leute zu überzeugen. Er ist aufgetreten und alle waren schlicht und einfach weg. Meine Hauptintention in diesem Stück ist ja, diesen Heldenstatus oder das Inszenieren eines solchen zu hinterfragen. Es geht gar nicht wirklich darum, was gesagt wird, sondern wie etwas gesagt wird. Es kommt darauf an, in welcher Form etwas transportiert wird, um die Leute zu faszinieren. Und das versuche ich durch die Art der Inszenierung des Stückes vermitteln. Das Interessante an solchen Heldensymbolen oder –Erscheinungen ist, dass das, was hinter ihnen steckt, eigentlich oft der totale Blödsinn ist, und das, was sie sagen, der komplette Schmarrn ist. Es liegt alleine an der Inszenierung, welche dem Ganzen eine vermeintliche Bedeutung zu verleihen scheint. Das läuft in der Politik genauso ab, wie in der Unterhaltungsindustrie. Das ist, was mich an diesem Projekt so gereizt hat, einen Helden zu erschaffen, der zwar Blödsinn redet, aber über die eigene leidenschaftliche Inszenierung Geltung erlangt. Das ist auch der Grund, warum der Text in Spanisch gehalten ist. Weil wir in Mitteleuropa eben immer noch das Spanische mit Leidenschaft verbinden. Dieses südländische Temperament, welches uns immer noch reizt und verführt.

Wie kann man sich die Oper musikalisch eigentlich vorstellen? Von dir weiß man ja, dass du dich sehr ungern auf einen einzelnen Stil festlegst. Kann man sich eine Reise durch die Musikstile vorstellen?

Ein wenig schon. Der Ausgangspunkt des Ganzen war schon auch, das Quartett, mit dem ich immer wieder gespielt habe, mit einzubinden. In diesem spielt auch der deutsche Gitarrist Tobias Hoffmann, mit dem mich eine schon langjährige Freundschaft verbindet. In dieser Band huldigen wir die Surf-Rock-Musik der 50er und 60er Jahre. Und das hat sich immer sehr gut angefühlt, so dass die Entscheidung, diese Band als die musikalische Basis für die ganze Oper heranzuziehen, eigentlich eine logische war. Daher nennt sich die Oper ja auch eine Surf-Rock-Oper, weil eben dieser gitarren- und orgellastige Stil der 50er und 60er Jahre die Musik im Gesamten stark beeinflusst. Aus dem heraus fließen natürlich auch Elemente aus der spanischen und südamerikanischen Musik mit ein, genauso wie ein wenig Jazz. Wobei von diesem erstaunlicherweise relativ wenig. Und ein bisserl Kitsch ist auch dabei (lacht). Es geht schon ein bisserl drunter und drüber, aber für mich persönlich war der Rote Faden, der sich durch dieses Projekt gezogen hat, die Leidenschaft in der Musik. Die Surf-Musik und lateinamerikanische Musik. Diese ganz emotionale Musik, die zieht sich durch das ganze Programm durch.

Eine Oper ist für dich ja ein ganz neuer musikalischer Kontext. Mit wie viel Respekt bis du an die Sache herangegangen?
Wie bei fast allen Sachen, die ich mache, mit relativ wenig. Man muss schon immer der Überzeugung sein, dass, wenn man etwas in Angriff nimmt, dies auch mit einer gewissen Konsequenz tun muss. Wenn man am Anfang zu viel Respekt hat, scheitert man vielleicht schon, bevor man mit dem Ganzen eigentlich beginnt. Es war aber trotzdem so, dass ich vor dem Komponieren dann einigen Respekt gehabt habe. Eine ganze Oper für einen gesamten Abend zu erschaffen, ist eben schon etwas anderes als ein einzelnes Stück. Ich habe es auch so gemacht, dass ich in einem Block von einer Woche, den größten Teil der Musik geschrieben habe. Und ich bin wirklich froh, dass es auch so gut funktioniert hat. Das mit dem Text war ähnlich. Ich habe eigentlich sehr der Inspiration nach drauf los geschrieben, was auch sehr gut funktioniert hat. Herausfordernd war, das alles so umzuschreiben, dass es auch wirklich spielbar ist. Das ursprüngliche Drehbuch war ja überhaupt nur in Spanisch geschrieben und das hat eigentlich überhaupt nicht funktioniert, weil der Handlungsverlauf dadurch sehr schwer nachvollziehbar war. Darum gibt es jetzt Teile halb Deutsch, halb Spanisch. Aber das waren eben die Herausforderungen, denen man sich stellen musste.

Nun kann man die Oper ja auch als eine Art politische Parabel verstehen. Es werden ja indirekt auch Dinge angesprochen, die aktuell ja große Themen darstellen. Inwieweit verstehst du MUCHOGUSTO als politisches Statement.

Vielleicht zu einem kleinen Teil. Es ist aber natürlich so, dass eben der vorher erwähnten Beschreibung der Heldensymbolik im politischen Bereich eine ungemeine Bedeutung zukommt. Und die vor hundert Jahren genauso benutzt wird wie heute. Vor allem als Mittel, sich selbst zu inszenieren. Quasi die Inszenierung über die eigentliche Botschaft zu stellen. Das ist natürlich etwas, worauf man aufpassen muss. In unserer Geschichte ist es so, dass die Schönheit des Helden, der so glorreich beginnt und dem man alle Bewunderung zukommen lässt, gegen Ende verblasst. Dass der Held ohne seine Schönheit, auch ganz schnell  seinen Heldenstatus verliert und dadurch sich zu einem gefährlichen Symbol wandelt. Es gibt also schon eine gewisse politische Grundidee, auf welcher die Geschichte fußt, aber die möchte ich eigentlich nicht in den Vordergrund stellen.

War es eigentlich schwierig ein so herausragendes Ensemble auf die Beine zu stellen? Haben sich deine Kollegen lange überreden lassen müssen?
Nein, zum Glück nicht. Terminlich war es ein bisserl eine Herausforderung. Aber ich muss sagen, dass dieses Ensemble meine absolute Traumbesetzung darstellt. Mit dem Tobias Hoffmann verbindet mich schon die jahrelange Liebe zur Surf-Musik und wir haben uns immer auch schon sehr gut verstanden. Mit dem Benny Omerzell und Lukas König habe ich ja zusammen das Label und wir haben auch schon so viel gemeinsam gespielt. Für mich war zudem immer klar, wenn ich so etwas schreibe, dann sind die mit an Bord. Ich könnte diese Musik auch nur schwer mit anderen Leuten spielen.

Helmut Bohatsch war ein Glückstreffer. Ich habe letztes Jahr an ihn gedacht. Wir haben einmal im Blue Tomato in Wien gemeinsam gespielt und im freien Bereich einiges ausprobiert. Und das hat ganz ausgezeichnet funktioniert. Er war eigentlich von Beginn an sehr involviert in das Projekt und ist es immer noch. Und wie gesagt, er hat sich als ein echter Glücksfall entpuppt, ist der doch für die Rolle die ideale Besetzung. Auch die beiden Stewart Schwestern, die quasi die erotischen Schwestern, welche der Held nicht haben kann, verkörpern, haben super hineingepasst, weil sie aus Costa Rica stammen und den lateinamerikanischen Backround mitbringen. Man kann sagen, es hat sich alles irgendwie perfekt ineinander gefügt.

Zum Abschluss die Frage. Wir die Oper auch noch anderswo zu sehen sein?
Im nächsten Jahr wird es wahrscheinlich einige weitere Aufführungen geben.  Auf jeden Fall auch in Wien. Und auch im Ausland. In Kopenhagen etwa. Auch mit Veranstaltern aus anderen Städten stehen wir in Verhandlungen. Ich hoffe sehr, dass das Stück in den nächsten Jahren doch exportiert wird. MUCHOGUSTO stellt auf jeden Fall keine einmalige Sache dar, dafür war der Aufwand einfach zu groß.

Danke für das Gespräch.

 

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