Selten zuvor kam einem hiesigen Künstler soviel Aufmerksamkeit zu, ohne einen physischen Tonträger zu veröffentlichen, geschweige denn ein Live-Konzert gespielt zu haben, wie Ferdinand Sarnitz alias Left Boy. Der mittlerweile in New York Ansässige mischt mit seiner Verschränkung aus HipHop und Electro das Internet auf. 20.000 Facebook-Fans und YouTube-Klickzahlen im siebenstelligen Bereich kommen nicht von ungefähr. Johannes Luxner hat mit Left Boy bei einem Teller Pasta im Fabios über den unglaublichen Hype, das erste offizielle Konzert sowie den nicht ausschließlich erfüllenden Kreativstandort New York gesprochen, und mal bei Seite gelassen, dass Left Boys Vater André Heller heißt.
– „Irgendetwas mache ich richtig“ –
Du bist bereits seit Jahren als Musiker aktiv. Doch warum erst jetzt das erste offizielle Konzert?
Es hat bis jetzt nicht gepasst. Es hat lange gedauert bis ich mich dabei wohl gefühlt habe, selber in die Öffentlichkeit zu gehen. Obwohl ich meine Arbeiten schon sehr früh ins Netz stellte. Daneben zu sitzen wenn jemand zugehört hat war mir lange unangenehm. Die Musik war noch nicht auf dem Level das meinen Vorstellungen entsprach. Desto mehr ich gewagt und experimentiert habe, desto mehr hab ich den Abstand zwischen meinen Wünschen und der Realität verkleinert. Ich bin jetzt an einem Punkt angekommen wo ich total synchron bin mit dem was ich mache. Solche Lernphasen macht, glaub ich, jeder kreative Mensch durch.
Das mediale Echo ist jetzt schon ein enormes, der Hype ist spürbar. Wie groß ist – salopp formuliert – das Muffensausen vor der Show?
Es geht. Ich hatte vor ein paar Monaten einen ersten kleinen Auftritt in Wien und mittlerweile ein paar weniger kleinere Auftritte in New York. Sobald ich auf der Bühne stehe ist alles im grünen Bereich. Meine größte Sorge war immer, dass es nicht dem Qualitätslevel der veröffentlichten Musik und Videos entspricht. Deswegen habe ich die bisher angebotenen Auftritte abgelehnt. Jetzt hatte ich erstmals die Zeit meine Show so vorzubereiten wie ich mir das vorstelle. Ich habe ein cooles Team, das dabei hilft. Ich glaube es wird eine amüsante mitreißende Stunde. Es wäre ja ein Verbrechen den Leuten die Zeit zu stehlen.
Es geht um das Gesamtkunstwerk?
Alles was mit Left Boy zu tun hat muss auf den selben Ton gestimmt sein: Optik, Akustik, Merchandise, und natürlich meine Bühnenpräsenz. Deswegen hat es eben lange gedauert. Jetzt ist es endlich richtig.
Was darf man sich konkret erwarten? Als Teil einer showaffinen Familie: Fühlt man sich zur tieferen Dramaturgie und Choreographie verpflichtet?
Es ist auf jeden Fall visuell aufregender als nur mich alleine vorm Mikrofon zu sehen. Hoffentlich werde ich in der Zukunft etwas mit größeren Budgets machen können wo ich meinen Fantasien freien Lauf lassen kann. Ideen gäbe es genug.
Wieviel Ferdinand Sarnitz steckt nun in Left Boy und umgekehrt?
Left Boy, das bin schon ich. Meine Lieder sind für mich im Grunde wie ein Tagebuch. Das war der Ursprung und so wird es auch weiter gehen. Klar gibt es auch Lieder mit denen ich einfach nur meinen Spaß habe… Der Großteil der Lieder dient dazu meine Freuden und Nöte, Verwirrungen und Hoffnungen, in eine Künstlerische Form zu bringen. Die ganze Angelegenheit ist also sehr persönlich.
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Musik als therapeutische Maßnahme?
Auf jeden Fall. Damals in meinen pubertären Anfängen hat mir das sehr geholfen. Es war klärend und reinigend und hat auch viel Wut kanalisiert. Das hat mir geholfen Leichtigkeit zu gewinnen.
Deine Musik signalisiert eine gewisse Vielseitigkeit, sie bedient sich bei Soul-Samples ebenso wie bei den Beatles. Welche Sozialisierung steckt dahinter?
Das Motto bei uns zuhause war Vielfalt statt Einfalt. Ich höre fast aus jedem Genre Musik und versuche mir das Beste von überall als Inspiration zu nehmen. Ich probiere gerne viele Dinge aus. Und deswegen habe ich akustische Lieder wo ich nur singe und andere wo ich ein orientalisches Sample mit etwas Elektronischem verbinde. Ich mache die Musik, die ich gerne hören würde. Und das ist eine Vielfalt von Klängen und Rhythmen. Mein großes Geschmacks-Vorbild in der Musik war mein Bruder. Er hat mir immer die coolsten HipHop/Electro/House-Sachen gezeigt. So habe ich anfangs mein Bild von der Musikwelt geschaffen.
Und welcher instrumentale Zugang steckt hinter deiner Musik?
Mein Instrument ist der Computer. Ich hatte nie wirklich die Geduld ein Instrument oder Noten lesen zu lernen, obwohl man mich schon früh gepusht hat Klavier zu spielen. Alls Kind nahm ich eine Zeit lang Drum Lessons. Ich wusste immer, dass ich etwas in Richtung Musik machen wollte, aber mir war nicht klar wo genau mein Platz ist. Erst dachte ich dass ich vielleicht DJ werde. Dann wollte ich unbedingt Breakdancer werden, ein Traum der besonders früh gescheitert ist.
Woran?
Aus Verletzungsangst (lacht). Die schwierigen Moves waren mir zu gefährlich. Die große Erweckung war, als mir mein Bruder Rahzel vorspielte. Der Gott des Beatboxing. Als ich das erste Mal “If Your Mother Only Knew” von ihm hörte, hat das alles verändert. Ich wusste, dass ich der beste Beatboxer sein will und habe mich total in die Szene vertieft, die damals weltweit noch sehr klein war. Da war ich 14. Ich war damals mit meinem Vater in London bei der allerersten Human Beatboxing Convention. Bis 16 hab ich so ziemlich jeden Moment mit Beatboxbeats unterlegt. Gleichzeitig hab ich angefangen die ersten Texte zu RJD2 Liedern zu schreiben.
Wie Garage Band für Apple raus kam, hat das wieder alles verändert. Ich hatte es am ersten Tag und begann sofort Beats aus Loops zu basteln. So entstanden die ersten eigenen Songs. Und ungefähr mit 17 habe ich mir dann ein professionelles Musikprogramm zugelegt und damit produziert. Dadurch dass ich keine klassischen Instrumente spiele, hab ich angefangen meine Lieblingsparts aus verschiedenen Tracks anderer zu sampeln und neu zu arrangieren.
Du bist nach der Schule bald nach New York gezogen. Wie darf man sich dein Leben in Brooklyn vorstellen?
Zunächst ging ich nach New York um Tontechnik zu studieren. Aber nicht wirklich um Tontechniker zu werden, sondern um Verbündete kennen zu lernen. Ich habe mir alle Schulen in New York angesehen, die zu dem Thema relevant sind, und habe mich für das Institute of Audio Research entschieden. Als ich das erste Mal dort war, sind alle im Studio gesessen und haben gerapped und andere haben an Beats getüftelt. Das hat sich aber rasch als nicht ganz so aufregend herausgestellt, wie das zunächst rüber gekommen ist. Die ersten sechs Monate haben nur technische Sachen betroffen und nichts Kreatives. Ich habe während dieser Zeit dann doch einige begabte Freunde gewonnen mit denen ich kreativ sein konnte. Die Zeit war für mich, obwohl ich ein paar witzige Sachen gemacht habe, eine der schwierigsten Zeiten meines Lebens. Auch weil es alles in allem doch eine sehr einsame Zeit war. Außerdem waren da nur Burschen und keine Mädchen, die Tontechnik studierten. Es war also nicht so wie ich es mir erhofft habe. Am Ende des Jahres, als ich wieder weggezogen bin, ist es mir so vorgekommen, als ob ich mich nicht wirklich durchgesetzt hätte. Ich dachte ich gehe nach New York und baue mir dort eine glänzende Existenz auf, aber dem war nicht so. Ich bin nach Wien zurück und habe das als Niederlage empfunden. Ich habe in Wien durchgeatmet und an meinem Bewusstsein gearbeitet. Und bin dann wieder nach New York zurück, für den zweiten Anlauf. Ich lebe nun zusammen mit fünf anderen in einer art Creative Factory auf vier Stockwerken in Brooklyn und alles ist effizienter und vom Glück verfolgter als beim ersten Mal. Wir sind: Zwei Videoregisseure, ein Musikproduzent, ein Fotograf und Left Boy. Das Umfeld ist perfekt. Wann auch immer jemand eine Idee hat helfen wir uns gegenseitig das bestens umzusetzen.
Du giltst vor allem als ein Phänomen das im Internet groß wurde. Wieviel Strategie und wieviel Zufall steckt dahinter? Fast 20.000 Facebook-Fans und YouTube-Zugriffe im siebenstelligen Bereich passieren ja nicht über Nacht.
Ich habe vor ein paar Jahren mit der Facebook-Fanpage angefangen und keinem davon erzählt. Ich habe nur meine Lieder hochgeladen und die Sache wurde allmählich größer. Als ich 700 Fans hatte, startete ich eine kleine Kampagne: Ich habe versprochen erst bei 1000 Fans ein neues Lied zu veröffentlichen, ebenso bei 2000 und 3000. Die Reaktion war verblüffend. Innerhalb einer Woche hatte ich 3000 Fans. Das war ziemlich erhebend. Nach diesem Erfolgserlebnis hatte ich ein bisschen über Online-Marketing gelernt. Ich arbeite jetzt schon seit vier Jahren an dieser Page und die intensive Arbeit hat sich gelohnt.
An einen Plattendeal hast du zunächst gar nicht gedacht?
Ich habe viele Phasen durchgemacht, auch jene in der ich mir gedacht habe, ich muss zu einem Major-Label. Dann wieder eher zu einem Indie-Label, oder ich mache alles selber und promote es via Netz. Aber jetzt bin ich in einer Phase in der ich versuche den Hype klug zu vergrößern. Und das geht am besten in dem man ein kreatives Joint-Venture zwischen den Fans und mir herstellt und ständig beflügelt.
Was fasziniert so viele Leute an Left Boy?
Das muss man die Leute fragen. Irgendetwas mache ich richtig. Ich mache was mir gefällt und entspricht, um mir eine Freude zu machen. Dass es anderen gefällt vergrößert die Freude natürlich um so mehr.
Gibt es konkrete Pläne hinsichtlich eines physischen Tonträgers?
Momentan bin ich in ernsten Gesprächen mit mehreren Labels. In Deutschland zeigen viele Labels Interesse. In den USA habe ich auch schon erste Gespräche mit Majors gehabt, genauso wie in England. Es ist alles momentan am Laufen und ich gehe sehr behutsam und vorsichtig damit um. Ich strebe das richtigste an, also das nachhaltigste das meine kreative Freiheit nicht beschneidet. Ich will nicht wegen hoher Garantiesummen in einem Plattenfirmengefängnis landen, das würde ich mir nie verzeihen.
Und was soll der Name Left Boy signalisieren?
Left ist für mich ein Wort das ich mit Offenheit verbinde, ein Open Way Of Thinking. Und ich finde, das passt ideal zu dem was ich denke und tue.
Foto: Matthew Margolin
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