Ferdinand Sarnitz alias Left Boy geht nicht nur als Rapper und Sänger zwischen Electro, R’n’B und Pop einen modernen Weg. Auch was seinen Karriereaufbau betrifft, ist der 25-Jährige zeitgemäß unterwegs: Seine Fanbase baute er vor allem über Social Media und gewitzt gemachte Youtube-Clips auf. Seine Auftritte in Wien sind schon seit längerem stets ausverkauft, aber auch in London und Paris kennt man den international orientierten Wiener, der die meiste Zeit in den USA verbringt, inzwischen. Für sein Debütalbum „Permanent Midnight“ hat er sich sehr viel Zeit gelassen. Sebastian Fasthuber hat Left Boy, den man längst nicht mehr nur darauf reduzieren kann, dass er André Hellers Sohn ist, befragt.
„Left Boy muss sich entscheiden, ob er vom Fünf- oder vom Zehn-Meter-Brett springen soll“, hat das Magazin „The Gap“ vor zwei Jahren über Ihre Karriere geschrieben. Was ist es geworden?
Left Boy: Ich bin ein Fan vom Ein-Meter Brett. Was meine Karriere betrifft, mache ich meine Projekte einfach, so gut ich kann. Ich versuche, den Leuten immer mein Bestes zu bieten. Egal ob sie ein Video von mir anschauen, zu einem Konzert von mir gehen oder mein Album hören – ich will, dass sie das Beste kriegen, was mir möglich ist.
Pop als Dienstleistung?
Left Boy: Nein. Ich mache die Musik nicht für meine Fans, sondern für mich. In erster Linie bin ich selbst meine Zielgruppe. Manchmal höre ich im Radio ein Lied, das mich inspiriert, oder im Abspann eines Films. Die Idee muss ich dann sofort umsetzen. Es lässt mir keine Ruhe, ehe ich es gemacht habe. Ich habe das große Glück, dass meine Musik anscheinend vielen anderen auch gefällt. Ich frage mich aber nie, wie eine Nummer ankommen wird. Dafür beschäftige ich mich ständig damit, ob ein Track stimmig ist.
Sie haben lang getüftelt und überlegt, wann der perfekte Zeitpunkt für Ihr Album ist. Ist es jetzt nicht schon etwas spät?
Left Boy: Finde ich nicht. Ich wollte es ursprünglich im Sommer 2013 veröffentlichen, die Deadline habe ich mir selbst gesetzt. Jetzt ist es eben der Valentinstag geworden, passt auch.
Schade ist, dass für die Journalisten im Vorfeld nicht das ganze Album zu hören war, sondern nur Ausschnitte. Warum?
Left Boy: Das ist vom Label aus so. Ich weiß eigentlich auch nicht genau, warum. Die schicken nur einen Bruchteil der Songs raus – wahrscheinlich, um zu verhindern, dass die Musik vorzeitig an die Öffentlichkeit gerät. Mir wäre auch lieber, wenn die Journalisten das ganze Album schon gehört hätten.
Braucht es heute überhaupt noch ein Album, um erfolgreich zu sein? Sie haben auch ohne Albumveröffentlichung laufend Hallen gefüllt.
Left Boy: Ich glaube, die Frage haben sie sich gerade selbst beantwortet.
Reden wir darüber, wie die Marke Left Boy entstanden ist. Wie kreiert man so einen Hype?
Left Boy: Ich bin ein großer Musikfan. Meine Strategie war von Anfang an, dass ich mich gefragt habe: Was würde mich freuen, wenn mein Lieblingsact das machen würde? So gehe ich alles an. Ganz am Anfang hatte ich auf Facebook nur ein paar Hundert Fans. Als es 800 waren, habe ich geschrieben, dass bei Tausend das nächste Lied rauskommt. Da haben beide Seiten etwas davon. Meine Fans machen für mich Werbung, indem sie neue Fans werben. Und sie kriegen dadurch auch etwas. Das war mein erstes Erfolgserlebnis in Sachen Social Media, und so gehe ich das bis heute an.
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Macht es Ihnen Spaß, Ihr eigener Social Media Manager zu sein?
Left Boy: Ja, es macht mir Spaß. Ich ziehe mich zwischendurch aber auch immer wieder zurück. Wenn ich nichts Tolles zu posten habe, schreibe ich lieber nichts auf Facebook. Man muss nicht jeden Artikel oder jeden Blog, in dem man erwähnt wird, posten. Ich habe Fanbases in England und in Paris. Ich will Sachen posten, die alle ansprechen, und nicht nur eine bestimmte Zielgruppe.
Wie sieht Ihr Publikum aus?
Left Boy: Richtig gut. Sie müssen mal zu einem Konzert kommen. Die schreien und kreischen so laut, dass ich mich oft selbst nicht höre. Und nicht nur die Lieder mit den Videos. Die kennen jedes Lied in- und auswendig. Ich bin endlos dankbar für meine loyalen Fans.
Sie haben lang gewartet, bis Sie sich den Fans gezeigt haben. Wie waren die ersten Konzerte?
Left Boy: Lange habe ich Liveauftritte vermieden, weil ich mir gedacht habe, ich kann live nicht so überzeugen wie auf Tonträger. I am cheating my fans – habe ich mir zumindest gedacht. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es bei Konzerten gar nicht so um musikalische Perfektion geht, sondern um die Energie, die man bei einer Performance ausstrahlt. Im März 2012 habe ich den ersten Gig gehabt, seitdem 30 bis 40 Konzerte gespielt. Ich versuche mich in jeder Hinsicht ständig weiterzubilden. Auf dem Sektor Liveperformance habe ich aber besonders viel dazugelernt.
Sind Sie Perfektionist?
Left Boy: Es muss alles meinen Qualitätsvorstellungen entsprechen. Und für mich ist alles gleich wichtig. Die Show ist genau so wichtig wie die Musik, das Merchandise oder die Videos. Ich kann nicht einen Aspekt vernachlässigen. Deswegen zerbreche ich mir monatelang den Kopf darüber, wie man eine Bühnenshow interessanter und interaktiver gestalten kann – durch Projektionen, Tänzer, Kostüme oder was auch immer. Ich habe da auch tolle visuelle Gestalter in der Schweiz namens Supermafia. Dabei gilt es immer wieder Probleme zu lösen. Etwa: Was für Effekte funktionieren auf den Festivals? Wenn man nicht Headliner ist, spielt man bei Tageslicht und kann keine Scheinwerfer verwenden. Und man hat auch nur 15 Minuten Zeit, um etwas aufzubauen. Deswegen habe ich im Sommer immer meine Tänzer, Urban Movement, dabei. Wir arbeiten wochenlang an eigenartigen Inszenierungen für die Show: Klone, Spiegel, aufblasbare Skulpturen.
Das klingt fast nach Gesamtkunstwerk. Sie können das Erbe Ihres Vaters nicht verleugnen.
Left Boy: Ich wurde von meinen Eltern immer ermutigt, alles, was mich interessiert, auszuprobieren. Ich habe durch meinen Vater im Showgeschäft viel miterlebt, wir führen auch täglich Gespräche über unsere Projekte.
Wie findet er Ihre Musik?
Left Boy: Da müssen Sie ihn fragen.
Zurück zum Start. Was war Ihr Einstieg in die Welt des Hip-Hop?
Left Boy: Zuerst wollte ich Breakdancer werden, dann DJ. Später hatte ich den Traum, der beste Beatboxer zu werden. Ich war auch ganz gut. Als das Programm GarageBand für Apple rausgekommen ist, hat das mein Leben verändert. Da habe ich meine ersten Beats gebastelt und angefangen zu sampeln. Mit 16 hat das ungefähr begonnen.
Wie wurde aus Ferdinand Sarnitz Left Boy?
Left Boy: Als Kind, ich war acht oder neun, hab ich so eine Geschichte gemalt mit einem kleinen Jungen und einem kleinen Mädchen. Und die hieß „Left boy looking for the right girl“.
Sie übersiedelten zwei Mal in die USA. Erst beim zweiten Mal konnten Sie Fuß fassen.
Left Boy: Das erste Mal in New York war sehr schwierig. Ich habe mir das viel leichter vorgestellt. Meine Vorstellung war, dass ich mir ein Praktikum bei Def Jam schnappe und denen meine Demos auf den Tisch schmeiße. Ich krieg den Plattenvertrag und bin dann mit Kanye West im Studio. Die Realität war leider etwas anders und ich bin nach einem Jahr zurück nach Wien gezogen.
Haben Sie es als Niederlage empfunden, nach Wien zurückzukehren?
Left Boy: Total. Ich habe mich beim ersten Mal einfach nicht genug darum gekümmert, mir in New York etwas aufzubauen. Das hat mir sehr zu schaffen gemacht. In den folgenden eineinhalb Jahren in Wien habe ich deswegen noch intensiver an meiner Musik gearbeitet. Eines Tages hat mich dann Max Papadop, ein Freund und Regisseur aus New York, angeschrieben, er wollte ein Video für „Sunday Mornin’ Chillin’“ drehen. Deshalb bin ich zurück nach New York und habe durch ihn dort einen kreativen Freundeskreis gefunden. Mit diesen neuen Freunden bin ich auch zusammengezogen. Mit dabei sind zwei Regisseure, eine Schauspielerin, ein Fotograf. Das ist das perfekte Environment.
Sie leben und arbeiten unter einem Dach?
Left Boy: Ja. Es ist cool. Wir helfen uns alle gegenseitig. Wenn jemand eine Idee hat, kann er jederzeit bei der Tür nebenan klopfen und wir probieren sie gleich umzusetzen. Filmequipment und Musikequipment sind vorhanden. Man kann ausprobieren, was immer man will.
Durchs Internet kann man es aber doch heute von überall aus schaffen. Muss es New York sein?
Left Boy: Auf jeden Fall geht das von überall. Für meine Arbeit ist mir aber diese Distanz zu Freunden und Familie wichtig. Ich kann mich da zu hundert Prozent auf meine Musik konzentrieren und denke mir nicht: Oh, ich sollte jetzt zu dieser Geburtstagsfeier oder zu jenem Familienessen gehen.
Ihren Videos merkt man an, dass noch keine Riesenbudgets dahinter stehen, aber witzige Ideen. Sind die Videos mehr als ein Promotiontool?
Left Boy: Für mich sind sie genau so wichtig wie die Musik. Wenn mir jemand drei Minuten seiner Zeit schenkt, will ich, dass er was Tolles sieht. Videos drehen und schneiden ist für mich eine große Leidenschaft. Ich würde gerne Film studieren, um meine Ideen besser umsetzen zu können. Es gibt leider noch zu viel auf dem Sektor, was ich technisch nicht verstehe.
Und die Musik machen Sie ganz allein?
Left Boy: Vor diesem Album hab ich alles alleine gemacht. In Los Angeles hab ich dann aber den Produzenten Nexxus kennengelernt und mit ihm alle Songs wieder überarbeitet. Ich habe mir das Produzieren selbst beigebracht, weil ich in Wien keinen Produzenten kannte. Heute bin ich dafür sehr dankbar, weil ich mich auf niemanden verlassen muss. Ich kann meine Ideen selbst umsetzen. Meine Hauptbeschäftigung ist das Spielen mit Musik, das Erforschen und Experimentieren. Ich probiere alles Mögliche aus und manchmal entsteht dabei ein Beat, über den ich dann etwas texte.
Ihre früheren Stücke waren noch stark samplebasiert. Warum sind Sie davon abgekommen?
Left Boy: Bin ich gar nicht, mein Zugang hat sich nicht verändert. Ich sample einfach mal drauflos, meine Manager kümmern sich dann darum, die Rechte zu klären. Ich habe aber über die Jahre meine Originalkompositionen immer beiseite gelegt für das Album, das jetzt zu 50 Prozent aus gesampelten Songs besteht.
Warum haben Sie bei einem Major-Label unterschrieben? Weil Sie leichter die Freigabe für Samples bekommen?
Left Boy: Nein, das stimmt nicht. Man muss einem Label versichern, dass die Samples alle geklärt sind, wenn man Musik abgibt. Ich habe mich für die Zusammenarbeit mit Majors entschieden, um in einzelnen Territories lokale Unterstützung zu bekommen. Es war mir auch wichtig, von meiner Familie finanziell unabhängig zu sein. Bis vor kurzem habe ich nur investiert. Wenn einmal etwas übriggeblieben ist, habe ich alles wieder reininvestiert, in die Videos und in die Shows.
2014 soll erstmals Geld verdient werden?
Left Boy: Es geht mir darum, gute Musik und Videos zu machen. Das Geld kommt dann von selbst.
Foto: Atelier Karasinski