mica-Interview mit Kopf bei Fuss

Das Grazer Dj/ane und Produzent/innen Kollektiv Kopf bei Fuss legt Wert auf Authentizität und Diverstität. Die Crew präsentiert sich musikalisch ausgesprochen vielseitig und setzt auf Zusammenarbeit, um Graz als Hotspot elektronischer Tanzmusik zu etablieren. Die beiden Begründer Daniel Bohar Martinez (Apua) und Benedikt Palier (Bendejo) sprachen mit Lucia Laggner über die Entstehungsgeschichte, internationale Bookings und die Vernunft im Musikschaffen.

Kopf bei Fuss ist ein junges, aber nicht gerade kleines Dj-Kollektiv. Wo liegen eure Ursprünge und wie hat sich das Team gebildet?
Benne: Der Ursprung war eigentlich ein Ausflug mit Freunden auf eine Hütte. Von dem heutigen Team waren damals nur Daniel und ich dabei. Uns ist damals klar geworden, dass wir partymäßig und musikalisch etwas machen wollen, das nicht stumpf und abgedroschen ist, sondern etwas Intelligentes in sich trägt. Daher kommt auch die Idee zum Namen: Kopf bei Fuss. Der Fuss steht für den Tanz, der Kopf soll andeuten, dass mehr dahinter steckt als nur Party.
Daniel: Benne hat schon aufgelegt und produziert bevor es Kopf bei Fuss überhaupt gegeben hat. Bei Afterhours haben wir (Benedikt und Daniel) öfter Mal gemeinsam gejamt und Benne hat dann auch seine Turntables zu mir gestellt.
Benne: Ich habe gleich gemerkt, dass er wirklich Potential hat und sehr motiviert ist, Musik zu machen. Seit diesem Ausflug vor eineinhalb Jahren hat sich alles sehr schnell entwickelt.
Daniel: Vor einem Jahr bei einer Veranstaltung von Noise Collage, die Benne auch schon von früher kannte, ist das erste Mal Kopf bei Fuss hinter unseren Namen gestanden. Bianca und Konsti haben sich gleichzeitig mit mir begonnen für die Sache zu interessieren. Mit der Zeit haben wir uns immer regelmäßiger bei mir getroffen – Adi war dann auch schon dabei – und haben gemeinsam aufgelegt. Irgendwie ist es dann dazu gekommen, dass wir einen eigenen Abend im M1 hosten und Woche für Woche das Team durchrotieren konnten. Dadurch ist es auch erst möglich gewesen sich wirklich als Crew zu präsentieren, da wir ja nie selbst Parties veranstaltet haben, auch aus finanziellen Gründen. Wir sind zum Zug gekommen, weil uns viele liebe Leute, die wir mit der Zeit kennen gelernt haben, eingebaut haben, wie etwa durch “floor hostings” bei Noise Collage, Plemplem, Elektronische Gemüter und natürlich durch die super Zusammenarbeit mit dem Niesenberger, die uns in ihre Familie aufgenommen haben. Retrospektiv betrachtet ist in extrem kurzer Zeit sehr viel passiert und jetzt erkennen wir, dass wir eigentlich jede Woche irgendwo spielen. Besonders schön ist daran, dass es für die ganze Crew so aufgegangen ist und nicht nur für ein oder zwei Leute. Bis auf Julian und Philipp sind beispielsweise beim Springfestival alle von uns vertreten gewesen.

Ein wesentliches Charakteristikum von Kopf bei Fuss ist, dass viele Genres nebeneinander existieren und von euren Mitgliedern gespielt werden.

Benne: Uns ist wichtig, dass wir uns musikalisch nicht auf eine Richtung versteifen, sondern immer wieder Neues eingebracht werden kann, wie etwa durch Philipp, der Drum’n’Bass spielt.
Daniel: Seit letzten Herbst ist ein Freund von uns Teil der Crew, der diese musikalischen Unterschiede, aber auch individuelle Wünsche versucht zu verbinden. Er ist nicht nur unser Manager, sondern auch Mediator und auch ein Grund dafür, warum alle an einem Strang ziehen, obwohl es nicht zwingend eine definierte Richtung gibt.


Habt ihr das Gefühl, dass es eine österreichische Elektornikszene gibt oder verspürt ihr auch manchmal einen deutschen bzw. internationalen Druck, der sagt: in Österreich alleine erfolgreich sein, das reicht nicht?
Benne: Man kann sicher viel in Österreich machen, aber es wird auch wahnsinnig viel von dem, was aus Deutschland kommt, kopiert. Das merkt man schon sehr stark.
Daniel: Das ist meiner Meinung nach auch eine Frage der Definition. Will man einfach nur auflegen und Dj sein oder will man produzieren und Musik kreieren. Wenn man Musik hervorbringt, dann kann man sich dessen Bewusst sein, dass es überall auf der Welt möglich ist. Natürlich ist ein fettes Studio mit viel analoger Hardware eine schöne Sache, aber letztlich ist man nicht unbedingt auf den Ort angewiesen. Als Dj ist man hingegen von Clubs abhängig, die möglichst gefragt und cool sind. Prinzipiell würde ich schon sagen, dass Österreich elektronisch sehr viel zu bieten hat.

Gibt es einen landesweiten Austausch innerhalb von Österreich?
Daniel: Von Graz aus gesehen sollte jeder motiviert sein woanders hin zu fahren. Allerdings bringt es oft auch nichts, wenn man dann in einem kleinen Club steht, mit einer schlechten PA und erst umsonst da ist. Wenn man hingegen zu einem Event eingeladen ist, wo die Leute mit Ideologie und Herzblut dahinter stehen, dann können wir natürlich auch über die Gage reden. Es ist was anderes, wenn du auf einer OE3 Party spielst und mit 50 Euro abgespeist wirst.
Benne: Ich habe das Gefühl, dass wenig Kommunikation zwischen den Städten vorhanden ist. Graz hat relativ wenig Austausch mit anderen Städten.

Hättet ihr eine Idee, wie man den Austausch fördern oder wo man eine Schnittstelle schaffen könnte? Ich denke da etwa an ein Konzept wie female:pressure.
Benne: Da gibt es auch hinsichtlich der Bookings ein großes Problem. Der Trends internationale Acts zu buchen ist ja sehr ausgeprägt und verhindert, dass nationale Dj/anes zum Zug kommen. Da frag ich mich schon, warum das so sein muss.
Daniel: Naja, wenn du eine Party veranstaltest, dann musst du einfach Leute anziehen, damit du mit den Eintritten auf deine Rechnung kommst. Da geht man natürlich Kompromisse ein und bucht eher einen fetten Namen (Anm. internationaler Act), den jeder kennt, als vier super Dj/anes aus Salzburg oder aus Wien, auch wenn das den Austausch ungemein fördern würde. Weil man ja ahnt, dass wegen den vier Acts eben die gleichen zweihundert Leute kommen, die sonst auch immer da sind, weil sie wirklich an der Party interessiert sind. Da lauft man natürlich Gefahr negative Zahlen einzufahren. Das ist vermutlich auch ein Grund, warum wir zwar gerne auf Parys spielen, gerne Party machen, aber noch nicht selbst veranstalten. Das Geld, das wir uns auf die Seite legen investieren wir in ein Studio, weil wir neue Musik schaffen wollen.

Was für einen Stellung nimmt Kopf bei Fuss in eurem Leben ein? Ist es ein Ziel sich damit auch das Leben zu finanzieren?

Benne: Für mich ist es auf jeden Fall Hobby und Leidenschaft. Im Moment kann ich auf keinen Fall davon leben. Vom Musik machen würde ich schon gerne leben können. Mein Studium (Anm. Tonmeister) zielt auch darauf ab. Ich will im Studio arbeiten und auch Leute aufnehmen, aber das eigene künstlerische Schaffen ist mir wahnsinnig wichtig und wird durch den Background, den mir das Studium liefert, auch sehr gefördert.
Daniel: Benne hat ja auch schon einige Nummern auf Labels releast. Sicher wäre es super, wenn wir alle davon leben könnten, aber das hat nicht oberste Priorität. Wichtig ist, dass sich viele Menschen aus unseren Runden in Kopf bei Fuss einbringen können. Ich sehe dieses Projekt als etwas, in dem wir uns alle ausdrücken können und uns austoben. Wenn es funktionieren sollte, dass wir noch dazu davon leben könnten, dann wäre das natürlich großartig. Tatsächlich will ich aber keinen Kompromiss eingehen, der nicht zu 100% uns entspricht.

Was soll/muss/darf in den nächsten Jahren passieren? Was sind eure Ziele und Wünsche im Hinblick auf Kopf bei Fuss?
Daniel: Klar ist, dass wir unbedingt weiterhin Sounds entstehen lassen wollen, die wir auch auf unserem eigenen Label herausbringen wollen, um damit Leute zu berühren. Mein größter Wunsch ist, dass wir uns alle austoben, unsere eigenen EP’s veröffentlichen, sie auf Platte pressen und unsere eigenen Cover designen, auf denen Kopf bei Fuss steht.
Benne: Mir ist wichtig, dass wir etwas Vernünftiges machen. Nicht einfach alles kopieren, was es schon 100 mal gibt. Auf jeden Fall etwas Neues machen.
Daniel: Ein großes Ziel ist, dass wir uns international vernetzen und Kopf bei Fuss in der Welt herumkommt. Ich werde im Sommer in Spanien sein und ich will weiter an neuen Kontakten arbeiten. Wir nehmen auch Leute mit, die mit uns zusammenarbeiten. Kopf bei Fuss soll kein exklusives, abgeschlossenes System sein, sondern wachsen und sozusagen barrierefrei funktionieren. In der Niesenberger haben wir Lokalismus veranstaltet, um gute lokale Leute einzuladen. Das waren nicht nur Dj/anes, sondern auch Bands und Rapper, die wir an einem Samstag Abend ins Licht rücken wollten. Uns gefallt ja nicht nur das, was wir machen. Wir wollen auch das fördern, was Andere machen. Es wird oft viel Schlechtes geredet in einer kleinen Stadt wie Graz. Eigentlich sollten wir viel stärker zusammenarbeiten und darauf schauen, dass Graz einen internationalen Rang bekommt.

Fotos: David Leitner