mica-Interview mit Koenigleopold

Lukas König (Schlagzeug, Synthesizer) und Leo Riegler (Elektronik, Turntables, Gesang, Klarinette) sind Koenigleopold. Die beiden, die sich vor Jahren im Rahmen der Jazzwerkstatt Wien kennenlernten, testen als Duo aus, wie weit man es mit Jazz und HipHop als Basis musikalisch treiben kann. Sehr weit, wie nach dem Überraschungshit „Kohlhauser“ nun auch ihr so ausgeschlafenes wie durchgeknalltes Album „Eure Armut kotzt mich an“ beweist. Sebastian Fasthuber hat mit Koenigleopold, die auch international schon höchst gefragt sind, über ihr Musikverständnis gesprochen.

Wie ist Koenigleopold entstanden? Aus der Jazzwerkstatt?

Lukas: Ja. Ich glaube, da haben wir uns 2004 kennengelernt. Leos Bruder Daniel hat da damals ein Projekt gemacht.

Ihr müsst damals noch ganz jung gewesen sein.

Leo: Ich war so 18.

Lukas:
Dann war ich 16. Das war so ein Noise-Improvisations-Ensemble, wo wir mitgespielt haben. Piktogramm II hat das geheißen.

Leo:
Und dann haben wir gemeinsam mit Wolfgang Schiftner ein Trio gehabt: Helicopter 111.

Lukas:
Als nächstens haben wir zwei ein Theaterstück gemacht, gemeinsam mit zwei Schauspielern. Das hat „Prospekt“ geheißen und ist um Suchtverhalten gegangen. Dafür haben wir den Jungwild Theaterpreis bekommen. Wirklich zu zweit aufgetreten sind wir erstmals 2011 bei der Jazzwerkstatt Bern. Das war schon als Koenigleopold.

Wie kommt man so früh zu Noise-Musik?

Lukas:
Ich war vor meinem Schlagzeugstudium am Musikgymnasium und habe Leute von der Jazzwerkstatt kennengelernt, als die gerade begonnen hat. Die haben mir gesagt: Komm vorbei, da gibt’s was Cooles. Das habe ich mir angehört. Im nächsten Jahr habe ich dann schon selber gespielt.

Euer Album ist extrem vielschichtig. Wenn es eine Grundkonstante gibt, dann ist das immer noch Jazz, oder?

Lukas:
Würde ich schon sagen, ja. Jazz ist halt sehr weitläufig. Mainstream-Jazz ist es sicher keiner, was wir machen. Der Grundstil ist Improvisation. Wir mixen alles zusammen, was uns taugt. Viel entsteht auch dadurch, dass wir aus verschiedenen Richtungen kommen. Der Leo kommt vom HipHop und ich eher vom Jazz.

Ihr ergänzt euch da also?

Leo:
Ich glaube, es wechselt immer wieder. Momentan hört der Luki mehr HipHop als ich.

Lukas:
Es gibt schon Vorbilder, die wir beide haben: Frank Zappa zum Beispiel oder Fred Frith. Es gibt aber auch Bereiche, wo wir uns unterscheiden. Ich höre zum Beispiel auch viel neue Pop- und Rockmusik. Der Leo hört da kaum, kennt sich dafür aber mit Neuer Musik viel besser aus.

Leo:
Insgesamt ergänzen wir uns in jeder Hinsicht sehr gut.

Viele Leute in eurem Alter spielen sehr braven, traditionellen Jazz.

Lukas:
Vielleicht sind wir schon ein bisschen weiter. Ich weiß nicht. Uns ist dabei halt langweilig geworden. Es gibt so viele Möglichkeiten, darum probieren wir auch ganz verschiedene Sachen aus. Traditionelle Jazzalben gibt es genug. Uns geht es um die Forschung nach etwas Neuem oder Eigenständigem. Es gibt sehr viele Einflüsse, aber was wir daraus machen, ist halt doch ein bissl anders.

Das Album ist schon auch harter Stoff. Wenn es den Groove, den Grundrhythmus nicht gäbe, wäre es wohl ein totales Chaos und kaum anzuhören.


Leo:
Die Mischung braucht es sowieso. Wenn wir nur Impro-Soundstücke hätten, würden wir uns damit gegen das Rhythmusding abgrenzen. Das tun wir ja bewusst nicht. Es gibt bei uns keine Dogmen.
Lukas: Der Groove ist schon wichtig. Mich interessiert vor allem sehr, wie sich Rhythmus weiterentwickelt. Durch Morphing kann man auch Rhythmen entwickeln, die es so noch nicht gibt. Das ist spannend. Wenn ich dann noch Bass und Schlagzeug gleichzeitig spiele, kann ich ganz komische Sachen machen.

Gibt es für euch musikalische Grenzen?

Leo:
Nein, es gibt keine Grenzen. Außer etwas macht keinen Sinn. Aber wir haben gefunden, dass alles, was wir auf der Platte drauf haben, für uns Sinn macht und stimmt.

Aber was ist mit der Nummer „Südsee von Palermo“? Das ist ein fast lupenreines Schlagerstück.

Leo:
Wenn man so Radio Niederösterreich hört, kommt man irgendwann drauf, was die Texte eigentlich bedeuten. Da kommen oft ganz arge oder absurde Sachen vor.

Lukas:
Die Nummer gibt es schon ewig. Wir haben uns dabei nicht wirklich was gedacht. Das Meiste, was wir machen, ist ja nicht geplant. Auch den „Kohlhauser“ haben wir uns nicht überlegt. Wir wollen mit der Schlagernummer auch nicht provozieren.

Humor spielt aber schon eine Rolle?

Leo:
Ja, absolut. Es gibt bei jeder Nummer etwas, was einen zum Lachen bringen kann. Das braucht es auch. Ohne einen gewissen Humor wäre das Album vielleicht sogar langweilig.

Lukas:
Ein Ding ist auch, dass man sich selber nicht so ernst nehmen darf. Das ist ein Manko an vielen Bands, gerade im Jazz nehmen sich viele viel zu ernst oder glauben, sie müssen auf seriös machen.

Warum ist der „Kohlhauser“ nicht am Album mit drauf?


Leo:
Der war auf der EP schon drauf. Das wollten wir halt nicht mehr. Für uns war das von vornherein klar. Vielleicht wäre den anderen Stücken sonst weniger Beachtung geschenkt worden.

Ihr wart damals plötzlich auch in Boulevardmedien wie „Heute“. Was habt ihr daraus gelernt?


Lukas:
Dass man genau darauf aufpassen muss, was man sagt.

Leo:
Man muss echt bei jedem Satz und bei jedem Wort vorsichtig sein. Es hat nichts zu bedeuten, wenn der Interviewer sehr nett zu einem ist. Der kann das, was man ihm erzählt, immer noch in eine ganz andere Richtung drehen.

Wie ist das Album entstanden?


Lukas:
Das Meiste haben wir neu entwickelt. Nur „Südsee von Palermo“ und „Heat the Water“ sind schon ältere Stücke.

Leo:
Generell kann man sagen, die Hälfte unserer Stücke ist improvisiert, die andere Hälfte geprobt.

Lukas:
Wichtig für die Entwicklungen von Stücken sind Konzerte. Wir spielen die Stücke live, nehmen sie danach auseinander, analysieren sie, improvisieren wieder. Nächstes Jahr klingen die Nummern von der Platte wahrscheinlich schon wieder komplett anders. Das Album ist in dem Sinn mehr ein Zeitdokument.

Es wird doch sehr viel gesprochen, gerappt und gesungen auf dem Album. Wie wichtig ist Text für euch?

Leo: Auf der Platte jetzt schon sehr wichtig. Man kann die Musik auch stark über die Textebene wahrnehmen, man kann den Text aber auch als ein weiteres Instrument hören.

Ihr sitzt musikalisch zwischen allen Stühlen. Seid Ihr überrascht, dass euch FM4 so sehr umarmt?

Lukas: Schon, ja. Es gibt aber auch von Ö1 wieder eine Anfrage. Es ist sehr breit gefächert.
Leo: Und „Südsee“ haben wir eigentlich für Ö3 gemacht. Und für Radio Niederösterreich.

Welche Rolle spielen Verkleidung und Aktionismus?

Leo: Für die Bühnenshow ist das schon sehr wichtig. Bei der Releaseshow hatten wir sechs verschiedene Outfits und mussten uns ständig umziehen. Das macht’s schon lustig.

Anlässlich eurer Albumveröffentlichung habt ihr im Hotel Fürstenhof eine Pressekonferenz inszeniert. Was war die Idee dahinter?

Leo: An dem Tag halt alles zusammengepasst: Es war Weltspartag und wir haben unser Album rausgebracht. Das Album heißt ziemlich dekadent „Eure Armut kotzt mich an“, also lag es nahe, in ein Hotel zu gehen.

Was gab’s noch für Aktionen?

Lukas: In London haben wir nach unserem Auftritt die Gage auf der Straße verteilt. So Sachen sind extrem aufregend, weil man nicht weiß, wie es aufgenommen wird. Bis jetzt war’s immer super.

Ihr wart schon viel unterwegs, bis nach Japan. In welchen Kontexten seid ihr schon aufgetreten?

Lukas: In Irland waren wir bei einem klassischen Jazz-Nachwuchsfestival. In Japan haben wir in einer Galerie und in einem kleinen Club gespielt.

Leo: Es häufen sich momentan die Clubanfragen.

Lukas: Es gibt auch schon Festivalanfragen für nächstes Jahr. Wir passen uns dem Rahmen auch an.

Leo: Die Konzerte müssen zum jeweiligen Raum passen.

Es gibt viele Anfragen aus dem Ausland?

Lukas: Ja. Es gibt diese Nasom-Sache vom Bundministerium für Kunst und Kultur. Das ist ein Programm, das unterstützt, dass man im Ausland mehr spielt. Da sind wir dabei.

Ihr spielt auch beim Eurosonic-Festival 2014. Welche Bedeutung hat das?

Lukas: Es ist schon cool, dass wir dabei sind. Aber diese Riesenbedeutung habe ich dem bisher nicht beigemessen.

Leo: Ich habe das ehrlich gesagt gar nicht so gekannt.

Ihr habt Zappa als Einfluss erwähnt. Der hat ja einige Wandlungen durchgemacht. Euer nächstes Album wird vermutlich auch schon ganz anders klingen?

Leo: Hoffentlich. Das wäre die logische Konsequenz.

„Eure Armut kotzt mich an“ ist Anfang November erschienen. Wie waren die Rückmeldungen bis jetzt?

Lukas: Generell sind die Leute begeistert bis verwirrt. Die Leute, von denen ich viel halte, sind extrem begeistert. Da gab es bis jetzt wenig Kritisches zu hören

Ist es euch eigentlich wichtig, vom Publikum verstanden zu werden? Oder geht es auch um Irritation?

Leo: Wie gesagt: Wir wollen nicht provozieren. Missverstanden werden ist aber sicher ein Stilmittel. Die einen verstehen es eben, die anderen nicht.

Fotos: Rania Moslam

 

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