mica-Interview mit Johannes Kretz

Am Samstag, den 14. Juni 2008, wurde an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Rahmen einer zweitägigen Präsentationsveranstaltung das Zentrum für innovative Musiktechnologie (ZiMT) gegründet. Geleitet wird das ZiMT von Johannes Kretz, Komponist und Lehrer für Computermusik und Musiktheorie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Sabine Reiter hat ihn zu seinen Ideen und Plänen befragt.  

Das in den Räumlichkeiten des Neubaus am Anton-von-Webern-Platz 1 angesiedelte Zentrum will Impulse für anwendungs-orientierte Forschung in den Gebieten der Computer-unterstützten Musiktheorie, der Computermusik und der multimedialen Performance geben. Die Entwicklungen des ZiMT sollen interdisziplinär und institutsübergreifend in Form von kombinierten Forschungs- und Unterrichts-Projekten erprobt werden.

Die Eröffnungsveranstaltung des ZiMT war gleichzeitig auch die erste gemeinsame Präsentationsveranstaltung des Instituts für Komposition und Elektroakustik. Zu Gehör gebracht wurden teilweise sehr spannende Werke von StudentInnen aus den verschiedenen Kompositionsklassen, sowie Vorführungen der TonmeisterInnen und die Ergebnisse eines Kompositionsworkshops, der vom Institut für Komposition gemeinsam mit der Budapester Franz-Liszt-Akademie für Musik durchgeführt wurde.

SR: Wie kam es zur Gründung des ZiMT?
JK:
Eigentlich aus dem Umstand, dass wir uns seit einiger Zeit Universität nennen, und in Universitäten üblicherweise nicht nur gelehrt, sondern auch geforscht wird. Bei einem ehemaligen Konservatorium, das dann zu einer Akademie, später zu einer Hochschule, und jetzt eben zu einer Universität wurde, sind die Traditionen des Konservatoriums, also des Musik-Unterrichtens, stark implementiert. Die Idee der Forschung, den Stand des Wissens und der Kunst weiterzubringen, ist, zugespitzt formuliert, Privatvergnügen der Lehrenden – gerade im Bereich der Komposition und der Elektronik war das bis jetzt immer vom Enthusiasmus und von freiwilligen unbezahlten Aktivitäten der Lehrer abhängig.
Außerdem steht im Leitbild der Universität ganz deutlich, und das ist ja auch ein schönes Bekenntnis, dass Tradition und Innovation kein Widerspruch sind, sondern sich ergänzen sollen. In dem Sinne schlagen wir hier zwei Fliegen mit einer Klappe, einerseits sind wir eben innovativ, und auf der anderen Seite betreiben wir Forschung. Insofern lag die Gründung des ZiMT eigentlich auf der Hand und ist auch von Rektor Hasitschka sehr begrüßt und auch tatkräftig und substantiell unterstützt worden.

SR: Wie muss man sich die Forschungsarbeit vorstellen, soll das in Richtung des Pariser IRCAM gehen?
JK:
Zunächst natürlich viel bescheidener, weil wir ja im Vergleich dazu ein rudimentäres Budget und außer meiner eigenen Arbeitskraft im Moment keine zusätzlichen Angestellten haben, wobei das ZiMT natürlich auf Wachstum und Entwicklung ausgerichtet ist.

Von der inhaltlichen Ausrichtung her: Das ZiMT soll Werkzeuge entwickeln, Tools, um Musik zu machen. Diese können sehr vielfältig sein. Es könnte ein kleines Software Plug-In sein, mit dem die Tonmeister irgendwelche speziellen Klänge zaubern, oder eine kleine Software, die Komponisten hilft, mit Obertönen faszinierende Klangverwandlungen zu machen. Es könnte auch ein Tool sein, das Komponisten beim komponieren unterstützt, also beispielsweise eine Software, die künstliche Intelligenz-Algorithmen verwendet, die dann helfen, Partituren zu erzeugen, die man rein mit der Hand nur sehr schwierig, oder vielleicht auch gar nicht schreiben könnte. Aber auch ein Werkzeug für Musikwissenschaftler wäre möglich, ein Analysewerkzeug; also künstliche Intelligenz, um Werke zu analysieren. Oder etwas, das die Möglichkeiten eines Instrumentalisten erweitert, beispielsweise einem Posaunisten ermöglicht, mit Hilfe der Elektronik eine Meta-Posaune zu spielen.
Im Grunde müssen es am Anfang kleine Sachen sein, eben Plug-Ins und kleine Tools, weil wir gar nicht die Mittel dazu haben, eine riesige Architektur an Software zu errichten. Aber ich bin überzeugt, dass auch in diesen kleinen feinen Bereichen sehr viel Interessantes passieren kann. Die entwickelte Software soll dann auch auf einem Webserver zum Download erhältlich sein.

 

 

SR: Wer wird diese Dinge entwickeln?
JK: Zunächst einmal meine Wenigkeit, aber es gibt viele Lehrer am Haus, die Software entwickeln. Meist tun sie das aber für ihre eigenen Zwecke, und die Entwicklung bleibt in einem halb fertigen Stadium, weil man die Software gerade so weit bearbeitet, dass sie funktioniert und man ein Stück damit realisieren kann. Aber das kann dann eben nur der Komponist, der es entwickelt hat, auch verwenden. Wenn man es aber sozusagen etwas objektiver machen will, muss dann eine Phase des Bug-Fixing kommen, eine Phase der Evaluierung und des Gebrauchs, und dann könnte man es auch jemand anderem geben und nutzbar machen. Dieser Schritt unterbleibt immer, weil wir natürlich alle wahnsinnig viel zu tun haben.

Das werden die ersten Aufgaben hier sein, die Sachen, die wir Kollegen hier sowieso entwickeln, ein bisschen durchzuputzen, von den Studenten testen zu lassen, vielleicht in Form einer Diplomarbeit eine Dokumentation darüber verfassen zu lassen, und dann in einem Zustand herzugeben, dass jemand anderer sie auch benutzen kann. Insofern glaube ich, dass mit relativ wenig bezahlten Stunden relativ viel bewirkt werden kann, wenn man die Dinge, die ohnehin passieren, synergetisch zusammenführt.

SR: Wir haben heute ein Konzert mit Laser-Sensoren gehört und gesehen. Inwieweit war das schon eine Entwicklung des ZiMT?
JK: Das war eine ganz nette Sache. Das ZiMT war sozusagen schon aktiv, bevor es überhaupt existiert hat. Meine Kollegin Andrea Szigetvari und ich haben über viele Jahre in Sommerkursen in Szombathely zusammen gearbeitet. Dieses Jahr haben wir gemeinsam einen zweisemestrigen Kompositionsworkshop durchgeführt. Von der Aktion Österreich-Ungarn, die akademischen Austausch fördert, haben wir ein Budget bekommen, um dieses Projekt gemeinsam zu entwickeln und den Austausch der StudentInnen beider Institute in diesem Rahmen zu ermöglichen.

Das ZiMT soll natürlich auch Drittmittel lukrieren, und über Partnerschaften mit Sponsoren oder mit Firmen der Universität zusätzliche Möglichkeiten bringen. Das funktioniert in Ansätzen bereits jetzt ganz gut. Es gibt beispielsweise eine Firma, die Sensoren für große Bühnen wie die Bregenzer Festspiele und für Mörbisch entwickelt hat, aber diese Firma hat natürlich ihre Experimente nicht mit den Bregenzer Festspielen oder mit Mörbisch gemacht, sondern mit uns. Das heißt, wir konnten ein ausgesprochen teures Equipment gratis für ein Konzert verwenden. Die Firma hatte Versuchskaninchen, und wir hatten ein Equipment, das wir uns nie hätten leisten können. Ich stelle mir vor, dass es auf dieser Basis immer wieder möglich sein wird, solche Partnerschaften mit der Wirtschaft einzugehen.

 

Interview: Sabine Reiter

Foto 2 Johannes Kretz: Lukas Beck

Johannes Kretz