mica-Interview mit Huckey (Texta) zu 25 Jahre Kapu

Seit nunmehr 25 Jahren ist die Linzer Kapu als Veranstaltungsort, Schmelztiegel kreativer Energien und Ursprung einer Vielzahl namhafter Künstler aus der österreichischen Musiklandschaft nicht mehr wegzudenken. Anlässlich des Jubiläums stellt Kapu-Urgestein Huckey (Texta) diese Kulturinstitution vor und lässt auch noch einmal deren Anfangstage Revue passieren. Das Interview führte Michael Masen.  

Als jemand, der noch zur ersten Generation der Kapu-Geschichte gehört, kannst du ein wenig darüber erzählen, wie sich die Kapu zu dem entwickelt hat, was sie heute darstellt?

Ich werde versuchen, es möglichst kurz zu machen, da die Geschichte des Hauses ja irrsinnig lang ist. Damals gehörte das ganze Haus noch der Sozialistischen Jugend. Oben im Stock waren die Büroräumlichkeiten untergebracht und unten wurden Veranstaltungen gemacht. Allzu viel konnten die allerdings nicht machen, weil sie einfach zu keiner Szene und zu keinen Künstlern einen Bezug hatten. So etwas aufzubauen, war damals noch viel schwieriger als heute, weil die ganze Kommunikation ja über Briefe oder Mundpropaganda gelaufen ist.

Wir waren damals junge Punks und sind über Tomislav Zuljecic, der damals dort gearbeitet hat und im Laufe der Zeit auch, unter anderem mit seiner Band Wellblech-Untergrund, in der Kulturszene immer wichtiger wurde, in die Kapu gekommen. Eine andere für uns wichtige und im Haus tätige Person war damals noch Johnny Pichler, der später dann auch Bassist von Target On Demand war.

Jedenfalls sind über diese beiden dann wieder vermehrt Leute in die Kapu gekommen und auch die bis heute bestehenden Betriebsgruppen hat es schon gegeben. Ich war einer von denjenigen Personen, die wildest darauf bestanden haben, dass diese Betriebsgruppen weiter geführt werden. So eine Versammlung gibt es jetzt jeden Mittwoch und dort trifft man sich und diskutiert sämtliche, die Kapu betreffenden Angelegenheiten, wie etwa das neu zusammenzustellende Programm. In so eine Betriebsgruppenversammlung sind wir jedenfalls damals hinein gestürmt und haben gemeint, wir wollen im Haus Veranstaltungen organisieren. Die Geschäftsführung war in dieser Sache auf unserer Seite und so haben wir dann bald darauf unser erstes Konzert in der Kapu veranstaltet. Gespielt haben Extrem aus Wien und da das wirklich gut funktioniert hat, haben wir dann immer weiter gemacht und in Folge praktisch das ganze Haus in Besitz genommen.

Ihr hattet also keinen Mietvertrag, sondern habt euch einfach sukzessive immer mehr eingebracht?

Genau. Mieter war ja damals die Sozialistische Jugend. Dass wir Miete zahlen sollten, war gar nicht im Gespräch. Wir haben einfach dort unsere Veranstaltungen gemacht und die SJ war darüber sogar froh, weil sie ohnehin Veranstaltungen machen wollte, aber eben das dafür notwendige Know How gefehlt hat. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die immer bloß so Rocker-Diskos gemacht, wo sie halt eine Lichtorgel hingestellt und Led Zeppelin gespielt haben und die Leute einfach bloß betrunken herumgelegen sind. Das wollten sie aber auch nicht mehr haben und waren deswegen ganz froh, dass jemand gekommen ist, der ein bisschen mehr gemacht hat. Obwohl sie uns vielleicht ein wenig wild gefunden haben, war es ihnen also generell nicht unrecht, dass wir uns da eingebracht haben.

Wie ist die Kapu heute strukturell organisiert? Seid ihr ein Verein?

Ja, mittlerweile ist die Kapu ein Verein und auch selbst Mieter des Hauses. Wir zahlen Miete, die wir aber über Subventionen refundiert bekommen. Die SJ ist schon vor Jahren ausgezogen. In den Anfangstagen des Kulturvereins Kapu waren zwar noch Mitglieder von denen dabei, aber die wurden dann quasi auf natürliche Weise immer mehr hinaus gedrängt, weil deren Leute im Vorstand des Vereins immer weniger, unsere hingegen immer mehr wurden. Die Relation hat sich also sozusagen umgekehrt.

Irgendwann einmal haben die SJ-Leute auch eingesehen, dass es keinen Sinn mehr macht, weil sie sich sowieso überhaupt nicht einbringen konnten, keine Ideen hatten, und so haben sie halt das Haus verlassen und wir sind Mieter geworden. Das ist aber ganz ohne jeglichen Streit abgelaufen. Die SJ hat dann auch ein neues Büro von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen und niemand war auf irgendjemanden sauer.

Wie viele Leute arbeiten heute im Kapu-Team? Arbeiten alle ehrenamtlich, oder gibt es auch Leute, die das sozusagen hauptberuflich machen?

Es gibt zwei Geschäftsführer, Maria Steinbauer und Richard Herbst, die bezahlt werden. Dann gibt es noch einen “Hausmeister”, der sich um alle technischen Angelegenheiten kümmert und der Philip Kroll bekommt als Obmann des Kulturvereins auch ein kleines Gehalt. Das war es dann aber auch schon. Bis vor kurzem hatten wir auch eine Buchhalterin, aber es hat sich gezeigt, dass es sinnvoller und praktischer ist, wenn deren Aufgaben gleich von den Geschäftsführern mit erledigt werden, weil die auch einen Überblick über sämtliche Zusammenhänge haben.

Für das, was sie bezahlt bekommen, arbeiten alle Beteiligten jedenfalls irrsinnig viel und sind quasi rund um die Uhr in der Kapu. Vor allem auch, weil meiner Meinung nach im Moment einfach zu viele Veranstaltungen statt finden. Zu einer 80-Stunden-Woche fehlt da nicht viel. Und hinzu kommen noch all diejenigen Leute, die ehrenamtlich mit arbeiten.

Finden in der Kapu neben Konzerten auch noch andere Veranstaltungen statt?

Ja, neben den Konzerten gibt es noch viele andere Sachen. Abgesehen davon, dass wir seit jeher Lesungen mit Leuten wie beispielsweise Rocko Schamoni oder Markus Binder veranstalten, ist die Kapu auch noch jedes Jahr Teil vom Crossing Europe Filmfestival. Wir haben da im Dachgeschoss einen kleinen Kinoraum, wo ausgesuchte Filme gezeigt werden. Das hat sich dann weiter entwickelt zum “Googolplex”, als Homage an diese ganzen Cineplexes. Für kleinere Filme ist dieser Raum mit einem Fassungsvermögen von 55-60 Plätzen optimal. Mittlerweile wird das Filmfestival-Programm auch schon immer programmatisch auf das Kapu-Ambiente abgestimmt. Das ist also jedes Jahr ein Fixpunkt in unserem Programm.

Weiters gibt es noch irrsinnig viele Projekte, die im Rahmen der Kapu laufen. Das reicht von Sozial- bis hin zu Kunstprojekten. Eines dieser Projekte, “Aussitzen”, ist erst gerade jetzt, Ende Dezember, zu Ende gegangen. Im Zuge des ganzen Linz09-Spektakels haben wir beschlossen, als Kontrast zu dessen Programm, gar nichts zu machen, die Sache sozusagen “auszusitzen”. Wir haben dann dazu ein Konzept geschrieben, das schließlich im alten Kontrust-Plattenladen, direkt auf der Kulturmeile, wo auch die ganzen Touristen flanieren, umgesetzt wurde. Dabei haben wir dieses kleine Lokal das ganze Jahr über wie eine Firma, einen Betrieb “bespielt”. Es gab normale Werktage, aber auch Urlaub und Feiertage. Insgesamt sind wir so auf 260 bis 280 Tage gekommen, an denen das Lokal genutzt wurde. Jeden Tag durfte jemand anderes den Raum nutzen und wurde dafür auch bezahlt. Sie konnten da drin machen, was sie wollten. Einzige Voraussetzung war, dass sie von 9 bis 17 Uhr da drin geblieben sind. Von 28. bis 31. Dezember haben wir dieses Projekt dann mit einer Schlussveranstaltung beschlossen. Da haben wir eine Ausstellung gemacht mit Sachen, die Leute in diesem Raum geschaffen haben.

Ein zweites großes Projekt war die Wir-AG, wo wir drei Tage lang durchgehend den Linzer Hauptplatz besetzt haben. Da wurden Container aufgestellt, Lesungen und Konzerte veranstaltet, Podiumsdiskussionen geführt und sogar eine Zeitung gemacht. Das war total klasse. Als Höhepunkt folgte schließlich noch ein Auftritt von Fuckhead, mit Klavierzerstörung und allem drum und dran.

 

 

Wenn man mal so über die österreichische Musikszene drüber schaut, springt einem schnell ins Auge, dass überdurchschnittlich viele der heute namhaften Bands und Künstler ursprünglich aus dem Kapu-Umfeld kommen. Hast du dafür eine Erklärung?

Du bist nicht der Erste, der mich das fragt. Es gibt wirklich irrsinnig viele Bands, die hier ihren Ursprung haben. Ich weiß aber auch nicht, woran das liegt. Vielleicht an der Stadt selbst, weil die Leute hier eben so drauf sind. Das ging aber auch schon vor den Kapu-Zeiten los. In der Linzer Rockszene, wie ich sie erlebt habe, war man gleich mal mit einer Formation wie Willie Warma konfrontiert, die meiner Meinung nach immer noch eine der besten Bands Österreichs darstellt. Es gibt da diesen ganz speziellen Spirit, den man bei Bands wie Fuckhead, Attwenger, Valina oder Shy überall heraus hören kann. Die Musik ist bei allen anders, aber der Spirit ist gleich.

Auch, wenn manche dieser Leute mittlerweile nach Wien oder anderswohin gezogen sind, wie etwa Attwenger, merkt man nach wie vor, dass das aus Linz kommt. Aber wie das alles zustande gekommen ist, kann ich mir auch nicht wirklich erklären.

Wie sieht die aktuelle Situation aus? Entstehen im Kapu-Umfeld nach wie vor interessante Formationen, jetzt wo sich die alten Hasen ein wenig versprengt haben, oder ist das mittlerweile ein wenig eingeschlafen?

Gott sei dank ist es so, dass immer irgendjemand nach kommt. Vom Hip Hop- bis hin zum Indie-Genre – wenn ich da so drüber schaue, entdecke ich immer jemanden, der wieder genug Energie und Antrieb hat, um neue Sachen zu machen. Aber auch die alten Leute sind immer noch mit Linz verknüpft. Auch wenn viele mittlerweile wo anders leben, kommen sie immer wieder mal zurück und hängen da auch gleich wieder in verschiedensten Projekten drin. Die Verbindungen sind also alle noch aufrecht.

Mit dem Kapuzine gibt die Kapu seit 1998 auch ein eigenes Fanzine heraus. Die Ausgaben kann man sich auch auf der Homepage runter laden. Für 2009 ist allerdings keine einzige Ausgabe online. Bedeutet das, dass das Zine mittlerweile eingestellt wurde?

Wir bekommen gerade eine neue Kapu-Seite, die diese Tage jetzt einmal online gehen sollte. Wir warten da schon tagtäglich drauf. Die Seite ist wirklich großartig geworden.

Das Kapuzine ist also nicht tot?

Nein, das gibt es auch weiterhin. Es gibt jetzt aber Überlegungen, die Printmagazine bezüglich der Verteilung an die diversesten Stellen etwas zurück zu nehmen – die einen sind dafür, die anderen dagegen. Was am Ende passiert, wird sich also noch zeigen. Im Prinzip ist ja eh alles online und heutzutage schaut man sowieso meistens ins Internet, wenn man sich informieren möchte.

Zusätzlich habt ihr ja auch noch einen Newsletter.

Ja, das haben wir auch. Der wird von Richie sehr gut und wirklich akribisch betreut.

Schreiben fürs Kapuzine immer dieselben Leute bzw. gibt es so etwas wie eine Redaktion?

Eine Redaktion in dem Sinn, dass irgendwo jemand rum sitzt und die Leute zusammen scheißt, darf man sich nicht vorstellen. Die meiste Arbeit ist halt das Layouten, vor allem, wenn man kein Geld zur Verfügung hat. Es muss sich immer erst jemand finden, der das macht. Für mich ist das Kapuzine einfach eine erweiterte Programmzeitschrift, wo erstmal ganz klassisch die anstehenden Konzerte angekündigt werden und dann kommen noch Kolumnen (die immer von denselben Leuten geschrieben werden) und Storys dazu. Zusätzlich finden sich im Zine schließlich auch noch immer Plattenrezensionen. Gerade weil heimische Platten in der hiesigen Rezensionskultur stets ein wenig stiefmütterlich behandelt werden, wollten wir dem entgegen wirken. Im Laufe der Zeit haben sich die Plattenrezensionen dann auch noch um solche zu Büchern und Filmen erweitert, sofern es da halt was Interessantes gibt.

Das Kapuzine hat sich einfach so als Statement entwickelt, wo teilweise auch wirklich scharfe Artikel drinnen stehen bzw. Leute ihren persönlichen Wahnsinn abliefern können. Diese Nische füllt das Zine mittlerweile recht gut aus, wie ich finde.

Es gibt ja dann auch noch die Kapu Radio-Shows.

Genau, beide Shows laufen über Radio Fro. Eine Show betreut Richie Herbst, das ist so ein Sender, wo neue Sachen gespielt werden und das andere fokussiert sich mehr auf die Abhandlung von Konzerten, wo auch Livemitschnitte und solches Zeug gespielt werden. Lange Zeit haben wir diese Shows etwas stiefmütterlich behandelt, aber jetzt sind wir dabei, den Platz wieder besser auszufüllen. Mal schauen, wie sich das noch entwickeln wird.

Ihr wollt die Sendungen also konzeptionell strukturierter anlegen?

Ja, genau. Wir werden schauen, welche mit der Kapu verbundenen Konzepte wir über so eine Sendung stülpen können. Und dann muss es ja auch nicht immer um die Kapu gehen. Ich glaube, da kann man ruhig thematisch offen bleiben.

Generell sind aber schon auch Wortbeiträge angedacht und nicht bloß das Abspielen von Musik?

Ja, das ist alles angedacht. Es kann wirklich alles passieren, aber natürlich ist das schon wieder mit irrsinnig viel Arbeit verbunden. Der Richie kümmert sich eh sehr gut darum, aber viel Zeit nimmt es halt trotzdem in Anspruch. Wenn Leute, die eh schon immer am Limit arbeiten, auch noch für den Radiosender werken müssen, dann geht sich das auf Dauer eben einfach nicht aus. Deswegen müssen wir schauen, was sich da in nächster Zeit noch ergeben wird.

Stichwort “nächste Zeit”. Stehen demnächst wieder irgendwelche größeren Projekte an?

Wir sind jetzt erstmal froh, dass das Kulturhauptstadtjahr vorbei ist. Jetzt kann wieder alles einen Lauf nehmen, der konzentrierter und reflektierter ist, als noch im letzten Jahr. Ein Projekt haben wir eh noch am Laufen, das heißt “Stadtguerilla”. Das Konzept dabei ist es, den öffentlichen Raum überfallsartig zu bespielen. Entstanden ist das aus der Wir-AG, wo wir den Hauptplatz besetzt haben. Dieses Konzept haben wir weiter gedacht und sind mit einem Beamer und einem Bus herum gefahren und haben an öffentlichen Orten Filme gezeigt. Wir haben jetzt auch ein mobiles Soundsystem, zwei große Boxen und einen ordentlichen Verstärker, die wir zum Bespielen der Orte mit Musik nutzen. Man braucht nur noch ein Aggregat, Plattenspieler und einen Mischer, dann funktioniert das schon. Dieses Projekt läuft jetzt noch bis Ende März.

Und dann gibt es noch Projekte von anderen Leuten, wo wir aber auch mit dabei sind, wie beispielsweise das Ottensheim Open Air. Letztes Jahr ist dieses Festival ja leider buchstäblich ins Wasser gefallen, aber mittlerweile hat es schon wieder die fünfte Sitzung gegeben und die Planung läuft auf Hochtouren. Zusätzlich wird uns dann aber sicher auch noch das eine oder andere Ding einfallen, das wir machen können. Ich freue mich jedenfalls sehr auf 2010 und dass wir die Dinge endlich wieder reflektierter angehen können und nicht von Event zu Event hetzen müssen. Das war letztes Jahr einfach schon too much und wir haben nicht mehr ordentlich arbeiten können. Das wird heuer auf jeden Fall besser werden.

Vielen Dank fürs Interview.