Marcus Zbonek ist ein Tausendsassa: Er war Schauspieler, Buchautor, Werbetexter und Techno-DJ. Heute macht er nach einer längeren Pause unter dem Pseudonym Hr. Tischbein wieder Musik – und das sehr erfolgreich. Sein neues Album „Kragenweite“, das am 25. Mai 2012 im Wiener Rabenhof präsentiert wird, ergibt somit einen guten Anlass für dieses Interview, geführt von Jürgen Plank.
Wie ist dein musikalischer Werdegang bis zum heutigen Tag?
In meiner frühesten Jugend war ich beeinflusst von Chansons, Jacques Brél und solche Sachen. Anfang der 1990er-Jahre war ich ein Urgestein der österreichischen Technoszene und der bin ich auch ganz lange treu geblieben. Ich habe ganz lange eine eigene Performance-Gruppe gehabt, die hat Living FX geheißen und mit der bin ich Gasometer aufgetreten und unter dem Pseudonym MC Mars in vielen Ländern Europas als MC getingelt. Das ging bis Anfang 2000 so dahin, dann habe ich mich ein bisschen zurückgezogen und auch Sachen von früher mehr gehört und dann fand ich die Mischung dieser beiden Ansätze sehr schön. Es gibt einen österreichischen Vorreiter, Parov Stelar, der mich beeinflusst hat, in diese Richtung weiter zu machen.
Du hast aber auch schon viele andere Dinge gemacht?
Ja, ich habe Schauspiel studiert und habe Bücher geschrieben und habe auch viele Jahre als Werbetexter gearbeitet. Weil ich also sehr textlastig bin, ist für mich das Texten ganz wichtig und die deutsche Sprache ist wichtig. Ich könnte mir nicht vorstellen in englischer Sprache zu texten – und dann entsteht eben so etwas, was ich jetzt mache.
Herr Tischbein – Sympathie (Akaaka Remix) Soundcloud Preview by NB Records
Erzähle noch ein bisschen über diese Techno-Zeit, wie war das?
Dieser grenzenlose Hedonismus Anfang und Mitte der 1990er-Jahre – ich glaube jede Bewegung ist am spannendsten, wenn sie gerade entsteht und wenn man da dabei ist. Und das war damals auch für mich so, ich war im Gegensatz zu heute viel offener für Modemacher und ich war eben Schauspieler in dieser Zeit und damals gab es noch keine tollen Visuals. Und ich dachte mir: Wenn man im Gasometer vor 8000 Leuten Theater macht, das wäre spannend! Ich bin mit dem Konzept dorthin gegangen und so ist das sehr schnell gewachsen. Bei diesen Performances musste man halt Theater für ein riesengroßes Publikum machen, also Mimik und kleine Sachen funktionieren dort nicht. Da gab es schon Trampolinspringer und Akrobatik und viele, viele Leute auf der Bühne, es war sehr vielseitig. Spannend war es für mich auch, weil ich die Musik zur Choreographie gemacht habe – und so bin ich auch zum Musikmachen gekommen.
Dann hast du eine Pause von der Musik gemacht, ab dem Jahr 2003, wieso hast die Pause aber wieder beendet?
Ich habe bei einer Werbeagentur ein Praktikum gemacht und dort bin ich dann auch acht Jahre lang geblieben. Die Werbung ist eine intensive Branche, da kann man nicht nebenbei noch etwas anderes machen. Oder um sechs Uhr nach Hause gehen – sondern da sitzt man halt bis man die Idee hat, auch mal bis neun oder zehn Uhr am Abend. Ich habe zwar für die Werbung Musik gemacht, aber das zählt für mich nicht.
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Wann hast du dann wieder begonnen, Musik zu machen?
Das war nur ein Spaßprojekt, das Lied „Symphatie“, das war auch der erste Hit, das habe ich mit dem Produzenten Franz Kremslehner gemacht und ein österreichisches Label hat das veröffentlicht – in der Hoffnung Remixes von aka aka und Robert Babizc zu bekommen. Ich habe dann noch ein Video gedreht und das hat in kurzer Zeit ganz viele Klicks bekommen und dann ging alles schnell: Dann kam Universal Deutschland und hat mich nach Berlin eingeladen für einen Plattenvertrag. Was für mich schmeichelhaft war: Ö3 und FM4 haben das Lied gespielt, also plötzlich war man sich uneinig, zu welchem Genre ich jetzt gehöre. Dann kam noch ein zweites Lied „Die Blume“, die war dann ebenfalls recht erfolgreich, auch in Deutschland. In Bayern läuft es sehr gut, auf Bayern 3 bin ich Zweiter in der Kategorie „Lied des Jahres“ geworden. Dieses Video hat den deutschen Webvideo-Award gewonnen. Dann war ich sehr motiviert, das Album zu machen und wollte mich da nicht stressen lassen, denn das Album sollte laut Universal in vier Wochen fertig sein, inzwischen ist aber ein Jahr vergangen und der Vertrag mit Universal lief dann aus und ich habe inzwischen mein eigenes Label Ringelspiel Records gegründet und bin mein eigener Herr und bestimme die Zeit selbst, die ich brauche, um eine Platte zu produzieren.
Musikalisch habe ich auf deiner aktuellen Platte „Kragenweite“ eine Mischung aus Ragtime, Schlager der 1930er und 1970er und Techno gehört. Was würdest du dazu sagen?
Also diese elektronischen Einflüsse sind natürlich da. Vieles ist am Computer entstanden, wir arbeiten vorwiegend so, dass wir alte Schellacks hernehmen, wir backen die im Backofen und reinigen sie mit Spezialflüssigkeiten, sodass man sie noch einmal digitalisieren und aufnehmen kann und aus den Fragmenten produzieren wir dann Loops neu – und somit steckt da musikalisch vieles drinnen, aber vorwiegend sind es die 20er und 30er-Jahre und eben das Heute.
Dein neues Album erscheint nun, wie geht es jetzt weiter?
Weil ich ja ursprünglich vom Schauspiel komme, ist mir die Bühne und die Präsenz auf der Bühne besonders wichtig. Ich würde mich auch nicht als Musiker bezeichnen, sondern als – ich weiß es nicht – nennen wir es mal musizierenden Schauspieler. Ich habe mich bei Konzerten auch immer furchtbar gelangweilt, denn: Oh, jetzt kommt das virtuose Saxophonsolo und das ist dann das Highlight der Show. Das ist mir halt zu wenig und deswegen ist mir die intensive Probenarbeit an der Umsetzung der Platte auf der Bühne extrem wichtig, ich arbeite inzwischen mit 12 Leuten auf der Bühne in Sachen Technik und Musik und ich will das sehr gescheit umsetzen. Mir ist es wichtig, zu überraschen, eine Art Varieté auf die Bühne zu bringen. Es interessiert mich auch ziemlich wenig damit in Großraumdiscotheken herum zu tingeln, da ist das Theater für mich der viel magischere Ort. In Discos war ich viele Jahre lang in den 1990ern (lacht).
Hr. Tischbein: „Kragenweite“ (Ringelspiel Records/Hoanzl) (VÖ: 25.5.2012)
Fr 25.5.2012
CD-Präsentation
Rabenhof, Rabengasse 3, 1030 Wien, t: 01/7128282
Fotos: Jürgen Plank
http://www.herrtischbein.at