mica-Interview mit Horst Ebenhöh

Er zählt ohne Zweifel zu den großen Persönlichkeiten der Neuen Musik in diesem Land, der 1930 in Wien geborene Komponist Horst Ebenhöh. Bekannt geworden ist der 1980 mit dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnete Künstler besonders mit “Die Pfaffenberger Nacht” (1970). Wie andere herausragende Komponisten seiner Generation, versuchte auch Ebenhöh mit traditionellen musikalischen Begrifflichkeiten zu brechen. Bei ihm waren es nicht die Tonalität und rationale Überlegungen, welche im Vordergrund standen, vielmehr waren es der Rhythmus, Motivbildungen sowie Klang- und Geräuschfarben, mit welchen er experimentierte. Das Interview führte Doris Weberberger.

Doris Weberberger: Sie sind 1930 geboren, Ihr Werkverzeichnis beginnt in den 50er Jahren. Damit haben Sie den Überblick über Jahrzehnte des Geschehens im Bereich der Neuen Musik. Wie hat sich dieser verändert?

Horst Ebenhöh: Über lange Zeit waren die Veränderungen sehr kontinuierlich, abgesehen von manchen Paukenschlägen, aber das ist ja schon außerhalb unserer jetzigen Zeit mit der Kreierung der Dodekaphonie. Alles andere hat sich meiner Meinung nach eingeschliffen. Der Rhythmus ist stark angelehnt an Unterhaltungsmusik, also Pop und Jazz, wobei ich da sehr distanziert bin, denn ich habe meine Rhythmen von ganz wo anders, nämlich aus dem Orient. Vier Mal war ich zwei Monate lang dort – das waren eigentlich geographische Reisen, aber sie haben mich musikalisch inspiriert. Inzwischen kenne ich meine Rhythmen und kann sie auch vom Blatt spielen, aber andere können das nicht, weil man irgendwo über die Rhythmen stolpert. Sehr viel gelernt habe ich von Bartók, auch von Strawinski. Ich habe ja aber nie wirklich Komposition studiert sondern bin Autodidakt; als Brotberuf habe ich Geographie und Musik am Gymnasium unterrichtet. Meine Eltern waren sehr bedacht, dass ich mich nicht aufs Glatteis begebe, es war auch nicht in meinem Sinn. Ich bin kein Harsadeur. In der Literatur und in Erzählungen habe ich das Bild vermittelt bekommen, dass es in den 50er und 60er Jahren richtige Grabenkämpfe zwischen avantgardistischen und traditionell orientierten Komponisten gegeben hat. Das war damals vielleicht offensichtlich, heute gibt es das nach wie vor, aber verdeckt.

Meinen Sie, dass Sie dem dadurch entkommen sind, dass sie Autodidakt und nicht in den akademischen Betrieb eingebunden sind?

Ich habe versucht, immer meine eigenen Gedanken zu realisieren, was mir, ohne Überheblichkeit gesagt, zum Teil sicher gelungen ist. Ich bin immer dem, was schon eingegleist war, aus dem Weg gegangen und da ist so viel Terrain, auf dem man komponieren kann. Ich habe eindeutig romantisch begonnen, war zunächst einmal nicht als Avantgardist, sondern als Ultrakonservativer bekannt, der ich bitte nicht war. Sicher, ich habe von Brahms viel gelernt: Die Motivverarbeitung – wo kann man das besser als bei Brahms studieren? Meine Lieblingskomponisten sind gar nicht aus der Moderne: Mozart. Schubert. Die beiden habe ich überhaupt am allerliebsten.

Zur Tonalität: Schon wenn Schubert eine Tonart neben eine fremde setzt, ist das bereits der Anfang der Auflösung der strengen Tonalität. Was habe ich mit der Tonalität gemacht? Mir war es wurscht, genau genommen. Meine 1. Violinsonate op. 1, also das erste Werk, mit dem ich ein bisschen mehr in die Öffentlichkeit gerückt bin und für das ich 1950 einen Preis der Musikakademie Wien erhalten habe, ist in C-Dur. Die Anlage, die Tonalität zu verlassen, ist aber schon in diesem Werk erkennbar.

Hier muss ich einschieben: Ich war prinzipiell kein Verfechter der Zwölftontechnik. Ich habe ein einziges Mal in einem Werk Dodekaphonie eingesetzt und dann habe ich mir gedacht, da fällt mir etwas Besseres ein. Das ist mein persönlicher Geschmack. Ich sehe nicht ein, dass man Musik unbedingt berechnen muss. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass Mathematik immer ein Problem war bei mir [lacht].

Heut ist es so: Wenn ich allem, meiner Meinung nach Eingegleistem aus dem Weg gehe, muss ich immer wieder überraschende Töne bringen und nähere mich, ohne dass ich es will, auch einer Art Zwölftonmusik – nur nicht ausgerechnet. Heute drängt es mich, aus dieser Reihe auszusteigen und Zwischentöne einzufügen. Die Entwicklung der Tonalität führt dann weiter zur Mikrotonalität, die ich teilweise pragmatisch anwende. Auf meiner CD „Klarinettenfarben“ habe ich ein schönes Beispiel, bei dem eine Klarinette ein Glissando über einen Viertelton aufwärts spielt und die zweite Klarinette geht im Glissando einen Viertelton hinunter und sie treffen sich wieder in einem Halbtonschritt, der allerdings nicht im System der normalen Tonalität zu finden ist. Was da an Schwebungen entsteht – man kann es nicht ein zweites Mal so machen, da entsteht ein Inferno während dieses Glissandos.
Heute komme ich immer wieder zur Tradition zurück. Was gäbe ich dafür, würde mir einmal eine Schubert-Melodie einfallen – das war einmal. Aber ich habe Sympathie dafür, und wenn es einmal kommt, begebe ich mich auch ohne weiteres in die Tonalität, wenn auch nur für kurze Zeit.

Wie ich gesehen habe, werden Ihre Stücke immer wieder aufgeführt …

… das wundert mich eigentlich selbst. Ich kann ohne zu lügen sagen, ich garantiere für große Publikumsakzeptanz, und zwar sowohl bei Leuten, die die traditionelle Musik lieber haben, als auch bei manchen Avantgardisten. Wenn ein Stück von mir gut aufgeführt wird, kann ich annehmen, dass das Publikum einverstanden ist. Und noch etwas: Ich kann auch dazuschreiben: Ich garantiere, dass Sie nicht einschlafen können. Und zwar nicht wegen dem Lärm, sondern weil ich einfach versuche, das ganze unter Spannung zu halten, obwohl ich ja nicht mit der tonalen Spannung arbeite. Das geht vor allem über den Rhythmus. Da glaube ich, sind die Grundlagen für die Publikumsakzeptanz zu suchen, wobei ich immer noch als suspekt gelte. Ich habe ja mit der Tradition nicht gebrochen. Ich lege keinen Wert darauf, Avantgardist zu sein, ich bin keiner. Das sind die heutigen Probleme und Spannungen innerhalb der Komponistenschaft und leider auch innerhalb der Komponistenverbände. Ich bin Gründungsmitglied von der INÖK [Interessengemeinschaft Niederösterreichische KomponistInnen]. Bei der ÖGZM, die früher ja als erzkonservativ gegolten hat, hat es den Paragraphen gegeben: Wer zwölftönig komponierte, durfte nicht Mitglied werden. Zu der Zeit, zu der ich eingetreten bin, habe ich mit Fug und Recht sagen können, dass ich das nicht mache. Damit war ich Mitglied. Trotzdem habe ich unter zu wenigen Aufführungen zu leiden und gelte als Einzelgänger, als Einsamer. Zufrieden bin trotz der wenigen Aufführungen. Durch die finanzielle Lage ist es aber in letzter Zeit noch deutlich schlechter geworden.

Was würde es Ihrer Meinung nach bedürfen, um die Situation zu verbessern?

Man sieht eigentlich nur schwarz-weiß. Alt oder Avantgarde. Dass es einen unglaublich großen Bereich gibt, wo die Moderne zwar vorhanden ist, aber manchmal auch ein Seitenblick auf die Vergangenheit oder vice versa auch in die Avantgarde geworfen wird, wird oft nicht bedacht. Ich habe ja von der Avantgarde auch etliches übernommen, nur treibe ich keinen Purismus. Es muss sich in meine persönliche Vorstellung integrieren lassen.

Welche Interessen haben Sie zur Gründung der INÖK bewogen?

Die INÖK war ursprünglich keine Aufführungsgesellschaft, sondern Selbsthilfe. Damals wollten die Verlage kaum Werke annehmen, deswegen haben wir einen eigenen Verlag gegründet – die Niederösterreich Edition mit einer Sonderstellung der Komponisten, die weiterhin Eigentümer sind und Werke jederzeit wieder aus der Kollektion herausnehmen und anderweitig verwerten können. Das war der Grundgedanke. Dadurch, dass die Werke erschienen sind, wurden auch viele aufgeführt. So ist zunächst sehr viel geschehen.

Dadurch, dass Sie selbst unterrichtet haben, habe ich den Eindruck gewonnen, dass auch die pädagogische Komponente in Ihren Werken oft eine wichtige Rolle spielt.

Ich habe sehr gerne am Gymnasium unterrichtet. Musik ist ja immer ein Fach, in dem ein guter Unterricht schwer ist, wenn die Schüler nicht wollen. Irgendwie habe ich doch die Gabe, dass ich, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit den Schülern unglaublich gut ausgekommen bin. Da hat aber auch die Geographie mitgewirkt, dass ich einen Wandertag gemacht habe, möglichst dreitägig, oder Schullandwochen in Osttirol. Da haben wir uns sehr kollegial verstanden.

Welche Musik haben Sie unterrichtet?

Der Lehrplan setzt voraus, dass man jede Periode mit Beispielen durchnimmt. Ich habe mir von Vornherein eine Extrawurst gebraten, indem ich geschaut habe, dass ich in der 7. Klasse bis ins 20. Jahrhundert komme – das war nicht vorgesehen. Einmal habe ich auch einen Verweis bekommen, weil ich in der 8. Klasse ausschließlich Musik aus dem 20. Jahrhundert unterrichtet habe. Ich bin auch ein bisserl stolz darauf, dass ich einige meiner Schüler für Musik begeistern konnte – auch für die Moderne.

 

http://www.ebnet.at/
https://shop.musicaustria.at/sheetmusic/ebenh%C3%B6h-horst