mica-Interview mit Guadalajara

Seit 1999 bereichert die achtköpfige Band Guadalajara, deren Stil gemäß Eigendefinition als “Bläser-Rock” bezeichnet wird, nun bereits die heimische Musiklandschaft. Im mica-Interview mit Michael Masen spricht Trompeter Bernhard Kaufmann über die Band und natürlich auch über deren gerade erschienenes Album “Weapons of Mass Seduction”.

Wie sehen eure musikalischen Anfänge aus? War von Anfang an klar, dass ihr diese Art von Musik, Bläser-Rock, machen wolltet? Wie habt ihr zu eurem heutigen Stil gefunden?
Schwierig zu sagen, uns gibt es ja mittlerweile schon seit neun Jahren. Damals, als wir angefangen haben, waren wir alle ungefähr 16 Jahre alt. Ein Freund von uns hat da eine CD aus Amerika – Less Than Jake – mitgebracht, von der wir alle schwer begeistert waren. Wir sind dann einmal in einer Runde von Freunden beisammen gesessen und haben beschlossen, dass wir eine Ska-Band machen wollen.

Angefangen haben wir schließlich mit Konzerten in der Gegend und dann irgendwann im Jahr 2001 haben wir auch bei einem Bandwettbewerb mitgemacht, bei dem wir von 70 teilnehmenden Bands den zweiten Platz belegt haben. So ist es dann eben stetig weiter gegangen mit Konzertauftritten. Zuerst in Niederösterreich, dann Wien und mittlerweile touren wir auch in Europa – es hat sich also seitdem ein bisschen etwas getan.

Vor Guadalajara war also keines der Bandmitglieder in irgendeiner Weise musikalisch aktiv?
Genau. Es hat sich ja eigentlich auch erst jetzt über die Jahre ergeben, dass wir angefangen haben, unsere Musikinstrumente zu beherrschen. Zuerst waren es eher infantile Versuche, die Instrumente zu spielen und erst durch teilweise Besetzungswechsel ist es dazu gekommen, dass manche Leute, inklusive mir, dann motiviert waren, diese richtig zu lernen.

Insgesamt hatten wir glaube ich 25 Bandmitglieder, wobei acht davon Schlagzeuger waren. Dann haben wir jetzt schon den zweiten Sänger, den zweiten Gitarristen und den dritten Bassisten. Heute ist es aber so, dass das Ganze als Kollektiv wirklich sehr gut funktioniert. Wir haben sicher teilweise gute Einzelmusiker dabei, aber die meisten sind eben Hobbymusiker und spielen halt das, was sie spielen mittlerweile ganz gut. Ob das aber in anderen Bands, im Jazz-Bereich beispielsweise, auch funktionieren würde, weiß ich nicht.

Was war der Grund für diese wirklich ungewöhnlich hohe Anzahl an verschiedenen Musikern?
Der Grund ist ganz einfach der, dass sich, wenn du im jugendlichen Alter anfängst, eine Band zu machen, irgendwann einmal die Interessen einfach auseinander entwickeln. Wenn jemand dann mit 20 drauf kommt, er muss jetzt irgendwo im Ausland studieren, oder er hat einen Job als LKW-Fahrer, wie unser alter Bassist damals, dann ist einfach nicht mehr die Zeit für Musik vorhanden. Bei den Schlagzeugern war es so, dass Schlagzeuger eben meistens eine gewisse Art von Musik präferieren und deshalb Ska, so wie wir ihn früher gespielt haben, wahrscheinlich nicht allzu lange aushalten. Die gehen dann eher zu Rock- oder Metal-Bands. Bei uns hat es meistens ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis wieder der nächste Wechsel angestanden ist.

Thomas, unser jetziger Schlagzeuger ist aber mittlerweile seit glaube ich vier Jahren dabei. Das Line-Up, in seiner derzeitigen Form, funktioniert auch seit drei Jahren wunderbar, daher glaube ich, dass die Band in ihrer momentanen Konstellation noch relativ lange bestehen bleiben wird.

Zwei Alben habt ihr bis jetzt raus gebracht, ein drittes befindet sich derzeit in der Release-Phase. Wie läuft bei euch die Studioarbeit ab? Vor allem hinsichtlich Verständigung stelle ich mir das bei einer doch recht großen Anzahl an Beteiligten teilweise recht schwierig vor.
Im Studio selbst sind wir ziemlich im Gleichklang. Am aktuellen Material haben wir ja auch zwei Jahre lang geschrieben. Im Proberaum ist es aber natürlich so, dass man sich hin setzt und überlegt, was günstiger wäre, was man machen will. Es ist aber ziemlich lustig, dass, obwohl wir acht Leute sind und jeder irgendwie aus einem anderen Musikbereich kommt, es eine gewisse Schnittmenge gibt und diese Schnittmenge eigentlich genau den Output der aktuellen CD trifft.

Wenn, dann geht es eigentlich immer eher um kleine Ungereimtheiten, wie darum, wie die Überstimmen gesetzt werden sollen, dieses oder jenes Gitarrensolo an einer bestimmten Stelle unbedingt notwendig ist, usw. Also immer so kleine Sachen, wo es eben Geschmacksunterschiede gibt, die aber relativ schnell unter einen Hut gebracht werden. Mit dem neuen Album haben wir wirklich genau den Punkt getroffen, der uns allen gefällt.

Ist bei euch der Anteil am Songwriting einigermaßen ausgeglichen, oder sind doch zwei oder drei Leute auszumachen, die mehr oder weniger das Grundgerüst der Songs erstellen?
Songwriting läuft bei uns eigentlich so ab, wie Puzzle-Arbeit. Früher haben wir zwar Sachen gemeinsam geschrieben, aber so etwas wie “jammen” gibt es bei Guadalajara nicht. Es ist mehr oder weniger so, dass zwei Leute das Grundgerüst bringen, die Melodien und Akkorde, und dann der Schlagzeuger und der Posaunist diese Lieder zusammensetzen – es gibt also vier Haupt-Songwriter. Die Texte werden erst abschließend, wenn die Melodie und alles andere steht, fertig geschrieben.

Wie beim Puzzle eben, wo Teil für Teil aneinander gefügt wird. Dann sitzen wir auch wieder zusammen, mit Zetteln, hören uns die Lieder durch und versuchen, das Ding so gut wie möglich, mit unseren Ideen voll zu packen.

Wie funktioniert das dann live? Lasst ihr euch einen gewissen Spielraum zur Improvisation, oder wird das Material eins zu eins so umgesetzt, wie auf der Platte?

Es besteht ein Definitionsspielraum, der sich allerdings so weit begrenzt, dass man halt sagt, “ok, da ist ein Solo, das dauert jetzt so und so viele Takte und in diesem Solo kann dann jeder machen, was er will”. Generell stehen die Strukturen der Songs aber fest und Spielraum besteht dann nur insoweit, dass eben jeder in den Solos tun kann, was er will.

Neben den CDs ist vor zwei Jahren auch eine DVD auf eurem eigenen Label “Slapstick Records” erschienen. Warum habt ihr die selbst vertrieben? Konnte, im Gegensatz zu den Alben, niemand gefunden werden, der das machen wollte?

Das ist mit ein Punkt, auf jeden Fall. Die Frage ist ja aber generell, warum man gewisse Sachen macht. Unsere erste CD ist auch auf einem Eigenlabel erschienen, die war auch nie in einem Vertrieb, oder so. Einfach junge Burschen, die mit 17 Jahren eine CD machen und diese unter Freunden und auf irgendwelchen Shows verkaufen. Danach haben wir ein Label gefunden, das die zweite CD gemacht hat und mit dem waren wir, sagen wir mal so, unzufrieden.

Ich will jetzt nicht sagen, dass die CD der Mega-Burner war. Für den damaligen Zeitpunkt war sie durchaus ok, aber es ist relativ wenig passiert. Und dadurch, dass ich eben Medienmanagement studiere und mich sehr viel mit der Materie beschäftige, habe ich mir überlegt, ein eigenes Label zu gründen. Das wurde dann bei der DVD in die Tat umgesetzt. Zuerst haben wir sie dem Label angeboten und die haben daraufhin gemeint, sie würden das bei der nächsten CD als Zusatz-DVD verwenden. Dafür war es uns aber einfach zu schade. Wir haben daran drei Monate lang gearbeitet, da ist eine Dokumentation drauf und ein, mit zehn Kameras gefilmtes, Live-Konzert. Lediglich als Bonus-DVD wäre uns das einfach zu schade gewesen.

Und dann haben wir die DVD eben selbst raus gebracht. Das ist ja sowieso mehr oder weniger eine Ego-Sache. Man macht das für sich selbst, als Erinnerung für später, und wenn sich die DVD dann verkauft, so ist das ein zusätzlicher, schöner Nebeneffekt. Es ist aber jetzt wirklich nie um den Verkauf gegangen, sondern darum, etwas Besonderes zu machen, was sich, für österreichische Verhältnisse, einfach von anderen Sachen abhebt und ich glaube, das ist uns gelungen.

Vom Verkauf her hat die DVD die Kosten eingespielt und wir sind jetzt so annähernd bei Null. Jedenfalls ist das wirklich etwas, wo ich mich später einmal mit meinen Kindern hinsetzen und sagen kann, “das habe ich damals gemacht, wie ich jung war”.

Besteht die Intention, irgendwann einmal auch andere Bands über dieses Label zu veröffentlichen?
Gute Frage. Ja, definitiv. Slapstick Records, so wie es war, war ja mein Label. Ich arbeite jetzt aber auch in einer Musikagentur namens The Arcadia Agency und darüber haben wir jetzt ein gleichnamiges Label gegründet, worauf bereits eine Menge Bands veröffentlichen. Falls es Möglichkeiten gibt, oder falls Interesse seitens der Bands besteht, könnten wir definitiv etwas raus bringen.

Momentan sind leider die finanziellen Möglichkeiten nicht so gegeben, dass man sehr viele professionelle Releases tätigen könnte, aber als Veröffentlichungsplattform steht es jedenfalls zur Verfügung. Es muss natürlich auch immer überlegt werden, ob es jetzt überhaupt Sinn macht, oder ob man den Bands nicht besser weiter helfen kann, wenn man ihnen Tipps gibt, wie sie es auch selber machen können. Um in gewisse Themen selbst zu investieren, ist einfach das Risiko zu hoch. Im Moment ist es einmal eine Veröffentlichungsplattform für Guadalajara, aber wenn sich später einmal mehr ergeben würde, dann könnte ich mir das schon durchaus vorstellen.

Am 22. Februar ist offiziell die neue CD erschienen. Auch auf dem eigenen Label?
Ja, die haben wir auch selbst raus gebracht – auf The Arcadia Agency, unserem Zweitlabel. Als Vertriebspartner haben wir Hoanzl gefunden und ansonsten kümmern wir uns einfach selber um alles, was so anfällt. Und das ist wirklich spannend, weil man alles selbst in der Hand hat und mit niemandem sonst irgendetwas besprechen muss. Das ganze Ding ist genau so veröffentlicht worden, wie wir uns das vorgestellt haben. Das Artwork beispielsweise hat Iris von den Staggers gemacht. Ich glaube auch, dass wir schon relativ professionell gearbeitet haben und dadurch ein gutes Resultat heraus kommen wird.

Ihr habt ja in der Vergangenheit jetzt schon auf diversen österreichischen Festivals gespielt. Inwiefern macht sich das mittlerweile bemerkbar – resonanzmäßig, bei Verkäufen, Publikumszulauf? Kann man sagen, dass das darauf doch einen gewissen positiven Effekt hatte?
Auf alle Fälle. Es ist schon komisch, sobald du auf einem Festival gespielt hast, bist du für die Leute plötzlich irgendwie eine andere Band. Da heißt es dann, “wow, die haben am Novarock bzw. Aerodrome gespielt”, dabei ist das ein Konzert wie jedes andere auch und es bringt vielleicht sogar weniger. Bei Veranstaltern und in irgendwelchen Presse-Infos sieht das dann natürlich genau gegenteilig aus und bringt auch extrem viel. Festival-Auftritte sind nicht unbedingt cooler als normale Auftritte, aber alleine von dem Standpunkt aus gesehen, ist es etwas ganz Wichtiges.

In Österreich zählt man mit Auftritten bei diesen Festivals ja quasi zur Bekanntheitsspitze, wie sieht es hinsichtlich Resonanz im Ausland aus?
Wird sich zeigen. Wir sind mit dem letzten Album live zwar in einigen Ländern unterwegs gewesen, aber ich glaube, da haben einfach die Grundvoraussetzungen nicht gepasst. Mittlerweile ist es so, dass wir uns ziemlich bemühen, die neue CD, die alte ist ja nur in Österreich erschienen, auch in anderen Ländern zu veröffentlichen. Der Plan passt sehr gut, allerdings zeitverzögert. Jetzt ist erstmal Österreich an der Reihe und später dann andere Länder.

Die Resonanz, wenn wir irgendwo spielen ist eigentlich immer super, das Schwierige an der Sache ist einfach, dort überhaupt auftreten zu können. Wir haben in der Schweiz beispielsweise auf einem Festival mit 3000 Leuten gespielt, das total super war. Dass man allerdings zu so einem Konzert kommt, oder überhaupt, zu so einer Tour, dafür ist einfach extrem viel Aufbauarbeit notwendig und an dem sind wir im Moment gerade dran.

Wie man jetzt sehen kann, auch relativ erfolgreich – allein von Mitte Februar bis Anfang Mai haben wir glaube ich 45 Konzerte. Es läuft also schön langsam an und wir haben das, was jetzt in den drei Monaten passiert, eigentlich auch für das ganze restliche Jahr geplant. Und so, wie es jetzt ausschaut, kann von dem her nicht viel fehl laufen.

Es ist mehr oder weniger ein “Schritt für Schritt”-Aufbau und wir sind bereit, den auch zu tun. Auf eine Explosion hin geht ja sowieso nichts, aber ich glaube, wenn man konstant an einer Sache arbeitet, dann kann das durchaus fruchten.

Wie sieht es bei euch im Ausland hinsichtlich Vertriebspartner aus? Habt ihr für die neue CD eigene Vertriebspartner in diversen Ländern, oder versucht ihr das im Ausland auch selbst zu organisieren?

In Slowenien haben wir ein Label, das diese Aufgabe übernimmt. Wir haben in Deutschland und in anderen Ländern über Hoanzl die Möglichkeit, das Album weiter zu vertreiben und jetzt müssen wir eben sehen, was am meisten Sinn macht. In Frankreich gibt es ein Label, das Interesse hat, das ganze Ding zu vertreiben, aber das steht jetzt gerade auch alles erst an.

Das Wichtigste ist jetzt erstmal der österreichische Release und wenn das gut läuft, dann kann man sich über andere Länder Gedanken machen. Ich bin mir aber zu 99 Prozent sicher, dass das neue Album in einigen europäischen Ländern zu haben sein wird.

Noch mal zurück zur Studio-Arbeit. Werden Stücke, in denen ihr eure Vorstellungen nicht perfekt umsetzen könnt, trotzdem veröffentlicht? Welche Abstriche nehmt ihr in Kauf?
Die Abstriche, die getätigt werden, passieren definitiv schon im Vorhinein. Wir hatten für dieses Album glaube ich 20 Songs, von denen es zwölf auf die CD geschafft haben. Ins Studio selbst sind wir aber ohnehin nur mit diesen zwölf Songs gegangen. Wir sind da im Songwriting-Prozess schon so weit, dass wir merken, welche Songs nicht funktionieren und uns dann nur auf die Ideen konzentrieren, die für uns Sinn machen.

Im Studio selber hat dann jeder seine Vorstellung, wie das klingen muss, welcher Verstärker zum Einsatz kommen soll, wo jetzt welcher Ton und welches Solo hin gehört, oder eine gewisse Überstimme, usw. Wir sind sogar so weit gegangen, dass wir für dieses Album mit einem amerikanischen Produzenten gearbeitet haben, den wir extra eingeflogen haben. Der produziert Bands, die uns sehr gefallen, wie beispielsweise Pennywise, Yellowcard und Suicidal Tendencies. Auf ihn sind wir über eine befreundete italienische Band gestoßen.

Er ist dann wirklich aus L.A. hier rüber geflogen, hat mit uns die Vocals aufgenommen und auch die Texte noch mal Korrektur gelesen, damit diesmal die Aussprache wirklich passt.

Mit ihm haben wir zwei Wochen im Studio verbracht und wenn Sachen nicht gepasst haben, wurden sie eben zum Ende hin noch mal neu aufgenommen. Ich würde sagen, mit diesem Album sind wir zu 99 Prozent zufrieden. Gewisse Abstriche muss man manchmal machen, ein anderes Mal kann man sich dann aber auch wieder gewisse Wünsche erfüllen.

Zum Beispiel haben wir mit dem Sänger einer Band, die uns sehr gefallen hat, Kontakt aufgenommen und gefragt, ob er was mit uns machen will. Das hat dann zwar drei Anläufe gebraucht, aber letzten Endes hat es doch noch funktioniert. Zuerst war er mal in Wien, hat mit seiner Band ein Konzert gespielt und wir schon ein Studio gebucht – er ist allerdings an diesem Tag so abgestürzt, dass er es nicht ins Studio geschafft hat.

Beim zweiten Anlauf hat dann auch irgendetwas nicht gepasst, aber beim dritten Mal hat er sich sogar ein Studio in Holland gemietet und mit uns diesen Track aufgenommen, der jetzt auch auf dem neuen Album zu hören ist. Wir können sehr hartnäckig sein, wenn wir Ideen haben, die wir umsetzen wollen.

Mit dem Beatsteaks-Sänger wollten wir ja eigentlich auch etwas machen, sind da aber am Management gescheitert. In solchen Fällen findet man eben Alternativ-Lösungen. Jetzt ist der Martl von Jonas Goldbaum auf der CD und spielt ein Solo und auch Stuart Freeman von FM4 ist mit einem Spoken Word-Intro vertreten.

Das sind eben so gewisse Träume, die wir uns verwirklichen wollten und das haben wir, so gut es möglich war, auch umgesetzt. Vom Musikalischen her haben wir dann sowieso acht Monate lang im Studio verbracht, bis wir an dem Punkt angelangt waren, wo wirklich jeder zufrieden war und nichts Störendes mehr gefunden hat. Wobei natürlich auch viel Homerecording passiert ist.

Mit dem neuen Album seid ihr also vollauf zufrieden. Wie sieht es rückblickend mit den letzten Veröffentlichungen aus? Kannst du dir die selber noch anhören, oder findest du da mittlerweile viele Sachen, die einfach stören?
Das ist alles abhängig von der Zeit, in der es passiert. Das erste Album hat damals einfach gepasst. Jetzt, vom heutigen Standpunkt aus gesehen, würde ich es nicht mehr veröffentlichen, aber zur damaligen Zeit war es das Beste, was wir machen konnten. Ich finde, man muss in einer gewissen Weise auch stolz auf das sein, was man macht – alles hat seine Zeit und für gewisse Sachen muss diese Zeit eben erst kommen.

Dementsprechend auch das letzte Album. Damals, als wir es gemacht haben, waren wir auch stolz darauf, aber wenn ich es mir jetzt anhöre, dann weiß ich, dass ich viele Sachen anders machen würde. Wir hätten es zu dieser Zeit auch gar nicht besser machen können. Und somit muss man irgendwann einmal einfach den Punkt erreichen, wo man mit einer Sache abschließt und Platz für etwas Neues schafft.

Wer weiß, ob wir nicht in einem Jahr bereits da sitzen und komplett über das aktuelle Album, das wir jetzt raus bringen, schimpfen. Das ist aber auch egal, denn für den jetzigen Zeitpunkt gibt es nichts, was wir hätten besser machen können.

Steht es bei euch zur Debatte, alte Lieder, mit denen ihr heute nicht mehr so zufrieden seid, in anderem Arrangement neu aufzunehmen, oder zieht ihr da komplett einen Schlussstrich?
Schlussstrich, definitiv. Es ist auch schwierig, Lieder vom ersten Album zu spielen, weil sie einfach musikalisch so aus dem Rahmen fallen würden, dass sie ins derzeitige Setup gar nicht passen würden. Es gibt dann auch gewisse Fehltritte, die uns zwar einige Türen geöffnet haben, aber die uns jetzt, im Nachhinein, ziemlich auf den Wecker gehen.

Beispielsweise haben wir das Lied “I don’t like Mondays” von den Boomtown Rats gecovert, das die Leute komischerweise heute immer noch hören wollen. Darüber hinaus wird es auch von den Radiostationen gespielt – dabei hassen wir die Nummer und können sie einfach nicht mehr hören. Dann ist bei Konzerten auch irgendwann der Punkt gekommen, wo wir das Stück einfach nicht mehr gespielt haben und es uns egal war, dass es die Leute hören wollten.

Frustrierend ist es vor allem dann, wenn du ein neues Album machst und im Radio läuft, auch zwei Jahre später, immer noch dieses eine Lied von der ersten CD, während die neuen Sachen komplett ignoriert werden.

Das neue Album ist jetzt am 22.2. erschienen. Wird es dazu auch eine Release-Party geben?
Es gibt zwei Konzerte, die auch als “Release-Party” angekündigt sind. Die erste davon ist am 29.2. im WUK und die zweite am Tag darauf im Grazer PPC. Daneben gibt es dann eben noch eine Österreich umspannende Tour mit Konzerten in eigentlich allen größeren Städten. Release-Shows, für die wir uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen werden, sind jedoch nur diese beiden in Wien und Graz. Einmal hatten wir bei einer Release-Party beispielsweise Cheerleader, Tänzer, Feuerspucker, alles Mögliche. Das kann man übrigens auch auf unserer DVD sehen.

Ist euch bei den Auftritten die Performance auch wichtig, oder stellt ihr euch einfach nur auf die Bühne und spielt?
Nein, wir sind definitiv eine Show-Band und ich finde auch, dass man auditive Reize mit visuellen kombinieren muss. Natürlich hängt das aber auch immer von der Musik ab, die man macht. Wenn du jetzt den ärgsten Prog-Rock spielst, oder Klassik, dann kannst du definitiv mit der Musik alleine überzeugen. Wenn ich aber auf ein Rock-Konzert gehe, dann will ich etwas sehen, dann will ich mit einem Gesamterlebnis nach Hause gehen und mir denken “wow, großartige Show”.

Definitiv steht der Rock’N’Roll im Vordergrund, aber das Ganze mit gewissen Elementen aufzupeppen, die Leute zu flashen, empfinde ich schon auch als unsere Aufgabe. In gewisser Weise schulden wir dem Publikum ja auch etwas. Wir wollen nicht nur irgendwie oben stehen, sondern den Leuten etwas bieten, einen optischen Gesamteindruck, und das manifestiert sich natürlich auch in der Show.

Also seht ihr euch primär als Live-Band und die Studio-Alben dazu lediglich als Unterstützung?
Das trifft es sogar sehr gut. Es ist jetzt auch das erste Album, wo wir es meiner Meinung nach geschafft haben, diese Live-Stimmung, und wir sind definitiv eine Live-Band, einzufangen. Jeder, der jemals auf einem Konzert von uns war, wird das bestätigen können. Ich habe immer wieder von Leuten gehört, dass sie uns live super gefunden haben, aber bei den Alben diesen gewissen Druck vermissen. Beim neuen Alben ist es uns jetzt endlich gelungen, die Stimmung einzufangen. Und das ist auch der Knackpunkt. Wenn man es einmal geschafft hat, die Brücke zu schlagen, zwischen Live-Performance und den Stücken auf dem Album, dann ist das irgendwie eine essentielle Marke. Wir selbst sind jedenfalls vom Ergebnis sehr begeistert und ich hoffe, dass es den Leuten, die sich die CD kaufen und anhören ebenso geht.

In den letzten Jahren wart ihr immer wieder auch auf großen Festivals vertreten. Steht dahingehend auch heuer wieder etwas an?
Bis jetzt ist im Juni einmal das Novarock fixiert worden, was uns sehr freut. Im Sommer dann noch mittelgroße Festivals, wobei wir darüber selbst noch relativ wenig wissen. Jetzt ist erstmal diese Tour geplant, die bis Mitte Mai geht und uns dann auch weiter nach Frankreich, Holland und Belgien führt. Aber die ganzen anderen Sachen stehen derzeit noch in Planung.

Meinem Erachten nach werden österreichische Bands bei heimischen Festivals immer ein wenig nachlässig behandelt. Siehst du das auch so?
Ja. Es gibt diese Problematik, die einfach besteht, dass österreichische Bands nie auf spätere Slots gesetzt werden, als den ersten, zweiten, maximal dritten. Somit eröffnet sich für kleinere heimische Bands nie die Möglichkeit, einmal auf Festivals auftreten zu können. Wenn österreichische Bands dort auftreten, dann spielen sie immer am Anfang und das sind dann aber meistens schon die “großen” Bands der heimischen Musikszene.

Wenn dann kleinere Bands, die es aufgrund der Qualität ihrer Musik eigentlich verdient hätten, auf Festivals spielen zu können, so gibt es einfach keine freien Slots mehr, weil die größeren diese Plätze besetzen und so die anderen nie nachrücken können. Österreichische Bands zählen leider relativ wenig. Das ist wirklich ein Teufelskreis, der gebrochen werden müsste, auch um die heimische Alternative Szene anzukurbeln.

Sobald dann irgendwann die ersten kleineren Bands die frühen Slots bekommen, würde sich das weiterentwickeln. Diese spielen dann beim nächsten Mal auf einer höheren Position und schaffen Platz für nachrückende Künstler und das ergäbe eine Dynamik, die eben jetzt genau durch diese Slot-Setzungs-Politik geblockt wird.

Es freut uns natürlich, dass wir mittlerweile so weit sind, Slots zu bekommen, dafür haben wir aber auch neun Jahre lang kämpfen müssen. Und es gibt viele andere Bands, die es genauso verdient hätten, die aber in absehbarer Zeit noch nicht auf diesen Festivals spielen können und dann ist es aber vielleicht auch schon wieder zu spät, weil einfach zu wenig passiert. Dementsprechend wäre es ganz wichtig, an dieser Sache etwas zu ändern.

 

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