Favela Gold stellt in Gregor Schenkers Karriere eine junges Projekt dar. Für sein 2012 veröffentlichtes Album “Born Again” hat sich der Grazer unter diesem alter Ego von jeglichen Zwängen befreit und einfach Musik produziert ohne ästhetischen Normen zu folgen. Lucia Laggner sprach mit ihm über verfremdete Gitarrenklänge, Schlager, die Vorteile vom reich sein und den abgeschlossenen Kosmos.
Kannst du mir von deinen ersten Erfahrungen und Interaktionen mit Musik erzählen?
Gregor Schenker: Ein starke Erinnerung habe ich an das Mittagsradio bei den Großeltern. “Autofahrer unterwegs” hat damals der Vater vom Gerald Votava moderiert. Ich hab schon als Kind immer getanzt und irgendwann hab ich eine akustische Gitarre bekommen. Ich wollte aber nie üben. Noten zu lernen hat mich überhaupt nicht interessiert. Ich hatte allerdings ein Kassettendeck und bin dahintergekommen, dass lustige Dinge passieren, wenn ich versuche etwas aufzunehmen. Irgendetwas funktionierte mit dem Löschknopf nicht. Auf jeden Fall konnte ich, wenn ich etwas aufgenommen hatte, wieder etwas darüber aufnehmen, quasi als Overdub. Das ganze ist dann immer verzerrter geworden und Mikrofon hatte ich ja auch keines. Also habe ich den Kopfhörer genommen und als Mikrofon über die Gitarre gestülpt, um geräuschhafte Aufnahmen zu machen.
Die Gitarre war also dein erstes Instrument?
Gregor Schenker: Ja, die Gitarre war das erste. Mein Vater hat immer gefragt, warum ich nichts Gescheites machen kann. Insofern hab ich auf meine Soundleidenschaften kein positives Feedback bekommen. Irgendwann später habe ich dann schon ein bisschen Gitarre geübt, aber an sich habe ich üben immer als furchtbar empfunden.
Später sind dann weitere Instrumente dazu gekommen oder?
Gregor Schenker: Ja, es ist dann mehr geworden. Ich habe eigentlich spät angefangen mich für Synthesizer zu interessieren und sie auch zu sammeln. Ich bin aber kein Messy. Ich stoße das, was ich nicht mehr brauche, auch wieder ab, auch aus finanziellen Gründen.
Wann in deiner musikalischen Laufbahn ist Favela Gold entstanden?
Gregor Schenker: Vor drei Jahren. Ich wollte ein Projekt mit Reibungen machen und ich wollte etwas alleine machen. Das Arbeiten in Bands ist aus rein pragmatischen Gründen zunehmend anstrengender geworden, sowohl finanziell, als auch organisatorisch. Es war wenig Zeit, um zu proben und um etwas zu entwickeln. Mein Konzept, das ich mir dann erdacht habe, hat darauf beruht, dass ich nicht darüber nachdenke, wer das Zielpublikum ist, wem das gefällt und wem das nicht gefällt und auch, ob mir das selbst gefällt. Ästhetische Zwänge habe ich über Bord geworfen und einfach drauflos experimentiert. Dabei ist ein sehr kitschiger Synthiepop rausgekommen und tatsächlich hat mich das auch sehr befriedigt.
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Gibt es einen gemeinsamen Charakter der Nummern auf “Born Again”?
Gregor Schenker: Für mich schon, aber ich weiß nicht ob das auch für Andere klar ist. Auf den Charakter habe ich nicht hingesteuert, weil es ja auch kein Konzeptalbum ist, das aus einem aufgezeichneten Plakat und Visionen resultiert. Aber es ist ein Konzeptalbum, wenn man es von der Seite betrachtet, dass ich mich sehr frei gemacht habe. Und lustig ist, dass wirklich viele Leute meinen, das Resultat sei sehr kommerziell. Was ja eigentlich gar nicht so gedacht ist. Kommerziell ist wie Jazz: ein Begriff, der sich verselbstständigt hat. Kommerziell ist ja, wenn man beabsichtigt, dass es sich gut verkauft. Es gibt ja so viele verschiedene Märkte und Nischen. Kommerziell kann nicht wirklich ein Vorwurfskriterium sein. Das Album ist einfach so geworden. Interessant ist, dass ich bemerke, dass sich die Musik mit der ich aufgewachsen bin, kanalisiert hat, obwohl ich die damals nicht cool gefunden habe.
Im Zuge deines Soloprojekts hast du auf der Bühne auch wieder mit Musikern zusammengearbeitet. Ist es leicht gefallen sie in dein Projekt zu integrieren?
Gregor Schenker: Es war sehr befriedigend, aber teuer. Das kann ich einmal im Jahr machen. Zum Geburtstag. Das ist leider so. Natürlich ist es sehr schön mit anderen zusammen zu spielen. Es ergeben sich in den Nummern, weil mein Album ja auch sehr songorientiert funktioniert, ganz andere Dynamiken, als mit der Elektronik überhaupt möglich wären. In der spontanen Interaktion kann man einfach Crescendi machen, leise werden und ganz behutsam aufeinander achten. Das finde ich einfach sehr spannend und sehr befriedigend. Letztlich ist es auch in der Produktion angenehm gemeinsam zu arbeiten und sehr befruchtend, aber es war gerade bei diesem Projekt einfach nicht das Ziel.
Was sind deine Werkzeuge in der Produktion?
Gregor Schenker: Im Fall von “Born Again” habe ich Demos gemacht. Die sind zum größten Teil mit analogen Keyboards und Drumcomputern entstanden. Ich bin eigentlich gar nicht so ein Soundfetischist, aber es war lustig ohne Computer zu arbeiten. Aufgenommen habe ich dann mit Ableton, wobei ich das wirklich nur zum Aufnehmen verwende. Ich nutze vermutlich 0,05 % von dem was Ableton hergeben würde.
Du produzierst und lebst in Graz. Ist das auch deine musikalische Heimat?
Gregor Schenker: Hier in Mariagrün ist schon meine Heimat, aber ich bin da eigentlich recht flexibel. Nachdem ich ein Einzelkind bin – daher vielleicht auch das Soloprojekt – bin ich schon irgendwie ein kleiner, abgeschlossener Kosmos. Ich bin jetzt nicht wirklich in der Elektronikszene. Natürlich kenne ich alle Leute, aber es ist nicht so, dass ich einen Einfluss verspüre auf mein Schaffen. Ich könnte also nicht sagen, dass Graz wirklich meine musikalische Heimat ist.
Wenn ich an dein Projekt “Schlagergarten” denke, dann nimmst du doch wieder Bezug auf deine Umgebung.
Gregor Schenker: Ja, das ist allerdings eher in “Gaude” einzuordnen. Vielleicht ergibt sich irgendwann noch ein Schlagerprojekt, weil den Schlagergarten habe ich schon wieder sehr cool gefunden und als schönes Erlebnis wahrgenommen. Dort vermischen sich verschiedene Publikumsschichten oder Szenen. Das ist mit Sicherheit das spannende an der Sache. Dadurch, dass es im Zuge vom Lendwirbel statt findet und eigentlich kaum Werbung im Spiel ist, wird dem Schlager augenzwinkernd die Geldfresse genommen, ohne ihn zu verarschen. Es verbindet dann auch alle, weil Lieder laufen, die jeder kennt, ob er will oder nicht.
Ist ein Schlagerprojekt etwas, was du in Zukunft gerne verfolgen würdest?
Gregor Schenker: Möglich, aber wenn dann mach ich Oldies. Eigene Nummern mit nostalgischen Touch, weil ich Oldies einfach mag. Die Geschichte der Popmusik nachzuhören ist einfach spannend. Die verschiedenen Rhythmen, die sich da auch entwickelt und gefunden haben. Als ich für das Musical “Die kleine Meerjungfrau” Musik entwickelt habe, habe ich viele verschiedene Stile verwendet um Szenen musikalisch zu illustrieren und dafür Calypso, Reggae, Salsa, Hawaii Swing u.s.w. recherchiert. Im Schlager sind Rhythmen aus unterschiedlichen Richtungen auch präsent und das interessiert mich.
Musik spielt eine große Rolle in deinem Leben. Ist Gregor Schenker Musiker?
Gregor Schenker: Ich finde nicht, dass ich Musiker bin, aber ich kann auch nicht genau sagen warum. Höchstwahrscheinlich, weil ich so viele andere Musiker kenne und die einfach ganz anders denken als ich. Ich fühle mich eher als Künstler, als als Musiker. Was ich gerne tue ist für andere zu produzieren, obwohl ich das viel zu selten mache. Für Susana Sawoff habe ich “Wrapped up in a little Sigh” produziert und gerade habe ich wieder mit einer Sängerin gesprochen, die interessiert daran wäre zusammenzuarbeiten. Ich habe ich das Gefühl, dass ich mir gut vorstellen kann, wo man Dinge künstlerisch verortet, in welchem Assoziationsraum sie liegen und wie man sie zuspitzen kann, um das Ganze auf ein Level zu heben, wo es wirklich von vielen Ebenen aus gesehen interessant ist.
Was sind deine Ziele, deine Visionen, aber auch deine utopischen Wünsche?
Gregor Schenker: Am liebsten wäre ich einfach reich und würde in den Tag hineinleben, weil dann könnte ich projektorientiert arbeiten und einerseits andere produzieren und andrerseits meine eigenen Projekte verfolgen. Der große Fehler, den ich in meiner Persönlichkeit habe ist, dass ich mich in eine Sache irrsinnig hineinbohren kann, aber wenn sie fertig ist, dann interessiert sie mich eigentlich überhaupt nicht mehr, weil ich dann schon wieder was Neues machen will. Das kann dann aber etwas ganz anderes sein, als das, was ich gerade gemacht habe, weil stilistisch verfolge ich einfach keinen lebenslangen Weg. Man könnte ja zum Beispiel Hufeisen machen, die so geschweißt sind, dass sie wie Spacepferde aussehen. Damit könnte man dann großen Erfolg haben und jeder würde es cool finden und das macht man dann sein ganzes Leben. Aber leider finde ich das einfach super fad. Das Ziel ist schon die Diversität, aber wirklich wichtig wäre es dabei keine finanziellen Sorgen zu haben. Der ganze “Kunst entsteht aus Armut oder Trauer”-Scheiß muss von Banken in die Welt gesetzt worden sein, damit wir das alle glauben. Wenn ich traurig oder depressiv bin, dann kann ich überhaupt nichts produzieren. Eigentlich mache ich meine Sachen nur, wenn ich gut drauf bin. Geld verdienen tu ich mit meinen Musikprojekten überhaupt nicht. Das ist einfach so und ich bin sicher nicht der Einzige, dem es so geht.
1. Foto: Antonia Renner
2. Foto: Jasmin Schuller
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