mica-Interview mit Garish

Vier Jahre nach „Wenn dir das meine Liebe nicht beweist“, der Arcade Fire-Platte in der Diskografie der Band, veröffentlicht das von Wien aus operierende burgenländische Quartett sein neues Studioalbum „Trumpf“. Garish haben sich viel Zeit gelassen, um ein Album zu erarbeiten, das ihnen perfekt entspricht: emotional, manchmal pathetisch, morbid, aber auch rau und mit Luft zwischen den Tönen. Man hört eine Band auf der Höhe ihrer Möglichkeiten. Sebastian Fasthuber hat mit Sänger Thomas Jarmer und Schlagzeuger Markus Perner gesprochen.

Zwischen euren Platten vergeht stets viel Zeit. Diesmal waren es vier Jahre zwischen „Wenn dir das meine Liebe nicht beweist“ und „Trumpf“. Woran liegt das?

Thomas: Es hat viele Faktoren. Jeder von uns hat seinen Aktionsradius abseits der Band erweitert. Sowohl was den kreativen Rahmen als auch den Zeitfaktor betrifft, gilt es immer mehr unter einen Hut zu bekommen. Dadurch ergibt sich auch, dass man immer länger braucht, um eine gemeinsame Schnittfläche zu finden, wenn man wieder miteinander Musik macht. Am schwierigsten ist die erste Phase, wo jeder einmal ankommen und die Band wieder zueinander finden muss. Das war diesmal wirklich ein irrsinnig langer Zeitraum und auch zäh Es war viel Geduld notwendig, um dabeizubleiben.

Markus:
Ein wichtiges Detail darf man auch nicht vergessen. Mit der letzten Platte haben wir 2010 für uns vom Gefühl her ein erstes Album abgeliefert. Auch für viele Leute hat sich das Bild, das sie von Garish gehabt haben, gewandelt. Das hat mitgebracht, dass dieses neue Album den Beigeschmack von einem zweiten Album hat. Das macht es auch nicht leicht. Beim letzten Album hatten wir keinen Druck, es war unter Anführungszeichen ein Scheiß-drauf-Ding. Bei „Trumpf“ spürten wir schon eine Erwartungshaltung, denn wir wollten das Level des letzten Albums wieder erreichen und eigentlich übertreffen.

Klingt sehr kompliziert.

Thomas: Es sind viele unberechenbare Faktoren dabei. Im Grunde ist es vor jeder neuen Platte ein Reinschauen, was momentan möglich ist. Das ist abhängig vom Status der momentanen Chemie untereinander. Man muss schauen, wie man musikalisch zueinander finden kann, um am Schluss etwas zusammenzubringen, von dem man – blöd gesagt – behaupten kann, es ist den ganzen Aufwand wert.

Bemerkenswert ist, dass ihr seit 1997 in Originalbesetzung beisammen seid.

Markus: Ja. Es gab nur eine winzig kleine Veränderung: Wir haben nach unserem ersten Studioalbum kurz ein sechstes Bandmitglied gehabt, weil bei einer Nummer eine Conga dabei war. Da haben wir die Panik bekommen, wie wir das live machen sollen und deshalb kurz jemand dazugenommen. Diese Kindereien haben wir uns aber abgewöhnt.

Wenn die Chemie dann einmal passt: Wie geht ihr eine neue Platte an?

Markus: Am Anfang zu jeder Platte versuchen wir ein Konzept zu entwickeln, wo wir uns verschiedene Sachen auferlegen und Vorgaben machen.

Thomas: Am leichtesten ist es, nach dem Ausschlussprinzip vorzugehen: Das und das soll es nicht sein. Was es sein soll, ist zu dem Zeitpunkt meist noch vollkommen undefiniert.

Die meisten Leute sagen, „Trumpf“ klingt wieder mehr nach Garish als „Wenn mir das deine Liebe nicht beweist“. Könnt ihr das nachvollziehen?

Thomas: Okay. Es ist ein bisserl pathetischer, wenn man so will. Die Musik ist ernster und morbider, die „Liebe“ war doch recht locker und beschwingt.

Wie ist die Platte nun entstanden?

Markus: Wir haben nach der „Liebe“ ein Jahr komplett Pause gemacht. Gut, wir waren ohnehin nie die Band, die regelmäßig probt.

Thomas: Das wäre auch sinnlos.

Markus: Vielleicht gibt es uns gerade deshalb noch. Dieses Spiel von Distanz und Nähe macht vieles schwierig, ist aber auch spannend.

Thomas: Das Abtauchen nach jeder Platte ist sehr wichtig. Dadurch spürt man den Neustart umso deutlicher. Diesmal wollten wir an sich schauen, dass wir den Wind, den wir mit der letzten Platte und der Tour bekommen haben,  gleich für die nächste Platte zu nützen. Die Intention war, schnell wieder einsatzbereit zu sein. Aber das war mehr oder weniger ein Rohrkrepierer. Es war doch mehr Ambition als Substanz da. Deshalb hat sich alles etwas verschleppt.

Kann man das Konzept für „Trumpf“ auf einen Punkt bringen?

Thomas: Sagen wir so: Ein bisschen auf die Kacke hauen…

Markus: Das war ein bissl die Ansage.

Thomas: Es war zumindest der Wunsch. Die Energie der letzten Platte und auch der Konzerte hat uns Spaß gemacht.

Markus: Dieses Hinrotzen wollten wir noch mehr ausreizen. Aber man muss vorsichtig sein, denn jeder versteht unter solchen Begriffen etwas Anderes. Manchmal steht man auch im Proberaum und diskutiert über Sachen, die im Endeffekt völlig egal sind. Aber in dem Moment sind sie es allemal wert, dass man sich eine halbe Stunde lang anschreit.

Thomas: Wir haben bei neuen Sachen immer Diskussionsbedarf. Das ergibt sich allein daraus, dass bei uns nicht einer die Nummern bringt, sondern alle beteiligt sind. Dadurch entsteht aber auch etwas, das unter harmonischen Umständen nicht so sein würde. Dieser teilweise heftige Prozess beim Schreiben ist notwendig und förderlich. So funktionieren wir.

Markus: Vielleicht haben wir mit „Liebe“ die erste Platte ohne Kompromisse gemacht. Dafür war es wichtig, dass wir auch einmal die Instrumente getauscht haben. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen, dass sich der Tom an mein Schlagzeug setzt.

Thomas: Das gilt auch fürs Songwriting. Jeder, der etwas beizutragen hat, trägt etwas bei. Manchmal bringt einer den Strophenteil zu einem Song, ein anderer bastelt den Refrain dazu. Wir arbeiten da mittlerweile nach dem Ping-Pong-Prinzip. Es ist sehr viel miteinander im Kompositionsprozess passiert. Und dann fragen wir uns auch immer sehr genau, wie wir eine Nummer interpretieren wollen. Da bleibt oft kein Stein auf dem anderen. Meist sind das die Nummern, in denen man ungeahntes Potenzial findet.

Haben sich die Verhältnisse fürs Musikmachen geändert? Ihr seid nun immerhin Mitte 30, habt teilweise Kinder und entsprechende Verpflichtungen.

Thomas: Das Gute ist, dass man immer Musik machen kann. Auch wenn ich beim Zahnarzt sitze und warte, dass ich drankomme, kann ich an Songs weiterarbeiten. Das ist angenehm, aber auch anstrengend. Besonders die Phase des Textschreibens ist eine, in der ich immer sehr unter Strom stehe. Trotz alledem versuche ich empfänglich zu bleiben. Manche Arbeitsprozesse haben sich bei uns viel mehr in die Einzelarbeit verlagert. Ich finde es schön, dass man Dinge einmal eine Zeit lang sammelt und nur mit sich rum trägt. „Trumpf“ beschreibt in dem Zusammenhang den Punkt, an dem man nicht mehr zweifelt. Man fragt sich nicht mehr, ob das noch was wird – man spürt, dass es was wird.

Markus:
Die Eigeninitative ist immer wichtiger geworden. Es muss immer einer einen Anstoß geben, indem einer eine Idee bringt oder Sachen weiterentwickelt. Man darf sich nicht auf das Kollektiv verlassen.
Thomas: Oft verliert man leider den Anschluss, wenn man sich einmal zwei Wochen lang nicht gesehen hat.
Markus: Wir arbeiten viel in Kleingruppen von zwei oder drei Leuten.

Thomas: Die Kleingruppen sind oft viel produktiver als der fünfköpfige Koloss, der ein Talent dazu hat, sich ein bisschen selbst zu lähmen. Es wechselt auch immer. Christoph verbringt momentan viel Zeit mit seinem Soloprojekt Esteban’s. Dadurch ist bei Garish Platz entstanden, den der eine oder andere mit seinen Ideen füllen kann. Wir waren nie eine Band mit vier Musikern und einem Frontman, der sich als Galionsfigur versteht. Dass wir jetzt viel miteinander singen, bringt uns insofern sehr auf den Punkt.

Habt ihr euch für „Trumpf“ eine Deadline gesetzt?

Markus: Immer wieder. (Lacht) Auch wenn man weiß, dass man sie wahrscheinlich nicht einhalten wird, ist es doch wichtig, sich ab und zu eine zu setzen.

Thomas: Wir wollten ursprünglich im Herbst 2013 veröffentlichen. Wir haben es noch nie geschafft, im Herbst ein Album rauszubringen, und sind jetzt wieder im Februar gelandet. Deadlines sind insofern nützlich, als der Druck schon Sinn macht. Aber ob die Texte dann alle rechtzeitig fertig werden, kann ich nicht steuern. So verstreicht dann eine Frist nach der anderen. Und dann haben wir uns auch noch eine lange Vorlaufzeit geleistet, um das Album ein bisschen liegen lassen und die Tour gut planen zu können.

Markus: Aber im Grunde ist die Platte schon länger fertig. Das ist angenehm, dadurch kann man einen gewissen Abstand entwickeln. Das rückt alles in ein anderes Licht. Wenn man noch voll drin steckt, ist es schwer zu beurteilen, was das eigentlich ist.

Und wie gefällt euch das Album mit etwas Abstand?

Markus: Ich bin rundum glücklich.

Thomas: Die neue Platte ist aber immer die beste.

Markus: Ja, aber ich finde schon, dass wir es auf der „Liebe“ und jetzt auf „Trumpf“ am ehesten auf den Punkt gebracht haben, was wir immer schon sagen und machen wollten. Nach 17 Jahren ist das sehr befriedigend.

Thomas: Wir haben über die Jahre zu einer Form gefunden, wo wir teilweise sicher auch viel von dem Krampf der ersten Jahre abgelegt haben. Viele von uns sind nicht die extrovertierten Typen, die die Bühne gesucht haben. Zu Beginn hat das Überwindung gekostet. Mittlerweile ist es ein richtiges Bedürfnis geworden, Konzerte zu spielen und auf Tour zu gehen. Es steht ein großes Ganzes auf der Bühne, das es – pathetisch gesprochen – auch versteht, sich gegenseitig in Brand zu setzen. Das kannten wir lange nicht. Solange man aneinander immer wieder etwas Neues entdecken kann, bleibt es auch spannend.

Die Texte sind typisch Jarmer. Oder?

Thomas: Der Text orientiert sich bis zu einem gewissen Grad immer an der Musik. Und weil die neuen Songs manchmal schon einigermaßen unfreundlich sind, müssen die Texte damit auch Schritt halten. Wenn nicht noch mehr. Ich finde, meine Texte sind übermütiger geworden. Sie sind ein bisschen schonungsloser und gerader, manchmal aber auch kryptischer.

Eine Stelle ist bei mir hängengeblieben. Da singst du: „Sag, muss ich das verstehen?“

Thomas: Eben nicht. (Lacht) Ich hatte nie großartig den Anspruch auf Verständnis. Eher schon sollte es unverständlich sein. Mittlerweile freue ich mich, wenn die Texte vielseitig interpretiert werden.

Markus: Es gibt auf der neuen wie auch auf der letzten Platte Hooklines und Sätze, die hängen bleiben. Davor war das eher rar. Das muss gar kein Refrain sein, oft ist es mehr wie ein Mantra.

Thomas: In die Richtung haben wir viel experimentiert. Da gibt auch einige Nummern, die dann nicht aufs Album gekommen sind. Viele Nummern basieren musikalisch auf einem Loop.

Auch Reduktion spielt auf „Trumpf“ eine Rolle.

Thomas: Ja, wir sind sehr viel sparsamer geworden. Man hätte bei den meisten Nummern sehr viel mehr dazumachen können, Streicher etwa. Wir haben uns aber lieber bis ins Detail damit beschäftigt, in einem eng abgesteckten Raum in die Tiefe zu gehen.

Markus: Es hat auch einen Reiz, Dinge zurückzuhalten.

Thomas: Sich mehr dazu zu denken als mehr dazu zu spielen.

Markus: Wir lassen gern etwas offen. Vieles, was wir vor zehn Jahren noch gemacht hätten, finden wir heute nicht mehr passend.
Fotos Garish: Julia Grandegger

 

http://www.garish.at/