mica-Interview mit Fuckhead

Seit nunmehr 20 Jahren bereichern Fuckhead nun bereits die heimische Musiklandschaft, aus der sie, nicht zuletzt wegen ihrer spektakulären und beeindruckenden Live-Performances, kaum mehr wegzudenken sind. Im Interview mit Michael Masen blicken Didi Bruckmayr, Michael Strohmann und DD Kern zurück auf 20 Jahre Bandgeschichte.

Fuckhead gibt es jetzt seit ziemlich genau 20 Jahren. Könnt ihr ein wenig etwas über die Anfänge der Band erzählen?

Didi Bruckmayr: Zu Beginn waren die anderen beiden hier noch gar nicht dabei. Vor Fuckhead habe ich in einer Postpunk-Band gespielt, den Dead Souls, die sich dann irgendwann aufgelöst haben und ich daraufhin begonnen habe, Solo Musik zu machen. Das war so ein richtiger Industrial Act mit Krach vom Band, der sich um meinen Bruder zu einem Duo erweitert hat. Ich war damals Test Department-Fan und so war das Ziel dieses Projektes, puren Industrial zu machen, richtigen Krach. Der Name “Fuckhead” ist ja auch aus einem Tracktitel einer Test Department-Nummer entnommen. Zur selben Zeit haben mich dann noch die Einstürzenden Neubauten massiv interessiert, die musikalisch ein wenig komplexer waren. Jedenfalls hat sich die Band dann schließlich, um bühnentauglicher zu werden und weil ich eigentlich zur Industrial Szene nicht unbedingt gute Verbindungen hatte, um dort auftreten zu können, mehr in Richtung Noise Rock entwickelt. Es sind dann auch weitere Leute eingestiegen und so hat sich das alles weiter entwickelt. Und nachdem sich das letzte Frühmitglied von Fuckhead verabschiedet hatte, sind diese beiden Herrschaften, die jetzt mit mir hier sitzen, glücklicherweise eingestiegen.

In dieser Besetzung operieren wir jetzt eigentlich schon sehr lange, als stabiles Kern-Trio sozusagen. Hinzu kommt dann noch der Sigi, mein Cousin, der vor einigen Jahren als Gast dazu gestoßen ist, jetzt aber seit einiger Zeit schon fixes Mitglied ist und Alexasnder Jöchtl, der auch für Attwenger den Ton macht. Der hat sich als Tontechniker angeboten und gehört nun auch zu Fuckhead. Schließlich kann man noch die beiden Lichttechniker Thomas Grusch und Peter Pittermann zur Band zählen – einer von beiden ist auf jeden Fall immer dabei. Das ist im Grunde genommen die Zusammenstellung, in der wir jetzt schon die längste Zeit arbeiten.

Wie hat sich dann schließlich die ganze Performance-Sache entwickelt?

Didi Bruckmayr: Bereits mit Fuckhead, als Solist, hatte ich ein klares performatives Bild im Hinterkopf, allerdings nicht den Schneid, das irgendwie zu realisieren. Ich habe mir gedacht, es würde einfach reichen, Krach zu machen und herum zu schreien – das war es dann aber natürlich eher nicht. Die Bilder, die ich da alle im Kopf hatte, waren natürlich alle abgeschaut. Das waren Bilder von den Wiener Aktionisten einerseits und auch von Performance-Artists, wie beispielsweise Diamanda Galas, auf der anderen Seite und da kommt man halt nicht so einfach mit.

Schon mit den Dead Souls war der Ansatz einer in Richtung Killing Joke und die haben sich damals auch schon sehr genau überlegt, wie sie in einem Punkrock-Milieu auftreten – also die Kostümierungen bei dem Ganzen und auch die Choreographien und so weiter. Mit den Herrschaften, die zwar einen anderen musikalischen Background hatten, aber auch eher zum Theatralischen tendiert sind, hat man sich dann schnell unterhalten und verständigen können. So hat das alles irgendwie seinen Lauf genommen.

Michael Strohmann: Für mich ist Fuckhead immer schon ein audiovisuelles Projekt gewesen. Natürlich kommt die Energie über die Musik, weil das viel eher gleich direkt ins Unterbewusste geht, als die Bilder, aber auch dieses audiovisuelle Konzept mit Performance, Video und auch diese Licht-Sache wollen wir in nächster Zeit noch stärker ausbauen, da es uns sowohl ausbauensfähig als auch ausbauenswürdig erscheint.

Wie kann man sich den Entstehungsprozess eines kompletten Stückes vorstellen? Habt ihr zuerst eine Idee, wie das Visuelle aussehen soll, oder entsteht erst der Sound – wie entwickelt sich das alles bis hin zu dem Endergebnis, das dann wirklich auf der Bühne zu sehen und zu hören ist?

DD Kern: Das ist durchaus schwer zu sagen. Die Ideen können auch schon mal während einer elf Stunden langen Fahrt nach Holland entstehen, während der man über die obskursten Sachen herum blödelt. Und das Blödeste oder das Wahnwitzigste, oder das, was einem am ehesten als nicht realisierbar erscheint, wird dann schließlich doch versucht, mit relativ billigen Mitteln umzusetzen. Eine Stunde später in Holland funktioniert das dann womöglich gleich auf Anhieb.

Didi Bruckmayr: Das funktioniert eigentlich nach dem “Trial and Error”-Prinzip. Grundsätzlich ist es schon so, dass der Sound immer zuerst da ist, der dann irgendein Bild antriggert. Ich komme zwar mehr von der visuellen Seite her, aber eigentlich ist die Musik immer das, was die Bilder auslöst. Wenn die Musik dazu nicht im Stande ist, dann funktioniert das nicht. Es gibt sowohl eine gewisse technologische, eine kompositorische, Ebene als auch eine improvisatorische und psychologische Ebene. Das passiert sehr spontan, kann ziemlich anstrengend sein und mitunter völlig daneben gehen. Wiederholung spielt hier eine Rolle, weil wir nicht die Möglichkeit haben, Dinge wirklich auszuformulieren und ich glaube, privat, dass sich Dinge durchaus reiben können und nicht perfekt ablaufen müssen, wie das bei einem guten Theater der Fall ist.

Theatralisch sind wir ja vielleicht, aber kein Theater. Ich habe ja beim Akademietheater erlebt, wie wirklich professionelles Theater auf der Bühne abläuft und da ist es so, dass alles sehr geschmeidig ist. Bei unseren Sounds jedoch hört man ja schon, dass bei uns nichts geschmeidig ist.

Probt ihr den Ablauf der Performances oder steckt ihr bloß die Eckpunkte davon ab und improvisiert dann?

Michael Strohmann: Grundsätzlich wird bereits die Musik so komponiert, dass man dazu gut performen kann. Also eher zerhackte Sachen oder in letzter Zeit auch wieder eher rollende, längere Melodie- und Songbögen – die Performance-Tauglichkeit wird prinzipiell schon immer vorher mitgedacht. Die Performance selbst proben wir nie, weil man dafür auch in einem gewissen physischen und psychischen Zustand sein muss, den man im Proberaum nicht künstlich erzeugen kann. Wir brauchen dazu das Publikum, die Lautstärke und einfach den Fakt, auf einer Bühne zu stehen.

DD Kern: Genau, den visuellen und akustischen Push vorm Auftrittsort – dass man da drin steht vorm Auftritt und dann spürt, dass es gleich losgeht. Im Proberaum ist man mehr auf die Stücke fokussiert, wie man sie anlegt. Es gefällt mir sehr gut, dass wir in den letzten beiden Jahren wirklich kein einziges Set mehr gleich gespielt haben; jedes Mal verändert sich wieder etwas. Wir sind jetzt seit 15 oder 16 Jahren zusammen, so dass wirklich die ganze Band in den Ablauf involviert ist und dass, ich will jetzt nicht sagen “Routine”, aber doch die Angst davor gewichen ist, einfach irgendeinen neuen Blödsinn auszuprobieren.

Didi Bruckmayr: Wir haben ja auch eine ziemliche Selbstsicherheit. Ein Kollege hat mich einmal darauf hingewiesen, dass es eigentlich ziemlich geistesgestört ist, das alles so mitunter im Publikum zu machen, weil da ja auch irgendwelche Spinner darunter sein können, die einen verletzen wollen. Mit dieser Einstellung gehen wir aber nicht an die Sache heran. Auch dort, wo man uns nicht kennt, habe nicht das Gefühl, dass die Leute Angst vor uns haben. Natürlich fühlt man eine Art Irritation, aber es ist nicht so, dass man sich da jetzt wirklich bedroht fühlt.

Und zur Performance möchte ich noch sagen, dass man gewisse Dinge auch überhaupt nicht üben soll. Die können durch Streben nach Perfektion einfach auch überhaupt nicht funktionieren.

 

 

DD Kern: Genau. Dieser Dilettantismus, der da auf der Bühne herrscht ist sehr wichtig. Da muss auch schon mal etwas in die Hose, wo die Leute dann sagen, “boah, gescheitert”. Aber auch so was bauen wir einfach wieder ein und weiter geht es.

Didi Bruckmayr: Das alles ist eben Privileg der Kunst, auch mal unsachlich und unvernünftig sein zu können, ansonsten wäre es ja schon wieder Wissenschaft. Wahrscheinlich bewegen wir uns auch irgendwo in diesem Grenzbereich – die Unvernunft kommt durchs Nichtdenken und wenn man sich das zuviel bewusst macht, zumindest geht es mir so, dann würde man es ja nicht machen. Mittlerweile bin ich eh schon recht milde, aber grundsätzlich habe ich nicht irgendwelche Ambitionen, mir das rein bewusst zu machen, was genau ich auf der Bühne vorhaben werde.

Ich schaue, dass ich das konditionell und geistig durchstehe und einen Plan habe, auf die sich stellenden Situationen reagieren zu können, also nicht einfach bloß da zu stehen und verwirrt zu sein. Mir ist es wichtig, auf der Bühne präsent zu sein, gut wahrgenommen zu werden und ob ich da jetzt viel singe oder sage, nimmt eher eine untergeordnete Rolle ein. Sehr wichtig jedoch ist es, dass sich das alles nicht bloß auf der Bühne, sondern auch im Publikum abspielt. Man muss sich eben irgendwie auch involviert fühlen, wenn man sich das anschaut.

Resonanz seitens des Publikums ist euch also schon sehr wichtig, kann man das so sagen?

Michael Strohmann: Durchaus, ohne würde es ja auch überhaupt nicht gehen. Ich sehe das immer als eine Art Kernreaktor – man wirft etwas hinein und im besten Fall entsteht dann ein gewisser Schneeball-Effekt, also, dass sich etwas regt im Publikum. Dadurch entsteht dann mehr Energie, als vorher da war, oder man selbst hinein gesteckt hat. Es ist eine Art Energie, die sich an nichts manifestiert, die aber trotzdem spürbar ist – sehr interessant also, so etwas mitzuerleben.

Didi Bruckmayr: Es spielt auch immer die jeweilige Umgebung eine Rolle. Normalerweise sind die Konzerträume klein und wenn du zu spielen beginnst, muss aus Lärmschutzgründen alles zugemacht werden – es ist alles aufgeheizt und zusammen mit den Lichtreizen ergibt das eine ganz eigene Stimmung. Das ist auch der Vorteil einer Club-Umgebung gegenüber einem Theater, dass man eben genau diese Stimmung erzeugen kann. Obwohl es auch beim Theater langsam in diese Richtung geht. Darum diskutieren und beobachten wir auch mit Interesse, wie sich das alles auch auf diesem Sektor entwickelt. Prinzipiell tendiert man dort eben auch in die Performance-Richtung, nur kann man sich nur schwerlich von dem ganzen Theatralischen lösen und von einem Kontext, der da heißt, dass man nur ja das Publikum in Frieden lassen soll. Es dürfe nicht zu laut und dreckig werden und die Show müsse um acht Uhr anfangen und eine Stunde später wieder pünktlich zu Ende sein. Tatsächlich schreiben wir aber mittlerweile das Jahr 2008, wo es durchaus Leute gibt, denen es nichts ausmacht, wenn es mal ein bisschen mehr zugeht, oder sie auch mal dreckig werden.

Michael Strohmann: Wir versuchen, eine Art Sturm zu entfachen, der im besten Falle überall rauschen soll – ein den Beinen, in den Köpfen, usw. Mir ist auch Abstraktheit ziemlich wichtig. Ich glaube nicht, dass Fuckhead funktionieren würde, wenn wir jetzt beispielsweise Hardcore-Musik spielen würden, oder irgendetwas anderes. Die Musik, die wir machen, muss dann schon so abwegig sein, wie es eben gerade bei uns der Fall ist, dass sie immer am Rande des Gerade-Noch-Hörbaren angesiedelt ist. Ich selber kann mir die Sachen zu Hause auch nicht oft anhören, weil es zu aufreizend ist irgendwie und ich dazu nicht relaxen kann.

Didi Bruckmayr: Ich höre mir das zu Hause schon immer mal wieder an. Allerdings mit Kopfhörer, wo das wirklich wie eine Art Dusche wirkt. Aber es stimmt schon, es ist eine sehr unentspannende Musik.

Michael Strohmann: Im Idealfall soll es Gehirnzellen quasi unter Strom setzen.

Stichwort “Publikum”. Ihr habt ja jetzt schon in vielen verschiedenen Ländern, auf unterschiedlichen Kontinenten, gespielt. Waren hier bisher irgendwelche länderspezifischen Unterschiede bezüglich Resonanz auf eure Performance, eure Musik, auszumachen?

Michael Strohmann: Kann ich so nicht sagen. Wir waren bisher nur in Ländern, die eher westlich orientiert sind, dazu zähle ich im weiteren Sinne jetzt auch Australien oder Japan. Es ist aber noch kein moslemisches Land dabei gewesen. Deswegen war die Resonanz eigentlich überall ziemlich ähnlich. Dort kennt man eben Punk und Hardcore, eben die Ecke, aus der Musik und Performance her kommen. Interessant war es allerdings, zu beobachten, wie die Japaner anfangen zu weinen, sobald der Sigi am Schluss seine Ballade auf Japanisch gesungen hat. So etwas, dass jemand bei einem Konzert von uns angefangen hätte, zu weinen, haben wir sonst noch nirgendwo erlebt.

DD Kern: Erstaunlich war, dass die Japaner von allen die Musik am lautesten aufgedreht haben. Auch in den kleinsten Hütten habe die die massivsten Anlagen stehen und am Schluss weinen sie dann. Dort haben wir wirklich lustige Sachen erlebt. Es wäre aber wirklich einmal interessant, so eine Show in Afrika zu spielen, oder irgendwo anders in der nicht-westlichen Welt, irgendwo, wo ein ganz anderer Grund-Schmäh am Laufen ist und dann kommen Fuckhead daher und spielen ihren kleinen Zirkus runter.

Also beispielsweise auch im Iran, wo doch ziemlich strikte religiöse Dogmen vorherrschen?

Didi Bruckmayr: Die Gesellschaft selbst ist dort sogar sehr liberal und modern eingestellt. Momentan müssen sich die Leute dort halt ein wenig tarnen. Mein Bruder war vor ungefähr zwei Jahren mal dort und der meint, es wäre sicher kein Problem, dort einmal vor Studenten auftreten zu können. Wahrscheinlich gäbe es einen Dresscode einzuhalten, aber ansonsten würde das schon funktionieren. Letztes Jahr war ich in Brasilien und da hat die Musik auch gut funktioniert – interessanterweise, je mehr das in Richtung Techno gegangen ist, desto besser ist es aufgenommen worden.

 

 

DD Kern: Gerade bei den Traditionals in Afrika oder Südamerika hat man sehr viel Bass und Schlagzeug dabei – wenn du da einen Beat zu spielen anfängst, so interessiert das niemanden, es muss einfach der Impuls stimmen.

Didi Bruckmayr: Dort spielt auch die physische Präsenz eine sehr große Rolle, so dass ich glaube, wenn wir dort herum hüpfen würden, auch begeistern könnten. Vielleicht würden die die Musik gar nicht wahrnehmen, aber sagen, “ja, die Typen waren witzig”. Das wäre ein wunderbarer Erfolg, wenn man das so akzeptieren würde.

Wie sieht es bei CD-Produktionen aus, wenn ein, wie ihr ja angemerkt habt, wichtiger Teil, nämlich die Performance, wegfällt? Wie werdet ihr hier euren Ansprüchen gerecht, wenn man nur das Hörbare realisieren kann?

Michael Strohmann: Irgendwie ist es schon ein wenig ein Problem, dass wir eben sehr stark über die Performance rezipiert werden und die Musik, die eigentlich das treibende Element ist, eher untergeht.

Didi Bruckmayr: Der Labelchef von Köhlermann Records, Gerhard Potuznik, hat gemeint, er will Tracks hören, bei denen sofort Bilder aufgehen, ganz gleich, welche genau das jetzt sind. Ich glaube, das ist genau der richtige Ansatz. Ich setze mich hin, lege eine CD ein und dann geht in mir irgendetwas auf. Ganz egal, ob das ein Klarinettensolo ist oder unsere wahnsinnigen Noise-Geschichten und ich denke, was wir mit Sicherheit schaffen werden, ist einfach, eine aufregende CD zusammen zu stellen, die für sich alleine steht. Es gibt ja eine Menge Leute, die uns noch nicht live gesehen haben und die sollen ja auch von der Musik angesprochen werden.

DD Kern: Im Prinzip ist es genau so, wie bei einer Live-Performance. Entweder, du gibst dich dem Gehörten voll hin, oder du drehst ab, oder gehst einfach hinaus. Auf das stehe ich generell beim Musikmachen, dass da etwas ist, wo man sich wirklich hinsetzen und auch die Ohren aufsperren muss. Ich habe immer die größte Freude, wenn ich irgendwann mal auf eine Platte drauf komme, die schon seit einem Jahr bei mir zu Hause herum steht, ich dann einmal wirklich zuhöre und je öfter ich das mache, desto mehr Facetten tauchen auf. Nicht irgendetwas, das gleich beim ersten hören einfährt, aber spätestens beim fünften Mal kannst du es nicht mehr hören.

Didi Bruckmayr: Genau. Dinge, von denen man sagt, das ist sehr ungewöhnlich, anstrengend, oder was auch immer – zumindest lassen sie einen nicht kalt. Das ist auch mein privater Ehrgeiz bei der Produktion und ich glaube, dass wir das auch fertig bringen werden. Technologisch sind wir natürlich auch alle einen großen Schritt weiter gekommen und mittlerweile sehr versiert an den Gräten, so dass wir autonom arbeiten können. Gerade in unserem Sektor kann man ganz gut alles alleine und ohne Label machen. In diesem Fall jetzt haben wir zwar eines, aber das ist auch eher mehr eine Arbeitsgemeinschaft.

Michael Strohmann: Und für das Visuelle gibt es dann ja ohnehin noch die DVD, die wir vor kurzem raus gebracht haben, auf der man dann auch die Performance sehen kann. Natürlich kann das aber nie einen Ersatz für das richtige Live-Erlebnis darstellen.

Didi Bruckmayr: Diese Fotoalben, die wir jetzt im Netz auf Myspace präsentieren, erzählen schon sehr viel. Ich stelle da auch immer ganz gezielt ganze Serien hinein, die von Leuten geschossen werden und sortiere nicht die schlechten Fotos aus. Ein gewisses Bild kann man sich so schon machen und davon etwas mitnehmen – oder auch nichts, wie auch immer. Ein paar CDs haben wir ja mittlerweile auch schon gemacht, die auch ganz normal über Shops verkauft hätten werden sollen. Ich glaube, bei der jetzt ist das schon völlig egal – die steht dann einfach da.

DD Kern: Wie Fuckhead begonnen hat, gab es ja auch als Tonträgermedium nur die CD. Alles andere war VHS, was eigentlich nicht so recht im Sinne unserer Ansprüche war. Mittlerweile haben sich die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wesentlich erweitert – einerseits für Eindrücke für uns selbst, andererseits auch für diejenigen, die wir anderen vermitteln möchten.

Didi Bruckmayr: Ich bin nicht unbedingt ein Technikfreak und erst relativ spät mit Computern zusammen gekommen, wenngleich ich sogar schon die frühe Ars Electronica miterlebt habe – zuerst als Zuschauer, dann als Kistenträger. Ich werde nie vergessen, wie schwer die Kisten waren, die wir da herum geschleppt haben, nur damit dann ganz einfache Computer-Animationen zu sehen waren. Das war schon irgendwie beeindruckend, wie aus diesem Umfeld beispielsweise die Farmers Men diese ganzen neuen Tools präsentiert haben, die auf einem miesen Laptop gelaufen sind und damit eine neue Ästhetik, die geheißen hat, “Hauptsache schnell und scheiß auf die Auflösung”.

Wenn ihr bemerkt, dass ihr euch alle technisch und spielerisch weiter entwickelt habt, inwiefern könnt ihr euch alte Aufnahmen von euch noch anhören? Seid ihr damit nach wie vor zufrieden?

Didi Bruckmayr: Man muss sich selbst ja nicht an Parametern messen, wie sie einem der aktuelle Markt in Sachen High Fidelity aufzudrängen versucht. Mit diesem Anspruch ist das alles ja auch gar nicht produziert worden. Ich bin immer wieder überrascht, wie eigenständig und verrückt manche Produktionen sind. Ich höre mir das selten an, aber ich finde das eigentlich recht zeitlos und kann auch mit der allerersten Maxi gut leben, die wir mal aufgenommen haben.

 

 

DD Kern: Vom technischen Standpunkt her klingt die sogar noch am ehesten nach einer Rockband, weil da noch diese typischen Songstrukturen sind, aber ab der 12″ ist es dann dahin gegangen, dass alles einen ganz eigenen Sound bekommen hat. Beispielsweise die Video Arena, wo gerade zu der Zeit dieses Midi Ding so ein wenig studiotauglich wurde und auch so, dass die Leute es sich preislich leisten konnten – wenn ich mir das heute anhöre, dann finde ich das lustig, wie limitiert man damals noch von den Maschinen her war. Oder, dass das alles wirklich so anders klingt, obwohl er uns versichert hat, die gesampelte Bass-Drum würde wie eine echte klingen, usw.

Aber für den damaligen Standard war das eigentlich der volle Knaller. Man merkt zwar, dass alles noch ein wenig in den Kinderschuhen gesteckt hat, aber auf der anderen Seite sind wirklich ein paar schöne Ergebnisse zu hören.

Didi Bruckmayr: Das war eben Sampling. Später ist dann eben die andere Sache Thema geworden, nämlich, dass Sounds rein digital erzeugt werden. Ab da ist es dann wirklich aufregend geworden. Und ich denke, solche Sachen stehen sowieso für sich, die sind einfach da und ab diesem Zeitpunkt war auch High Fidelity überhaupt kein Thema mehr. Ich meine, da waren Typen, die Live-Sets gespielt haben mit hundigsten Rechnern und teilweise noch einfach die Laptop-Boxen vors Mikro gehalten haben.

Didi Kern: Genau dann ist es aber umso schöner. Früher, mit so analogen Kisten, hast du für einen bestimmten Sound ein ewig schweres Stück herumschleppen müssen und heute ist das alles in so einem kleinen Laptop drin, der dir alle Möglichkeiten bietet.

Didi Bruckmayr: Wenn man dann Druck haben wollte, war es so, dass man eben diese elektronischen Spielereien mit richtigen Instrumenten kombiniert hat. Das war auch immer unser perverser Ansatz – das Organische und das Künstliche. Und an dem arbeiten wir uns jetzt auch schon die längste Zeit ab, was natürlich eine irrsinnige Schinderei ist.

Michael Strohmann: Im Prinzip war es auch so, dass sich der Sound jeder Platte ziemlich geändert hat. Darum finden wir es selber auch wahrscheinlich immer noch spannend und deshalb gibt es uns wahrscheinlich überhaupt immer noch. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, irgendetwas Neues zu machen. Natürlich hätten wir auch ewig auf dieser Hardcore-Schiene bleiben können, aber das hat uns überhaupt nicht interessiert. Man kann auch nicht sagen, dass das, was wir jetzt machen, ein Musikstil ist, den wir kreiert haben, weil wir ja tatsächlich selbst auch noch nach wie vor auf der Suche sind. Es ist bei mir keinesfalls so, dass ich sagen könnte, ich wüsste genau wo ich stehe und wo ich hin will – wo ich hin will schon irgendwie, aber das ist noch nicht gefunden worden. Es ist alles noch offen, wo das alles hinführen kann.

Didi Bruckmayr: Da ist die Resonanz des Publikums natürlich schon sehr wichtig. Sollten wir mal alle rigoros aus dem Saal raus spielen, dann haben wir ein Problem. Aber das passiert ja nicht, da viele Leute sich gemeinsam mit uns auf die Suche begeben und von den Shows auch immer etwas mitnehmen. Dadurch kann man diese Wissenschaft von Trial and Error weiterführen, an der wir alle wachsen.

Das schöne ist ja auch, dass man sich mittlerweile viele Geräte und Programme leisten kann und auf Software-Seite auch viel Open Source ist. Durch das Internet und diverse Blogs ist ja alles global geworden und du findest immer jemanden, mit dem du reden kannst und der dir weiter hilft. Es ist also nicht mehr so akademisch wie früher, wo du in eine Schule aufgenommen werden musstest, nur um gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt zu bekommen, die du für die Musik gebraucht hast.

Heute ist alles frei zugänglich und in unserem kleinen Bereich herrscht durchaus Demokratisierung. Im Endeffekt kommt man dadurch dann vielleicht nicht mehr an die großen Jobs ran, aber ich glaube, das ist ja auch nicht wirklich das Thema. Jeder kann sich selbst das jeweils benötigte Wissen aneignen und es gibt eine Community, in der sich alle gegenseitig weiter helfen.

Es ist natürlich auch eine Art Glaubensstreit, ob es gescheiter ist, zu fixen Zeiten ins reservierte Studio zu gehen, weil du deinen Scheiß dann zu einem gewissen Termin zusammen haben musst, oder du alles selber machst und dafür niemals fertig wirst. Mir ist ehrlich gesagt die zweite Situation lieber, weil man so wirklich herum tüfteln kann, vor allem, wenn man so wie wir in einer Nische sitzt und so neben der Zeit des Marktes agieren kann.

Ihr habt ja alle noch einige andere Projekte am Laufen. Besteht hier die Möglichkeit, dass euch Fuckhead irgendwann einmal langweilig wird?

DD Kern: Nein, ich glaube, dass es mittlerweile ohnehin etwas bewusster und relaxter angegangen wird. Wenn ich zurück denke, war Fuckhead, als ich angefangen habe, noch eine wirklich stressige Partie, wo wir vor den Auftritten das ganze Programm ein paar Mal durchgeprobt haben. Jetzt gibt es auch schon mal drei Wochen, wo überhaupt nichts passiert und dann wieder mal eine lustige Zusammenkunft, wo Proben auf dem Programm stehen, wir dann allerdings sowieso nur drei Stunden im Wirtshaus sitzen und über alles Mögliche quatschen. Es wird aber auch viel übers Web kommuniziert, wo wir uns neue Stücke gegenseitig schicken und diese dann auch wieder mal im Proberaum zusammen tragen.

Didi Bruckmayr: Gearbeitet wird schon irgendwie permanent, aber das sogenannte Bandleben hat sich völlig aufgelöst. Vor allem, weil wir alle wo anders wohnen. Aber die Zeiten haben sich geändert – heute musst du nicht mehr in den Proberaum gehen, um gemeinsam zu arbeiten. Du musst nur irgendwie lernen, deine gemeinsamen Vorstellungen zu realisieren.