mica-Interview mit FS Massaker

FS Massaker – das steht für Michael Masen am Saxofon und Werner Thenmayer hinterm Schlagzeug, steht für eine hochexplosive Mischung aus freiem Jazz und der Gewalttätigkeit des ungezügelten Rock. Erst 2012 gegründet, trat die Combo bereits am heurigen Donaufestival in Krems auf. Wie es dazu kam, welche Zusammenarbeiten in Erwägung gezogen werden und welche Soundexperimente in Planung sind, erzählten sie Clemens Marschall in ihrem Proberaum im 10. Wiener Gemeindebezirk:

Die erste Sache, die mich interessieren würde: FS Massaker klingt ziemlich mysteriös. Wofür steht der Bandname?

Michael Masen: Wir haben uns gedacht, wir wollen dieses mysteriöse Element drin haben und dass die Leute herumrätseln, was das heißt. Wir haben uns selber nicht viel dabei gedacht und einfach irgendwelche Buchstaben genommen: „OK, FS Massaker – leiwand!“ Massaker klingt gleich mal arg und FS können sich die Leute dann selber ausdenken, was sie wollen. Es sind dann auch total obskure Rückmeldungen gekommen: Frank Stronach…

Werner Thenmayer:
Friedrich Schiller…

Euch gibt es erst seit relativ kurzer Zeit – wie habt ihr euch gefunden?

Werner Thenmayer: Also ich hab ihn spielen gesehen in Laa an der Thaya mit einer Kyuss-Coverband.

Michael Masen: Shylock Nerd haben im Rahmen von irgendeinem Jubiläum eine Kyuss-Coverband gemacht und schon zwei, drei Monate hingeprobt auf den Gig. Irgendwas hat ihnen aber noch gefehlt. Das sind lauter gute Freunde von mir und die haben gewusst, dass ich kurz davor mit Saxofon angefangen hatte. Die haben mich dann angerufen und gefragt, ein, zwei Konzerte mit denen mitzuspielen. Ich hab mich ein bisschen angeschissen weil ich mir gedacht hab: „Gut, jetzt spiel ich drei Monate Saxofon – was wollen die von mir?“
Es hat dann aber relativ gut funktioniert mit meinen limitierten Fähigkeiten, die Konzerte waren auch leiwand. Gleich beim ersten war der Werner im Publikum, den ich so schon aus dem Freundeskreis gekannt hab. Er hat mich nachher angeredet und gemeint: „Mir würd’s taugen in diese Free Jazz-Impro-Richtung was ausprobieren…“
Werner hat ja einen Haufen verschiedener Projekte aber nichts in diese Richtung, da war er auch noch total unbeleckt. Das war die Herausforderung bzw. der Ansatz, dass wir uns das miteinander erarbeiten.

Das heißt ihr seid noch gar nicht länger im freien Jazz-Bereich unterwegs?


Werner Thenmayer:
Nein, überhaupt nicht. Ich hab vorher in so klassischen Jazz-Bands gespielt, aber von der freien Improvisation hab ich noch keine Ahnung gehabt. Mich hat es schon immer interessiert, aber ich hab nicht die richtigen Leute gekannt.

Aber dann habt ihr euch relativ schnell entwickelt, dass ihr z. B. heuer schon beim Donaufestival in Krems gespielt habt – wie geht das?


Michael Masen:
Wir haben vier Konzerte gespielt, zu denen wir halt irgendwie gekommen sind, und bei dem einen haben wir uns noch reingeschwindelt ins Line Up: da hat eine holländische Band gespielt und Philipp Quehenberger & ddkern. Wir haben uns bei denen ins Vorprogramm reingeschummelt und da war schon an dem Abend die Resonanz vom Quehenberger und vom Kern recht super.
Ein paar Wochen später sitz ich in der Arbeit und ruft mich der ddkern an: „Du hallo, ich will dich nur kurz vorinformieren. Ich hab dem Zierhofer-Kien vom Donaufestival deine Telefonnummer gegeben weil die suchen eine Free Jazz-Combo, die dort spielen mit irgendeiner Band…“ Blablabla, hab ich nicht verstanden, hab ich nicht gekannt, mir nur gedacht: „He, leiwand! Super Didi, danke für’s Anrufen.“
Eine halbe Stunde ruft mich dann der Zierhofer-Kien an und erklärt mir halt wieder, dass wir da vor irgendeiner Band spielen sollen, die wollen, dass wir ein bisschen Lärm machen als Free Jazz-Duo. Er hat mich gefragt, ob wir spielen wollen, und nach ungefähr einer Hundertstel Sekunde Nachdenken hab ich natürlich gesagt: „Ja, machen wir.“
Nachher hab ich den Werner angerufen und gesagt: „Hey Werner, wir spielen am Donaufestival.“ Der hat mir das dann ungefähr die nächsten drei Tage nicht geglaubt, mich immer gefragt: „Spielen wir da wirklich? Passt das wirklich?“
Dann haben wir mit der Produktionsverantwortlichen vom Festival Kontakt gehabt und herumgeschrieben, das hat alles gepasst. Irgendwie haben wir dann erfahren: Hype Williams heißt die Band, für die wir das Intro dort machen. Das sag ich dem Werner: „Hype Williams heißen die Typen.“ Der ist gleich zehn Meter hoch gesprungen: „Boah, Hype Williams!!“ Das ist anscheinend eine irrsinnig große Nummer, nur ich Scheiß-Ignorant hab das überhaupt nicht gewusst, weil ich überhaupt keinen Techno hör.

Werner Thenmayer: Das hat auch überhaupt nichts mit Techno zu tun. [lacht]

fs-massaker live from stlmr on Vimeo.

Wie war das Konzert im Endeffekt für euch?

Werner Thenmayer:
Kurz.

Michael Masen: Kurz, ja. Wir sind hingekommen um drei am Nachmittag, haben einen Soundcheck mit den Typen gemacht und die haben gesagt, wir sollen so laut wie möglich spielen – also eigentlich genau das, was wir können – das hat gut gepasst.
Das Konzert dann war leiwand, aber leider auch unbefriedigend, weil es nur ein bisschen über fünf Minuten gedauert hat. Es war so abgesprochen, wir haben gewusst, dass es kurz sein wird, aber sie haben immer gemeint ca. zehn Minuten. Dann rechnest du damit, dass es eh ein bisschen länger sein wird, aber es war im Endeffekt ein bisschen kürzer. Wenn du hineindrischt wie ein Wahnsinniger und Vollgas gibst und du kommst noch nicht einmal ins Schwitzen, wirst aber schon abgewunken – das ist halt ein bisschen frustrierend.
Aber es war super, vor so vielen Leuten zu spielen – so eine Chance kriegt man auch nicht allzu oft.

Weil ihr gesagt habt: „Laut – das können wir!“: hat es irgendein Anfangskonzept für eure Band gegeben?

Werner Thenmayer: Naja… laut! [lacht] Wir haben gesagt, dass der Michael über’s Schlagzeug drüber blasen soll – das war am Anfang die challenge: dass, wenn ich Vollgas spiel, er noch ohne Mikrophonierung drüber kommt. Es sollte sehr intensiv und mit viel Energie sein.

Michael Masen: Was auch meinen limitierten Fähigkeiten nach wie vor zuzurechnen ist: Werner kennt sich halt aus, der kann sich auf alles einstellen, deswegen läuft es so, dass ich größtenteils spiele, was mir einfällt, reinfetze – und Werner kann sich Dank seiner langjährigen Schlagzeugerfahrung auf mich einstellen. Deswegen muss ich immer so lachen, wenn Leute nach dem Konzert kommen: „Super, leiwand zammg’spielt!“
Mittlerweile hör ich auch schon ein bisschen besser auf ihn, aber ich weiß noch die ersten zwei Konzerte, da war ich rein auf mich konzentriert und hab nicht einmal mitgekriegt, dass der Werner da war – ohne Scheiß! Weil ich mich so angeschissen hab, vor Leuten zu spielen und aufpassen musste, dass bei mir ein halbwegs schiefer Ton rauskommt.

Werner Thenmayer:
Aber es hat sich mittlerweile schon ziemlich geändert, wir haben jetzt auch schon leise Parts und Phrasierungen drin. Er spielt jetzt mit einem Alt-Saxophon, das ist schon mal prinzipiell leiser und hat eine ganz andere Klangfarbe.

Seit wann spielt ihr eure Instrumente?

Werner Thenmayer: Ich seit ich elf bin, also ca. 14 Jahre.

Michael Masen:
Ich seit ziemlich genau zwei Jahren.

Aber du bist ziemlich motiviert und übst seither wie ein Wahnsinniger.

Michael Masen: Ich spiel jeden Tag zwei Stunden, einfach deswegen, weil alle Leute, mit denen ich gern Musikmachen möchte, die spielen halt schon seit zehn Jahren oder mehr. Die einzige Möglichkeit, die ich gesehen habe, um mit meinen Freunden gemeinsam Musik zu machen, war halt zu schauen, dass ich so schnell wie möglich ein halbwegs erträgliches Level erreiche.

Du bist also als aktiver Musiker ein Spätzünder und willst jetzt alles so schnell wie möglich aufholen.

Michael Masen: Absolut. Das ist glaub ich wie bei irgendwelchen Sekten-Trotteln, die auch irgendwann spätberufen sind und dann bemühen sie sich total und hängen sich dann vielmehr rein als die ganzen Idioten, die von Früh auf schon indoktriniert worden sind.

FS Massaker ist als Duo gegründet worden – soll das so bleiben oder wollt ihr eure Combo noch erweitern und mit anderen Musikern ausbauen?

Werner Thenmayer: Prinzipiell ist es als Duo gegründet worden und es wird auch so bleiben, aber wir sind schon dabei, mit anderen Leuten herumzuprobieren, etwa mit Richie Herbst von Interstellar Records arbeiten wir grade an einer Dreier-Konstellation. Er spielt Drones und Basslines von seinem Synthesizer, das wird wahrscheinlich auch mal bald live präsentiert werden. Also wir sind grundsätzlich offen für Experimente mit anderen Leuten. Es soll immer der Ansatz der freien Improvisation voranstehen.

Michael Masen: Das Ziel dieser ganzen Improvisationsmusik ist auch, dass du immer so offen wie möglich bleibst, dass du dich einfach immer weiter entwickelst, dass du immer eine Bewegung in dem ganzen Ding drin hast und nicht wie die Rolling Stones dastehst, die seit 50 Jahren den selben Stiefel runterspielen. Das interessiert mich überhaupt nicht.

Habt ihr vor, einen Tonträger zu veröffentlichen?

Michael Masen: Mir wäre es noch zu früh, weil man bei uns wirklich von Monat zu Monat den Fortschritt sehen kann, dass vom Sound her immer mehr weitergeht. Ich glaube, ich wäre ziemlich unzufrieden, wenn wir jetzt eine Platte aufnehmen würden, ich hör mir das Ding in zwei, drei Monaten an und denk mir: „Boah, was haben wir denn da für einen Schaß zusammengespielt?!“ Das wäre sehr unbefriedigend.
Wir wollen auf bandcamp eine Seite einrichten und das, was wir aufnehmen, gratis als Stream anbieten. Wenn es wirklich jemandem taugt, kann er sich das auch auf seinen mp3-Player ziehen und pro Stück ein, zwei Euro zahlen und fertig.

Was sind eure nächsten Pläne?

Michael Masen: Also dass wir zu zweit weiterspielen, so viel wir können. Wir nehmen jetzt auch was auf. Dieser Proberaum ist in einem fünfstöckigen Fabriksgebäude, wo wir halt auch dementsprechend ein fünfstöckiges Stiegenhaus haben und wir sind draufgekommen, wenn man sich da rausstellt und spielt macht das einen ziemlichen Lärm…

Werner Thenmayer:
… das klingt wie ein Donnerwetter!

Michael Masen: Genau, dieser Halleffekt von diesem großen Gewölbe ist halt irrsinnig leiwand. Ein Freund von uns ist ein ziemlich guter Tontechniker und kann hochqualitative Mikros besorgen. Werner und er haben ein Konzept entwickelt, wo wir mit Raum- und Richtmikros im ganzen Stiegenhaus quasi 16 Mikrofone aufbauen – und den Rest muss dir jetzt der Werner erklären weil dann bin ich irgendwie ausgestiegen, wie das funktionieren soll.

Werner Thenmayer:
Also prinzipiell ist es so, dass wir nur mit Raummikros arbeiten und eine Art Sound Design-Platte machen wollen, keine klassische Free Jazz-Platte. Das Material, das wir machen, besteht eher aus Texturen, weniger aus Melodien und Riffs. Diese Texturen mischen wir dann zusammen, blenden ein, blenden aus, z. B. dass du die Musik hörst und es fühlt sich so an, dass du von unten reingehst und die Musik von da aus hörst, dann zum Zentrum kommst, woher die Musik wirklich kommt, und dann hörst du das komplette Spektrum rauf – so was haben wir da vor.

Was denkt ihr da generell: Es gibt ja viele Leute, die sagen: „OK, Free Jazz kann live funktionieren, wenn die Leute auf der Bühne stehen und man sieht die Dynamiken, die da zwischen den Musikern entstehen. Aber daheim kann ich mir das nicht anhören.“?

Werner Thenmayer: Das ist auch einer der Gründe, warum wir das mit so vielen Mikros in einem großen Raum machen wollen und mit einem ziemlich strikten Sound Design und Konzept. Es soll so sein, dass der Misch von den ganzen Mikrofonen prinzipiell wie ein Bandmitglied funktioniert, das heißt die Lautstärke, die Dynamik hervorhebt. Die Aufnhame sollte dadurch einen ziemlich mitreißenden Charakter und Sound bekommen.
Das ist einmal der Grundplan. Wir haben das auch schon ausprobiert und es hat bis jetzt ziemlich gut funktioniert.

Michael Masen: Aber ich hör mir schon gerne freie Improvisation von Leuten daheim an, die das beherrschen. Ich denke, da wird es auch noch ein paar andere geben, die sich Free Jazz daheim anhören, weil ihnen das taugt. Das ist wie bei jeder Musik und persönlichen Vorlieben: der eine geht halt gern in die Oper, der andere sagt: „Nein, mit dem alten Publikum und der stockkonservativen Institution will ich nichts zu tun haben – aber daheim hör ich es mir trotzdem gern an.“
Das ist bei allen unterschiedlich.

Gut, dann auf zur letzten Frage: FS Massaker ist offen für so gut wie jede Zusammenarbeit, zumindest zum Probieren. Gibt es ein Instrument, das überhaupt nicht geht, wo ihr von vornherein sagen könnt: „Harfe wird es bei uns sicher nicht geben!“

Werner Thenmayer:
Da ist eigentlich alles möglich. Sagen wir so: Es gibt mehr unnötige Leute als unnötige Instrumente. [lacht]

Fotos: Clemens Marschall