Mit Markus Deisenberger sprach der renommierte Trompeter, Komponist und Klangforscher Franz Hautzinger über die Schrecken der inneren Mongolei, die Ehre, mit den Besten zu spielen, und Musik als Erkenntnisgewinn.
Du kommst gerade von einem Musikfestival in der Mongolei. Kannst Du uns Deine Eindrücke schildern?
Zuerst einmal bin ich froh, dass ich noch lebe, weil ich beim Überqueren eines Flusses fast ertrunken bin. Wochen lang hat es jeden Tag geregnet, und deshalb war das ganze Tal, in dem wir uns bewegten, überschwemmt. Und als wir den Fluss mithilfe eines Ochsen überqueren wollten, weil wir auf die andere Seite mussten, verlor der plötzlich alles, und ich ging mit Schlafsack und Trompete unter Wasser.
Schön, dass Du wieder da bist. Und Deine Eindrücke von Land und Leuten?
Ein schönes Land, aber sehr hart. Vom Essen angefangen: Fast durchwegs gab es getrocknetes Hammelfleisch mit Karotten und Kartoffeln in Brühe aufgekocht, meistens ohne Salz. Und schlechtes Wasser. Einige wurden sogar krank. Und auch der soziale Umgang ist sehr hart.
Inwiefern?
Niemand grüßt morgens. Und du wirst nur dann bedient, wenn niemand anderer da ist. Einheimische gehen vor. Als Ausländer gilt man da erst einmal nichts – ach was sag ich, weniger als nichts. Es wird einem das Gefühl vermittelt, man sei – ähnlich wie die chinesischen Besatzer – ein lästiger Eindringling.
Wir haben unter anderem auf einem Volksfest gespielt, wo Wettreiten, Bogenschießen und dergleichen stattfanden. Die Preisverleihung sah dort so aus, dass der jeweilige Preisempfänger seinen Preis entgegen nahm, ohne großes Aufhebens, ohne Worte, danach aufsattelte und mit seiner gesamten Entourage davon ritt, d.h. also nicht abwartete, bis auch die weiteren Preise verliehen wurden. Beim Sieger war dadurch nur noch dessen eigene Gefolgschaft und damit ein Bruchteil der anfangs anwesenden 200 Leute da. Traurig.
Was, würdest Du sagen, war der größte Unterschied zu den Festivals, die Du hierzulande spielst?
Wenn Du mit einem Trompetenkoffer nach Afrika reist, fragt Dich sofort jemand, was das ist, das du da bei dir trägst. Und schon wird gemeinsam gespielt. Auf der Welt, die ich bisher kannte, ist das eigentlich überall so: Man knüpft schnell Bande, kommt sich näher. Und so war es auch dort gedacht. Nur: Mich hat Wochen lang nie jemand gefragt, was da in diesem Koffer drin ist. Ich hab mich sehr wohl dafür interessiert, wie so eine Pferdekopfgeige aussieht. Umgekehrt hat sich niemand dafür interessiert, wie eine Klarinette oder eine Trompete funktioniert. Das fand ich bemerkenswert und sehr beunruhigend. Und es gibt keine Überlieferungen. Deshalb wird von Volksmusikgruppen meistens ein und das selbe Stück gespielt – immer und immer wieder.
Überlieferung ist vielleicht ein gutes Stichwort. Geht es bei Deinem viertägigen Portrait im Wiener Porgy & Bess, das im September über die Bühne gehen wird, nicht auch ein bisschen darum, etwas zu überliefern, d.h. ein Statement zu setzen?
Die Idee mit den Portrait ist schon ein paar Jahre alt und ich hatte um die vierzig Besetzungen im Kopf. Eine Idee war es, drei ganz starke internationale Acts, mit denen ich spiele, nach Wien zu holen. Aber ich verwarf diese Idee wieder. Ich hab an diesem Ort so viel gemacht und es war auch der einzige Ort, an dem man alles machen konnte – ausgenommen vielleicht Neue Musik und das ganz Abstrakte, einfach weil das Porgy kein Ort der Ruhe sondern einer des Erlebens ist. Und genau deshalb fiel meine Entscheidung letztlich zu Gunsten populärer Musikern. Es geht mir darum, keinen Forschungsbetrieb zu veranstalten und auch nicht den Stand zu zeigen, wo ich gerade bin, sondern all das zu präsentieren, was für das Porgy und mich in all den Jahren eine Rolle gespielt hat. In den letzten Jahren hab ich vielleicht weniger im Porgy gespielt, weil ich mich wenig gekümmert habe und es eine Porgy-Szene in dem Sinne auch gar nicht mehr gibt. Der Veranstaltungsort hat durch die wirtschaftlichen Bedingungen ja eine starke Änderung in seiner Programmatik erfahren. Aber wichtig war dieser Ort immer für mich.
Wobei die „Strenge Kammer“ als Veranstaltungsreihe doch auch ein bisschen der Versuch ist, das Schräge und weniger Populäre wieder verstärkt aufzugreifen…
Schon ja, das war auf jeden Fall eine gute Idee, letztlich ist es aber in dem Sinne nach hinten losgegangen, weil dadurch unfreiwillig eine Zwei-Klassengesellschaft geschaffen wurde: Die einen spielen auf Eintritt, die anderen vor ausverkauftem Haus. Das hat man so nicht gewollt, aber passiert ist es. Den Fokus auf die Mischung aus Österreichisch und International zu legen, geht einfach nicht mehr. Christoph Huber braucht ein volles Haus.
Und wer von hier kann ein volles Haus liefern?
(lacht) Nur die Lustigen. Nicht die Schrägen und Experimentellen. Und so spielt sich das meiste Experimentelle in der Strengen Kammer ab. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Jetzt haben wir eben den Armani-Flagshipstore und den 10-Schillig-Shop unter einem Dach, was freilich auch eine Kunst ist. Aber wir erleben auch bei Festivals das Gleiche: Die Kleinen lässt man ausbluten bzw. schaut, wie sie mit viel weniger Geld zurecht kommen und die Großen bekommen noch mehr Geld.
Das heißt aber doch nur, dass die Schere wie in allen anderen Gesellschaftssparten auch noch weiter auseinander geht.
Ja, aber es ging blitzschnell. Und ich kenne tatsächlich kein großes Festival, das plötzlich mit der Hälfte des bisherigen Geldes auskommen müsste. Bei Kleinen ist das anders. Weder Christoph Huber noch andere wollen ein ständig volles Veranstaltungslokal mit durchwegs lustiger Musik. Aber keiner kann mehr frei arbeiten und das ist eine Einbuße.
Du spielst in beiden Shops, wie Du es genannt hast. Zu Beginn in der Strengen Kammer und dann im Hauptabendprogramm des Porgy, wenn man so will. Bewusst?
Ja, aber mein Auftritt in der Strengen Kammer ist bloß ein Auftakt.
Vielleicht kannst Du mir die Ankündigung dieses Auftakts im Programmheft erklären. Da heißt es, es wären „spontan verdichtete Tusch- und somit kalligraphische (Über)Lebensspuren, welche im Verlauf der Vernissage in einer (einminütigen) Wahrheit des Augenblicks entstehen.“ Klingt kompliziert…
… ist aber ganz einfach. Ich male dort live. Ich habe Jahre lang gezeichnet, und es gibt auch ein Buch von mir mit graphischen Partituren. Hin und wieder hab ich eine Ausstellung, auch wenn ich mich nie so darum gekümmert habe. Aber aus dieser Tätigkeit hat sich letztlich eine Figur heraus kristallisiert, die geblieben ist und die ich immer noch male. D.h. ich hab immer noch einen Strich, das ist wie mit dem Radfahren: Ganz verlernen kann man es nicht. Die Idee zu malen lag nahe, weil Renald Deppe in der Strengen Kammer Ausstellungen von Musikern organisiert, die malen. Christian Muthspiel etwa hat dort schon ausgestellt. Ich werde also sieben oder acht Papiere aufhängen und drauf los malen. Die Bilder bleiben dann hängen. Das ist der Auftakt. Es folgen Konzerte in der Strengen Kammer von Florian Pollack, Agnes Hvizdalek und Florian Kmet.
Was hat es mit diesen drei Konzerten auf sich?
Ich habe dreiundzwanzig Jahre lang unterrichtet. Das sind drei meiner liebsten Studenten, die dort konzertieren. Wenn es schon ein Portrait ist, dann sollten eben auch der Maler und der Pädagoge zu Wort kommen.
Wobei es dennoch schwierig ist und bleibt, Deiner Vielfalt in drei, vier Tagen gerecht zu werden. Wie würdest Du das viertägige Event selbst beschreiben?
Werkschau, Retrospektive, Portrait… ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es eine Möglichkeit viel von mir zu zeigen.
In Deinem Schaffen ging und geht es immer wieder darum, Grenzen zu überschreiten. Diese Grenzen, über die Du Dich hinwegsetzt – sind das immer die gleichen oder gilt es immer wieder neue Mauern einzureißen?
Teils, teils. Da gibt es einmal die eigenen Grenzen, die die gleichen bleiben. Ich meine damit, was ich imstande bin zu tun. Mein Können, meine Potenz. Das andere sind die von außen gegebenen Grenzen. Aber wenn man sich im zunehmend grenzenlosen Bereich bewegt, ergeben sich die.
Aber gibt es diesen grenzenlosen Bereich überhaupt oder ist das nicht vielmehr eine Illusion?
Sicher ist das eine Illusion, weil der grenzenlose Bereich natürlich auch wieder begrenzt wird, indem er ein Ende hat. Wenn ich mich von allen Konventionen verabschiede, habe ich das Gefühl von Grenzenlosigkeit. Aber was dann? Die grenzenlose Freiheit kann nur ein Moment sein, sie ist begrenzt. Ich hatte aber eigentlich nie das Gefühl, Grenzen zu suchen und zu überschreiten, sondern das hat sich eher aus meinem Typus heraus ergeben. Es war natürlich und genau deshalb hat es sich gut angefühlt – einerseits weil es intuitiv war und andererseits, weil ich auch nie etwas darüber sagen oder schreiben hätte können. Es war mir nicht bewusst. Ich habe bei allem, was ich tat, immer erst danach verstanden, was los war. Bei mir ist es so: Ich mache etwas und nachher verstehe ich, was das war. Ich arbeite intuitiv und das Leben beschert mir dann das X und das Y, das ich vielleicht einmal verstehe.
Das heißt, zuerst kommen die Fragen und dann die Antworten? Aber in der Ankündigung des Portraits wiederum wird von Fragen gesprochen, auf die Du gerade im Porgy & Bess Antworten gefunden hättest. Welche Antworten waren das? Kann man das festmachen?
Ich will es versuchen. Für mich habe ich im Porgy früher intensiv nach der Antwort auf die Frage gesucht, wo das Ende der Musik ist, und sie auch gefunden. Ich kann mich erinnern, dass wir noch im alten Porgy avantgardistischen Jazz spielten, dann in die freie Improvisation wechselten und ins Abstrakte, in die elektroakustische Musik. Und für viele Leute war das, was wir da machten, einfach keine Musik mehr.
Da wusste ich, dass genau da die Grenze für „normale“ Musikhörer verläuft. Im Graubereich spielt sich sehr viel ab: Experimentelles, Neues. Das habe ich gesucht, und ich konnte es nur in den Reaktionen auf unsere Versuche finden.
Ich stelle mir vor, dass unter Kollegen solch ein direktes Feedback schwieriger zu bekommen ist. Einem langjährigen respektierten Musikerfreund wird man wohl kaum ins Gesicht sagen wird, dass man das, was er gerade macht, nicht mehr für Musik hält.
In Wien ist es eher so, dass man dann auf den Boden schaut. In Frankreich, wo ich in den letzten Jahren viel Zeit verbracht habe, wird dir das sofort vermittelt. Da wird diskutiert und gestritten.
Woher rührt dieser Unterschied?
Die Franzosen verstehen sich als Theater- und Musikvolk: Da kommt zuerst das Reden, dann wird Musik gespielt und dann wird weiter geredet. In Wien wurde, so wie ich das kennen gelernt habe, nie viel über Musik geredet. Ich hab irgendwann begonnen, den verbalen Austausch zu forcieren, weil es mir einfach zu wenig war. Die Grundfragen, was ich bin, wo ich hingehöre und vor allem, was ich nicht bin, wurden mir sodann im Porgy beantwortet.
Bei der Programmierung solch eines Portraits kommt irgendwann der Punkt, an dem man retrospektiv werden muss, d.h. sich überlegt, was in der Vergangenheit funktioniert hat und was nicht. Kannst Du da ein klares Urteil fällen? Oder anders gefragt: Fällt es Dir leicht darüber zu urteilen, was aus Deinem umfangreichen schaffen Relevanz hatte und was nicht? Oder hatte alles Relevanz?
Schon vor längerer Zeit habe ich für mich herausgefunden, dass alles was ich mache, für mich gut ist, da ich es ja auch so gut wie möglich mache. Alles, was ich gemacht habe, war für mich daher wichtig und gut. Ich wollte es. Wie oft etwas daneben ging, ist egal. Ich war immer voll da und so gut, wie ich konnte.
Ich habe lange Zeit zwischen hundert und hundertzwanzig Konzerten im Jahr gespielt. So war ich Jahre lang eigentlich andauernd mit Musik beschäftig. Ich wollte auch nichts anderes machen außer spielen. Bei solch einer Dichte gibt es zwangsläufig Highlights, ein paar Dinge gehen aber auch daneben. Das gehört zu einem Ganzen dazu. Und nicht alles kann man…
Irgendwann aber war Dir das ständige Spielen zu viel und Du hast, wie Du es mir gegenüber einmal formuliert hast, den Reset-Knopf gedrückt…
Genau. Das war 2008, da habe ich ein halbes Jahr pausiert, aber dann auch schnell gemerkt, als ich keine Uni mehr und überhaupt weniger zu tun hatte, weil ich eine Menge lukrativer Ensembles aufgegeben hatte, dass es ohne auch nicht geht. Und dann kam auch der wirtschaftliche Druck. Aber davon abgesehen gibt es für mich heute nicht mehr so viel zu spielen wie noch vor Jahren. Es gibt keine hundert Konzerte mehr für mich. Das liegt einerseits an der Gesamtsituation. Andererseits werde ich bald fünfzig und bin nicht mehr der junge, knusprige Mann, der ich vielleicht einmal war. Wenn ich auf die Bühne komme, wissen die meisten, was jetzt kommt.
Und was macht den heutigen Franz Hautzinger aus?
Ich bin, bei dem was ich mache, heute noch konzentrierter als früher. Ich gehe den Dingen mehr nach. Auch weil ich alles immer offen halten konnte. Ich musste nie auf ein wirtschaftlich orientiertes Ziel hinarbeiten, musste keinen Erfolg vorweisen. Erfolg ist kein Wort, das auf meine Musik passt. Man merkt natürlich, dass es manche Kollegen nicht so gut finden, was man macht. Aber trotzdem gehe ich jedem Ding nach, letztendlich ist man ja sowieso allein. Niemand hilft einem. Die Erkenntnis, dass etwas nicht funktioniert ist mir oft mehr wert als alles andere. Es gibt Dinge, die scheitern, trotzdem aber als gute Musik fortbestehen. Zusammenarbeit und Freundschaft bleiben. Aber in Erfolg oder Nichterfolg kann man das nicht einteilen.
Das Programm an diesen vier Tagen ist unheimlich dicht. Kann es aufgrund dieser Dichte sein, das Du nachher wieder genug davon hast, so gesättigt bist, dass Du wieder – wie schon 2008 – den Reset-Knopf drücken musst?
Nein, das kann nicht passieren. Vor 2008 kannte ich meinen Garten ja noch nicht. Jetzt kenne ich ihn. Ich bin ausgestiegen und hab durch das Aussteigen erst begriffen, was ich alles habe. Es hat mich ein halbes Jahr gekostet, überhaupt zu begreifen, was ich alles gemacht habe. Jetzt kenne ich meinen Garten und bin froh, dass er so groß ist. Was sich aber geändert hat ist, dass ich weniger mache und dadurch mehr Zeit und mehr Konzentration habe. Das ist das, was ich wollte und was ich auch erreicht habe. Aber ich bereite mich jetzt seit zwei Jahren auf dieses Portrait im Porgy vor. Das halte ich es für ausgeschlossen, dass ich da Nerven oder Lust verliere.
Zwei Jahre? Das ist eine sehr lange Zeit.
Ja, ich habe sehr lange überlegt, was ich machen kann, nachdem mich Christoph Huber gefragt hat. Ich hatte sicher 40 Bands und zehn verschiedene Programme im Kopf. Letztlich habe mich für ein Zurückschauen entschieden und für eine Schau von superguten Leuten, die internationales Level haben. Viele davon waren und sind Mitkämpfer. Die wichtigen Infos habe ich fast ausnahmslos von diesen Leuten bekommen. Natürlich gibt es noch ein paar andere, man kann aber nicht eine ganze Woche lang spielen. Die, die an diesen vier Tagen mit mir spielen, finde ich grundsätzlich am besten. Ich habe also die Ehre mit den besten von hier zu spielen. So sehe ich das. Der wildeste aller Zeiten ist der Quehenberger. Eine solches natürliches Extrem habe ich selten gesehen. Und dieser Pulsinger, dieser Hinteregger, dieser Siewert, dieser Herbert, dieser Ritter, dieser Ransmayr, um nur einige zu nennen – was die alle schon gemacht haben….
Das sind alles ausschließlich Leute, wo ich mich, wenn ich sie anschaue, freue. Und all diese tollen Leute machen das für eine Gage, die, wie es die Schweizer nennen, eine „Aufwandsentschädigung“ ist. Das werden vier Tage Party mit all den Leuten, die uns fünfzehn Jahre lang in der Krise und im Highlight begleitet haben. Zumindest hoffe ich, dass viele von ihnen kommen, um noch einmal zu sehen, wie es war – aus dem Porgy-Fokus heraus betrachtet: All meine Vorlieben von Jazz über Funk bis hin zu Rock und Literatur. Nicht sehen werden wir, wo meine Forschung steckt. Wir werden nichts hören, was meiner Front entspricht.
Wo spielt sich diese Front ab? Wie kann man das in Worte fassen?
Das ist eine sehr lufthaltige geräuschhaltige elektroakustische Musik, die keinerlei Rhythmen oder Melodien mehr aufweist, kein konventionelles Idiom mehr enthält.
Wäre es nicht interessant gewesen, am Schluss dieses viertägigen Festes auch noch das zu zeigen, was Franz Hautzinger jetzt gerade beschäftigt?
Vielleicht, aber einerseits kann ich nicht eine Woche lang spielen und andererseits ist das Porgy nicht der Platz dafür, weil es da manchmal im Lautsprecher rauscht, es Leute gibt, die sich unterhalten und Kellner und Kühlschränke, die arbeiten. Das lässt sich nicht alles abdrehen. Ins Porgy kommen die Leute ja auch, um etwas zu erleben.
Wird die Solo-CD, an der Du arbeitest ein Gomberg-Album werden?
Ja, Gomberg IV, wobei Gomberg III nie erschienen ist. Die hatte ich zwar fertig, fand sie dann aber zu spät. Deshalb habe ich sie nie veröffentlicht. Einiges finde ich immer noch gut, aber insgesamt war es schon richtig, das Album nicht zu veröffentlichen.
Klingt für mich ein wenig überkritisch…
Nein, wenn man muss, muss man und wenn man nicht muss, soll man´s lassen.
Gomberg I war ein Hit in der abstrakten Musik, Gomberg II war kein Hit, aber erfolgreich. Und Gomberg III hatte einfach nicht das Level der beiden ersten Produktionen. Man muss nicht alles veröffentlichen.
Ist das schmerzhaft, sich einzugestehen, dass eine bestimmte Produktion nicht an vorherige Veröffentlichungen heranreicht?
Nein, weil ich sehr viel Geduld mit mir selber habe. Und auch, weil ich so viele Projekte parallel betreibe. Das Gute taucht dann oft an einer Stelle auf, wo man es zuerst gar nicht vermutet hat. Wenn es sich natürlich wiederholt, wenn die nächste Gomberg-CD in meinen Augen auch nicht gut genug wäre, um veröffentlicht zu werden, würde ich schon zu grübeln beginnen. Ich fühle mich aber grundsätzlich nicht so wichtig, dass nur, weil ich das Level, das ich einmal unabsichtlich erreicht habe, nicht mehr erreichen würde, verzweifeln würde. Wenn etwas nicht gelingt, weiß ich ja immer irgendwann, warum nicht. Wenn etwas gelingt, freut es mich. Wenn es daneben geht, auch OK. Das Erlebte bleibt erlebt. Wie es jemand bewertet, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Und ich habe auch sehr lange daran gearbeitet, den intuitiven Prozess zu schärfen und so den Bereich, in dem ich gut bin, zu verstärken. Ich hatte auch nie das Gefühl, besser zu sein als andere – außer vielleicht in meiner Jugend. Heute fühle ich Demut dem Leben gegenüber. Es passiert immer wieder, dass man Leute erlebt, die so begabt sind, dass man überlegt, seine Trompete zu nehmen und sie zur Caritas zu tragen. Außergewöhnlich begnadete Leute wie Miles Davis, Alfred Brendel oder Georg Solti. Das muss man aushalten. Das darf einen nicht abschrecken, sondern es muss einen motivieren. Sonst macht das Leben keinen Sinn. Grundsätzlich freue ich mich, wenn ich jemanden treffe, der auf meine Knöpfe drückt und bei mir den Ehrgeiz entfacht. Andererseits wird im Alter die Betrachtung genauer. In gewisser Weise kann ich es mir einfach nicht leisten, einen Blödsinn zu spielen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: Clara Zalan
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