mica-Interview mit Felix Mitterer

Die »Sonate vom rauhen Leben« wird als eine der berührendsten Kompositionen der Musikweltliteratur für immer Bestand haben, sagt Felix Mitterer. Der Dramatiker und Drehbuchautor über seinen Freund, den Musikbesessenen und Nachtarbeiter Werner Pirchner. Das Interview führte Markus Deisenberger.

Humorvoll und wehmütig zugleich

Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn sie an Werner Pirchner denken?
Dass bei ihm im Grund genommen Person und Musik eine Einheit waren. Wenn ich an ihn als Person denke, erinnere ich mich zuerst an den unglaublichen Humor, den er hatte. Man hat sich einfach immer gerne mit ihm unterhalten, weil er so geistreich, witzig und gescheit war. Dass  er mir immer noch fehlt, daran denke ich wohl als erstes.

Wenn Sie von Einheit zwischen Musik und Mensch sprechen, meinen Sie dann, dass er für die Musik gelebt hat?
Ja, ganz eindeutig. Die Musik war sein Leben. Ich habe nie vorher und nachher jemanden kennen gelernt, für den Musik einfach alles war – angefangen von seiner Zeit als Jazzer bis zu der Zeit, als er zu komponieren begann. Und er war ein Nachtmensch – so wie ich auch.

In Ihrer Rede anlässlich seiner Beerdigung haben Sie gesagt: „Er ist vom Volk gekommen und beim Volk geblieben.“ Welche  Konsequenzen hatte diese Volksnähe?
Beim Werner führte das dazu, dass viele ihn Zeit seines Lebens unterschätzen, weil sie annahmen, er wäre ein Proletarier oder ein ungebildeter Mensch, was natürlich überhaupt nicht stimmte. Er hatte sich einfach nur eine typische Jazzer-Sprache angeeignet und er sprach Tirolerisch.

Sehen Sie das auch als Grund dafür, dass er nie so ganz in das Schema des zeitgenössischen Komponisten passen wollte und man ihn dadurch auch nie so rezipierte wie er es aufgrund der Qualität seiner Musik eigentlich verdient hätte?
Das glaube ich absolut. Es kommt ja hinzu, dass er sehr viel humorvolle Musik schrieb. Mit dem »halben doppelalbum« hat er zum ersten Mal auf satirische Weise Stellung bezogen zur Tiroler, zur österreichischen Weine derart unverblümt witzige Weise, dass viele das nicht ertragen haben.Manch einer war deshalb auch nicht in der Lage richtig hinzuhören und zu erfassen, wie wehmütig, schwer und schmerzlich seine Musik tatsächlich war. Das wurde oft einfach ignoriert.

Wenn man Ihre mit der Arbeit Werner Pirchners vergleicht fällt ein gemeinsames Motiv auf: Das Entdecken oder Aufdecken der österreichischen Wirklichkeit…

Ja, das hat uns sehr verbunden. Der Werner hat Mitte der 70er Jahre mit dem Christian Berger gemeinsam den Film „Untergang des Alpenlandes“ gemacht, der damals für großen Aufruhr sorgte. Dass sich ein Musiker so intensiv mit seiner Heimat auseinandersetzte, war schon ungewöhnlich. Er hat Blasmusik genauso intensiv erlebt wie den von ihm so geliebten Schostakowitsch und er hat Kunst nie um der Kunst willen, sondern immer gegen gesellschaftliche Zustände gemacht.

Wenn man sich Österreichische Wirklichkeit beschäftigt – da können Sie jetzt vielleicht für ihn und für sich sprechen – übermannt einen da nicht irgendwann eine Lethargie, die nackte Verzweiflung oder beides?
Nein. Werner Pirchner stand Zeit immer für eine unbändige Lebensfreude und eine große Lust an der Musik. Von Verzweiflung kann da keine Rede sein. Dass man als Mensch an dem, was in der Welt so vor sicht geht, ab und zu verzweifelt, liegt in der Natur der Sache. Als Künstler waren wir aber ähnlich gepolt: Wir verzweifelten nicht, sondern versuchten, wenn es eng wurde, eher noch ein Schäuferl nachzulegen.

Was empfinden Sie, wenn Sie heute die „Sonate vom rauhen Leben“ hören?

Ich halte es fast nicht aus. Es gibt ein paar Stücke – dazu gehört auch „Kann die Geige weinen?“ – wo es mit das Herz regelrecht umdreht. Wenn ich diese beiden Stücke höre, geht das so tief in mich hinein, dass es mich fast zerreißt. Gleichzeitig ist es schön und mich überkommt grenzenlose Freude, dass er das geschrieben hat.

 

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