Das Open Air Ottensheim bezeichnet sich selbst gerne als „gallisches Dorf“ in der österreichischen Festivallandschaft – nicht kommerziell und voller Idealismus. Ein sichtbares Resultat dieses Idealismus ist das Green Project: Gemeinsam mit dem Ökologie Institut in Wien wurde ein Umweltkonzept ausgearbeitet – Mülltrennung und die Verwendung regionaler Produkte sind schon seit Jahren Programm. Musikalisch setzt das zweitätige Festival in der Nähe von Linz auf eine Mischung verschiedenster Genres, spannende Positionen abseits des Mainstreams und einen hohen Anteil an regionalen wie nationalen Acts. Bemerkenswert ist auch die Aufmerksamkeit des Bookingteams – bestehend u.a. aus MitarbeiterInnen der Stadtwerkstatt und der KAPU in Linz – für Bands aus dem europäischen Osten. Das Line-Up des letzten Jahres ist ein schönes Beispiel: Es spielten so unterschiedliche Bands wie Elektro Guzzi, Kreisky, der alternative US-Hip-Hop-Act Oddateee, die straighte Rockband Dežurni Krivci aus Slowenien und die aus Ottensheim und Linz stammende Jazz-Noise-Band Ni. Die MitarbeiterInnen und HelferInnen, alle ehrenamtlich tätig, kommen fast ausschließlich aus dem kleinen Ort Ottensheim selbst. Viele von ihnen sind mit dem Festival auf und in das Team hinein gewachsen. So befindet sich das aktuelle Organisationsteam gerade im Übergang von der dritten zur vierten Generation – mit ein paar MitstreiterInnen, die von Anfang an dabei sind. Simone Mathys-Parnreiter sprach mit Schriftführerin Eva Falb und Jörg Parnreiter, Mitglied des Bookingteams.
Wie seid ihr als Team aufgestellt?
Falb: Im Vorfeld organisieren circa 10 bis 15 Leute mit. In der Aufbauwoche sind wir dann 30 bis 40 Leute, die am Gelände das Festival aufbauen und am Festival selbst kommen dann nochmal ungefähr 70 bis 80 Leute dazu. Es sind also gut 100 Leute, die das Festival abwickeln und die diversen Tätigkeiten übernehmen. Wir arbeiten alle ehrenamtlich, machen das in unserer Freizeit und sind mehrheitlich nicht gelernte Kulturarbeiter und -arbeiterinnen. Es ist mehr learning by doing. Die Jüngeren lernen von den Älteren wie’s geht.
Was für einen Stellenwert hat das Open Air für Ottensheim?
Falb: Ich glaube gerade im Bereich Jugend und was sich für Jugendliche so tut in Ottensheim hat es einen hohen Stellenwert. Es gibt zum Beispiel kein Kulturzentrum und sonst auch relativ wenig Angebot. Und da versucht das Open Air ein Programmpunkt zu sein, bei dem die Leute einbezogen werden und mitarbeiten können. Der Stellenwert ist wohl auch recht hoch bei den meisten Leuten, weil es das Open Air schon lange gibt. Es gibt natürlich auch Kritiker und Skeptiker. Aber wenn man „Ottensheim“ in Google eingibt, kommt das Open Air glaub ich an vierter Stelle. Gehört schon zusammen.
Gibt es Leute, die über die Arbeit fürs Open Air ins reguläre Musikbusiness eingestiegen sind? Die dort gelernt haben, wie das funktioniert?
Parnreiter: Ja, aber ich seh mich nicht als Teil der Musikindustrie [Anm. Jörg Parnreiter ist beruflich in der Linzer Stadtwerkstatt engagiert]. Aber ich glaube, es gibt viele Beispiele, dass Leute den Weg in Kreativ- oder Sozialberufe gefunden haben. Das ist schon signifikant in Ottensheim.
Falb: Vor allem auch in dem Team, in dem wir arbeiten.
Könnt ihr kurz erläutern, wie ihr euch finanziert?
Falb: Der Verein wird gefördert zu einem minimalen Teil von der Gemeinde, dann meist durch eine Ausfallshaftung vom Land Oberösterreich, das heißt dass wir die Förderung nur im worst case kriegen und sonst nicht. Dann bekommen wir vom SKE-Fonds eine Förderung. Und es gibt verschiedene kleinere Sponsoren, vor allem aus dem Raum Ottensheim, die das Festival unterstützen. Es gibt dann noch verschiedene Projekte, die wir einreichen, für die wir zum Teil Förderungen kriegen [z.B. das Green Project]. Das ist dann halt von Jahr zu Jahr davon abhängig, ob es gerade Programme gibt. Sonst Eintritte und Einnahmen vor Ort.
Parnreiter: Also hauptsächlich über die Eintritte. Die Förderquote ist weit unter der Quote von institutionalisierten Einrichtungen.
Fehlt es euch an Förderungen speziell für Veranstalter und Events? Oder fallt ihr da eher als kleiner Kulturverein durch bestimmte Förderraster?
Falb: Ich glaube, dass es ein grundsätzliches Problem damit gibt, dass Festivals gefördert werden. Ich hab letztes Jahr versucht beim bm:ukk Förderungen zu beantragen und bin schon beim ersten Anruf, bei dem ich fragen wollte, was ich alles hinschicken muss, abgewimmelt worden. Warum sollte man ein „Festl am Land“ fördern? Ich habe trotzdem eingereicht, die Förderung ist abgelehnt worden. Da habe ich die Problematik so richtig realisiert, darüber wie die Frau mit mir geredet hat.
Parnreiter: Es ist sicher leichter für einen Jahresbetrieb Förderungen zu bekommen wie für einmalige Veranstaltungen. Es ist auch so im Bewusstsein, dass Festivals eh kommerziell sind. Was nicht so ist. Aber das ist glaube ich tief verankert. Die letzten 15 Jahre über läuft es so in Österreich mit den großen Festivals – die natürlich auch subventioniert werden, aber nicht über Kulturkanäle.
Ihr habt stets einen sehr hohen Anteil an heimischen Bands im Line-Up. Habt ihr eine beim Booking Grundideen, denen ihr folgt?
Parnreiter: Es ist auf jeden wichtig für das ganze Festival, dass die Mischung stimmt bei der Musik. Das heißt es müssen gute Bands aus der Region dabei sein, junge Bands. Das ist auch ziemlich wichtig für die Zusammensetzung vom Publikum. Dann schauen wir, dass wir spannende, etwas bekanntere Bands aus dem gesamtösterreichischen Raum erwischen, die noch nicht am Festival waren. Wir haben schon den Anspruch, dass wir immer ein frisches Programm machen und uns nicht permanent wiederholen. Und der dritte Teil sind internationale Bands.
Im internationalen Sektor sind ein paar wenige Agenturen sehr dominant geworden. Merkt ihr das beim Booking, ist es für euch enger geworden?
Parnreiter: Wir sind de fakto ausgeschlossen von diesem Markt. Das war die letzten Jahre auch schon so, nur haben wir es uns nicht eingestanden und viel Energie und Arbeit investiert, doch große internationale Bands zu bekommen. Aber davon haben wir uns heuer verabschiedet und gesagt, wir brauchen und wollen das nicht mehr, weil es einfach nicht mehr geht. Wir arbeiten mit unseren Kanälen, die abseits von den großen Agenturen laufen. Womit man weg ist von den großen Bands. Die bringen einen finanziellen Aufwand mit, der für unkommerzielle Veranstalter einfach nicht mehr tragbar ist.
Die österreichische Musikszene hat in den letzten Jahren einen ziemlichen Aufschwung erfahren. Ist es heute aus eurer Sicht einfacher ein Festival mit stark österreichischem Programm zu machen als es noch vor fünf oder zehn Jahren war?
Parnreiter: Ich weiß nicht, ob die Musiklandschaft so einen Aufschwung erlebt oder die Werbewirtschaft. Ich glaube, dass es für kleine Festivals wie Ottensheim oder auch Seewiesen nicht leichter wird, nein. Ganz im Gegenteil – weil Sponsoren wegbrechen, große Sponsoren und weil neue Sponsoren zu finden in dem Segment de fakto unmöglich ist derzeit. So wie die Zeiten sind. Und auf allem anderem sitzen eben die großen Firmen. Die machen große Festivals und da ist Geld da – das ist Marketing im Endeffekt. Da kann man die Gelände, die Flugfelder füllen, problemlos.
Habt ihr diesbezüglich eine Veränderung beim Publikum wahrgenommen?
Falb: Ich hab das Gefühl, dass sich vom Publikum her nicht viel verändert. Es setzt sich aus regionalen Leuten zusammen, die sowieso kommen, weil es eben ein Programmpunkt ist in der Region, den es gibt und den sie nutzen. Vor allem die jungen Leute. Dann gibt es andere, andere, die das Festival so sehr schätzen, dass sie wegen dem Festival selbst kommen und die Atmosphäre dort genießen.
Parnreiter: Die Frage ist, welches Publikum man erreichen und bedienen will mit einem Festival, mit einem Konzept. Da ist glaube ich der Markt für Sachen abseits vom Mainstream sogar eher kleiner geworden.
Wird er kleiner, weil es finanziell schwieriger wird oder weil es mehr Konkurrenz gibt?
Parnreiter: Nein, ich glaube man erreicht mit einem Nischenprogramm, wie es das Ottensheim Open Air bietet, immer weniger Leute. Man müsste das anders programmieren, wenn man wollte, dass es voll wird. Dann muss man auf eine Indie-Schiene gehen oder auf eine Ö3-Schiene, was auch immer.
Falb: Oder eine fm4-Schiene.
Parnreiter: Ja, das ist auch weit weg von dem, was Ottensheim liefert. Dann kann man natürlich gute Auslastungen erzielen, aber ist die Frage, ob man das will. Oder ob man sich vielleicht doch um das verbleibende Nischenpublikum bemüht und da versucht Programm zu bieten, das spannend ist und Inhalt hat.
Falb: Es ist ja auch die Philosophie vom Open Air, sich mehr auf das Musikprogramm zu konzentrieren. Es gibt andere Festivals, wo das Musikprogramm eher eine Nebenrolle spielt. Auch in der Umgebung. Wo die Leute einfach hingehen, weil sie fortgehen wollen und Party machen. Die haben halt Musikprogramm als Nebenprogramm und das Hauptprogramm sind Bars, Riesencampingplatz, Party, was auch immer es da noch so alles gibt.
Parnreiter: Gerade in ländlichen Strukturen ist es ganz wichtig, dass man einen Unterschied sieht zum Feuerwehrfest. Zum Sportvereinfest. Dass es da klare Grenzen gibt. Das machen wir in Ottensheim über das Programm.
Der Eventbereich ist für Bands in den letzten Jahren aufgrund rückläufiger Tonträgerverkäufe wichtiger geworden. Spürt ihr das?
Parnreiter: Ja, natürlich. Das hat sich komplett umgedreht. Vor 10 Jahren ist eine Band auf Tour gegangen, damit sich die Platte verkauft, als Promo. Heute geht eine Band auf Tour, damit sie sich die Plattenproduktion leisten kann. Und vielleicht verkauft sie dann nach dem Konzert noch ein paar Platten. Die Auswirkung ist die, dass die Gagen massiv gestiegen sind. In allen Segmenten. Es ist egal, ob das Linzer Bands sind oder österreichische Bands oder internationale, das spielt überhaupt keine Rolle – das Gagenniveau ist nach oben gegangen. Um 70 Euro spielt heute kein Band mehr, nirgends. Auch keine Linzer Band. Das ist vorbei. Es gibt so magische Untergrenzen und nach oben hin und so bald etwas international ist, ist man sowieso jenseits von 5000 Euro. Da fangt es dann an.
Das heißt, die Kosten, das Festival zu machen sind gestiegen. Schafft ihr das durch Förderungen abzufedern, gehen die mit?
Parnreiter: Nein, natürlich nicht, Förderungen stagnieren.
Falb: Gehen eher zurück. Letztes Jahr oder vorletztes Jahr ist die Förderung von der Gemeinde halbiert worden. Das war vorher nicht viel und ist jetzt noch weniger. Man muss halt schauen, dass man es irgendwie anders ausgleicht. Beziehungsweise muss man sich überlegen, was steht hinter dem Festival, was will man sich leisten, was kann man sich leisten und wie macht man was. Wie gestaltet man es, damit man nicht immer irgendeinem Geld hinterher rennt, das man unbedingt braucht, um das machen zu können, was man sich erträumt. Vielleicht muss man sich eingestehen, dass es irgendwann nicht mehr geht. Und sich dann zurückbesinnen und schauen wie es anders geht.
Was glaubt ihr wäre sinnvoll bezüglich Förderungen – für euch und für das Nischenprogramm, das ihr pflegt?
Parnreiter: Im Endeffekt ist es eine Frage der Verteilung. Der Großteil ist einfach schon
verplant für große Institutionen. Die Brösel, die dann über bleiben für die freie Szene
– wo man auch das Festival dazu zählen kann – müssen dann unter sehr vielen Leuten
aufgeteilt werden. Vielleicht muss es gar nicht gesamt mehr sein, man muss sich die
Verteilungsschlüssel anschauen: Wer kriegt wie viel und liefert dafür welchen Output.
Falb: Ich glaube auch, dass es mit der Wertschätzung zusammenhängt. Wie ich schon gesagt habe, ist ein Open Air eine der wenigen Kulturveranstaltungen für Jugendliche in einem Ort oder überhaupt einer Region, die ein bisschen eine Alternative bietet und was anderes präsentiert als herkömmliche Fortgehfestln. Das ist schon was wert, nicht nur im Hinblick auf den Kulturbereich, sondern auch für den Jugend- und Sozialbereich. Das wird glaub ich einfach nicht so gesehen. Es ist schwer für so ein Festival zu argumentieren. Schon allein, da als erstes gleich mal das Argument fallen könnte „Bucht halt eine andere Band und ihr habt alle Leute und eure Kosten drinnen“. Ich glaube, die Wertschätzung und das Bewusstsein für solche Sparten- und Nischensachen ist nicht wirklich vorhanden. Man kann es nur professionell machen und trotzdem probieren.
Manche Veranstalter „lösen“ das Problem der Geldknappheit indem sie z.B. die Bands, gerade die lokalen, eine bestimmte Anzahl Karten verkaufen lassen. Was haltet ihr von dem Modell?
Parnreiter: Das ist furchtbar. Nein, das kommt nicht in Frage. Wenn ich will, dass eine Band bei mir spielt, dann sind die ja gut und dann will ich ja, dass die spielen. Dann will ich die auch entsprechend entlohnen für ihre Arbeit. Ganz einfach. Dieses Prinzip ist völlig abzulehnen, komplett. Nonsense. In der Praxis schaut das ja dann so aus, dass die Band zum Beispiel 100 Karten bekommt, die müssen sie verkaufen und dann können sie sich ein Drittel oder die Hälfte behalten, als Gage quasi. Bei uns werden die Bands alle gleich behandelt, egal ob die aus Linz kommen oder aus New York. Sie kriegen alle das gleiche Essen, haben alle die gleiche Technik zur Verfügung und alle die gleichen Möglichkeiten. Es ist mir völlig zuwider, wenn man eine große, teure Band bucht, denen man viel Geld gibt und das beste Hotel, und dann 17 Bands aus der Region, die alle nichts bekommen oder sogar zahlen müssen, dafür dass sie spielen dürfen. So funktioniert es bei uns nicht. Das ist die Abgrenzung zum kommerziellen Schwachsinn, den wir nicht liefern wollen.
Open Air Ottensheim (13. – 14. Juli 2012)
Erste bestätigte Bands: HGichT / Poetic Pilgrimage / Broken Heart Collector / Kellies / Striggles / Orchester of Sphere / Ensenada / Reflector / Xaddax