mica-Interview mit Elisabeth Schimana und Daniela Swarowsky

Vor rund zwei Jahren gründeten Elisabeth Schimana und Andrea Sodomka in Hainburg das IMA, das Institut für Medienarchäologie. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen, wie es auf der Homepage des IMA dazu heißt, die “Ausgrabungen femininer Produktionen im Bereich der elektronischen Kunst, deren Einbettung in den historischen Gesamtkontext und deren Sichtbarmachung für eine breitere Öffentlichkeit”. Vom 17. bis zum 18. August veranstaltet das IMA nun erstmals in der unlängst neu eröffneten Kulturfabrik in Hainburg das Festival IMAutomaat, anschließend an eine Workshop-Reihe, die am 13. August beginnt. Kuratiert wird IMAutomaat von Daniela Swarowsky, die nicht zuletzt mit ihrer Konzertreihe “Xperiment>L. Women in Electronic Music” von sich Reden machte, die in den Jahren 2004 und 2005 in Rotterdam stattgefunden hat. Das folgende Interview führte Susanna Niedermayr.  

Wir drehen den Spieß einfach um!

SN: Daniela, wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit IMA?

DS: Lustigerweise kenne ich die Elisabeth eigentlich aus Rotterdam, und nicht aus meiner Zeit in Wien. Ich hatte zwar im Zusammenhang mit dem Ö1 Kunstradio schon von ihr und ihren Projekten gehört. Wirklich getroffen haben wir uns dann aber erst, als ich 2000 bei V2 das Management des Dutch Electronic Festivals DEAF_02 übernommen hatte und sie von Andreas Broeckmann eingeladen war, ihr Stück ,Obduktionen’ aufzuführen. Wir blieben in Kontakt und ich habe sie dann 2004 zu meiner Konzertreihe Xperiment>L mit ,Der Futuristin’ eingeladen. Elisabeth war damals schon sehr an dem dahinterliegenden Konzept von Xperiment>L interessiert.

SN: Kannst du bitte kurz das Konzept von Xperiment>L kurz umreißen?

DS: Bei Xperiment>L ging es darum, eine Plattform für Frauen aus dem Bereich der elektronischen Musik zu schaffen. Das war mir schon lange ein Anliegen. Wichtig war mir auch, dass ich mit Xperiment>L nicht nur Frauen mittels Konzerten feature, sondern dass diese auch durch Workshops und Vorträge die Möglichkeit hatten, ihre Arbeit vorzustellen und weiterzugeben. Damit haben wir auch inhaltlich versucht, das Thema zumindest ansatzweise aufzuarbeiten. Elisabeth hat damals schon von ihrem IMA Konzept erzählt. Wir sind daraufhin weiter in Kontakt geblieben. Elisabeth hat mich 2005 in den IMA Vorstand eingeladen. Zur gleichen Zeit hat sich herausgestellt, dass Xperiment>L in Rotterdam aus den verschiedensten Gründen nicht mehr weiterführbar war. Die Geldgeber fanden Xperiment>L künstlerisch zwar interessant, den feministischen Aspekt jedoch unverständlich. “Das sei nicht mehr zeitgemäß”, haben sie gefunden, wie auch in einem Brief zu lesen stand, den wir als Antwort auf unser Förderansuchen erhaltenhaben. Und da dachte ich mir: Ok, von Rotterdamer Seite ist mit keinem Support zu rechnen und alleine kann ich die Arbeit so wie so nicht weiterführen. Elisabeth hat dann gefunden, dass es wichtig und wesentlich wäre, die ganze Arbeit, die ich da über Jahre  aufbebaut habe, die ganzen Kontakte und auch die Theorie, die ich gesammelt habe, in irgendeiner Form bei IMA unterzubringen. Darüber war ich natürlich mehr als erfreut, weil ich die Energie, weiterzumachen, alleine nicht gehabt hätte.

ES: Ich glaube eben, dass gerade Daniela Swarowsky mit Xperiment>L da unglaublich wertvolle Arbeit geleistet hat. Sie hat wahnsinnig viele Daten von Künstlerinnen gesammelt, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Und dann plötzlich hört man etwas, schaut sich das an, liest was diese Künstlerinnen machen und das ist einfach irrsinnig spannend und interessant.

SN: Und wie ist nun Xperiment>L im IMA aufgegangen?

DS: Ich hatte früher und auch mit Xperiment>L die Hoffnung, dass ich einen Rahmen schaffen kann, um Künstlerinnen, die ich interessant finde, zusammen zu bringen, also eben eine – wie das in der bildenden Kunst sehr häufig ist – Artist in Residency Situation für KlangkünstlerInnen/MusikerInnen/KomponistInnen zu schaffen, wo diese ein paar Tage zusammen arbeiten können. Dann entsteht vielleicht entweder gemeinsam ein neues Projekt, oder die Künstlerinnen präsentieren, wie auch bei IMAutomaat #1, einem grösseren Publikum ihre eigene Arbeit. Ich wollte schon während der Xperiment>L Reihe den Künstlerinnen die Möglichkeit bieten gemeinsam zu spielen und zu experimentieren, im Gegensatz zu dieser Plug-and-Play-Situation, wie bei den meisten Festivals, wo die KünstlerInnen meist eigentlich überhaupt keine Zeit haben, sich künstlerisch auszutauschen und sich in irgendeiner Form kennen zu lernen. Bei Xperiment>L hatte ich nie das Geld, um diesen Rahmen zu schaffen. Nachdem Elisabeth von ihrer IMA-Idee erzählt hatte, dachte ich, dass es spannend wäre, meine Kontakte in den IMA-Pool einzubringen, um hier einen Austausch, vor allem auch auf einem internationalen Level, herzustellen. Denn die meisten Künstlerinnen im IMA-Pool kommen ja aus Österreich. Es geht also darum, eine kreative Laborsituation herzustellen. Wir werden bei dem diesjährigen IMAutomaat Labs und Workshops veranstalten, in deren Rahmen die Leute auch an eigenen Projekten arbeiten können, bzw. sie können dort weiterarbeiten, wo sie gerade mit Fragestellungen sind. Das Festival wird dann sowohl Arbeiten präsentieren, die in den Workshops entstanden sind, oder eigene Arbeiten vorzustellen, die nichts mit den Workshops zu tun haben. Das steht den KünstlerInnen offen.

SN: Bei Xperiment>L ging es darum, wie du soeben auch ausgeführt hast, ausschließlich Frauen aus dem Bereich der elektronischen Musik eine Plattform zu bieten. B ei IMAutomaat finden sich nun sowohl Frauen als auch Männer im Programm, wobei die Frauen noch immer deutlich in der Überzahl sind. Welche Überlegung steckt hinter dieser konzeptionellen Öffnung?

DS: Normalerweise ist das Männer-Frauen Verhältnis bei Festivals – sagen wir mal – 80 zu 20, oder 90 zu 10 . Ich denke mir: wir drehen den Spieß einfach um und rechtfertigen gar nichts. Es ist einfach so. Inzwischen gibt es eh mehr Männer als ich dachte im Programm. Natürlich gibt es Männer, die wir gut und OK finden und es ist auch diese totale Exklusivität wie bei Xperiment>L nicht unbedingt notwendig. Trotzdem wird IMAutomaat vornehmlich eine Plattform für Frauen sein, bei der Männer auch gerne gesehen sind.

ES: Ja, also es geht niemals darum, Frauen einzuladen, weil sie Frauen sind. Um das kann’s nicht gehen, sondern es geht darum interessante Künstlerinnen einzuladen, die es einfach gibt.

SN: Und was haltet ihr von “women only” Veranstaltungen, machen die eurer Meinung nach heute noch Sinn?

ES: Ich glaube, sie machen durchaus noch Sinn. Ich denke mir es ist trotzdem wichtig, dass Künstlerinnen sich untereinander kennen lernen und zwar auf einem internationalen Level. Dadurch,dass Frauen in den Programmen der gängigen Festivals nicht so präsent sind, ist auch die Möglichkeit des internationalen Austausches nicht so groß wie bei den Boys. Also das geht dann ja immer so: Zuerst trifft man sich bei dem einen Festival und dann beim nächsten und beim übernächsten, und dann da wieder und dann dort wieder und mit der Zeit kennen sich alle und dann gibt es die Familie und die andere Familie und so weiter. Wir sind jetzt eben auch eine Familie, die sich trifft und das ist,glaube ich,schon gut und wichtig. In den letzten Jahren haben sich über IMA ganz, ganz viele Möglichkeiten ergeben, auch international anzudocken. Als einzelne Künstlerin ist das verdammt schwierig. Es braucht einfach diese kleinen Institutionen, die zumindest so viel Infrastruktur zur Verfügung stellen, um jene Kontakte herstellen zu können, die nötig sind, um in einem größeren Rahmen überhaupt erst einmal agieren zu können. Diese Institutionen brauchen alle:die Frauen genauso wie die Männer.

 

 
SN: Wie du soeben auch angemerkt hast, finden sich nach wie vor wenige Frauen in den diversen Festivalprogrammen. Liegt das vielleicht auch daran, dass die meisten Festivalprogramme von Männern zusammengestellt werden? Gerade im Musikbereich scheint sich ja die patriarchalische Trennung der Geschlechter entlang des Dualismus von öffentlich und privat besonders hartnäckig zu halten…

ES: Das spielt sicher eine Rolle, allerdings habe ich bei den Kuratorinnen bis jetzt auch keine besondere Aufmerksamkeit diesbezüglich entdecken können. Es ist nach wie vor Recherchearbeit. Sie liegen nicht an der Oberfläche, die vielen Künstlerinnen. Es gibt einige wenige, die international bekannt sind und der Rest ist in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent. Eine der Aufgaben des IMA ist ja eben auch genau zu suchen und zu schauen, sich Dinge anzuhören und zu recherchieren.

DS: Ich denke, es liegt auch an einer gewissen Faulheit und Ignoranz seitens der Veranstalter. In Zukunft würde ich gerne eine Internetseite anbieten, die wirklich mit guten Informationen zu sehr vielen Musikerinnen, Soundproduzentinnen und Klangkünstlerinnen bestückt ist, deren Link man dann auch wirklich an alle großen Festivals verschicken kann und sagen kann: Wenn ihr wirklich glaubt, dass ihr euch noch immer einen so geringen Frauenanteil bei euren Festivals leisten könnt, dann schaut euch bitte mal diese Seite an. Wir glauben, es ist nicht mehr gerechtfertigt und an der Zeit umzudenken.

SN: Und wie schafft man es,als eine der wenigen Kuratorinnen, sich in der Männer dominierten Musiklandschaft durchzusetzen?

DS: Wie man als Frau, als Kuratorin in solche Strukturen reinkommt? Man muss sehr diplomatisch sein und Geduld haben und auch viel aushalten, eine dicke Haut haben. Das liegt
nicht jeder. Dass es so wenige Kuratorinnen gibt, liegt auch daran, dass der Veranstaltungsbetrieb ein sehr kompetitiver Bereich ist und frau sich auch sehr exponieren muss. Das ist nicht jederfraus Sache. Frau muss sich auch viel Kritik anhören und viele stehen dann eben lieber im Hintergrund, in der zweiten und dritten Reihe, anstatt den Kopf hinzuhalten.

SN: Um auf die Thematik eures Festivals zu sprechen zu kommen: Was können sich die Besucherinnen und Besucher diesbezüglich bei IMAutomaat erwarten?

DS: Die BesucherInnen können natürlich mit höchstem künstlerischen Niveau rechnen – mit Positionen, die sowohl auf künstlerischem, als auch auf technologischem Level bahnbrechend sind. Einige der Eingeladenen treten international auf, sind aber in Österreich noch kaum oder gar nicht in Erscheinung getreten, wie zum Beispiel die Chilenin Alexandra Nunez Perez aka elpueblodechina. Liu Pei-Wen war bereits bei Kunstradio mit un,canny zu Gast und Anne La Berge trat mit Cor Fuhler’s ‘Corkestra’ einmal meines Wissens irgendwo in der Steiermark auf. Das sind also alles grossartige Klangkünstlerinnen, Komponistinnen und Musikerinnen, die hierzulande sogut wie unbekannt sind. Die FestivalbesucherInnen haben bei IMAutomaat die Gelegenheit, diese endlich auch hier zu hören. Zentral sind heuer die Themen Sensorik und neue Formen von Interfacing. Darum geht es auch in den Workshops und Labs und diese Themen werden sich dann auch, zumindest teilweise, in das Festivalwochenende hineinziehen.

ES: Und wir werden mit Sicherheit besondere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass wir sehr viele Ladies in den Workshops haben werden. Ich glaube, dass man nicht unbedingt die Geschlechterfrage nochmals aufrollen muss, sondern man muss Strukturen schaffen, die einladend sind und wo Ladies einfach sagen: Ok, da geh ich hin. Das ist, glaube ich, wichtig. Und was man vielleicht auch noch dazu sagen sollte: Das Festival hat schon auch thematisch etwas mit der großen Medienarchäologischen Ausstellung zu tun, die wir für 2008 planen. Sie wird den Titel “Vergessene Zukunft 1. Zauberhafte Klangmaschinen” tragen und es wird um die Frage gehen, wie etwa die Theremin-Technologie, also eine Technologie die Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden wurde, wie diese Technologie im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurde und wie man jetzt damit umgeht und an die digitale Welt andockt. Derartige Fragestellungen – also das Forschen nach verschwundenen, vergessenen Technologien – werden beim IMA wahrscheinlich immer zentral sein.

SN: Und wie kam es zu der Kooperation mit Bratislava? Als Gastkurator habt ihr euch ja Oliver Rehak von der Bratislaver Initiative “A4 Zero Space” eingeladen, der nun mit Slavo Krekovic und Marek Piacek nach Hainburg kommen wird.

ES: Ich meine, mit Bratislava zu kooperieren liegt auf der Hand. Hainburg ist 15 Kilometer von Bratislava entfernt, da brauchen wir eigentlich gar nicht darüber zu diskutieren. Wenn wir in Hainburg etwas aufbauen wollen, dann brauchen wir dringendst das Publikum und die Leute aus Bratislava. Das geht gar nicht anders. Ja, und da hat sich auch sehr viel getan, muss ich sagen und man wird nun sehen, was sich mit der Kulturfabrik in Hainburg entwickeln wird, wie sich überhaupt die regionale Infrastruktur in diesem Gebiet entwickeln wird. Aber das wird zusammenwachsen. Über kurz oder lang gibt es dort keine Grenze mehr, also mit Bratislava zu kooperieren ist einfach eine Selbstverständlichkeit.

SN: Zum Abschluss möchte ich nun aber doch nochmals die Geschlechterfrage aufrollen. Was sind diesbezüglich eure Beobachtungen, welche Entwicklungen zeichnen sich eurer Meinung nach in der Musiklandschaft ab?

ES: Was ich bemerkt habe ist, dass gerade die großen Festivals anscheinend fast so etwas wie ein schlechtes Gewisse haben. Der geringe Frauenanteil ist also sehr wohl ein Thema. Auf der anderen Seite passieren aber nach wie vor unglaubliche Dinge, wie zum Beispiel dass während der Transmediale, bei der wir heuer einen IMA Salon gemacht haben, in der Rohrpost (gemeint ist der gleichnamiger Newsletter, Anm. SN) als Besonderheit zu lesen steht: Morgen stehen einige Frauen auf der Bühne. Wem würde bitte einfallen zu schreiben: Einige Männer stehen morgen auf der Bühne. Aber dass eben einfach Künstlerinnen einen Abend bestreiten scheint noch immer so ungewöhnlich zu sein in so einem Kontext, dass man das so dann schreibt und da denke ich mir, da gibt’s noch viel zu tun.

 

 

DS: Ich war letztes Jahr beim “Rampenfiber”-Festival, auch um zu sehen, wie die an das Frauenthema herangehn’ und das war irgendwie total erfrischend. Da hab ich das Gefühl gehabt – und ich sehe das vielfach bei jüngeren Frauen, die gerade in ihren 20ern sind -, dass hier bereits ein anderes Selbstverständnis herrscht. Feministische Forderungen sind hier schon stark internalisiert und werden anders gelebt, obwohl sie noch immer Thema sind. In meiner Generation ist noch stärker diese Unsicherheit da. Frau traut sich nicht wirklich rauszugehen mit der eigenen Arbeit. Die jungen Frauen stehen schon mit einer unglaublichen Power da. Die machen ihr Ding und das finde ich toll. Das hat wie gesagt auch etwas mit so einer gewissen eigenen Hemmschwelle zu tun. Ich mein, die Jungs präsentieren auch nicht immer das Beste. Aber die traun’ sich einfach mit ihrer Arbeit, ob fertig oder nicht, rauszugehn und auch mal Fehler zu machen. Und durch diese wachsen sie dann. Bei den jungen Frauen hab ich das Gefühl, dass sie das verstärkt nun auch tun. Und da hab ich Hoffnung, da hab ich das Gefühl, dass sich etwas verändert. Jedoch, wenn ich mir die Österreichische Situation bei den Kuratorinnen anschaue, sehe ich nicht, dass es mehr Frauen im kuratorischen Bereich gibt. Die Kuratorinnen kann ich noch immer an einer Hand abzählen. Das ist in Österreich genauso wie in Holland. In Amerika ist es etwas besser : Da gibt es im Musikbereich sehr, sehr viel mehr Frauen an leitenden Positionen.

Elisabeth Schimana und Daniela Swarowsky über IMAutomaat im Zeit-Ton Magazin: 8.8.2007, 23.05 Uhr

Foto Elisabeth Schimana © Maria Ziegelböck

 

 

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