mica-Interview mit Dyl Boban

Was macht einer, der vor lauter Platten die Haustüre nicht mehr zu bekommt? Er startet eine Partyreihe, um das schwere und hohe Gut aus der Wohnung, in den Club und auf den Plattenteller zu drehen. Allein ist er dann auch nicht mehr mit seiner Liebe zur Musik und da ja das Teilen so manche Leidenschaft verdoppelt, haben die Innsbrucker bald Scharenweise den Weg zu Dyl Bobans kleinen, feinen Partys gefunden. Mit Lucia Laggner spricht er über das Handwerk des Djings, bemerkt die perfekte Lage seiner Heimat und diskutiert Vorhandensein und Zusammenhalt einer Innsbrucker Szene.

Wo liegt der Ursprung deines Dj-Daseins? Was oder wer hat dich angeregt dem Plattendrehen nachzugehen?

Dyl Boban: Angefangen hat alles durch das Sammeln von mehrheitlich Reggae und Dub Platten. In dieser Phase habe ich noch gar nicht die Intension verfolgt aufzulegen, sondern einfach nur zu sammeln. Aber irgendwann haben sich so viele Platten angehäuft. Da war das Auflegen nahezu eine logische Konsequenz. Als wir Reggae gespielt haben, war mixen noch gar nicht so wichtig. Da haben wir eher Effektgeräte eingebaut und mit Echo und dergleichen gearbeitet. Ich denke, es war so 2006, als ich über das Sammeln von Platten zum Auflegen gekommen bin. Irgendwie hat es sich dann ergeben, dass wir im Project – einem Lokal in Innsbruck – einen Tag bekommen haben. Das war der Montag, an dem mehrheitlich Reggae und Dub gelaufen ist.
Durch die Soundstation – ein legendärer Plattenladen in Innsbruck – bin ich vom Reggae zum Italodisco gekommen. Ich habe auch begonnen mich für historische Fakten zu interessieren, weil ich drauf gekommen bin, dass in der Nähe von uns – in Lazise (Italien) – die ersten Djs in Europa performt haben, ohne Nummern anzusagen. Die haben einfach gemixt. Das hat damals ein reicher Geschäftsmann in Amerika gesehen und wollte es in seiner Diskothek auch umsetzen. Für mich ist es wahnsinnig spannend, dass es möglich ist, Leute zu treffen, die damals – Ende der 1970er Jahre – dabei waren und das miterlebt haben. Schließlich habe ich bemerkt, dass mir das Auflegen wahnsinnigen Spaß macht und es einfach etwas ist, was ich unglaublich gerne tue.


Als Dj muss man nicht notwendigerweise zum Veranstalter werden. Du hast bereits zwei Partyreihen in Innsbruck initiiert. Was hat dich dazu bewegt eigene Abende zu gestalten?

Dyl Boban: Das Veranstalterdasein hat sich aus meiner Freude am Auflegen ergeben. Ich hatte nie einen total professionellen oder gar kommerziellen Ansatz, weil es auch nicht das Ziel war, etwas Großes zu machen. Im Prinzip sind meine Veranstaltungen das Resultat einer kleinen gewachsenen Geschichte, die sich in erster Linie über die Musik bzw. den Sound definiert und ohne große Bookings auskommt. Leute, die sich für Musik interessieren, finden bei uns eine Anlaufstelle und sich gegenseitig bei unseren Veranstaltungen.

Wie einfach war es als Veranstalter in Innsbruck Fuß zu fassen?

Dyl Boban: Wir haben eigentlich großes Glück gehabt, weil der Montag im Project zufälligerweise frei war. Der Betreiber ist ein super sympathischer Typ. Er hat keine Anforderungen gestellt, weil der Montag sowieso schlecht besucht war und er gemeint hat, dass alles was mehr, auch besser sei. Wir haben auch nicht gleich Flyer gedruckt, sondern einfach einen feinen Abend gestaltet. Damals war es aber auch noch einfacher in Innsbruck, weil weniger los war. Heute gibt es – nicht zuletzt auf Grund der Digitalisierung – Djs und Veranstalter noch und nöcher. Unser Projekt hat insofern eine gewisse Vorreiterstellung, weil wir damals die einzigen waren, die einen speziellen Sound gespielt haben.

Du setzt in deiner Partyreihe musikalische Schwerpunkte. Deep Jackin Acid  präsentiert – wie der Name schon sagt – Deep House, Jackin House und Acidhouse. Warum diese Einschränkungen? Was tun, wenn Deephouse wieder an Beliebtheit verliert?

Dyl Boban: Eine grobe Einteilung braucht es einfach, damit sich die Besucher orientieren können, aber streng bin ich als Veranstalter nicht. Letztlich geht es ja einfach darum gute Musik zu präsentieren und auch den Mut zu haben neue und schräge Sachen zu spielen. Das Einzige, was gar nicht geht, ist Mainstream. Dann kann man sich natürlich auch wieder die Frage stellen, was Mainstream ist.
Im Falle von Deep Jackin Acid kann es auch vorkommen, das wir einen Abend mit Disco beginnen und dabei bleiben, weil es einfach gerade funktioniert und lustig ist. Man kann es ja auch nie allen Menschen Recht machen, wenn es um das Auflegen geht. Es wird immer wieder jemand kommen, der sagt, schneller, härter usw. Es kommt natürlich auch immer darauf an, was für Djs wir einladen. Genregrenzen verschwimmen ja oft. Wichtig ist einfach, dass man den Sound spielen kann, der einem selbst gut gefällt. Wir haben Glück mit dem Lokal, weil sie uns einfach machen lassen, ohne uns einzuschränken. Natürlich schaue ich, dass wir herausstechen und etwas anders machen, als die anderen. Wir müssen ja nicht die Musik spielen, die am Wochenende auch wo anders läuft.

Wie stehst du zu der nicht abreissenden Debatte um digitales Djing und das Handwerk des Plattendrehenden?

Dyl Boban: Mir ist das eigentlich völlig egal. Wenn ein Dj mit seinem USB Stick kommt oder nur mit einem Controller, dann passt das auch. Wichtig ist, dass der Dj die Crowd beobachtet und auf die Menschen eingeht. Wenn er das versteht und einen guten Sound hat, den er in einem Set zusammenfasst, dann ist mir das Medium auf dem die Musik gespeichert wurde, völlig egal. Die Qualität vom Sound muss natürlich schon stimmen, weil man ein schlechtes MP3 als solches erkennt.
Was ich an mir beobachte ist, dass ich die Musik, die ich auf Platte kaufe, besser kenne. Das fällt mir auch bei anderen Djs auf und ist vermutlich eine Gefahr des digitalen Djing. Man kann wahnsinnig viel Musik digital erstehen und schnell “runterladen”. Es gibt bei meinen Veranstaltungen im Bezug auf das Medium keine Auflagen. Lustigerweise beobachte ich trotzdem, dass die meisten unserer Djs mit Platten auflegen. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass man sich intensiver mit dem Sound auseinandersetzt.

Du selbst spielst immer schon mit Platten, wie du am Anfang des Gesprächs erwähnt hast. Hast du Erfahrungen im digitalen Djing?

Dyl Boban: Ich spiele eigentlich nur mit Platten. Kurzzeitig habe ich ein Timecode System besessen und damit gespielt, aber es macht beim Auflegen mit digitaler Musik einfach weniger Spaß. Das ist sicher Geschmackssache und natürlich auch teurer, wenn man Vinyl kaufen muss, aber mir gefällt es einfach besser. Natürlich ist es ein Vorteil, dass ich einen Track, den ich am Nachmittag gehört habe, schon am Abend digital auflegen kann. Platten haben für mich einen anderen Wert. Man findet vielleicht B-Seiten, die man noch nicht kannte oder legt wieder eine alte Platte auf, die man gefunden hat.

Innsbruck liegt geografisch nahe an Deutschland und Italien, in 2 Stunden ist man in München, in vier Stunden in Mailand. Beides erreicht man schneller als Wien oder auch Graz. Wo siehst du die Vor- und Nachteile dieser geografischen Bestimmung?

Dyl Boban: Innsbruck hat einfach eine perfekte Lage. Es kommen nicht umsonst viele deutsche Studenten zu uns. Man ist einfach – wie du sagst – schnell in Italien oder München. Man kann das ganze Jahr Dinge machen. Man ist schnell im Wald, im Freien und kann viel Sport treiben. Es leben viele junge Menschen in Innsbruck, zehntausende Studenten. Es ist viel los und es gibt viele Clubs. Natürlich gibt es immer Leute, die nach Wien oder Berlin gehen, aber mich hat das nie gereizt. Ich finde, dass man was machen muss. Wo das ist, spielt keine Rolle. Das liegt natürlich auch daran, dass wir unsere Veranstaltungen nicht kommerziell aufziehen. Wenn man auf Umsatz und Verdienst aus ist, dann muss man vermutlich woanders hingehen.

Werden die Veranstaltungen auch von Menschen besucht, die von außerhalb kommen oder extra anreisen?

Dyl Boban: Auf jeden Fall. Unter der Woche kommen viele Studenten in die Stadt, um hier zur Uni zu gehen und die besuchen dann natürlich auch unsere Veranstaltungen.

Wie steht es um den Nachwuchs in der elektronischen Szene bzw. der Dj-Szene? Buchst du auch lokale, unbekannte Acts?

Dyl Boban: Es gibt viele, aber Innsbruck ist natürlich überschaubar. Irgendwie kennt sich dann doch jeder. Mit der Zeit lernt man die ganze Szene kennen. Wenn einer/eine das Auflegen ernsthaft verfolgt, dann wird er/sie auch gebucht. Wir sind ein Pool an zehn bis zwölf Leuten, die bei unseren Veranstaltungen abwechselnd spielen. Natürlich bekommen wir auch Anfragen und lassen die Jungen auch gleich spielen, weil man dabei sofort merkt, wer es ernsthaft verfolgt.


Gibt es eine westösterreichische Szene, die zusammenhält und vielleicht auch wächst? Wie siehst du die Entwicklungen im Westen? Strebt man danach die Aufmerksamkeit der Deutschen bzw. der Wiener zu erlangen oder gibt es eine eigenständige Szene, die befruchtend wirkt?
Ein Zusammenhalt wäre mir nicht aufgefallen. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Jeder arbeitet gegen jeden, aber ich denke das ist auch normal. Natürlich strebt man nach mehr und pflegt auch mal Kontakte nach München, aber von einem Netzwerk oder Pool kann man da nicht sprechen. Außerhalb von Tirol und Vorarlberg kennt man auch nicht so wahnsinnig viel. Es sind eben die üblichen Verdächtigen beteiligt. Ich finde die Frage schwierig zu beantworten, aber ich würde mal sagen, dass es keinen Kuschelkurs gibt.

Was ist deine persönliche Strategie Bookings zu bekommen? Wo würdest du gerne spielen und wie gehst du an die Sache heran? Läuft vieles über Rebookings?

Dyl Boban: Das meiste ergibt sich aus Kontakten, die ich mir aufbaue. Ich werde kaum von Veranstaltern gebucht, die mich nicht kennen oder mich zumindest über dritte kennen. Das finde ich auch wichtig, weil es immer gut ist, wenn man sich auch mit den Menschen versteht. Mit Schwarzes Herz (Graz) hat sich der Kontakt über Facebook zwischen Herbert und mir ergeben. Man hört sich dann gegenseitig die Soundcloud Pages durch. Wir haben sie gebucht und letztens waren wir in Graz, um bei ihnen zu spielen. Das ist immer nett und fein und so soll es auch sein. Ich finde auch, dass es sich immer eher wie eine Party anfühlen sollte, als wie ein Event, weil es dann auch lockerer und natürlicher bleibt.

Was passiert in nächster Zeit? Willst du in Zukunft auch als Produzent auftreten? Stehen eigene Nummern an oder konzentrierst du dich auf das Auflegen?

Dyl Boban: Natürlich würde ich gerne selbst produzieren, aber das ist noch nicht ganz spruchreif. Eigentlich kümmere ich mich darum, dass unser Mittwoch gut läuft. Zusätzliche Veransaltungsreihen sind nicht geplant. Ich kann mich im Project auch am Wochenende am Booking beteiligen. Am Freitag kümmere ich mich zum Teil um die elektronische Musik. Das ist sehr spannend, weil wir mit wenig Budget versuchen müssen gute Leute zu buchen. Das funktioniert letztlich über die persönlichen Kontakte. Natürlich spiele ich gerne selbst. Zum Teil auch auswärts, etwa in der Schweiz. Zusätzlich bin ich Bassist in einer Band. Da geht auch einiges voran. Aus diesem Blickwinkel heraus wäre es ja auch logisch selbst elektronische Musik zu produzieren, aber das ist noch nicht konkret.

Was ist dein Brotjob?

Dyl Boban: Ich arbeite als Barkeeper. Vor kurzem war ich noch als Croupier im Kasino angestellt, aber das habe ich jetzt gelassen. Das ist doch zu schlecht für das Karma. Durchs Kellnern bekomme ich natürlich viele andere Djs mit. Das ist auch interessant und anregend.

Es gibt ja noch ein weiteres Projekt von dir, oder?

Dyl Boban: Wenn ich mit meiner Freundin spiele, dann heißen wir Djs in Love. Musikalisch ist es ein bisschen anders als mein Soloprojekt. Sie spielt ein bisschen härtere Sachen als ich, aber im Prinzip kommt es natürlich immer auf die Buchung an. Wir werden oft untertags für Veranstaltungen und Messen gebucht und da spielen wir auch mal Disco und Funk.

Gibt es fließende Grenzen zwischen deinem konzertant, künstlerischen Auftreten als Dj und dienstleistungsbestimmten Buchungen?

Ja, klar. Wenn man auf einer Geburtstagsfeier spielt, dann ist es natürlich am Besten wenn man alle Genres durchspielt, damit alle was davon haben. Das kann schon hin und wieder lustig sein, aber öfter will ich es auch nicht machen. Es wird auch schnell fad. Bei einer Hochzeit ist man eben mehr eine Jukebox. Ich spiele aber eigentlich auch nur bei Hochzeiten, wo ich jemanden kenne. Unbekannte Buchungen nehme ich da nicht an. Da geht es mir nicht ums Geld. Das ist eher ein Dienst für Freunde.

Was sind deine bevorstehende Gigs?

Dyl Boban: Im November werde ich in der Schweiz spielen. In Wien sollte sich auch wieder etwas ergeben und in Innsbruck spiele ich ja sowieso regelmäßig.
Pics: Privat & von Mario Soma

https://soundcloud.com/dylboban
https://www.facebook.com/djdylboban