Das DMVA “Die Mutter von Allem” ist, wissen regelmässige Partygeher schon seit langem. Sie inszenieren ihre Konzerte als Spektakel, vor einigen Jahren war ihre Bühnenshow noch im antiken Rom verortet, bekleidet mit Lendenschurz und Helm, gespickt mit nackter Haut. Heute sind DMVA ein Duo, die Masken sehen anders aus, der (fast) nackte Körper ist aber immer noch Bestandteil der Show. Die beiden Musiker, die aus der lokalen Punk und Hardcore-Szenerie kommen und sich in ihren Texten kritisch mit dem Zeitgeist auseinandersetzen, haben dieser Tage ihr erstes Album bei Arcadia veröffentlicht. “Menschenfresser” heißt es und schlängelt sich musikalisch eigenwillig zwischen Deichkind, Mediengruppe Telekommander, Justice oder Bloody Beetroots herum.
Im folgenden Interview sprechen Clemens Schneider, der Mastermind hinter der Truppe und der eben erst frisch dazugestoßene Niki Preglau mit Peter Balon über das Konzept DMVA, Szenedenken und ein bisschen auch über Politik.
Ich möchte mit der klassischen Einstiegsfrage beginnen: Wie ist DMVA entstanden und wie ist es zu dem geworden, was es heute ist?
LoVox: DMVA ist 2008 aus der Band Skelettones hervorgegangen. Ursprünglich bestand die Gruppe aus 2 Mitgliedern, der Eine ist unter anderem Mitglied bei der Rockband “Hindoslem”, der Andere hat bei “The Staggers”, “Sick Of Silence” mitgespielt und ist jetzt bei den “Bo Candys And His Broken Hearts”. Später bin ich als Tänzer dazu gekommen, sozusagen als Anheizer. Es hat sich alles sehr schnell in eine bestimmte Richtung entwickelt. Zu dieser Zeit hatten wir noch kein Booking, kein Management, nichts gehabt. Das Ganze war halt am Anfang schon sehr Klamauk. Es war einfach sehr witzig. Die Masken waren anders, die Kostüme waren anders. Ich hatte damals so einen Römerhelm auf. Das Konzept war damals schon ähnlich, also es hatte einen “Weißen” und einen “Dunklen” gegeben. Damals war das noch verschärfter als jetzt, da hat der Dunkle immer eine tiefe Stimme gehabt und der Helle immer eine hochgepitchte Stimme. Das ist jetzt nur mehr teilweise erhalten. Es hat sich dann so entwickelt, dass wir nach einem dreiviertel Jahr bei Arcadia einen Management und Bookingvertrag unterschrieben haben. Letztes Jahr haben wir dann sehr viele Konzerte gespielt und haben mit der Aufnahme eines Albums begonnen. Im Zuge dessen haben sich dann leider Probleme bei der Arbeit ergeben und wir mussten uns von einem Bandmitglied trennen. Und diesen Sommer ist auch dann das zweite Bandmitglied gegangen. Jetzt mache ich DMVA gemeinsam mit Niki.
Also DMVA ist jetzt wieder ein Duo?
LoVox: Also wir haben eigentlich alle Shows in diesem Jahr zu Zweit bestritten. Als damals Christoph gegangen ist, haben wir schon jemanden Dritten gesucht, da war schon noch das Konzept da, dass es 3 Leute gibt, also die Dreifaltigkeit, der Gute, der Böse und dann das Bindeglied: Weiß, Schwarz und Gold.
Ihr kommt ja eigentlich alle Beide aus dem Punk und Hardcorebereich?
LoVox: Also die Nähe und Energie zum Publikum ist einfach nirgends so gut zu fassen wie im Punk und Hardcore. Das spürt man einfach. Und genau dieses Gefühl wollten wir mit den Mitteln der elektronischen Musik “uminterpretieren”. Der elektronische Sound ist viel härter und viel deftiger, also da geht viel mehr ab. Und wir wollten eben diese beiden Sachen kombinieren: dieses Emotionen zwischen Band und Publikum im Punk und die Soundästehtik der elektronischen Musik. Und als Bindeglied fungierte damals die Tänzerfigur, die es jetzt leider nicht mehr gibt. Und eben seit Christoph nicht mehr dabei ist, haben wir nach einem Dritten gesucht, da hat es auch ein paar Leute gegeben, die Interesse gehabt hätten, aber es wurde nie konkret. Das ist halt auch ein Problem bei DMVA: es polarisiert und die Leute schreckt es teilweise ab, da mitzumachen.
Also das Konzept hat sich ja auch nach dem Abgang von zwei Mitgliedern verändert?
LoVox: Ja, definitiv. Ich hab ja das Album mit Patrick zusammen daheim bei ihm im Wohnzimmer aufgenommen und produziert. Wie schon zuvor erwähnt, hat es in der Vergangenheit zwei widersprüchliche Linien gegeben, die eine Bandhälfte wollte es eher auf der Klamaukschiene weiterführen und die andere Seite wollte eher ein bisschen “härter” werden. Beides hat sich einfach nicht vereinbaren lassen. Bei den Shows die wir jetzt hatten, war kaum mehr Klamauk mit dabei, sondern es hat eher einen “konzertähnlichen Charakter” bekommen. Aber es muss sich alles noch mehr entwickeln. Jetzt wo ich DMVA nur mehr gemeinsam mit Niki mache, sind auch wieder neue Einflüße da: er produziert live die Sounds. Er spielt Schlagzeug und Gitarre zusätzlich zur elektronischen Musik. Das ist sehr spannend für uns, vor allem in welche Richtung es gehen wird. Also überhaupt diese musikalischen Zwischenzonen auszuloten.
Wie verhält es sich eigentlich mit eurem Zugang zum Songwriting? Inwieweit lässt ihr den politischen Kontext von Punk und Hardcore einfließen?
LoVox: Ja, natürlich. Unser Zugang ist nach wie vor sehr punklastig und wir sind da schon im linken Spektrum einzuordnen. Natürlich ist auch sehr viel Ironie mit dabei. Mir war auch sehr wichtig, dass gewisse gesellschaftspolitische Themen angesprochen werden, aber in einer gewissen “Härte der Sprache”. Wenn zum Beispiel politische Themen aufgegriffen werden, verstehe ich oft nicht, dass Leute immer in ihrem eigenen Vokabular bleiben. Beispiel: Wenn Leute Songs zu Themen wie Sexismus oder Homophobie schreiben, benutzen sie immer die gleiche Sprache, als sich die Sprache jener zu nutzen zu machen, die sie eigentlich kritisieren. So rutscht man halt gleich in dieses Eck: “ahja, das sind ja diese Feministen oder Künstler”. Und das war mir halt beim Songwriting schon sehr wichtig, also die Sprache derer zu benützen, die wir kritisieren. Natürlich sehen das viele Leute nicht sofort, aber das ist halt mein Zugang zu dem Ganzen. Aber einige Texte sind auch sehr ironiebeladen, was mir auch sehr viel Spaß macht.
Also es geht in euren Texten schon um konkrete politische Ansagen?
LoVox: Ja, definitiv. Wir haben das schon aus dem Punk und Hardcore-Bereich mitgenommen. Aber genau in diesen Bereichen gibt es halt auch gewisse Grenzen. Wenn du auf ein Punk oder Hardcore-Konzert gehst, hast du gewisse Erwartungen, wie es aussehen soll, wie die Leute ausschauen, etc… Es gibt optische Eindrücke, also zum Beispiel auch wie das Setup ist, bei DMVA war es immer schon so, dass du irgendwelche Grenzen auslotest und neue Areale findest. Somit haben wir auch viel mehr Freiheiten, in musikalischer sowie auch in ästhetischer Hinsicht: also ein paar nackte Typen auf einem Plakat und drunter steht: “Geiler als Gott”. Was gibt es anarchischeres? Das Schöne ist, dass wir in unserer Rolle viel weiter gehen können, als in einer Punk oder Hardcoreband.
Menschenfresser by DMVA
Also der Ausbruch aus den vorgegebenen Mustern?
LoVox: Ja, genau. In gewissen Szenen ist es auch mit der vielbeschworenen Offenheit und Toleranz nicht so weit hergeholt: im Prinzip ist das oft nur Bullshit. Man muss das auch irgendwie verlassen, wenn man weiter kreativ und innovativ bleiben will. Hardcore ist ja was extrem positives aber wenn es in gewisser Art und Weise zur “Lebensstütze” wird, kann es schnell auch radikal werden, und dann wird es auch gefährlich. Auf das spielt auch unser neues Album “Menschenfresser” an. Die Widersprüchlichkeit, die sich oft quer durch Subkulturen zieht.
Und wie stehen eure alten Weggefährten aus der Punk und Hardcoreszene zu DMVA?
HiSpit: Also ich hab mir auch selbst die Frage stellen müssen, ob mir dieser Brückenschlag – auch innerlich – überhaupt gelingt. Ich hab mir davor auch ehrlich gesagt DMVA oder Skeletons nie angesehen. Keine Ahnung warum, es war für mich einfach nicht am Radar. Erst als das alles über den Sommer mit Clemens entstanden ist, habe ich gemerkt, dass es ja sehr kreativ und eigentlich früchtetragender ist, sich an was Neues außerhalb einer bestimmten Szenerie heranzuwagen, als noch ein Jahrzehnt nur in der Hardcoreszene zu verbringen. Und ich weiß aber auch ganz genau, dass es Leute aus meinem Umfeld gibt, die das nicht verstehen.
Das ist eben dieses Problem: wenn man sich jahrelang in der eigenen musikalischen Blase bewegt, merkt man auch den Stillstand nicht.
HiSpit: Ja, genau. Musik ist eben Musik. Und wenn man dann so engstirnig so vor sich hin vegitiert,…
DMVA funktioniert ja nicht nur in klassischen Spielstätten, sondern auch im Rahmen einer “Clubkultur”. Wie seht ihr eigentlich die elektronische Szene in Wien?
Eigentlich haben wir da nicht so einen Einblick. Natürlich funktioniert DMVA auch in einem Klub, aber wir haben auch schon in Wohnzimmern gespielt. Wir haben es einfach am liebsten, wenn so viel wie möglich Kontakt zum Publikum da ist. Es ist halt schon so, wenn du mal in der Pratersauna gespielt hast, wird dir sozusagen ein Stempel aufgedrückt, in der Art “Ja, die haben schon mal da gespielt!”. Aber wenn du die Woche drauf im EKH spielst, geht es an den Leuten vorbei. Obwohl diese beiden Venues vielleicht sogar näher beisammen sind, als man glaubt.
Was ist für die Zukunft geplant?
Es sind noch ein paar Videodrehs angesetzt. Also das nächste Video soll das Konzept hinter DMVA zum Thema haben, aber da möchte ich noch nicht zu viel verraten. Es gibt genug Ideen, auch im digitalen Bereich. Auch das Bühnenbild wurde in letzter Zeit überarbeitet genauso wie unsere Masken. Die visuelle Komponente ist halt ein Riesenthema für uns. Und natürlich unser neues Album “Menschenfresser” promoten.
Abschließende Worte?
Ich möchte mich auf jeden Fall mal bei allen Leuten bedanken, die uns unterstützen und an uns glauben. DMVA ist nicht nur ein Projekt von zwei Typen, sondern es sind viele Menschen daran beteiligt. Vielen Dank!