mica-Interview mit dem ensemble LUX

Als ensemble LUX haben sich Bojidara Kouzmanovia, Thomas Wally, Julia Purgina und Mara Kronick zusammengefunden, um die jüngere Tradition des Streichquartetts und anderer kleiner Formationen aufleben zu lassen. Nicht wenige der Werke, die die engagierten Streicher auf die Bühne bringen, wurden speziell für sie komponiert. Mit einigen davon sind sie heuer in der Alten Schmiede als Ensemble in Residence zu hören. Fragen von Doris Weberberger über das Streichquartett in der Neuen Musik, wie man damit sein Publikum findet und was das Spielen neuer Werke ausmacht, standen die Geigerin Bojidara Kouzmanova und die Bratschistin und Komponistin Julia Purgina Rede und Antwort.

Als Ensemble Lux habt ihr euch 2004 zusammengefunden. Wie habt ihr euch kennengelernt und was hat euch dazu angeregt, das Ensemble zu gründen?

Bojidara Kouzmanova: Kennengelernt haben wir uns während dem Studium [an der Wiener Musikuniversität, Anm.] eher durch Zufall, würde ich jetzt sagen. Es war zunächst nicht geplant, dass wir etwas miteinander anfangen werden, aber es hat von Anfang an sehr gut funktioniert. Wir spielen gerne miteinander, immer mehr eigentlich. Ich kann mich an unser allererstes Konzert in Eisenstadt erinnern und seitdem hat sich vieles verändert und vieles auch wieder nicht.

Was hat sich verändert und was nicht?

Julia Purgina: Wir haben ursprünglich mit dem Ansatz begonnen, ein Ensemble zu sein, das grundsätzlich ohne Dirigent Kammermusik spielt und möglichst aus Streichern besteht, aber auch viel mit anderen Instrumenten spielen kann und waren ursprünglich mehr Leute, hatten auch ein Klavier dabei und eine Zeitlang auch einen Kontrabass, haben mit Bläsern gearbeitet. Es hat sich dann immer mehr herauskristallisiert, dass wir eigentlich ein Streichquartett sind oder innerhalb des Quartetts auch Trios und Duos spielen, manchmal haben wir auch Solostücke im Programm, aber wir gehen nicht wesentlich über die Besetzung von vier Leuten hinaus. Es gibt auch in diesem Jahr Ausnahmen. Wir haben Konzerte, wo wir mit einem Klarinettisten spielen werden oder auch mit Orgelpositiv. Diese Ausnahmen gibt es schon, aber grundsätzlich sind wir eine kleine Besetzung.

B. K.: Was sich nicht verändert hat: Wir wären nicht die Ersten, die schon genügend Material für ein Buch hätten, das das Streichquartett betrifft. Das Leben im Quartett hat sich nicht verändert. Es entwickelt sich nur weiter (lacht). Proben, Reisen, Lebenssituationen ändern sich natürlich. Aber man lernt diese drei anderen Menschen auf eine eigentlich doch auch sehr tiefe Weise kennen, wie wir uns sonst, wenn wir nicht in dieser regelmäßigen Weise miteinander spielen würden, nicht kennen würden. Das finde ich sehr angenehm. Ich vergleiche das Quartettspiel immer mit dem Klettern an einem Seil – ohne Vertrauen in die Anderen geht es nicht. Man kann gerade gestritten haben, man kann eine Diskussion ausgefochten haben oder sonst irgendetwas. Aber wenn ein Konzert, ein Auftritt oder sonst etwas Wichtiges ist, das wir zu viert machen, dann hängen wir eben an einem Seil. Es ist eine Art blindes Vertrauen zu jedem in dem Quartett, sonst würde es nicht funktionieren, besonders bei der Musik die wir spielen.

Gerade die Neue Musik erfordert sehr viel Probenarbeit …

J. P.: Man kann sich auf nichts stützen, was es schon gibt. Gerade, wenn man in den Bereich der Uraufführungen geht, sind wir diejenigen, die das Stück entdecken und das überhaupt einmal zum Leben bringen, also vom Papier in den Klang umwandeln. Das ist erstens schon einmal eine sehr spannende und auch große Herausforderung, zweitens müssen wir einfach beim Proben so viel Geduld haben, uns die Zeit geben zu können, das Stück tatsächlich kennenzulernen und es so kennenzulernen, dass wir es auch ohne Dirigent spielen können. Die moderne Musik ist ja oft eine komplexere, eine, die nicht so eingängig ist und es kann in einer Probe einfach passieren, dass man fünf Minuten lang einen Takt hinten ist und es nicht merkt. Das sind alles Situationen, die man von der Zeit und vom Vertrauen und von der Geduld einkalkulieren muss. Das ist eine Zusatzherausforderung zum eigentlichen Quartettspiel.

Wie stellt ihr euer Repertoire zusammen?

J. P.: Es kommt teilweise auf uns zu durch Angebote, Konzerte zu spielen und gewisse Stücke ins Programm zu nehmen; Veranstalter oder Komponisten bitten uns, Stücke zu spielen, verschaffen uns dafür Auftrittsmöglichkeiten, es gibt Zusammenarbeiten. Manchmal gibt es auch Fälle, in denen wir auf Komponisten zugehen und fragen, ob sie nicht für uns etwas schreiben könnten. Jetzt haben wir die Gelegenheit, im Jahr 2012 in der Alten Schmiede als Ensemble in Residence einen Zyklus zu machen. Für die vier Konzerte haben wir das Programm ganz selbst gewählt, nämlich nach Klassikern des Anfangs der Moderne – Bartók, Berg und Webern –, Klassiker der Avantgarde – Lachenmann, Lutoslawski, Nono und Ligeti; dann gehen wir mit Haas, Furrer und Urbanner in den Bereich arrivierter österreichischer Komponisten und anschließend zeigen wir den Bereich der jüngeren österreichischen Komponisten und wie sich diese 100 Jahre auf die jüngere Musik ausgewirkt haben. Bei den Jüngeren sind Fuchs, Freisitzer, Wally, Kerer und auch von mir ist etwas dabei gewesen.

Das Streichquartett ist ja eine unglaublich traditionsreiche Gattung, es gibt daher auch sehr viele Streichquartett-Formationen im Bereich der klassischen Musik. Auch in der Neuen Musik gibt es renommierte Quartette, aber man hat doch sehr selten die Gelegenheit, neue Streichquartette im historischen Kontext des letzten Jahrhunderts zu hören. Habt ihr da eine Marktlücke für euch entdeckt?

B. K.: Entdeckt haben wir es nicht, es ist so passiert. Ich kenne sehr wenige Streichquartette, die sich in dieser traditionellen Besetzung nur in der modernen Literatur bewegen. Ich finde, es macht einen Unterschied beim Zugang. Ich komme selbst von der klassischen Musik und spiele auch gerne Mozart, Schubert, Brahms usw. Mein Zugang zur Musik ist immer ein musikalischer. Das heißt, das, was ich spiele, muss einen musikalischen Sinn für mich machen – ob das jetzt Geräusche, Töne oder sonst was ist, das ist für mich in Ordnung. Es gibt schlechte Stücke genauso in der klassischen Literatur wie auch in der zeitgenössischen Musik, aber wenn wir als zeitgenössisches Quartett klassische Musik spielen, merke ich, dass wir genau von der anderen Seite kommen. Man hört und sieht die klassischen Stücke dann anders.

JP: Ich glaube, ein Zugang, den man von der Neuen Musik ganz stark mitnimmt, ist, das zu lesen, was wirklich dasteht und sich nicht darauf zu verlassen, was man immer schon gehört hat. Diese ganzen Spieltraditionen fallen weg und man muss sich wirklich auf das verlassen, was man sieht. Das deutet man dann um und das diskutiert man dann auch sehr heftig. Das wird natürlich in klassischen Quartetten auch diskutiert, aber wahrscheinlich anders. Was noch dazukommt, ist eine gewisse Form von präzisem Zugang und auch der Mut, die Klangfarben, auch wenn man einen Mozart spielt, zu erweitern und da manchmal zu sagen, eigentlich gehört diese Stelle mehr sul ponticello (möglichst nahe am Steg streichen , Anm.), auch wenn es gar nicht dasteht, aber die Harmonien könnte man damit herausholen. Da kann man eigentlich auch von der Neuen Musik schöne Effekte herüberholen.

B. K.: Das finde ich eigentlich einen der größten Unterschiede zwischen Musikern, die meistens zeitgenössische Musik spielen, und solchen, die meistens klassische Musik spielen. Die meisten, die zeitgenössische Musik spielen, sind mutiger in Bezug auf den Notentext – muss man auch sein. Wenn man die Noten erst eine Woche vor dem Konzert bekommt und sie fast unspielbar sind, muss man es irgendwie hinkriegen. Es ist nicht so wie bei einem Brahms-Quartett, bei dem man vier Monate Zeit hat und 150 Aufnahmen. Das hilft aber auch bei allem anderen, was man spielt, dass man einen viel unmittelbareren Zugang zu dem hat, was man als Notenmaterial bekommt und dass man sich viel mehr traut. Das finde ich sehr spannend.

Man hat in der zeitgenössischen Musik vielleicht den Vorteil, dass das Publikum ja oft noch nicht weiß, was es zu hören bekommt. Bei klassischen Werken ist die Erwartungshaltung schon sehr vorgebildet.

J. P.: Ja, das nimmt bei mir Druck weg, weil ich unbelastet bin und die Sicherheit habe: Sie wissen ja nicht, was da steht! Aber das darf niemals der Ansatz für die Arbeit oder für die Interpretation sein. Wenn das passiert, und das passiert extrem häufig in der Neuen Musik, dann glaube ich doch, dass das Publikum diesen Arbeitsansatz merkt. Es wird dann einfach schlampig und schleißig interpretiert und es wird dann auf der Bühne durch Gesten deutlich, dass das nicht souverän ist, dass das einfach nicht ausgearbeitet ist. Man hat natürlich schon auch eine Verantwortung dem Komponisten gegenüber. Ich finde, wenn sich jemand über einen längeren Zeitraum intensiv mit einem Stück auseinandersetzt – auch wenn er ganz spät fertig wird und sonstiges Problematisches im Weg steht – ist da trotzdem viel Arbeit, Intelligenz und Wissen dahinter und die Verantwortung liegt dann bei uns, das gut umzusetzen.

Arbeitet ihr viel mit den Komponisten zusammen?

B. K.: Das probieren wir eigentlich jedes Mal, wenn wir ein neues Stück erarbeiten, wenn es möglich ist.

J. P.: Aber nach Möglichkeit nicht in der ersten Probe. Wir haben herausgefunden, dass das eine ganz schreckliche, destruktive Stimmung erzeugen kann, wenn man in der ersten Probe als Quartett die Noten organisieren will und dann der Komponist schon ganz enttäuscht ist, wenn man noch nicht interpretiert. Man muss aber einfach einmal klären, wie man z. B. einen 5/16-Takt aufteilt und das muss man bei 150 Takten so organisieren. Da braucht man eigentlich den Komponisten nicht dafür. Ansonsten ist es natürlich sehr spannend, mit den Leuten zu arbeiten, die das auch geschrieben haben.

B. K.: Wir haben oft die Situation, dass die gleichen Zeichen bei verschiedenen Komponisten etwas anderes bedeuten. Nur um ein kleines Beispiel zu nennen: Ein Komma würde in der herkömmlichen Notation „Atmen/ Trennen“ bedeuten. Dazwischen gibt es eine kurze Pause, die man nicht als solche aufschreibt, aber es gibt sie. Bei den beiden Stücken von Furrer und Freisitzer, die wir gerade spielen, gibt es ständig Kommata, das heißt aber bei Freisitzer, dass man die Noten bis zum absoluten Ende der Dauer aushalten soll – nicht Atmen, nicht Pause, nicht Trennen. Das ist etwas vollkommen anderes. Außer es steht in den Noten, ist die einzige Quelle, von der man das lernen kann, der Komponist selber. Man spielt ihm das vor und er sagt: Nein, eigentlich meine ich gar nicht das, sondern etwas anderes. Das ist aber auch ein riesiger Vorteil, wenn man zeitgenössische Musik spielt: Man kriegt die richtige Information.

J. P.: Es ist ein viel lebendigerer Zugang zur Musik direkt. Ich kann mir natürlich diese Informationen auch beschaffen, wenn ich klassische oder Alte Musik spiele, aber dann muss ich in eine Bibliothek gehen und dann muss ich forschen, nachfragen und suchen – das ist auch eine total spannende Tätigkeit, aber wenn man den Komponistin oder den Komponisten fragen kann, wie das ist, dann ist das viel lebhafter.

B. K.: Man hat einfach die Information aus erster Quelle. Wenn man danach forscht, wie Mozart zu spielen, hat man 17 verschiedene Meinungen – alle fundiert und genau geforscht.

Wie sieht es mit den ästhetischen Kriterien bei der Auswahl eures Programms aus?

J. P.: Es gibt gewisse Stücke, die wollen wir nicht mehr spielen. Das ist klar. Da versuchen wir, durch eine sehr höfliche Form klar zu machen, dass das Stück in unserem Programm keinen Platz hat. Das ist aber, glaube ich, bei jedem Ensemble so. Es gibt gewisse Richtungen, bei denen wir gemerkt haben, dass uns das uns keinen Spaß macht und dass wir das dann nicht so gut verkaufen können. Es gibt natürlich Komponistinnen und Komponisten, die wir lieber spielen, aber grundsätzlich sind wir ziemlich offen und haben nicht eine ästhetische Grundrichtung, weil jeder von uns auch die Möglichkeit hat, Stücke einzubringen, wenn er das möchte. Wir haben auch mit verschiedenen Veranstaltern zu tun von ÖGZM (Österreichische Gesellschaft für Zeitgenössische Musik, Anm.) bis Wien Modern, von den Bregenzer Festspielen bis, wie eben erst, in Sevilla – das sind alles ganz andere Anforderungen, die wir im Grunde alle abdecken können. Wir sehen unsere Aufgabe auch nicht darin, dass wir ästhetische Richtlinien festlegen, sondern dass wir einfach einmal spielen, was es gibt.

B. K.: Wir geben den Stücken, die wir spielen, immer eine faire Chance. Das heißt, wir sagen nicht von vorn herein: diesen Komponisten mag ich eigentlich nicht und den wollen wir nicht spielen; oder die Noten sehen schwer aus oder wie auch immer. Das heißt, jedes Stück bekommt auf jeden Fall einen guten Teil an Bemühen und Arbeit, bis wir uns überhaupt eine Meinung bilden. Bei manchen Stücken stellt es sich einfach erst später heraus, das will ich spielen oder das macht jetzt Spaß, obwohl es doch schwer war, das zu lernen.

J. P.: Ich glaube, das spiegelt auch der Zyklus wieder, weil wir da sehr unterschiedliche Stücke spielen. Unser Ziel ist, einen Überblick, einen Bogen zu geben, was alles sein kann und was es alles gibt.

B. K.: Mir persönlich macht Lachenmann ziemlichen Spaß  – auch wenn es einige Zeit gedauert hat. Ich finde es unter anderem auch lustig, was man aus einem Streichinstrument noch herausholen kann, was aber nichts mit herkömmlichen Techniken zu tun hat.

Wie sehen eure Vorstellungen für die Zukunft aus?

B. K.: In der näheren Zukunft haben wir Konzerte rund um den Zyklus, wo wir bei Konzerten das gleiche Programm wie im Zyklus spielen. Es gibt Pläne für New York oder Uruguay, dafür nehmen wir immer Stücke aus dem Zyklus plus ein oder zwei andere Werke dazu. Im Prinzip wollen wir das, was wir bis jetzt gemacht haben – nur noch mehr.

J. P.: Wir sind am Verhandeln mit einer Agentin, die uns ins Programm nimmt und die ihre Basis in Berlin hat. Da erhoffen wir uns natürlich, dass es möglich sein wird, noch mehr Konzerte auch im Ausland zu spielen. Wir haben das Glück, 2012 und 2013 im NASOM-Programm, New Austrian Sound of Music, zu sein. Das hat uns eben schon ermöglicht nach Spanien zu fahren, das ermöglicht es uns im Sommer nach Schweden zu fahren. Wir haben weitere Konzerte auch für das nächste Jahr im Gespräch mit Moskau, der Ukraine und Aserbaidschan – es wird hoffentlich noch einiges auf uns zukommen. Das wären die Reisewünsche. Jetzt ist es in unserem Fall auch nicht ganz so leicht, diese Reisen immer in der gleichen Besetzung durchzuführen, weil wir drei junge Frauen im Quartett haben, von denen eine gerade schwanger ist. Das ist nun einmal eine Gegebenheit, mit der man umgehen muss und da sind längere Reisen natürlich schwierig, wenn das Kind ganz klein ist. So gesehen können wir jetzt für die Zukunft keine Prognosen stellen, aber ich glaube, uns allen ist es wichtig, dass wir weiterspielen, möglichst viel spielen und immer mehr spielen – wie dann auch immer. Ob es dann mehr Konzerte in Wien sein werden oder ob es sich doch eher auf Reisen verlagert, das werden wir dann sehen.

2008 und 2010 ward ihr bei diversen Festspielen und Festivals und jetzt in der Alten Schmiede in Österreich sehr aktiv, da zeigt sich schon eine gewisse Kontinuität.

B. K.: Da wollen wir auch auf alle Fälle weitermachen, Neue Musik wird es hoffentlich auch weiterhin geben. Ich finde den Bogen von der Mitte des letzten Jahrhunderts bis gestern zu spielen […] sehr spannend. Mir persönlich ist mit dem Quartett auch wichtig, dass wir nicht nur für das spezielle Publikum spielen – also nicht nur für die Komponisten, die immer da sind, und ihre Freunde –, sondern dass wir auch quasi ganz normale Menschen in den Konzertsaal mitnehmen. Ich war sehr angenehm überrascht bei unserem ersten Konzert in der Alten Schmiede: Es war wirklich voll und es waren viele Leute da, die keine Musiker waren. Es macht mich wirklich glücklich, wenn sie nachher kommen und sagen, es war sehr interessant, also es ist nicht nur schrecklich und abschreckend gewesen und ich komme nie wieder, sondern es war anregend. Es ist ein ganz anderer Zugang und man kann die Musik anders wahrnehmen in einem normalen Konzert mit einem klassischen Ensemble und klassischer Musik. Das hätte ich gerne, also nicht nur für Studenten, Komponisten, Musiker und Leute zu spielen, die sich sowieso damit beschäftigen, sondern auch das normale Publikum zu erreichen.

J. P.: Ein weiteres Ziel ist, einige der Stücke, die wir jetzt im Repertoire haben, auch auf CD aufzunehmen. Bald kommt eine neue CD heraus, auf der wir Flötenquartette von sechs österreichischen Komponisten und Komponistinnen gemeinsam mit der russischen Flötistin Maria Fedotova aufgenommen haben. Dann haben wir damit eine schöne zweite CD, unsere erste CD ist ja schon ein bisschen älter. Außerdem wäre es natürlich fein, wenn wir diese Sachen, die wir jetzt in den Konzerten probieren, auch auf CD verewigen könnten – einiges davon ist noch gar nicht aufgenommen oder noch nicht in dieser Kombination und erreicht dann auch wieder ein anderes Publikum.

Verfolgt ihr ein konkretes Konzept, wie ihr auf Menschen zugehen könnt, die nicht in diesem Betrieb arbeiten bzw. um das Publikum zu erweitern?

B. K.: Bis jetzt ist es immer auf privater Ebene gelaufen. Das heißt, Leute, die ich einlade und denen ich garantiere, dass es gute Stücke sind, aber dass es nicht dieser entspannte Zugang wie in einem klassischen Konzert ist. Man ist quasi gefordert, mitzumachen, sich das Ganze anzuschauen und anzuhören. Es sind Geräusche, es sind ungewöhnliche Spielweisen, Rhythmen, Klänge. Es ist bis jetzt immer so gewesen, dass die Leute durch Erzählungen neugierig geworden sind oder einfach durch private Kontakte. Mittlerweile ist es aber so, dass die Freunde oder Bekannte, die wir einladen, auch weitere Leute mitbringen. Natürlich ist es ein langsamer Weg, das Publikum zu erweitern, aber trotzdem hat es sich doch bewährt.

J. P.: Ich habe auch das Gefühl, dass es leichter ist, Leute anzusprechen, die gar nichts mit Musik zu tun haben, als Leute, die ganz viele Vorstellungen auf Musik projizieren, die quasi halbgebildete, dilettantisierende Hobbymusiker sind. Die haben natürlich ihre ganz genauen Vorstellungen, wie Musik zu sein hat und für die ist es dann natürlich eine große Enttäuschung und überhaupt nicht einzusehen, dass eine Geige quietscht und nicht einfach einen schönen Ton macht, weil sie auch als Ziel haben, diesen schönen Ton einmal zu erreichen. Die Leute, die gar nichts mit Musik zu tun haben oder teilweise auch von der Popmusik oder von der Elektronik kommen, die sie in ihrer Freizeit hören, die sind viel offener, wenn z. B. gar keine Melodie vorhanden ist und nur ein Groove entsteht – die lassen sich viel schneller mitreißen.

B. K.: Was ich auch sehr spannend finde, ist, dass das auch jungen Menschen sehr gut gefällt. Das hätte ich bis vor ein paar Jahren nicht gedacht.

J. P.: Du meinst auch Kinder, oder?

B. K.: Kinder, aber auch Teenager, von denen ich gedacht hätte, sie fänden es einfach nur schrecklich und langweilig. Aber das stimmt nicht. Sie haben die größte Freude daran, was man doch alles darf und das ist herrlich! Ich habe bei unserem letzten Konzert ein paar Kinder eigeladen. Ein Mädchen ist elf und spielt selber Geige. Das ist eigentlich das Alter, wo man nur schön spielen darf, weil man es zuerst lernen muss. Sie war aber so begeistert, was man alles noch machen kann und das finde ich auch toll. Es erweitert nicht nur die Spielweise, sondern auch die Vorstellung von einem Instrument, von der Musik. Was ich schade finde, ist: Alle haben einen viel einfacheren, direkteren Zugang zu bildender Kunst, zum Film. Wenn man nur die Musik von einem Film hört, auch schon aus den 70er oder 80er Jahren – das ist zum Teil so unglaublich modern. Bei Musik zu Columbo findet man die wildesten Zusammenstellungen von Besetzungen – Tuba, Piccolo und Schlagzeug. Das geht aber den ganzen Film durch. Wenn man sich nur das anhört, fragt man sich, was das ist. Aber weil man das Bild dazu hat, ist das ganz okay und ganz normal. Ich sage auch vielen Bekannten, die zu den Konzerten kommen und nichts mit moderner Musik zu tun haben, dass sie sich das so anhören könnten. Einen Zugang haben sie dadurch doch, aber sie wissen es nicht. Es sind Bilder, Zustände; es ist ja nicht von irgendwo hergeholt, sondern es steckt etwas dahinter. Es ist halt nicht nur das Schöne und die Emotion wie in der Romantik oder in der Klassik. Aber das ist auch legitim.

J. P.: Ich finde aber trotzdem, dass es unglaublich viele Emotionen in der Neuen Musik gibt – das nur als Ergänzung dazu – und dass das oft vernachlässigt wird, dass das eigentlich auch eine sehr emotive Musik sein kann, die neben aller Konstruktion und aller Gedankenschwere, die dahintersteckt, einfach auch nur wirken darf – zumindest für den Zuhörer.

Noch einmal zurück zu den Jugendlichen, von denen ihr gemeint habt, dass die gegenüber Neuer Musik oft viel offener sind: Das ist auch mein Eindruck, aber auch von dem her, dass elektronische und populäre Musikrichtungen oft mit ähnlichen Mitteln arbeitet wie die Neue Musik. Ich habe oft den Eindruck, dass in diesem Zusammenhang die sozialen Grenzen viel einschneidender sind als die musikalischen.

J. P.: Das ist wahrscheinlich so, wobei ich doch auch das Gefühl habe, dass gerade die sozialen Grenzen auch etwas sind, das sich in gewisser Weise bei Musik auflockern kann, das ist dann doch übergreifender. Wie man früher gesagt hat, dass man den Hausmeister im Burgtheater und in der Oper trifft – das stimmt einfach! Die Kunst ist für alle da und es ist egal, von welcher Schiene oder Nische sie ausgeht. Gerade die Alte Schmiede ist ein Konzertort, der absolut frei zugänglich ist, der keinen Eintritt hat, da sind wirklich keine Grenzen gesetzt.

Tragen da vielleicht auch die Räume, die eben nicht einem klassischen Konzertsaal ähneln, dazu bei, das aufzulockern, oder meint ihr, es genügt, Neue Musik im Konzertsaal zu spielen, wo man vielleicht auch den Hausmeister trifft?

J. P.: Es hat sicher auch mit den Räumen zu tun. Es gibt ja auch viele Projekte, die vielleicht nicht wir machen, aber die stattfinden, wo man auch an Schulen geht oder ähnliches. Aber es spielt natürlich auch die Preisgestaltung eine große Rolle. Für viele Leute ist die Oper eben deswegen leistbar, weil es günstige Stehplatzkarten gibt. Deswegen sind Subventionen einfach wichtig. Gerade im Bereich der Neuen Musik geht ohne Subventionen einfach überhaupt nichts. Da kann ich jetzt auch gleich eine kritische Anmerkung machen: Wir sind seit 2004 tätig und wir haben noch nie direkt Unterstützung bekommen. Wir haben indirekt Unterstützung bekommen durch Honorarauszahlungen von Veranstaltern oder ähnliches, aber wir haben noch nie eine Förderung des Ministeriums oder der Stadt Wien bekommen. Wir werden immer vertröstet. Ich weiß nicht, wie viele Konzerte man im Jahr veranstalten muss, wir international man sein muss. Wir sind international, wir sind in Wien, in Österreich tätig, wir spielen wahrscheinlich 20 Uraufführungen jedes Jahr – ich weiß nicht, was man machen muss, um diese Förderungen zu bekommen. Wir haben jetzt glücklicherweise diese Unterstützung vom Außenministerium, NASOM, das ist auch schon eine große Hilfe, aber wenn ein Veranstalter wenig Honorar zahlt, können wir nicht sagen, wir kommen trotzdem, weil wir einfach kein Eigenkapital haben. Zumindest ist es in den letzten Jahren so gewesen, dass wir für die Konzerte, die wir spielen, ein halbwegs annehmbares Honorar bekommen haben.
Anm.: Erfreulicherweise erhielt das ensemble LUX für seine Aktivitäten 2012 eine Förderung vom SKE-Fonds. Diese Nachricht erreichte uns kurz nach dem Interview.

Foto: Michael Williams

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