mica-Interview mit Das Trojanische Pferd

Sänger und Gitarrist Hubert Weinheimer und Multiinstrumentalist Hans Wagner sind gemeinsam das Trojanische Pferd. Genau fünf Jahre existiert die Band. Zweieinhalb Jahre nach dem genialischen Debüt „Das Trojanische Pferd“ legt sie ihr zweites Album „Wut und Disziplin“ (Problembär) vor – intelligente deutschsprachige Popmusik zwischen bösen Texten, kunstsinnigen Arrangements und rumpelndem Rock. Das folgende Interview führte Sebastian Fasthuber.

Erzählt bitte mal, wo ihr herkommt und wie ihr euch kennengelernt habt.

Hans Wagner: Ich komme aus Berlin.

Hubert Weinheimer: Ich komme aus der Nähe von Gmunden und bin 2003 zum Studieren nach Wien gekommen. Ich komme von der Sprache, habe kleine Theaterstücke und Romanfragmente geschrieben. Erst mit 17 habe ich begonnen, Gitarre zu spielen. Den Hans habe ich 2006 zum ersten Mal erlebt. Das war auf einem Neuschnee-Konzert, damals hießen sie noch Feinstaub. Nach dem Konzert habe ich ihn angeredet.

Hans: Später haben wir uns auf der Uni wieder getroffen. Bezeichnenderweise in einem Seminar über Musikwirtschaft, in dem es um die sinkenden CD-Verkäufe ging.

Hubert: Zu der Zeit hat mir Ernst Molden angeboten, ein Konzert von ihm zu eröffnen. Ich habe den Hans gefragt, ob er nicht Cello dazu spielen will. Das war die Geburtsstunde von Das Trojanische Pferd, im Februar 2007.

Wo liegen eure musikalischen Schnittmengen?

Hubert: Wir sind an sich ein sehr ungleiches Paar. Hans hat von klein auf mit Musik zu tun gehabt, zum Teil wurde in seinem Elternhaus mit mittelalterlichen Instrumenten musiziert. Bei mir zu Hause wurde STS für das höchste der Gefühle gehalten. Beide mussten wir aus unseren Welten ausbrechen. Wir haben uns bei der Musik getroffen, die wir in unserer Sturm-und-Drang-Zeit gehört haben: Punk und Rock, Grunge-Zeugs und so. Anfangs haben wir auch Nirvana und einen Tom-Waits-Song gecovert.

Das neue Album ist auch verhältnismäßig rocklastig geworden.

Hubert: Ja, es gibt so ein bisschen Grunge und Pavement drauf.

Davon abgesehen lässt sich schwer auf den Punkt bringen, was ihr macht, weil es stilistisch derart vielfältig ist.

Hubert: Ja, das lässt sich wirklich nicht in einem Satz sagen.

Hans: Ich habe aber das Gefühl, das es schon ein Profil gibt. Auch wenn es stilistisch unterschiedlich ist, hört man eine Attitüde und ein Weltbild raus, weil die Texte von Hubert so stark sind. Bei der Musik kann man sich erlauben, mehr herumzuprobieren. Der Text ist ja die Aussage, die Musik ist das Vehikel.

Hubert: Beim neuen Album hoffe ich, dass es auf die Distanz zunächst wie etwas Geschlossenes wirkt. Je näher man dem Ganzen kommt, desto mehr sieht man, dass manche Facetten eigentlich nicht zusammenpassen. Bei der ersten CD stand im Booklet, dass wir Widersprüche nicht kompensieren, sondern im Gegenteil betonen. Ich glaube, da ist was dran. Es gibt aber schon einen Geist, der das zusammenhält, eine Grundstimmung, eine gewisse Experimentierfreudigkeit, eine textliche Schonungslosigkeit. Das geht durch, andere Dinge sind variabel.

Hubert, du hast eine sehr gewählte, fast schon theatralische Singstimme. Man fragt sich: Wer ist der Typ, der da singt? Bist du das? Ist es eine Kunstfigur?

Hubert: Das bin schon ich. Ich bediene mich vieler Stilmittel, und was den Gesang betrifft, kippe ich teilweise in verschiedene Rollen rein. Ich weiß, wie ich meine Stimme einsetzen muss, damit sich die Leute ein bisschen unwohl fühlen. Textlich aber gibt es sehr wenige Dinge, die ich nicht ganz deutlich glaube. Eine Ausnahme ist höchstens „Die ganze Welt“. Das ist ein Experiment mit Sprache. Ich bin ja ein Reimtier. Und da wollte ich ein Lied machen, das immer gleich beginnt – mit: „Die ganze Welt…“. Irgendwann müsste es eigentlich blöd werden, wird es aber komischerweise nicht. Dieses Lied ist sehr düster, aber ich bin sicher kein apokalyptischer Reiter. Um das auszugleichen, gibt es das sehr hoffnungsvolle Lied „Nicht wichtig“ oder den unschuldigen Lovesong „Bittersüß“. Ich wurde nach dem ersten Album ja gefragt, ob ich suizidigefährdet bin, aber das bin ich überhaupt nicht. Künstler oder Musiker, die nur aus dem Drama schöpfen, finde ich ein wenig verlogen.

Hans: Bei Hubert ist der Wutaspekt sehr deutlich. Aber wir laufen nicht die ganze Zeit nur wütend rum. Ich finde es halt spannend, Musik zu machen, wo es um extremere Gefühle geht, die man ja auch hat.

Hubert: Trotz unserer reflektierten Haltung, sabotieren wir uns auch immer wieder selbst. Wir nehmen nicht alles so ernst. Oft macht es auch Spaß, einfach blindlings drauflos zu stürmen. Dieses Konstrukt, das wir uns als Band ausgedacht haben, ist sehr verschachtelt und durchdacht. Aber wenn man nur rechte Winkel verwenden würde dabei, wäre es ein totes Gebilde. Es geht um eine gewisse Balance aus Inbrunst, heiligem Zorn und Gefasstheit. Einseitigkeit ist ein Witz. In dieser Hinsicht ist Sid Viscious genauso lächerlich wie Karl-Heinz Grasser.

Das Trojanische Pferd – Nicht Wichtig by mica

Einseitigkeit kann allerdings helfen, das Ding zu vermarkten.

Hans: Ab einem gewissen Bekanntheitslevel im Musikbusiness denkt man automatisch übers Image nach. Ich finde es aber spannender, sich nicht so ein eindeutiges Profil zuzulegen. Viele Bands hauen sich von vornherein einen Stempel rauf und bauen sich eine Box. Wir funktionieren nicht so.

Hubert: Ich scheiße auf coole Klischees. Wenn man nichts zu sagen hat als Band, soll man verdammt noch mal das Maul halten.

Okay, ihr seid wütend. Wie kommt das Wort „Disziplin“ in euren Albumtitel?

Hubert:
In der Zeit, als das Album entstand, waren wir sehr diszipliniert. Da wurde sehr viel gemacht, großteils von Hans, was das Arrangieren betrifft. Auf der anderen Seite haben wir vor einem halben Jahr das letzte Mal geprobt, wir wollen also kein Loblied auf die Disziplin singen. Wir wollten einfach ein hartes Wort im Albumtitel, das die wenigsten Menschen mögen. Das Album soll als g’sunde Watsch’n verstanden werden.

Hans: Disziplin ist etwas Ergebnisbezogenes. Ich finde Studioarbeit sehr interessant. Ich sitze da auch viel rum, weil ich gerade versuche, von Musik zu leben.

Da möchte ich gleich einhaken. Wovon lebt ihr?

Hans: Ich baue mir gerade ein Studio, mache auch Mastering nebenbei und Filmmusik. Und dann habe ich eben drei Bands: Das Trojanische Pferd, Neuschnee und Hans im Glück. Da kommt im April das Album raus. Das ist ziemlich elektronisch, ich habe das gemeinsam mit Vlado Dzihan gemacht. Er hat die Musik geschrieben und mich gefragt, ob ich Texte machen und singen will.

Hubert: Ich arbeite 30 Stunden in einem Büro. So komme ich über die Runden, muss mich um Geld nicht kümmern und habe noch genug Zeit und Kopf frei, um mich um die Musik zu kümmern. Um 15 Uhr bin ich fertig und kann mich am Nachmittag vermehrt um die Mails kümmern.

Hans: Um die Mädels?

Hubert: Um die Mails. Gut, um die Mädels auch.

Das erste Album war sehr ungestüm. Wie seid ihr die neue Platte angegangen?

Hubert: Als wir begonnen haben zu arbeiten, haben viele Leute gesagt: „Lasst das sein, ihr könnt so ein Album nicht noch einmal machen.“ Weil es eben sehr eigenartig und einzigartig war. Ich bin deshalb sehr zufrieden mit dem neuen Album, weil es wiedererkennbar Das Trojanische Pferd ist und gleichzeitig ein Schritt nach vorn.

Hans: Musikalisch ist die neue Platte viel produzierter, aber auch nicht totproduziert.
Hubert: Beim ersten Album war klar, dass es LoFi und eine charmante, holprige Wohnzimmerproduktion war. Das neue Album ist nicht mehr LoFi, aber auch nicht High Class. Es ist so eine Zwischenebene. Das war ein ziemliches Austarieren.

Hans: Für mich gilt immer noch das Schlagwort ,Beatles für Arme’. Das war mein Arbeitstitel.

Hubert: Meiner war ja: ,Fuck Your Band’. Es war mir wichtig, provokant zu sein.

Ihr kommt aus Oberösterreich und Berlin, klingt aber auf eine gewisse Weise sehr wienerisch.

Hubert: Das liegt daran, dass ich seit neun Jahren hier lebe und kaum noch in Oberösterreich bin. Ich war schon immer ein neugieriger Mensch, mit der Tendenz zu einer gewissen Unruhe. Vielleicht nimmt man dadurch die Umgebung stärker auf. Oft passiert es auch, dass ich durch die Straßen gehe und geschockt bin, was für einen belanglosen Scheiß die Leute reden. Und aus diesem Gerede mache ich dann einen Song, am neuen Album „Was du nicht alles sagst“.

Hans: Ich sehe mich als jemand, der gegen die Wut und Arroganz arbeitet.

Hubert: Eh. Ich verwende zu oft das Wort Arroganz. Ich will es so formulieren: Es hat im Rock schon länger kaum mehr Bands gegeben, die mit erhobenem Haupt auftreten. Ein Ausreißer waren für mich im deutschsprachigen Raum nur Surrogat, die auf die Bühne gegangen sind und geschrieen haben: ,Gib mir alles! Alles muss zerstört werden!“ Das ist geil, nicht dieses langweilige Einlullen von Bands wie Tocotronic oder Blumfeld. Interessiert mich nicht! Ich will was sehen. Man muss gar nicht arrogant auftreten und ich glaube auch nicht, dass ich besonders arrogant bin, aber ich bin schon von mir selber überzeugt.

Das war jetzt mal eine Aggro-Ansage.

Hubert: Da können sich die Battle-Rapper warm anziehen.

Hans: Für mich macht ein wütendes Lied genauso Sinn wie ein reflektiertes Lied. Und „Was du nicht alles sagst“ klingt doch nicht wie Surrogat, das ist doch auch lieblich. Das kannst du nicht vergleichen.

Hubert: Man darf es nicht an diesem Lied festmachen. Generell finde ich diese Attitüde wichtig. Ich will eine Figur, die hinter etwas steht, sehen –  und nicht die die ältesten Klischees, zum tausendsten Mal neu eingekocht.

Hans:
Ich würde eher differenzieren: Dieses Album von Tocotronic finde ich gut, dieses langweilig.

Hubert: Es gibt durchaus Tocotronic-Alben, die ich gut finde. Ich finde sie nur ingesamt langweilig.

Hans: Das ist das Spannende: Was bleibt von einer Band übrig, wenn man länger gemeinsam Musik macht? Es muss eine Entwicklung geben im Laufe der Jahre. Oder man lässt es halt mal sein. Ich habe Angst davor, dass man irgendwann anfängt sich zu wiederholen.

Hubert: Was so Imagegeschichten betrifft, hatten wir es gemütlich, weil wir langsam reinwachsen durften. Jetzt ist die Band halt ein bisschen da und ein bisschen bekannt. Aber wir hatten Zeit, uns darauf vorzubereiten.

Welche Leute kommen eigentlich zu euren Konzerten?

Hubert: Wir haben eine relativ verschworene Gemeinde in Wien, ein paar Leute in Stuttgart und in München. Es gibt auch eine kleine, verschworene Internet-Community. Vor zwei Jahren haben wir zum ersten Mal in Villach gespielt. Da waren vielleicht 40 Kids. Aber von denen konnten 20 durchgehend die Texte. Wir sprechen nicht die Massen an, aber die, die wir ansprechen, sprechen wir wirklich an.

Hans: Wir sprechen halt kritischere Leute an, die nicht so auf fertige, abgepackte Produkte stehen.

Hubert: Wir brauchen auch keine Hits oder Singles. Ist mir scheißegal. Es gibt 13 Songs auf der neuen Platte. Aus, mehr wurde nicht aufgenommen. Mehr habe ich auch nicht geschrieben. Ich habe für diese Band insgesamt 26 Songs geschrieben, und die haben wir alle aufgenommen. Das ist es. Es gibt sonst nix.

 

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