mica-Interview mit Daniel Shaked

“Riesiger Nachholbedarf an Professionalismus” “Wir erreichen den Break Even, können Büro und Druck finanzieren, aber das ist dann auch schon alles”, sagt Daniel Shaked, Herausgeber des einzigen österreichischen Hip Hop Magazins “The Message”, welches demnächst den bereits zehnten Geburtstag feiert. Daniel Shaked sprach mit dem mica über die Unvermeidbarkeit Bushidos, redaktionelle Spam-Filter und Hans Krankl.  

Ihr habt Bushido im neuen Heft?
Ja. Wir haben richtig lange darüber nachgedacht. Das Thema wurde uns auch oft genug angetragen, schon ganz am Anfang, als seine ersten Sachen raus kamen. Von der Linie her ist er ja überhaupt nicht unser Stil, aber er hat über die Jahre hinweg kontinuierlich sein Level gehalten. Das, was er macht, macht er gut, was für uns Grund genug war, uns auf ein Gespräch mit ihm einzulassen.

Bushido ist doch zu allererst auch ein Phänomen der Jugendkultur, was immer die Frage aufwirft: Negiert man so etwas oder setzt man sich aktiv damit auseinander?
Unser Vorteil bei “The Message” ist, dass wir es uns leisten können abzuwarten. Die Auseinandersetzung mit Bushido passierte anderswo ja so oder so, ob jetzt im Bravo oder in diversen TV-Formaten. Wir hätten ihn ja auch ganz am Beginn seiner Karriere bringen können, haben wir aber nicht. Wir entschlossen uns dazu, dieses Phänomen erst einmal eine Weile zu beobachten, weil es für uns als Spartenmagazin genug andere interessante Themen gibt.

Schafft man es denn als Herausgeber eines Produktes, das im Bereich Hip Hop verkauft werden will, denn überhaupt ohne ihn?
Von den Verkaufszahlen her wäre es natürlich cleverer gewesen, ihn in seiner ersten Blüte zu featuren. Aber das mit der Blüte ist so eine Sache: Man weiß ja nie wirklich, was noch kommt. Vielleicht macht er ja wirklich einen Film und noch einmal Gold und Platin, wer weiß das schon… Wir haben uns wirklich lange überlegt, ob man diese Aggro-Schiene mitfahren muss. Bushido ist zugegeben der einzige aus dieser Gruppe, den ich jetzt persönlich als interviewenswert einstufe. Ja ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass der Rest mit ihm steht und fällt. Uns ging es aber erst einmal darum, so eine Persönlichkeit überhaupt zu treffen. Ob du das Interview dann bringst oder nicht, steht dir dann ja immer noch frei.

Und was hatte er zu sagen?
Im Endeffekt widerlegte er alle Vorurteile und Ressentiments und erwies sich als extrem zuvorkommender Typ, der mit Medien umzugehen weiß.

Gesetzt den Fall er hätte im Interview die üblichen machoiden oder gar rassistischen Sprüche geklopft. Wie wärt ihr damit umgegangen? Hättet ihr das veröffentlicht oder zensiert?
Das ist doch auch eine Frage, wie viel man dem eigenen Publikum zutraut oder wie viel will man ihm zumuten will. Wenn er mir´s freigibt würde ich es nur 1:1 im O-Ton bringen. Das hängt auch damit zusammen, für wie seriös man sich selbst hält. Ich kann mich zum Beispiel an ein Interview mit Nas erinnern, in dem er eine rassistische Line gedroppt hat. Da gab es auch die Diskussion bei uns, ob man das überhaupt bringen soll. Klar soll man. Er selbst muss sich doch auch damit auseinander setzen, nicht nur die Leserschaft. Bushido ist aber so oder so ein eigenes Thema. Der darf in Österreich ja gar nicht mehr auftreten wie auch viele jamaikanische Truppen oder auch Beenieman. Generell halte ich nicht viel von Zensur. Wenn es zu derb wird, musst du uU das Interview abbrechen. Aber den Fall, dass wir wirklich explizit zensieren mussten, gab es nie. Die Diskussionen freilich, ob es nicht sinnvoll wäre, gab es ab und an in der Redaktion. Natürlich muss man aufpassen, dass eine Aussage nicht im Kontext falsch verstanden wird.

Und homophobe Aussagen kamen nie?
Beim Bushido etwa muss man das meiner Meinung nach schon nuancierter sehen. Diese ganze Sexismusdiskussion zum Beispiel zieht einen ganzen Rattenschwanz nach sich. Ohne werten zu wollen: Ob jemand wirklich homophob ist oder diese Aussage nur als dumme Floskel verwendet, sind für mich zwei verschiedene Sachen. Oder anders gesagt: Nicht jeder, der das Wort schwul in den Mund nimmt, ist gleich ein Schwulenhasser. Ob sich die Leute dessen bewusst sind, was sie dadurch, dass sie es so sagen, wie sie es sagen, auslösen, ist freilich eine andere Geschichte.

Macht es denn einen Unterschied, ob das ein Jungspund oder ein gestandener Rapper in den Mund nimmt?
Schon. Das Problem ist weiters, ob jemand die Intelligenz hat, sich damit auseinander zu setzen oder es einfach nicht besser weiß.

Gehen wir zum Heft, das in den Letzten Jahren einen riesigen Schritt Richtung Professionalisierung gemacht hat.
Jetzt sind wir schon ziemlich rund. Es dauerte auch, bis sich das Team eingespielt hatte.

Was war überhaupt die Motivation, das erste österreichische Hip Hop-Magazin heraus zu bringen? Dass es keine vergleichbare Plattform gab und gibt?
Im Endeffekt schon. Es begann eigentlich alles damit, dass wir vor fast genau zehn Jahren im Keller eines Freundes in Wien Liesing saßen und etwas machen wollten. Nur konnte keiner von uns rappen. Da lag es nahe, über Rap zu schreiben, denn, darüber, dass es viel zu sagen gab, waren wir uns alle einig. In Österreich existierte nichts, in Deutschland das MZEE-Magazin und das Backspin und aus den Staaten kam The Source. Aber damals war es auch nicht so einfach, an die Sachen heranzukommen. Das ging alles über Mailorder.
Wir sind zur Gewerkschaft, weil ein Freund gehört hatte, dass man dort Schülerzeitungen gratis kopieren kann, wenn eine Werbung der Gewerkschaft drin ist. Und so kam die erste Ausgabe dann als klassisch schwarz-weiß kopiertes Fanzine in einer Auflage von ca. 200 Stück, die wir allesamt beim Jam in Linz um 10 Schilling das Stück verteilt haben. Die Reaktionen drauf waren so überwältigend, dass wir kurzerhand beschlossen, weiter zu machen. Das war der Startschuss. Endlich gab es eine Plattform, auf der sich die Leute austauschen konnten und die vor allem Inputs von außen für Österreich aufbereiten würde, denn das ist ja meistens das Schwierigste: Sachen nach Österreich zu bringen und den Leuten etwas darüber beizubringen. Nicht oberlehrerhaft, aber bestimmt. Mit Message eben.

Um eine Wechselwirkung zu erzielen?
Genau, aber diesen Spagat, den man ständig machen muss, verstehen einige nicht. Schließlich gingen wir zum Digitaldruck über und fingen an Releaseparties zu veranstalten. Das Magazin selbst kam nicht wirklich regelmäßig heraus. 2002 wurden wir dann in den Morawa-Pressevertrieb aufgenommen, was sich als wahrer Quantensprung erwies. Vorher haben wir zwar auch Offset drucken lassen, aber nur mit ein, zwei Schmuckfarben und kleinem Budget.

War das ein Nullsummenspiel oder habt ihr noch was drauf legen müssen?
Mit den Releaseparties ging sich das immer so gerade aus. Journalistisch hatten wir null Erfahrung. Ich studierte zwar Publizistik, aber das bringt genau gar nichts. Und dann kamen wir auf einmal in 5.000er-Auflage raus und eigentlich funktionierte es von Anhieb an.

Macht ihr mittlerweile schon Gewinne?
Nein, wir erreichen den Break Even, können Büro und Druck finanzieren, aber das ist dann auch schon alles.

Werden die Leute, die für euch schreiben, entlohnt?
Nein. Wir würden gerne, aber das geht sich einfach noch nicht aus. Auf der Anzeigenseite passiert dafür einfach noch zu wenig.

Aber mittlerweile habt ihr, wie ich sehen konnte, auch schon die Sportartikelhersteller von der Bedeutung eures Blattes überzeugen können
Mit Vorbehalt, aber anscheinend ist das der absolut schwierigste Bereich.

Firmen wie Adidas und Nike müssten doch mittlerweile begriffen haben, wie wichtig die Hip Hop-Community für den Absatz ihrer Schuhe und Trainer ist, oder nicht?
Ja, aber in Österreich ist einfach kein Budget vorhanden, Die Entscheidungen werden in Deutschland gefällt. Im Endeffekt haben wir hier mit einer Situation zu kämpfen, die sich seit sechzig Jahren nicht geändert hat. Keine Kompetenzen, kein Geld. Man muss in Deutschland Hebel bewegen, um für Österreich Geld aufzustellen.

Du hast vorher von der Wechselwirkung von Input und Output gesprochen. Wie schätzt Du die heimische Szene ein?
Es gibt eine Szene, die schon seit fünfzehn Jahren aktiv ist. Damit meine ich die Waxos und Texta, vorher schon Cutex, DSL, Demon Flowers (Werner Geier) und Rodney Hunter. Diese erste Generation ist in gewisser Weise noch immer dominant. So wie ich das einschätze, war der Austausch früher stärker. Das hängt auch stark damit zusammen, dass es die Jams, die im Hip Hop-Umfeld einfach sehr wichtig für die Kommunikation sind, nicht mehr gibt.

Warum gibt es die nicht mehr?
Die Betreiber haben einfach aufgehört. Der Linzer Jam war eigentlich der wichtigste. Da kamen aus München, Passau und Salzburg Leute, die man sonst nicht trifft. Internationale Acts spielten, es gab Breakdance-Workshops etc. Seitdem es diesen und andere Jams nicht mehr gibt, bleibt jeder in seiner Stadt und kocht sein eigenes Süppchen. Überregional etwas auf die Beine zu stellen, wird da enorm schwer. Du kommst so einfach mit jemandem, der in Salzburg arbeitet, nur schwer zusammen.

Ist das auch ein Grund dafür, dass viele Produkte international oder besser gesagt über die österreichischen Grenzen hinweg nicht konkurrenzfähig sind?
Nein, ich glaube, dass viele Produktionen durchaus konkurrenzfähig sind. Das Problem liegt eher bei den begrenzten Mitteln.

Genauer?
Wir kennen alle die Probleme der Labels, die aufgrund eklatanter Mittelknappheit einfach keine Promotion mehr machen zu können. Heute ist es doch so: Entweder das Produkt ist ein Selbstläufer, dann sind alle dabei oder eben nicht, dann passiert erst einmal gar nichts. Das kann man ja auch niemandem verübeln, Österreich ist halt einfach ein kleines Land.
Aber es gab in der Vergangenheit ja auch schon international erfolgreiche Acts wie zum Beispiel die Aphrodelics.

Ist aber doch auch schon eine Weile her…
Das ist schon eine Weile her, ja. Auch Urbs & Cutex waren international renommiert.

Ich habe nur mitunter den Eindruck, dass die Medien im österreichischen Hip Hop mitunter auch halbgare Dinge loben, um nicht die wenigen Leute, die halbwegs Qualität abliefern, auch noch zu vergraulen. Anders kann ich mir so manche Rezensionen nicht erklären.
Das kann schon sein, andererseits bekommen die Medien vielleicht einfach nur das und die Dinge, die wirklich gut sind, werden ihnen nicht zugeschickt. Das größte Problem besteht meiner Ansicht nach in einem riesigen Nachholbedarf an Professionalismus.

In welcher Hinsicht?
In jeder Hinsicht. Das fängt einmal bei der Labelarbeit an: Ich muss doch teilweise fünf mal anrufen, um eine Promo zu bekommen. Die liegen Monate lang beim Label herum und es geschieht nichts mit ihnen. Oder ich bekomme Techno-Cds zugesandt, aber die neue Christina Aguliera, die von einigen der berühmtesten Hip Hop Granden produziert wurde, muss ich extra anfordern. Aber auch kleine heimische Lables agieren so. Da würde man gerne etwas bringen und dann kommt einfach nichts und man wartet vergebens.
Jazz, Funk und Hip Hop, R&B etc. gehören einfach zusammen. Die meisten Leute verstehen das aber nicht, weil es bei ihnen unterschiedliche Abteilungen dafür gibt. Vielleicht ist man es nicht gewohnt, dass verschiedene Genres besprochen werden.
Insgesamt haben wir es branchenintern schon mit viel Unkenntnis der Materie, mangelndem Professionalismus und – das kommt erschwerend hinzu – mit mangelhaften personellen Ressourcen zu tun.
Es gibt nur wenige, die auf Zack sind, viel persönlichen Einsatz zeigen. Genau die sind es auch, bei denen dann deutlich mehr geht. Das trifft sowohl auf kleinere Labels als auch auf Artists selbst zu! Das Ganze ist doch ein Miteinander und kein Gegeneinander. Wenn wir Medien unterstützt werden, dann können wir auch mehr machen. Und dann wird letztendlich hoffentlich auch wieder mehr verkauft. Wo findest Du denn noch etwas über schwarze Musik? Wo wird denn das junge Publikum bedient, wenn nicht durch uns? Aber wenn man nirgendwo anders etwas erwarten kann, wäre es doch einfach, zumindest die einzige Stelle zu bestücken, die etwas tut, oder? Nur wenn ich die Promos zwei Monate zu spät bekomme, interessiert es nicht einmal mehr uns Idealisten und Sprachrohr einer kleinen Hip Hop-Zeitung. Und im Endeffekt reden sich dann alle auf anderes raus und suchen die Schuld woanders. Mag in manchen Fällen ja auch stimmen, in den eben beschriebenen aber ganz sicher nicht.
Aber es ist ja nicht nur ein Problem der Labels, sondern ganz generell eine Frage der Selbsteinschätzung, auch was den Musikjournalismus anbelangt. Wo gibt es denn noch guten Journalismus?

Über dieses Thema könnten wir Stunden diskutieren, fürchte ich.
Das glaube ich Dir. Aber weißt Du, wo der Professionalismus am meisten abgeht? Bei den Artists. Die meisten Leute müssen erst einmal verstehen, dass die Leute nicht zu ihnen nach Hause kommen, um dort die Beats aus der Schublade zu holen. Um seine Beats an den Mann zu bringen, gehört eben auch dazu, dass Demo-CDs nach etwas ausschauen müssen, dass man Kontakten nachtelefoniert etc. etc, was aus dem Trugschluss, dass ja eh nichts passieren wird, eben nicht oder nur selten passiert.

Aber das ist es doch genau, was das Mica ständig propagiert. Das mica leitet MusikerInnen dazu an, eigenverantwortlich für ihr Fortkommen Sorge zu tragen, leistet Hilfestellung, wo es nur geht. Aber warum nur kommen so wenige Hip Hop-Acts zu uns, um sich Rat abzuholen? Warum werden die vorhandenen Kanäle wie etwa der Tonbandtest von KünstlerInnen aus der Hip Hop-Community vergleichsweise wenig genutzt? Genügt es ihnen, in ihrer Community vernetzt zu sein? Oder haben diese Kanäle aus ihrer Sicht zu wenig Credibility? Oder woran liegt es?
Ich weiß es nicht. Sicher gibt es viele Acts, die lieber innerhalb ihrer Szene bleiben wollen. Eine wirkliche Erklärung dafür habe ich aber nicht. Vielen ist gar nicht bekannt, dass es Einrichtungen wie das mica gibt. Viele junge MusikerInnen wissen auch gar nicht, dass es Fördermöglichkeiten für ihre Produktionen wie jene des SKE-Fonds gibt. Die, die es wissen und qualitativ unter Umständen schlechter produzieren, bekommen dann den Vorzug, was frustrierend ist.

Wie sieht es mit dem aktuellen Potential wirklich aus?
Es gibt sehr, sehr gute Hip Hop-Produzenten – alle so um die zwanzig -, die in Österreich niemand kennt, weil sie am Arsch der Welt sitzen und vor sich hin programmieren. Im Rahmen unseres Workshops (“Beat Connection”), den wir mit 45 King gemeinsam veranstaltet haben, konnten wir sehen, wie viele Produzenten es geben muss. Wir bekamen 200 Beats zugeschickt. Für ein Land von der Größe Österreichs ist das der schlichte Wahnsinn. Eine schier unglaubliche Zahl.

Und waren gute Sachen dabei?
Sehr gute von Leuten, deren Namen wir noch nie gehört hatten.

Zu mir kamen in letzer Zeit einige junge Hip Hopper mit US-amerikanischen Verträgen. Offenbar hat die gehobene Indie-Szene in den USA Österreich als Billiglohnland entdeckt. Da waren auch sehr starke Sachen dabei. Hast Du davon schon gehört?
Nicht wirklich. Klingt interessant. Wie viel bekommen sie dafür?

So um die 300, 400 Euro pro Beat. Urheberrechte werden voll abgetreten, was ja bei uns gar nicht möglich wäre. Tantiemen gibt es aber trotzdem.
Vielleicht können wir in der nächsten Ausgabe wirklich einen Infoteil einplanen.

Wie offen seit ihr, was die im Heft vorkommenden Genres betrifft?
Das kommt ganz auf die Geschichte an. Grundsätzlich decken wir Hip Hop und Rare Groove ab, aber ab und an machen wir auch Latin und vor allem auch Reggae.

Funk?
Klar. Vor einiger Zeit hatten wir eine New Orleans-Funk-Geschichte etc. Es ist die Mischung, die das Heft ausmacht. Nur über Hip Hop zu schreiben, der jetzt passiert, wäre mir persönlich zu wenig. The Message steht für einen Journalismus, der locker ist und sich selbst nicht so ernst nimmt. Wir sind jung und für jeden Blödsinn zu haben, wir verlangen von unseren Lesern, dass sie sich nicht ernst nehmen und nehmen uns selbst auch nicht ernst. Wirkliche Genre-Grenzen gibt es nicht. Techno und Drum & Bass sagt uns wenig zu. Aber wenn eine House-Geschichte käme, die gut ist, dann sind wir voll dabei. Da fällt mir ein, dass wir waren lange an einer Geschichte mit Kenny Dope dran waren.

Wieso ist daraus nichts geworden?
Ganz einfach: Aufgrund der Unfähigkeit seines Managements. Denn irgendwann ist jeder mal frei und hat Zeit, ein paar Fragen zu beantworten … Was aber den Inhalt und die Themen im Message anbelangt, so würde ich meinen, dass der Leser vielleicht ein gewisses Vorwissen und ein Gespür für Musik braucht. Aber andererseits macht mich das ja auch neugierig, nicht alles zu kennen. Beispiel: Ich kaufe Bushido und kriege damit Lamont Dozier. Wie viele kennen ihn?
Wir hatten aber auch schon Eberhard Forcher im Interview.

Über die Sinnhaftigkeit dieses Interviews gab´s sicher auch abweichende Meinungen in der Redaktion, nehme ich an.
Sicher, aber er war einfach einer der ersten, der im österreichischen Radio schwarze Musik spielte. Wir hatten auch schon ein Hans Krankl-Feature. Letztlich zählt die Story oder gute Musik, am besten aber gleich beides.

Um Gottes Willen. Du bist doch Austrianer, oder?
(lacht) Da muss man über seinen Schatten springen.

Ich kann mich auch an ein wirklich gutes Interview mit Joe Zawinul erinnern.
Das war auch vorhersehbarer als Krankl. Letztlich war Krankl aber ein echter Bringer. Und während des Interviews ist er dann richtig aufgegangen. Er hat sogar drei mal seinen Assistenten wieder raus geschickt, der einen polnischen Offiziellen am Apparat hatte.

Musikalisch bevorzugt er eher die alte Schule, oder?
Er hat eine riesige Beatles-Sammlung, hört viel Soul und Jazz. Insgesamt verfügt er über einen relativ guten und profunden Musikgeschmack. Der Nachtfalke war auch eine gute Sendung. Ich würde mir wünschen, dass er das wieder macht. Solche Sendungen bringen die Leute dazu, Musik zu hören. Marvin Gaye finden wir genauso gut wie unsere Eltern, weil die Musik einfach gut ist. James Brown deto.

Der kurz vor seinem Tod noch in Wien spielte…
Wahrscheinlich die schlechteste Show aller Zeiten. Aber das nimmt man in Kauf, weil es trotzdem noch James Brown ist! Genauso Percy Sledge: Beim Jazzfest Wien hat er so ziemlich die schlechteste Show aller Zeiten gegeben, aber irgendwie funktionierte es trotzdem, weil er halt einfach einmal ein Gigant war.

Fördert ihr österreichische Musik auf besondere Weise?
Ich denke schon. Aber grundsätzlich ist das ein Geben und Nehmen. Österreichische Acts kann man wie alle anderen auch nur dann featuren, so lange das Qualitätsniveau so ist, dass es irgendjemandem irgendetwas bringt. Wir nennen das redaktionsintern den Spam-Filter. Es gibt einfach ein gewisses Niveau, das jemand erreicht haben muss. Würde ich einen x-beliebigen Act ohne Grund featuren, stünden gleich unzählige vergleichbare mit dem nachvollziehbaren Argument “na wenn ihr ihn bringt, müsst ich aber auch…” auf der Matte. Andererseits lässt man hie und da vielleicht auch ungerechtfertigt jemanden abblitzen, aber wenn sich diese Person hält, bekommt sie früher oder später ihre Geschichte, so viel steht fest. Ein Artikel in The Message soll auch eine Art Referenz sein. The Message hat eben nur 52 Seiten und erscheint nur vier mal jährlich. Wir können daher nur die besten Stories nehmen.

Eurer aktuellen Ausgabe liegt ein Sampler bei. Wie schwer ist es, die entsprechenden Rechte dafür zu bekommen?
Extrem schwer. So etwas lässt sich nur als Promotion-Tool finanzieren.

Habt ihr vor, jedem Heft eine CD beizulegen?
Schön wärs. Das Problem ist, dass es nicht viele Firmen gibt, die die Vision haben, das zu tun, und dann auch noch über das nötige Geld verfügen.

Wie schwierig ist es, auf fm4 Dinge zu platzieren, dort wahr genommen zu werden?
Sehr schwierig! Ich habe es aufgegeben.

Wär nicht Hip Hop das wesentlich globalere Pferd als weißer, anglophiler Buben-Rock oder der so genannte deutsche Diskurs-Pop?
Wahrscheinlich, aus unserer Ecke sicherlich, aber die meisten Leute dort haben eben einen anderen Background und Geschmack, aber von der selbst auferlegten Spartenvielfalt ist auch nicht mehr viel da. Mitunter existiert auch ein falsches Bild. Hip Hop wird allzusehr mit Goldketten-tragen assoziiert. Aber ich höre auch kein österreichisches Radio mehr.

Interview: Markus Deisenberger

 

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