mica-Interview mit Couscous

Couscous begann als Solospielerei des Kreisky-Gitarristen Martin Max Offenhuber, inzwischen ist es ein Kollektiv in Viererbesetzung mit Offenhuber als Multiinstrumentalist, Thomas Binder-Reisinger (Gitarre, Video u.a.), Andreas Ledl (Bass u.a.) und Ralph Wakolbinger (Schlagzeug). Auf dem neuen Album „Trans“ bewegt es sich zwischen Post Punk, World-Music-Anleihen, die wie hinterfotzige Spiele mit Ethno-Klischees anmuten, und Klangexperimenten der räudigeren Art. Dieser Tage geht Couscous mit dem neuen Album auf Österreich-Reise. Mit Martin Max Offenhuber und Thomas Binder-Reisinger sprach Sebastian Fasthuber.

Martin, du bist ein alter Bastler, hast schon in jungen Jahren mit Franz Wenzl teils sehr schräge Sachen gemacht. Inwiefern verhält sich Couscous, das du als Soloprojekt begonnen hast, dazu? War das ursprünglich eine Fortführung dieses Bastelns?
Martin: Ich habe damals, Ende der 90er Jahre mit Franz bei Geleé Royale  irrsinnig viele Nummer gemacht, wir waren eine klassische Homerecording-Band. Dabei haben wir insgesamt zu viel Output gehabt, Franz hat begonnen, Soloaufnahmen zu machen und ist andere Kooperationen eingegangen (z.B. Sporthalle mit Couscous-Bassist und -Klarinettist Andreas Ledl). Ein erster Schock ist bald dem Gefühl gewichen, hier ein neues Ventil zu finden, in dem man seine Vorstellungen kompromissloser umsetzen kann, ich hab begonnen mit Klängen zu experimentieren, alle möglichen Arbeits- und Putzgeräte auf Soundpotential abzuklopfen. Das ist dann eh schnell zu Geleé Royale zurückgeflossen. Franz wollte unbedingt auf unserer letzten Platte diese Stahlfedern bei „Unter dem Tisch” oder Feedbacksamples bei „Sex Machine” haben.
Uniarbeiten in Tunesien und Indien haben dann den Ausschlag gegeben, alles in einen Kontext zu stellen, mit der Beobachtung des Straßenlebens und des dort omnipräsenten Reparatur- und Bastlerwesens habe ich eine Liebe gefunden. Das gilt auch für die wunderschönen Instrumente, traditionelle und ihre absurden elektronischen Varianten (E-Tanpura usw.).

Wie ist Couscous zur aktuellen Viererbesetzung angewachsen?

Martin: Ganz einfach – ich hab lange an der Platte gearbeitet, und als sie 2006 endlich fertig war, wollte ich den Leuten unbedingt die Macht dieser Musik zeigen, die einnehmende Zartheit der Klangfarben der traditionellen Instrumente und die rohe Unbarmherzigkeit der Stahlfedern und tiefer gestimmten Bässe. Es musste live passieren, also hab ich die besten Leute in meinem Umfeld gecastet. Und zum Glück wollten Sie dabei sein. Seitdem gibt es Couscous als Band.

Hast du für Couscous jetzt einmal eine fixe Besetzung gefunden oder befindet sich das noch im Fluss?

Martin: Die Besetzung war ein Jahr tatsächlich im Fluss, neben meinem ersten Mitstreiter Thomas Binder-Reisinger (David Lipp & die Liebe) war bald Ralph Wakolbinger (Mord, Aber das Leben lebt) dabei, der mir gezeigt hat, dass man trotz Schlagzeug nicht gleich wie eine Band klingen muss. Zu Beginn hat Gregor Tischberger von Kreisky Bass gespielt, der wollte das aber nicht auf längere Sicht machen, und mit Andreas Ledl (4 experimentelle die nur 2 sind) hat sich ein Viel-Instrumentalist angeboten, der mir nach der ersten Besprechung mit leuchtenden Augen verraten hat, dass er noch nie in einer Band Bass gespielt hat, aber immer schon einmal mit tiefer gestimmten Bässen arbeiten wollte – voilà! Seitdem ist die Band ein gleichberechtigtes Kollektiv, wir arbeiten gemeinsam an der Musik und an der Umsetzung der Videoideen. Daneben gibt es immer wieder Kooperationen wie aktuell mit Boris Hauf am Bariton-Saxofon. Er hat zwei Nummern am neuen Album mit uns aufgenommen und spielt bei einigen Releasekonzerten mit, eine Spitzenerfahrung! Über ihn und Martin Siewert, der „Trans“ gemastert hat sind wir auch zu klingt.org gekommen, ein fruchtbarer Boden.

Bedeutet Couscous auch Urlaub von deiner Stammband Kreisky und von der Gitarre für dich?
Martin: Sicher, es ist einfach eine sehr entgegengesetzte Symbiose. Bei Kreisky bin ich irrsinnig auf ein Instrument fokussiert und kann mich beim Livespiel darin verlieren, bei Couscous ist mein Part dagegen eine einziges Experimentierlabor, immer passiert irgendetwas Unvorhergesehenes, ich muss reagieren, das Chaos unter Kontrolle bringen. Insofern ist eher Kreisky Urlaub. Aber bei Couscous hab ich Pause an der Gitarre, und ich bin sehr froh, dass sie der Thomas ganz anders spielt, das darf ich dann genießen.

Du spielst bei Couscous allerhand Instrumente, teils auch sehr schräges und selbst gebautes Zeug. Schon am ersten Album warst du stark mit handgemachter Musik beschäftigt. Ist das einfach eine Vorliebe, oder schon auch als Statement zum Laptopzeitalter zu verstehen?
Martin: Entstanden ist das alles als Tugend aus der Not. Aber es war schon die Hochblüte der Laptopmusik damals, und mir ist diese Perfektion im Sound und Habitus recht auf die Nerven gegangen. Außerdem hat kaum wer performt, man hat eigentlich nicht mitbekommen, ob die Leute wirklich etwas live machen oder ob alles fix-fertig abgespielt wird. Das hat sich in den letzten Jahren eh sehr stark gewandelt, man stößt ständig auf neue Hybrid-Acts, die Argheiten aus beiden Welten verbinden, das taugt mir.
Es muss einfach was passieren auf der Bühne, und ein physisches Instrument auszuforschen, woraus es auch immer gebaut oder gebastelt ist, ist eine ekstatische Erfahrung. Es herrscht eine Unmittelbarkeit, die auch das Publikum genießen kann.

Wie entsteht die Musik? Ist irgendwas davon geschrieben oder wird alles in Sessions improvisiert? Falls letzteres zutrifft: Wovon geht ihr da aus, von einem bestimmten Klang?
Martin: Der Klang eines Instruments war in der ersten Zeit meist der Ausgangspunkt für neue Musik. Das Bearbeiten und Aufbereiten von Videosequenzen oder Field Recordings ist ein jüngerer Zugang. Aufnahmen vom Kassen-Signalton meines Merkurmarktes bilden als Livesample, in einen Zufallsrhythmus mündend, die Basis der Nummer „Scannertri“ auf „Trans“. Dass man dazu dann Bass und Schlagzeugrhythmus finden kann, war für mich erstaunlich.

Thomas: Grundsätzlich kann man bei der Erarbeitung der Musik bzw. des Sounds von einer Laborsituation ausgehen. Dem Experiment und in weiterer Folge der Improvisation wird viel Platz eingeräumt. Als Antrieb dient uns eine diebische Freude am Spielen, also ein naiver Zugang.

Welche Phasen durchlaufen die Stücke? Das neue Album ist ja in einigen Etappen aufgenommen worden.
Thomas: Das trifft nicht ganz zu, da das Album 2010 in einem Guss live im Radiokulturhaus eingespielt wurde. Dann ruhte alles mal eine ganze Weile, bis sich im Rahmen der Postproduktion noch der Wunsch nach einem Saxofon herauskristallisierte und dieser Wunsch wurde uns auch von Boris Hauf erfüllt. Die Veränderungen der Stücke während des dreijährigen Entstehungsprozesses von „Trans“ sind eher in der Liveperformance zu finden.

Die Musik auf „Trans“ ist sehr breit gestreut. Gibt es bandintern eine gemeinsame Basis? Noise-Rock oder Post Punk?
Martin: Schnittmengen, und die schweben sicher zwischen den beiden genannten Richtungen. Kraut, 70er-Artrock oder Eno aus der Zeit sind auch ganz wichtig. Aber wie unsere Geschmäcker selbst auch oft weit ausfransen, kokettieren wir bei der eigenen Musik mit Dingen, die wir kennen, aber nicht können. Dabei wird jedoch voll Liebe und Hingabe an den Grenzen der eigenen Möglichkeiten gekratzt. Dieser Dilettantismus-Grundsatz ist sicher eine der Hauptsäulen von Couscous.

Fusion ist kein beliebtes Wort, „Trans“ klingt besser. Musikalische Grenzüberschreitungen und  Übersetzungen fremder Klangwelten in die eigene Sprache spielen eine große Rolle. Ihr spielt dabei sehr lustvoll mit Klischees von Exotik, wie alleine Stücktitel wie „Namaste“ oder „Ben Hur“ beweisen. Es ist aber durchaus ein echtes Interesse an World Music, das dahinter steht, nicht?
Martin: Kulturelle Übersetzungsfehler sind eines der großen Themen von Couscous. Es beginnt auf Reisen bei der Szenensafari im Straßenraum, dann der unaufhörliche gegenseitige Austausch von Kulturelementen – die z.B. über den Film nach Indien gelangte westliche Klischees werden übernommen und auf wunderbare Weise mit eigenen Inhalten und Mustern gefüllt, es ist ja eine unendliche Geschichte. Natürlich ist uns auch klar, dass wir selber beim Spielen traditioneller Instrumente das eigene Weltbild nicht loswerden können, aber genau das macht eben so großen Spaß, sich einfach exotische Dinge, Instrumente, Techniken anzueignen und völlig unbedarft damit zu fuhrwerken. Im Rahmen solcher Entdeckungen stößt man dann schon oft auf lokale Musikgrößen, aber als ein echtes Interesse an World Music würd ich das nicht bezeichnen.

Thomas: „Trans“ steht bekanntlich für „darüber hinaus” oder „jenseits” und spiegelt auch unsere Experimentierfreude mit Medien, wobei die Musik nur ein Teil ist. Das schrittweise Durchdringen von Sound, Video und Raum stellt dabei das Fernziel dar.

Es geht euch hörbar nicht um Feinheiten im Sound, das Grobe und Raue wird sehr betont. Kann man auch das als Statement verstehen?
Martin: Man kann es als Statement verstehen, als Opposition zu Perfektionismus und Schullehre, wie schon vorher gesagt, aber es gibt auch Dinge, die man tut, weil man Sie einfach tun muss. Ein Projekt wie Couscous lebt nur zum Teil von Überlegungen und Konzepten, in erster Linie gibt’s da Leidenschaft und Rastlosigkeit, die sich ein Ventil sucht. Eine gewisse Rauheit ist dabei unvermeidlich.

Thomas:
Die Grobheit kann auch als Abfallprodukt verstanden werden. Abfall im Sinne von Verunreinigung, wie diese z.B. auch im Sound durch die aus Müll konstruierten Instrumente vorkommt. Der Schmutz, die Verunreinigung, die Grobheit sind für uns eine willkommene Abwechslung in dem sonst oft so ordentlichen und strukturierten Alltag. Erst der Schmutz, die Grobheit macht für uns die Musik erlebbar.

Die CD-Verpackung von „Trans“ ist ein Kunstwerk für sich. Was könnt ihr mir zur Entstehung sagen?
Thomas: Eigentlich ist das Cover ein Recyclingprodukt. Darin spiegelt sich auch wieder der Bandname Couscous, da dieses Gericht auch gerne dazu verwendet wird, um Speisereste wiederzuverwerten – vergleichbar mit der oberösterreichischen Fleckerlspeise oder der beliebten Pizza.

Martin: Da bin ich aber froh, dass wir nicht Pizza heißen. Unser Zugang (Stichwort Übersetzungsfehler), der Wandel der Band, der Austausch auf der Bühne zwischen Film und Instrument, O-Ton und Verfremdung hat etwas in die Richtung aufgedrängt. Und dann sind noch ca. 500 sehr schöne Digisleeve-Covers der ersten Platte zu Hause herum gelegen, da hab ich gesagt, die könnten wir doch wiederverwerten, überkleben, den Sinn verändern. Es ist ja auch noch viel von der ursprünglichen Basis da, aber eben transformiert.
Also keine Rainer-Übermalung, sondern eine Überklebung, auch ein schöner kindlich-brutaler Akt. Gleichzeitig stellt eine Hälfte der Überklebung die Versiegelung des Klappcovers dar. Um sie zu öffnen, muss man sie zuerst einmal aufschneiden, beschädigen, das hat uns auch sehr gut gefallen.

Wie sehen Konzerte von euch aus? Aussehen durchaus auch im wörtlichen Sinn: Auch die visuelle Seite spielt ja mit rein.
Thomas: Das ist immer vom Konzertraum abhängig. Die Bespielbarkeit des Raumes steckt quasi den Rahmen ab, zum Beispiel die Projektionsmöglichkeit und Bühnenaufstellung betreffend. Die Performance ist eine Mischung aus klassischem Konzert und Livesoundtrack zum Video, wo die Band im Hintergrund agiert. So kann aus dem Konzertraum ein Filmraum werden, wobei die Schnittstelle zwischen Bild und Musik oft gewollt unscharf wird. Wie in der Musik wird  auch das Bild zum Teil grob bearbeitet. Insgesamt wird das Publikum mit fragmentierten Episoden konfrontiert, die viel Freiraum in der Rezeption bieten. Sphärische Klänge, Improvisation und strenges Rhythmusgerüst wechseln sich ab. Dasselbe gilt für die Videosequenzen. So sieht man etwa das rege Treiben auf einem Rummelplatzgelände in Indien und im nächsten Moment befindet man sich am Yppenplatz, wo Jugendliche ihre Tanzkünste zum Besten geben. Demnach entsteht eine eigene Dramaturgie, die aus dem Wechselspiel von Musik und Video resultiert.

Kann man das, was ihr auf der Bühne spielt, mit der Musik auf dem Tonträger vergleichen?

Thomas: Ja, die Musik ist Live durchaus wiedererkennbar. Aber wie bei jeder Liveperformance bieten sich für das Publikum wie auch für uns als Akteure erweiterte Erfahrungsmöglichkeiten an.

Spielt ihr das neue Album oder kann das auch etwas ganz Anderes, Improvisiertes sein?
Thomas: Da sind wir vielfältig. Wie bereits erwähnt, hängt das vom Ort und auch von der Erwartungshaltung der Veranstalter ab. Im Rahmen unserer Tour ersetzen wir zum Beispiel im Offenen Kunst- und Kulturhaus in Vöcklabruck den Barpianisten und generieren im Café abseits der Bühne den Hintergrundsound. Für uns sind das immer ganz besondere Auftritte, da wir den Laborcharakter entfalten können. Wir nützen diese Möglichkeiten gerne um mit anderen KünstlerInnen zu improvisieren, so auch in Vöcklabruck, wo uns Sebastian Six als „Circuit-Bender” [Live-Löten einem alten Keyboard oder Synthesizer – Anm. d. Red.] tatkräftig unterstützen wird.

Welche Aufgaben kann es noch für Couscous geben? Ich denke, von der Kunstwelt bis zum Theater gibt es einige Bereiche, in denen ihr mit euren Ansätzen durchaus andocken könntet.
Martin: Eine sehr schöne Schlussfrage, Du legst Deine Hand auf offene Wunden und Hirne voll mit sprühenden Plänen…

Thomas: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass unser Weg in diese Richtung führt, da öffentliche Räume, Theaterräume wie auch Galerien einen erweiterten Aktionsradius bieten. Wir kokettieren mit dem „Erfahrungsraum”. Couscous als theatrale und begehbare Installation, das wär doch was, oder? Immer häufiger erleben wir in diese Richtung eine Kooperationsbereitschaft von Veranstaltern. So haben wir in Wien im Theater an der Gumpendorfer Straße mit Unterstützung des sehr engagierten TAG-Teams die Möglichkeit, den Theaterraum für unsere Zwecke und im Rahmen unserer Möglichkeiten auszuloten. Couscous soll neben der klassischen Bandtätigkeit durchaus als Anschlussstelle für andere Kunstgenres gelten. Die ersten Schritte wurden gesetzt und das in Couscous eingeschriebene und in aller Ruhe vorangetriebene „Work in progress” wird uns den Weg weisen.

 

http://couscous.klingt.org/