mica-Interview mit Christoph Huber (Porgy & Bess)

Das Porgy & Bess wird dieser Tage 20 Jahre alt. Gefeiert wird das runde Jubiläum mit einem dreitägigen Street Jazz Festival in der Riemergasse in Wien. Stattfinden werden an den drei Tagen (13. bis 15. September) Konzerte jeweils dreier heimischer Formationen dreier unterschiedlicher Generationen. Der Porgy & Bess-Geschäftsführer Chef Christoph Huber im Interview mit Michael Ternai und Helge Hinteregger über die Enstehung, Geschichte und Zukunft des international bedeutendsten Jazzclubs Österreichs.

Das Street Jazz Festival des Porgy & Bess bietet an den drei Tagen Jazz aus Österreich, gespielt von drei unterschiedlichen Generationen. Spiegelt sich in diesem Programm auch in gewisser Weise die Geschichte des Porgy & Bess wider.

Nicht unbedingt, ich sehe das Straßenfest vielmehr als ein Statement. Das Porgy ist ein internationaler Club und daher spielen bei uns auch sehr viele internationale Acts. Beim Straßenfest dagegen legen wir den Schwerpunkt ausschließlich auf die österreichische Szene, die natürlich ein wesentlicher Teil der Gesamtphilosophie unseres Hauses ist. Im Rahmen des Straßenfests, in dessen Anschluss Jamsessions im Club stattfinden werden, sollten die heimischen Musiker die Gelegenheit haben, sich in einem größeren Kontext zu präsentieren. Wir erwarten uns nämlich schon viele Besucher, auch weil doch ordentlich die Werbetrommel gerührt wird. Wir haben eine Kooperation mit, das glaubt man gar nicht, Radio Wien und die berichten recht ausführlich über das Fest. Zudem ist der Eintritt frei, was auch Leuten, die noch nie bei uns im Club waren, die Entscheidung zu kommen erleichtern sollte.

Wenn du jetzt 20 Jahre einmal zurückblickt. Wie stellte sich damals die Ausgangslage für das Porgy & Bess dar? Welchen Stellenwert hatte Jazz in der Stadt Wien überhaupt gehabt und wie schwer bzw. wie leicht war es den Club zu etablieren?

Als ich Ende der 80er Jahre nach Wien gekommen bin, hat es eigentlich für diese Ausformulierung von Jazz, der ich nahe stehe, eigentlich nicht wirklich einen Platz gegeben. Es hat das Jazzland, mit einer sehr traditionellen Zugangsweise, die Jazz Spelunke, die damals schon in den letzten Zügen gelegen ist, und ein paar andere Spielstätten, wie etwa die Szene Wien, gegeben. Daneben gab es auch noch das Bach, das WUK und die Blaue Tomate als kleinere Spielorte. Aber für den damaligen aktuellen Jazz, oder sagen wir so, für die späteren Jazzformen, war in dieser Stadt eigentlich kein Platz. Diese fanden vielmehr bei den Jazzfestivals außerhalb Wiens statt. In Nickelsdorf, in Wiesen, in Saalfelden, in Wels usw.

Mein Grundgedanke war daher schon der, einen kontinuierlichen Jazzclub zu etablieren, der zeitgenössischen Jazzschaffen Raum bieten sollte. Ich selbst bin aus Saalfelden gekommen, wo ich bei dem dortigen Jazz-Festival mitgearbeitet habe. Nur war mir das nicht genug. Das Festival war auf drei Tage ausgelegt. Den Rest des Jahres war eigentlich Sendepause. Daher war das regelmäßige Veranstalten für mich die spannendere Sache. Da ist mir aber Mathias Rüegg zuvorgekommen. Das war 93 mit dem sogenannten Jazz Herbst. Ich habe mich darüber schon ein wenig geärgert, weil ich das auch machen wollte, wobei ich natürlich dazu sagen muss, dass ich als damals Anfang 20-Jähriger überhaupt kein Leiberl gehabt hätte, sowas auf die Beine zu stellen. Auf jeden Fall ist so schnell der Kontakt zu Mathias entstanden, der schon auch im Sinn gehabt hat, einen täglichen Club zu betreiben. Und für einen solchen suchte er Leute, die ihn dabei unterstützen sollten. Ein von diesen war eben ich. Ja, und im Spätherbst 93 kam es schließlich tatsächlich zur Gründung des Vereins Porgy & Bess.

Ab dem Jänner 1994 haben wir dann auch offiziell versucht, den Club auf die Beine zu stellen, was kein leichtes Unterfangen war. Ich kann mich an die ersten Konzerte erinnern, die alle ein Fiasko waren. Der erste Musiker, der aufgetreten ist, war, glaube ich, Niklas Simion, der, wenn es hochkommt, vor 10 bis 15 Leuten gespielt hat. Auch beim zweiten und dritten Konzert waren nicht mehr Leute da. Nicht einmal unsere Freunde sind gekommen, sodass wir mehr oder weniger ganz allein im Club gesessen sind. Wir haben uns vorher doch schon gedacht, dass es eigentlich möglich sein sollte, 40 Besucher pro Konzert zu erreichen. Wie wir aber feststellen mussten, haben wir uns diesbezüglich doch etwas geirrt.

Irgendwann ist die Sache dann aber doch ins Laufen gekommen. So waren bei Max Nagl, der wenig später spielte, schon recht viele Leute da. Und bei Ohmnibus, der Band von Wolf Eiselsberg und Martin Zrost, war die Hütte voll. Es gab dann zwar immer noch den einen oder anderen Rückschlag, vor allem dann, wenn wir schwierigere und kompliziertere Sachen veranstaltet haben, aber im Großen und Ganzen ging es doch bergauf.

Ich glaube, einer der entscheidenden Momente war die Einführung der Membercard. Sie kostete für die Musiker 1000 Schilling und für die normalen Besucher 1500 oder 2000. Wir gesagt haben: Wenn jemand alle Konzerte besucht, dann zahlt er praktisch nur 5 Schilling pro Konzert. Am ersten Verkaufstag sind dann plötzlich die Leute in einer Schlange angestanden und wir konnten sage und schreibe 200 Membercards verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt hat das Porgy dann wirklich gut funktioniert.

Nicht vergessen zu erwähnen darf man auch das Festival „Americans – Alone in Europe“, zu dem wir die ganzen in Europa gestrandeten amerikanischen Musiker wie Idris Mohammed und David Moss eingeladen haben. Dieses Festival hat viel dazu beigetragen, dass das Porgy auch international mehr in den Blickpunkt gerückt ist. Es hat sich herumgesprochen, dass das Porgy ein Club ist, der die Musiker in den Mittelpunkt stellt, der sie gut behandelt und auch eine gute Backline hat. Wir haben ja auch einen Bösendorfer-Flügel gehabt, wo damals alle gesagt haben: „Wow, ein Bösendorfer in einem Club“.

Man muss zudem auch bedenken, dass Wien damals von überall noch weit weg war. Den Eisernen Vorhang hat es rein physisch zwar nicht mehr gegeben, aber dennoch war er irgendwie noch vorhanden. Es war doch noch so, dass internationale Musiker weit nach Wien fahren haben müssen und dann am nächsten Tag von Wien weit weg woanders hin. Es war gar nicht so einfach, sie zu überreden, hier zu spielen. Das hat sich dann im Laufe der Zeit aber in die richtige Richtung entwickelt. Die wesentlichste Zäsur des Porgy war natürlich der Wechsel von der Spiegelgasse in die Riemergasse. Das war natürlich ein Quantensprung, aber der Quantensprung wäre nicht möglich gewesen, ohne die Arbeit in der Spiegelgasse.

Ihr hattet ja von Anfang an auch solche Programmthemen wie „Paris meets Vienna“, „London meets Vienna“, dann diese „White Card“…

Ja das stimmt, das haben wir gemacht. Wir haben immer relativ viele so singuläre Ideen umgesetzt. Mir waren zum Beispiel die Sessions sehr wichtig. Und auch die Porträts, die auch von den Musikern sehr gut angenommen worden sind, weil sie die Möglichkeit erhalten haben, an drei Abenden drei unterschiedliche Projekte zu realisieren. Nicht unbedeutend waren auch die Städteschwerpunkte wie Paris und London. Dann hat es von Uli Scherer auch die CD „ A Tribute to“ gegeben, die eine ganz relevante jazzhistorische Aufnahme von Neuinterpretationen der heimischen Szene darstellte.

Das Porgy & Bess hat sich anfangs ja auch zu einem wirklich eindrucksvollen Treffpunkt der österreichischen Musiker entwickelt

Naja, es gab in Wien damals einfach nicht viele Möglichkeiten. Deshalb hat sich das im Porgy ein wenig auch als ein Treffpunkt herauskristallisiert. Das Porgy war der Platz, an dem täglich Programm stattgefunden hat. Musiker sind gekommen, um etwas zu hören, um mit Kollegen zu reden, einfach um abzuhängen. Die Struktur mit dem kleinen Raum damals war auch einfacher und intimer. Jetzt in der Riemergasse ist das alles in bisschen komplizierter. Heute bildet diesen Treffpunkt eher die Strenge Kammer.

Es war ja zudem auch so, dass, wenn man von der heimischen Szene gesprochen hat, diese in drei Lager geteilt war. In das VAO Lager, in das Koglmann Lager und in ein drittes unabhängiges Lager, in dem Leute waren, wie Max Nagl usw. Diese drei Lager haben untereinander kaum kommuniziert. Ganz im Gegenteil, sie waren eher verfeindet miteinander. Es war eine nicht unwesentliche Leistung des Porgy diese Kluft zwischen diesen Szenen zu schließen. Sie haben plötzlich angefangen musikalisch miteinander zu arbeiten. Somit haben wir der heimischen Szene eine Dynamik gegeben, die vorher nicht da war.

Wie lange hat es gedauert bis, neben den Musikern die dort aufgetreten sind, der Name Porgy & Bess der Bevölkerung ein Begriff geworden ist?

Es ist relativ schnell gegangen, dass das Porgy einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Szene, aber auch in der Stadt gehabt hat. Es gab Kooperationen mit dem Standard und dem Kurier, die uns Inserat-Plätze und Konzertankündigungen zur Verfügung gestellt haben. Das hat uns sicher auch geholfen, uns schnell zu etablieren.

1998 kam dann der Auszug …

1998 ist unser Mietvertrag ausgelaufen und wir haben ihn nicht wirklich verlängern wollen. Eigentlich wollte ich ihn nicht verlängern, weil ich die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Räumlichkeiten ausgenützt und ausgereizt gesehen habe. Wenn 150 Leute da waren, war es brechend voll. Unter solche Voraussetzungen war es einfach nicht mehr möglich, gewisse Sachen zu realisieren.

1999 gab es dann diese Übergangsphase mit dem Radiokulturhaus, oder?

Es hat sich gut ergeben. In dem Moment, in dem wir das Porgy in der Spiegelgasse zusperrten, öffnete das Radiokulturhaus seine Pforten und suchte nach Inhalten. Sie sind an uns heran getreten und fragten, ob wir in der Zwischenzeit, bis der andere Klub bespielbar ist, das Radiokulturhaus bespielen würden. Das war eine super Idee. Nicht so sehr weil das Radiokulturhaus ein guter Veranstaltungsort war, sondern weil wir damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit geblieben sind. Es gab ein Konzert pro Woche, wir haben ganz normal einen Folder publiziert und Ö1 hat sich besonders um die Bewerbung und Verbreitung gekümmert. Es hat sogar eigene Sendungen gegeben, das „Heimspiel“ zum Beispiel. Dabei ging es nur um Veranstaltungen des Radiokulturhauses und da war das Porgy natürlich sehr präsent. Es war zwar nicht ganz leicht dort zu veranstalten, aber es war einfach gut, dass es diese Übergangszeit gegeben hat. Es hat dem Porgy geholfen im öffentlichen Bewusstsein zu bleiben.

Wenn wir diese zweieinhalb Jahre nichts gemacht hätten, hätten wir von vorne anfangen müssen. Wir haben ja auch nicht nur im Radiokulturhaus veranstaltet, sondern auch im Konzerthaus und im Odeon. Vorher noch im Museumsquartier. Das war eine sehr interessante Geschichte mit dem Jazzclub im Rahmen einer Ausstellung von der Lisette Model. Erst dann fand die Porgy-Eröffnung hier in der Riemergasse statt. Und auch erst dann bekam das Porgy auch einen internationalen Stellenwert. Das hatte aber auch viel mit den Möglichkeiten zu tun, die der Raum hier in der Riemergasse bietet.

Der Umbau des Clubs in der Riemergasse stellte vermutlich ein nicht geringes Risiko dar?

Das Risiko war extrem hoch. Und weder Mathias (Rüegg) noch Renald (Deppe) wollten es eingehen. Es ging ja schließlich um 30 Millionen Schilling. Mühsam war auch, dass sich der Zuschlag für die Umbaupläne sehr lange verzögert hat. Und als wir diesen letztlich erhalten haben, war auch schon eine neue Regierung, und zwar die Schwarz-Blaue im Amt. Und der neue Staatssekretär für Kunst und Medien Franz Morak wollte das Projekt nicht. Obwohl wir mit der Republik einen schon fertigen Vertrag hatten, argumentierte er, dass sein Vorgänger als Staatssekretär, Peter Wittmann, vergessen hätte das Projekt zu budgetieren. Franz Morak hat mich dann in die persönliche Haftung genommen, indem er mich per Vertrag aus dem GmbH Mantel genommen hat, was eigentlich eine Sauerei war. Ich habe mir dann aber gedacht, eigentlich ist es eh egal, ob ich für eine Million Schilling dastehe oder für 15.

Das ganze Ding kostete, wie schon erwähnt, 30 Millionen Schilling, so hoch waren in etwa die veranlagten Umbaukosten. Dabei kamen 15 Millionen vom Bund, 5 wollten wir von der Stadt, die gab uns vorerst aber nur 3,5. Die fehlenden 1,5 haben sie später noch bezahlt. 10 Millionen Schilling hat der Verein aber selbst aufgebracht. Sehr geholfen hat uns die Bank Austria, die uns auch gesponsert hat. Und auch die Anker Versicherung hat ihren Anteil daran, dass das Projekt geglückt ist. Ihr gehört nämlich das Haus in der Riemergasse und sie hat nach einem Gespräch mit uns, dann relativ viele allgemeine Bestandteile des Hauses übernommen. Als Beispiel hierfür wäre der Behindertenlift zu nennen. Der ist zwar nicht allgemein zugänglich, wertet das Haus selbst aber auf. Die Ankerversicherung hat im Gegenwert sicherlich 2 bis 3 Millionen Schilling bezahlt.

Die Inneneinrichtung haben wir finanziert, indem wir zum Beispiel Stühle und Membercards für 10.000 Schilling verkauft haben und dafür den Namen des Käufers auf den Stuhl geschrieben haben. Wenn die Membercard nicht verlängert wurde, konnte man sich den Stuhl mit nach Hause nehmen. Wir haben hundert Stühle verkauft und somit das ganze Mobiliar finanziert. Wir sind dann tatsächlich mit unserem Budget ausgekommen.

Hat euch dieser Umbau dazu bewogen, den anfänglichen Idealismus, den Ihr zu Beginn hattet,  gegen eine mehr geschäftsorientierte Linie einzutauschen.

Überhaupt nicht! Wir haben auch die Programm Philosophie nicht verändert. Wir haben weiterhin die heimische Szene vertreten und die europäische präsentiert. Wir haben nur plötzlich die Möglichkeit gehabt, darüber hinaus auch internationale Stars einzuladen, weil wir mit dem neuen Raum eben viel mehr Besucher anlocken konnten. Die größere Sorge war vielmehr, ob es sich überhaupt ausgeht, einen viermal so großen Raum mit demselben Konzept wie in der Spiegelgasse zu bespielen.

Mit welchen Besucherzahlen habt ihr eigentlich gerechnet?

Wir hatten zum Schluss im alten Porgy schon 30.000 Besucher pro Jahr und wir wollten in der Riemergasse die Zahl auf 50.000 steigern. Geworden sind es dann konstant 70.000 bis 80.000, und das obwohl das Programm nicht kommerzieller geworden ist. Vielleicht ist alles ein wenig pluralistischer geworden. Die Singer-Songwriter Szene gab es in den 90er Jahren zum Beispiel noch nicht wirklich und die hat im Porgy über Schwerpunkte wie Bluebird einen Platz gefunden.
Das Porgy hat sich einfach in die Richtung verändert, dass der Raum plötzlich auch ein interessanter Kooperationsraum geworden ist. Die Jazzer der Jeunesse, die früher im Konzerthaus waren, bespielen jetzt den Club. Wenn die Jeunesse zum Beispiel ein Porträt über den Michael Werkmüller macht, dann passt das auch wunderbar ins Konzept des Clubs. Für uns ist es angenehm, den den Raum abzugeben, weil wir dann kein finanzielles Risiko mehr tragen müssen. Auch größere Veranstaltungen von Skalar wären früher gar nicht möglich gewesen. All das macht es uns im Vergleich zu den Zeiten in der Spiegelgasse einfacher, mehr finanzielle Mittel zu lukrieren.

Ihr habt ja, und tut es immer noch,  ja viele Spezialprojekte betrieben. Es gibt P&B Stagebands, Musiker-Porträts, Länderschwerpunkte …..

Ich glaube, die Länderschwerpunkte sind wahrscheinlich die relevanteste Schiene, die wir je gemacht haben. Angefangen haben wir 1998 mit dem Russlandschwerpunkt  „Good News from the old UDSSR“. Das war ein großartiges Festival, bei dem 40 Musiker vom Polarkreis bis Tuva da waren. Es war wegen den Visa für die Künstler damals zwar noch irrsinnig aufwändig, aber letztlich war ein fantastisches Festival. Ab dann haben wir uns einfach auf die südosteuropäischen Jazzszenen konzentriert, auf die musikalischen Landschaften, die nahezu unbekannt waren. Denen haben wir einfach ein Forum gegeben, was vom Publikum wirklich auch super angenommen worden ist. Die Leute haben Sachen zu hören bekommen, die sie überhaupt nicht kannten. Die EU-Osterweiterungen, haben diese Festivals natürlich auch noch erleichtert. In Erinnerung sind mir da zum Beispiel die großartigen Festivals mit Serbien und Bulgarien im Fokus. Ein Land, das mir bislang noch abgeht, ist Albanien, das vermutlich vergessenste Land in Europa!

Gibt es deines Wissens einen vergleichbaren Club in Europa, der ein solches Programm fährt?

Nein, ich kenne sonst keinen Club. Wir hatten aber auch Glück. Es ist interessant, dass, sie unsere Tätigkeiten sich relativ schnell in den Botschaften dieser Länder herumgesprochen haben. Die sind dann plötzlich auf uns zugekommen und haben uns gesagt, sie würden so etwas auch gerne machen wollen. Polen zum Beispiel hat ein Polnisches Kulturjahr ausgerufen und dann ein Budget dafür aufgestellt. Und mit diesem Budget haben wir dieses spannende Festival realisieren können. Das war dann quasi auch die Initialzündung für die anderen Botschaften, die dann auch auf uns zugekommen sind. Sie hatten oftmals zwar nicht das viele Geld, aber sie haben infrastrukturelle Möglichkeiten, mit denen sie uns helfen, solche Projekte auf die Beine zu stellen.

Diese Länderschwerpunkte werden ja immer auch von österreichischen Musikern gestaltet, die hier leben.

Ich habe immer geschaut, dass ich mit Leuten zusammenarbeite, die in den jeweiligen Ländern verankert sind. In Russland war es zum Beispiel Nick Dimitri, ein wahnsinniger Typ, der leider schon verstorben ist. In Bulgarien war das Wladimir Wladigeroff, ein Geiger, der in Wien gelebt hat und auch aus diesem Wladigeroff Clan kommt. Emilian Tantana aus Rumänien und Alp Bora für die Türkei. Und natürlich haben wir geschaut, dass die hier lebenden Landsleute natürlich mit integriert werden.

Mitte 2000er Jahren gab es ja noch auch diese Midnight-Special Nightline. War das ein Versuch das Partyvolk anzusprechen?

Es war irgendwie der Versuch diese Jazzclub-Barriere zu durchbrechen. Vor 15 Jahren herrschte in den Köpfen der Leute doch noch so eine art Barriere-Denken vor. Um diesem entgegenzuwirken und auch aus der Sorge heraus, dass das Porgy & Bess nicht so funktioniert, wie ich es mir vorstelle, haben wir uns dazu entschlossen, uns auch für die Clubbing Community zu öffnen. Wir haben diese Veranstaltung eine Zeit lang betrieben, auch mit einigen Schwierigkeiten, manche Anrainer hatten mit der Veranstaltung nicht wirklich ihre Freude, aber, und das war das Erstaunliche, es sind wirklich viele Leute gekommen. Vor allem junge. Da kam es schon vor, dass am Sonntag um 23 Uhr plötzlich 500 20-Jährige in den Club geströmt sind. Und einige, die zu früh dran waren, haben sich eben die Konzerte angesehen, die vorher stattgefunden haben.

Diese Veranstaltung hat das Porgy auf jeden Fall geöffnet. Wir sind aber dann auch rechtzeitig wieder ausgestiegen. Weil es eben immer wieder Schwierigkeiten gegeben hat. Wir haben um 20 Uhr unsere Konzerte gemacht, und kaum war der letzte Ton erklungen, hat schon diese Clubbing Geschichte begonnen. Das hat intern schon auch zu Spannungen geführt.

Wie schwierig ist es eigentlich in der heutigen Zeit zu programmieren. Bei der Fülle an Bands, die es gibt?

Ich habe in meinem Leben ja nie etwas anderes gemacht, als zu veranstalten. Deswegen fällt mir das Programmieren eigentlich leicht. Ich habe viele Kontakte und bin auch gut vernetzt. Was ich jetzt nicht mehr mache, ist, mir tausend Tapes anhören. Das muss ich eigentlich auch nicht mehr, weil ich doch immer im sehr engen Kontakt mit den Musikern stehe, und so auch die Informationen über alles Mögliche bekomme.

Schwierig ist es, eine Auswahl zu treffen und manches abzulehnen. Man arbeitet ja nicht mit hundert Musikern zusammen, sondern mit einer gesamten Szene. Und daher muss man versuchen, eine gewisse Balance zu finden. Es ist für einen jungen Schweizer Musiker natürlich komplizierter hier einen Gig zu bekommen. Umgekehrt ist es für einen jungen österreichischen Musiker genauso nicht leicht in der Schweiz zu spielen. Was entscheidend ist, dass der Raum eine Balance hat, dass ein älteres Publikum sich genauso wohl fühlt wie die jungen Leute, dass er für einen Hans Salomon, der gerade 80 geworden ist, genauso offen steht, wie für die Musiker der Jazzwerkstatt. Und das funktioniert ausgesprochen gut.

Welche sind die besonderen Projekte, die du in der Zukunft noch realisieren willst.

Auf jeden Fall war das Mantler Projekt, ein solches. Das wollte ich unbedingt machen. Natürlich gibt es Sachen, die man unbedingt einmal machen will, Musiker, die ich gerne einmal präsentieren würde. John Zorn wäre ein solcher. An ihm waren wir ja auch schon einmal knapp dran. Geplant gewesen wäre ein sechstägiges Gastspiel, auch mit Einbeziehung österreichischer Musiker. Finanziell ist sich das aber hinten und vorne nicht ausgegangen. Auch an Ornette Coleman war ich schon knapp dran. Wen ich noch gerne einmal machen würde, ist Herbie Hancock solo. Das wäre eine super Sache. Aber im Endeffekt haben wir im Laufe der Jahre wirklich viel gemacht und viele Leute präsentiert. Leute, die vielleicht nicht die ganz Bekannten der Szene waren, musikalisch aber doch sehr, sehr interessant waren und ich es auch als sinnvoll erachtet habe, diese hier spielen zu lassen. Es gibt ja nichts schwierigeres, als zum Beispiel unbekannte europäische Szenen zu präsentieren. Das ist echt ein ziemlicher Aufwand. Ein Aufwand aber, der sich à la longue auszahlt. Auch weil ich glaube, dass das etwas ist, dass die Leute an uns schätzen.

Wo glaubst du steht das Porgy & Bess in 20 Jahren?

Ob ich selbst jetzt das Ding noch 20 Jahre machen werde, weiß ich nicht. Ich habe zwar immer noch totale Lust und Spaß, aber wie es in der Zukunft aussieht, man wird sehen. Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass es das Porgy & Bess dann noch geben und es immer noch ziemlich weit vorne stehen wird. Im Endeffekt reicht es ja mit den Musikern zu reden, um zu wissen, wo man steht. Ich war gerade in Island und war verblüfft, dass die meisten Musiker dort alle das Porgy & Bess kennen. Es hat wirklich einen ausgezeichneten Ruf. Auch international.

 

20 Jahre P&B – Street Jazz Festival (Riemergasse, 1010 Wien)

Freitag, 13.09.2013
ab 16 Uhr
Kompost3 / Wolfgang Muthspiel & Rune Arnesen / Karl Ratzer & Heinz Czadek Project

ab 22 Uhr
The P&B Jam Session – directed by Joris Dudli

Samstag, 14.09.2013
ab 16 Uhr
Judith Ferstl & treeoo / Peter Herbert & Extracello / Martin Ptak & Heinz Fallmann ‘Velvet Elevator’

ab 22 Uhr
The P&B Jam Session – directed by Joris Dudli

Sonntag, 15.09.2013

Beginn 11 Uhr
Street Jazz Festival Matinee
Klangkombinat Kalksburg “im ernst! – oder 🙂 das leben ist kein tanzlokal”

Beginn 14 Uhr
Vincent Pongracz Octet / Oberkanins & Heginger & Zach / Puschnig & Schwaller & Dickbauer

Beginn 20.30 Uhr
The P&B Jam Session – directed by Joris Dudli

 

Link:
Porgy & Bess